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die Geberde des Lanzenwurfs macht (die Lanze ist abgebrochen), steht
3. B. thuxer-hermenas turuke, nach Lanzi's Erklärung: Thocerius,
Hermena's Sohn, hat's geschenkt" (als Weihegeschenk). - Nach der
früheren Philologie kann man sehr wohl daraus machen: thuser her
mena sturuke, echt deutsch:,, dieser ger (ist) meine staerke." Das
paßt doch wunderschön. Eine andere, ebenfalls willkürlich zurecht
gemachte Inschrift, sogar mit der Ergänzung: ana arnth arprak (fiant.
lixa) kista niun: „Ana Arnth erbrach feindliche Schlöffer neun.“
Will man den Werth aller solcher Arbeiten richtig schäßen, so läuft
er auf ein bekanntes Kunststückchen hinaus, womit sich vorgerücktere
Schüler zu äffen pflegen. Distinguendum,,,bies Ding wend' um" —
servile tamen legendarum indicasse da mittes dicant se statuisse,
sehr viele Damen legen darum in die Kaffe, damit es die ganze
Stadt wiffe". dudɩ Enıη oi μnv, unv diɛnŋ oi, „da die Aebte Heu
δᾄδι ἑπτη μην, μην διεπτη
mähn, mähn die Aebte Heu."

Die Namen der Gelehrten, die diesen etruskischen Ruhm erworben, darf ich wohl füglich unerwähut laffen, da es uns keinesweges darum zu thun sein kann, bei strenger und durchaus bedingungsloser Verwerfung der Sache die Person in's Spiel zu bringen.

Wie gesagt, zu einer rein objektiven und methodischen Erforschung des Etruskischen sind kaum die ersten Grundsteine gelegt, und deshalb darf man an der Sache noch nicht verzweifeln.

"

name) vor, und jedesmal wird es aus einander geriffen, troß der
deutlichen Punkte vorn und hinten. Daß la eine Abkürzung von Lars,
dem bekannten Vornamen vieler Etrusker (z. B. Lars Porsenna,
Lars Tolumnius u. f. w.), sei, hat D. Müller, ja Lanzi schon, unwider-
leglich dargethan. Wenn man freilich diese festen immer wiederkehrenden
Wortkörper ftets beliebig zerreißen darf, dann läßt sich Alles beweisen.
Eine größere, ziemlich willkürlich gelesene und interpunktirte Inschrift
soll den Sinn haben: „Der Feuerpfuhl werde verschlossen; denn wir
bringen Reinigungswaffer dar, damit wir lösen von der Gluth den
Miffethäter. Gewähre Reinwaschung. Ihr schauderts: Blutmensch!
wende dich zum Feuer zur Läuterung; mit Blut befleckt bist du“.
Wer wird glauben, daß die Etrusker, nüchtern, wie alle Völker des
Alterthums, solchen hochtragischen Gallimathias auf ihre Grabsteine
gemeißelt haben werden! Noch schrecklichere Dinge werden überfest
(S. 113): Ein böser Herr, welcher rüftet einen Greis zum Schin-
den". Allerdings steht die Inschrift: vel. vesis. capevanial clan
(ober slan) über einem Basrelief, das allenfalls Apollo und Marsyas
darstellen könnte; aber wie kann man das so oft und in derselben
Verbindung vorkommende clan jedesmal mit „Schinden“ überseßen,
wie man folgerichtig thun mußte? Die Inschrift enthält den häufig
genug vorkommenden Eigennamen Velus Vesius und Capevanial clan,
wie alfnal clan, thocernal clan u. f. w. Die Abstammung: e Capeva-
niali gente, oder Capevaniae filius, als Name des Besizers oder des
Weihenden. Ueber die Entzifferung der großen perusinischen Inschrift
will ich nichts weiter sagen, als daß mir die gegebene Uebersetung
nicht jene Klarheit des Sinnes, jenen logischen Gedanken ganz zu
enthalten scheint, den wir selbst von einem sehr mittelmäßigen Denk
male des Alterthumes erwarten dürfen. Diese wenigen Beispiele
mögen genügen, zu zeigen, daß wir weit davon entfernt find, ungeprüft
absprechen zu wollen. Unser Urtheil würden wir umständlich und ein-
gänglich begründen, wenn hier dazu der Ort wäre, und zwar lediglich
im Intereffe der objektiven Wahrheit. Wir können den Beweis, daß
das Etruskische semitisch sei, beim beften Willen, Alles anzuerkennen,
nicht für geführt erachten.
(Schluß folgt.)

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Mannigfaltiges.

"Die Männer der Zeit.",,Men of the Time", nennt sich ein in England und Nord-Amerika seit einigen Jahren außerordentlich verbreitetes, biographisches Conversationslerifon in einem starfen Bande mit rothem Einbande, nach Art unserer Reisehandbücher von Bädeker. Engländer und Nord-Amerikaner nehmen ein solches

Herr Alfred Maury, Mitglied der französischen Akademie, der bereits früher den Lautwerth der etruskischen Buchstaben und ihre Verwandtschaften eingänglich behandelt, hat nun eine Schrift über die betreffende Sprache selbst veröffentlicht, die jedenfalls der Beachtung werth ist, da er mit einer im Ganzen wissenschaftlichen Methode verfährt und auf dem Boden der neueren Sprachforschung steht. Die Erklärung des Etruskischen aus dem Semitischen verwirft Herr Maury durchaus; er zeigt, daß in den Vergleichen, welche die Anhänger je ner Schule gemacht, Alles willkürlich und erzwungen ist. Das Unbestimmte der hebräischen Vokale, der zweifilbige Charakter der Wurzeln giebt sich zu einer Menge von Gleichklängen her, aber ohne sich zu einem ernstlich grammatisch-logischen System zusammenzufügen. Wir können nicht umhin, so weit wir die Sache zu beurtheilen im Stande sind, uns diesem Urtheile auch in Bezug auf das neueste deutsche Werk, das uns vorliegt, anzuschließen. Es führt den Titel: „Das Etruskische durch Erklärung von Inschriften und Namen als semitische Sprache erwiesen von Johann Gustav Stickel, der Theologie und Philofophie Doktor 2c." (Leipzig, bei Engelmann). Der Herr Verfaffer ist von der vollständigen Lösung der Aufgabe so überzeugt, daß er am Schluffe der Vorrede die sachverständigen Orientalisten auffordert, ,,öffentlich auf den Gegenstand einzugehen, vor Allem aber darüber sich,,Book of Reference" ebenso mit auf die Reise, wie ihren,,Muräußern zu wollen, ob, wie sie auch Einzelnes anders deuten und faffen, ihnen doch im Allgemeinen der Beweis für den Semitismus der etruskischen Sprache erbracht dünke. Im Bejahungsfalle dafür öffentlich Zeugniß zu geben, sei nothwendig, damit in den weiter betheiligten Kreisen Glaube und Zutrauen gegründet werde für die Forschungen, an deren Anfange wir stehen.“ Danach dürfte es wohl nicht übel gedeutet werden, wenn ein Occidentalist es wagt, einige bescheidene Bedenken auszusprechen. Das Buch, in Groß-Oktav, gegen 300 Seiten stark und herrlich ausgestattet, läßt, was Gründlichkeit und Umständlichkeit der Beweisführung betrifft, nichts zu wünschen übrig, und wir sind überzeugt, einen tüchtigen Kenner des Hebräischen und Semitischen überhaupt vor uns zu haben; indeß, ohne im entferntesten Ansprüche darauf zu machen, dies vollständig würdigen zu können, glauben wir im Stande zu sein, nachzuweisen, daß die Methode des Verfaffers nicht die richtige sei. Die gefundenen Resultate stehen in zu schneidendem Widerspruche mit Allem, was über das Etruskische als fest und gesichert angenommen werden muß, und die Willkür ist nicht geringer, als die anderer Gelehrten. Herr Maury tadelt z. B. den P. Taburini, daß er aus dem Eigennamen Lautnius, etruskisch Lautni geschrieben und ungemein häufig in Grabschriften vorkommend, in der großen perußischen Inschrift das hebräische lahut, „Verbrennung", macht. Bei Herrn Stickel finden wir das Wort mitten durch geschnitten: ftatt ulame vachrlautnvelthina lieft er ulame bah. gla utn velthina,,,es vertrieben uns die Velthiner" (S. 5). Die Inschrift: la. cvenle. futni (S. 185), die man ohne alles Bedenken überfegen fann: Lars Cilnius Futnius #. vgl. (daß evenle, hundertmal vorkommend, das lateinische Cilnius fei, ein Geschlecht, aus dem Mäcenas abstammte, hat D. Müller gezeigt) — diese Inschrift wird ,,von tiefer Jnnigkeit" - fie lautet hebräisch: la cephen leb beotni: ,,nicht ist bedeckt das Herz durch meinen Sarg".

Eine andere Inschrift: La. venete. la . lethinial (Lars venetius? Lartis fit Letini natus?) lautet: labê nêtê lachaled jal,,,Zu den Vätern kommen wir; zur Ewigkeit steigt er empor". Noch zweimal kommt das Wort venete (só gewiß, wie nur irgend etwas, ein Eigen

ray", denn es gehört jezt auch dort zum guten Lone, wenigstens nicht ganz unbekannt zu sein mit den berühmten Leuten des Auslandes über welche man, ebenso wie über die des Inlandes, in dem Nachschlagebuche,,Men of the Time" die nöthige Auskunft findet. Die Buchhandlung Lorck in Leipzig hat nun denselben Titel für ein in ihs rem Verlage erscheinendes, deutsches biographisches Lexikon gewählt, von welchem bis jest zwei Lieferungen erschienen sind.*) Wie wir vernehmen, ist der Redacteur der „Europa", Dr. F. G. Kühne, ein ebenso universell gebildeter, als durch seine zahlreichen Schriften dem deutschen Publikum rühmlichst bekannter Autor, Herausgeber dieses Lexikons, das, nach den vorliegenden beiden Heften zu urtheilen, welche zusammen neunzig Artikel enthalten, den ftrengen Anforderungen, die man in Deutschland an ein solches Buch machen darf, mindestens ebenso entsprechen wird, wie die „Men of the Time" den Anforderungen der Engländer und Amerikaner entsprechen. Wir glauben, daß ein solches Buch, auf das wir wenigstens auf einzelne Artikel-wohl Gelegenheit haben werden, noch hinzuweisen, einem großen Leserkreise willkommen sein werde.

Gleichzeitig haben wir das Erscheinen eines ganz ähnlichen, eben in Paris erschienenen franzöfifchen Werkes, herausgegeben von G. Vapereau, anzuzeigen.**) Dieses „Lexikon der Zeitgenoffen“ umfaßt nicht weniger als 1800 Seiten in groß Oktav und kostet 25 Frcs. (63 Thlr.) Es scheint auch, was das Ausland betrifft, ziemlich vollständig. In Frankreich selbst aber war der Herausgeber zu vollständig, denn da finden sich neben vielen bekannten Namen auch eine Masse anderer, die jedenfalls nur auf einen Eintags-Ruf Anspruch haben.

*),,Männer der Zeit. Biographisches Lerikon der Gegenwart". Grües und zweites Heft. (Preis für jedes Heft von 4-5 Bogen Lexikon - Format 10 gr.) Leipzig, E. B. Lord, 1858. **),,Dictionnaire universel des contemporains". Paris, L. Ha chette & Co.

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Korrespondenz - Berichte aus London.

Die Londoner deutschen Korrespondenten. Die Reform-, Friedens- und Sparsamkeits-Partei. Die,,Association für soziale Wissenschaft“ und die Vereine zum Wohle der arbeitenden Klassen. - Londoner Miscellen.

Die,, Londoner Deutschen Korrespondenten", und, wie es scheint, ich ganz besonders, stehen in einer Art von Verruf im lieben Deutsch land. Freunde haben mir zuweilen Stückchen aus deutschen Blättern geschickt, in welchen wir einigemal dem Hasse und der Verachtung dringend empfohlen wurden. Ein solches ausgeschnittenes Streifchen warnte vor mir persönlich und hoffte von der Redaction des,, Magazin für die Literatur des Ausländes" ganz entschieden, daß sie mich abschaffen werde. Andere begnügten sich mit Auffäßen und Leitartikelu, worin sie uns lächerlich machten. Wieder Andere hatten ein gewiffes Mitleiden mit uns und suchten aus unserer Lage in England, die uns vom englischen Staatswesen, ja von aller Beachtung, ausschließe, unferen Haß gegen England zu erklären. Kurz, wir waren dann und wann ein ordentliches Thema in Deutschland, ein Phänomen, eine ganz unerhörte, unerträgliche Merkwürdigkeit.

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,,Selbst Pallas kömmt als Mentor nicht zu Ehren“, sagte Chiron im zweiten Theile des ,,Faust", als er guten Rath geben, belehren follte. Ich, der ich nie mit Pallas habe konkurriren wollen und mir nie einbildete, ich könnte was lehren, die Menschen zu bessern und zu befehren", nahm also die mir octrogirte Kaffsandra-Function ziemlich kaltblütig hin und machte gelegentlich meinen Spaß darüber. Dies nahmen mir mehrere brave Leute übel: fie meinten, man müsse auf folche fulminanten, ehrenrührigen Angriffe entweder tüchtig erwiedern oder sich bessern, d. h. so aus England schreiben, wie es die englischen Ideen und Ideale Deutschlands verlangen. Die Erwiederungen waren schon vorausgegangen und folgten mit jedem Briefe weiter. Die Erwiederungen bestanden aus Jahre lang fast täglich fortgeseßten Thatsachen. Sie hatten just das Unglück über uns heraufbeschworen. Wozu also Erwiederungen etwa in Raisonnements und in Losziehung gegen unsere im Druck erschienenen Feinde? Also das spezielle Er wiedern war und blieb für uns quite out of the question".

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Und beffern? Das heißt deutsche Ideale mit imaginären Dingen aus England füttern? Also mein liebes Deutschland belügen? Mein Vaterland, in welchem einst, in irgend einer Ecke meine Wiege stand, verrathen? Das war zuviel verlangt. Man traute uns zwar gelegentlich alle mögliche Schandthaten zu (Gott und ich haben nie gehört, daß von uns eigentlichen Korrespondenten irgend einer Polizei jemals nur etwas Nachtheiliges zu Ohren gekommen!), aber Niemand verstand sich dazu, Deutschland aus Liebe zu belügen, oder das Vaterland zu verrathen. Ich rechne das Keinem von uns als Verdienst an; selbst dem in der Wolle gefärbtesten Bösewicht von Korrespondenten wäre es nicht gelungen, auch wenn er den besten Willen gehabt hätte. Man ist hier alle Tage so dicht von Thatsachen umgeben, daß Imaginationen, welche diese leugnen wollten, gar nicht aufkommen könnten. Kurz, es ging stets Alles sehr natürlich zu und ließ sich nicht ändern. Lesteres galt und gilt, nach unserer festen Ueberzeugung, auch von allen Herren Deutschen, welche sich nun einmal unter Groß britannien alles Große, Gloriose, Freie und Schöne, alle ihre politis fchen Ideale verwirklicht vorstellen. Es ist ihr Glaube, ihr Bedürf niß, der Fels ihrer Hoffnung, die Schazkammer ihres Selbstvertrauens. Wer sich daran vergreift, ist und bleibt ein Erzbösewicht, den sie mit Freuden hängen sehen würden. Sie können nicht anders. Lieber Gott, fie finden in fich, im lieben, ganzen Deutschland keine andere Basis für Selbstvertrauen, als England. Sie finden es doch nun einmal nicht. Also laßt ihnen wenigstens den Trost, daß wir aus purer Tücke und Bosheit gegen England schreiben. Unfereins kann sich aber die Satisfaction nicht versagen, dann und wann auf echt englische Stimmen hinzuweisen, die just so klingen, wie die Berichte von Londoner deutschen Korrespondenten. Daß nach meiner vieljährigen

1858.

Erfahrung just stets alle durchgebildeten, unabhängigen (nicht politisch engagirten) Engländer ihr Land und ihre Leute ebenso beurtheilen, wie wir, will vor unseren Feinden nicht viel sagen. Sie werden eine fach erwiedern: Das ist gelogen! Was wissen die von durchgebildeten, unabhängigen Engländern?

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Gut, gelogen. Aber Dickens, Thackeray, der Dichter des Festus", Carlyle u. s. w. lügen nicht. Mag sein, aber sie dichten. Wir wollen respectable Zeugen, glaubwürdige. Was giebt es Respectable. res für meine Feinde, als Parlamentsmitglieder? Nichts, schlechterdings nichts. Nun, wer hat Cobden gehört und gelesen, Cobden, den populärsten politischen Engländer, der die Korngefeße und Palmerston stürzte? Wir haben nie ein Urtheil über das politische und soziale England ausgesprochen, das wir nicht durch Cobden oder einen seiner Kollegen als englisch legitimiren könnten.

Ach, Cobden! Cobden ist todt. Cobden ist aus dem Parlamente gefallen und bis jeßt nicht wieder hineingekommen.

Das ist richtig. Aber Bright, John Bright, der dicke Quäfer, der vor einigen Wochen thatsächlich ganz England erschütterte. Er hielt eines Abends seine Rede auf einem Festessen in Birmingham. Die Times wußte schon vorher, daß der Mann etwas sagen und ihre Leser derselben Meinung sein, daher verlangen würden, so schnell als möglich zu erfahren, was er eigentlich gesagt habe. Sie bezahlte das her für ihren Berichterstatter von dem Brightschen Bankett einen er preffen Eisenbahnzug, der mit der Brightschen Nede in der Tasche (unterweges schon von mehreren Geschwindschreibern aus dem steno graphischen in's buchstabensche Englisch überseßt) die 112 Meilen von Birmingham bis London, vor 16 Zügen vorbei, die alle berücksichtigt und gemieden werden mußten, in 24 Stunden zurücklegte. Fünfund. zwanzig Minuten nach 10 Uhr Abends hatte der Stenograph das lehte Wort John Bright's in Birmingham auf das Papier geschleudert. Dreißig Minuten nach 10 ging der Zug ab und war, vor 16 Zügen vorbei, die alle wegen dieses Expreffen, shunted") werden mußten, über mehrere entschiedene Gefahren hinweg um 1 Uhr des Nachts auf dem Londoner Eisenbahnhofe. Hier sprangen die Stenographen und Ueberseßer in ein „Fly" von Wagen, und flogen, wie Spriten zu einem Feuer, nach dem verstecktesten und mächtigsten aller City-Winkel, nach Printing-House- Square, wo die Times allemal über Nacht entsteht. Die Seher fielen über ein ganzes Paket numerirter beschriebener Zettel her, stürzten nach ihren Letter kasten und kamen Jeder nach einigen Minuten herbeigeflogen, um ihre paar Zeilen unter Direction in die große Form zu schieben. Nach 4 Uhr war die ganze Rede Bright's, vor einigen Stunden in Birmingham gehalten, in London gesezt und 7 Uhr Morgens in 70,000 Exemplaren gedruckt. Sie war dieses Wunder von Eile und Ausgaben werth: sie erschütterte England durch männliche, ehrliche Wahrheit, durch Zusammenstellung von Thatsachen, welche zum grandiosesten Sündenregister durch Worte, die Allen, welche denken, Allen, welche schreiben können, zu einem Krösus-Reichthume von Kapital wurden.

Und was hat der John Bright gesagt? Nichts, als was wir Londoner deutschen Korrespondenten seit Jahren im Detail oder en gros in Thatsachen gefunden und ausgesprochen. Ich gehe jede Wette ein, daß ich alle die bekannten, aber in diesem Ensemble und aus diesem Munde als grandiose Enthüllungen erschütternden Thatsachen John Bright's in deutschen Briefen gelegentlich angeführt und beleuchtet habe. Nicht, daß ich mich dessen rühmen wollte. Es ist etwas ganz Anderes, wenn ein wichtiges, mächtiges, populäres, millionenfach geachtetes und tausendfach gehaßtes Parlamentsmitglied dasselbe und in einem solchen Bankett-Rahmen, unter diesen politischen und parlamentarischen Konjunkturen in der Sache dasselbe ausspricht. Ja, ja, etwas ganz Anderes. Aber die Identität des Materiales kömmt uns nichtsdestoweniger vollauf zugute.

„Und Brutus ist ein ehrenwerther Mann." Man hat ihm oft

*), shunt", Medification von shun (schouen, meiden) heißt etwas thun, um etwas Anderes zu meiden, auf Eisenbahnen: Züge ändern, um einem r preffen die Bahn frei zu halten. (Ans meinem Eupplement-Lerikon.)

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dasselbe vorgeworfen, was von Londoner deutschen Korrespondenten oft so grimmig denunzirt ward: er hasse England, er kenne England nicht, er sei am Ende wohl gar kein Engländer. Außerdem sei er ein Bösewicht, wofür viele andere Worte und Umschreibungen gebraucht wurden. Ja, es wurde seinen Feinden nach der fulminanten Rede äußerst sauer, ihn nur zu schimpfen. Sie schämten sich ganz offerbar dieser Function, und auch seine grimmigsten Gegner entschuldigten sich vor oder nach der Partie des Verleumdens, daß er ein ehrenwerther Mann sei u. f. w. Das Material feiner Angriffe gegen, und feiner Klagen über das jeßige England wagte Niemand ernstlich anzutaften. Wir sagen nicht, daß es nicht auch heftige Angriffe gegen die von ihm angeführten Thatsachen und die daraus gezogenen Schlüffe gegeben habe, aber sie liefen auf Unfinn hinaus und verstärkten so den Brightschen Standpunkt, der kein anti-englischer, kein isolirter, sondern der Standpunkt aller ehrlichen, einsichtsvollen, patriotischen Engländer ist, welche in der Partei-Phraseologie Manchester-Männer, Partei der Reform, des Friedens und der Sparsamkeit" genannt werden. Diese Partei wird entweder England regieren und von den Folgen einer reformfeindlichen, kriegsfreundlichen und verschwenderi: schen bisherigen Wirthschaft zu retten suchen, oder England wird untergehen. Leztere Befürchtung wurde, wenn wir sie gelegentlich aussprachen, besonders lächerlich gefunden. Auch Bright wurde deshalb angegriffen und ausgelacht. Er kam auch in seiner Rede beiläufig mit auf diesen Punkt. Ein Kalkutta - Korrespondent hatte ihn mit Rom geschlagen, welches achthundert Jahre wie England Politik getrieben habe und groß geblieben sei. Bright erwiederte darauf nur beiläufig und schwach: er wolle das blutdürstige Nom nicht als Muster für ein christliches Land" gelten lassen und Englands Größe auch nicht auf achthundert Jahre beschränken. Das hieß, den Unsinn eines solchen Gegners schonen. Gibbon, der englische Historiker größten Namens, hat entschieden nachgewiesen, daß Nom an seiner Politik, die England nachahmt, zu Grunde ging, just am meisten innerlich verfiel, als es sich äußerlich am gloriofesten vergrößerte. Bedenkt man außerdem, wie lange England diese römische Politik schon getrieben hat, wie schnell jezt gelebt, d. h. Ursache und Wirkung dicht zusammengeschoben werden, wie schnell man dabei altert u. f. w.,, so käme am Ende selbst auf dem Standpunkte des Kalkutta-Korrespondenten just jest die Zeit heraus, in welcher England durch die Nemesis seiner Glorie von dieser achthundertjährigen römischen Glanz periode mit der beschleunigten Geschwindigkeit der Lehre vom Fall herabgeschleudert würde.

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Die auswärtige Politik, von der die conventionellen Phrasen macher alle Glorie und die Reformer, Friedens- und Sparsamkeitsmänner, wie Bright, alles Elend und alle Schande, alle Schwäche und den Verfall Englands ableiten, stellt bereits auch thatsächlich Verfall heraus. Die auswärtige Politik Englands führte stets bestimmte noble Zwecke im Schilde: „Aufrechterhaltung der Freiheiten Europa's“, „Unterstüßung protestantischer Intereffen“ und „Gefälligkeiten gegen unseren alten Freund", "Gleichgewicht der fünf Großmächte". Unter diesen Vorwänden führte England stets Krieg. Bright wies nach, wie überall nicht nur das Gegentheil dieser lügnerischen Vorwände, sondern auch der wirklichen, sehr handgreiflichen „praktischen Zwecke“ herausgekommen sei. Es kostete zweitausend Millionen Pfund. Es kann sich nicht so leicht Jemand eine richtige Vorstellung davon machen. Bright konnte es auch nicht. Aber er machte es grimmig anschaulich, wie diese zweitausend Millionen vom Volke produzirt und ihm weggenommen wurden, wie ihm jezt auch allein 28,000,000 Pfund Sterling jedes Jahr weggenommen werden, um die Zinsen der Hälfte der baaren 1000 Millionen Pfund Kriegsschulden zu bezahlen. Die 7 Millionen Pfund Armensteuern jährlich, die Millionen Menschen, die davon leben sollen und es nicht können, und daher in tausenderlei Weise den noch gefunden Theilen der Bevölkerung zur Last fallen, die doppelten Kosten, welche für alle von den regierenden Klassen bestellten und bezahlten Leistungen vom Volke aufgebracht werden müssen, alle diese in die Millionen gehenden und stets zunehmenden Folgen der auswärtigen Politik Englands, die mit zunehmender Gefräßigkeit an der inneren Politik Englands, an dem eigentlichen gloriosen Körper Englands zehren, wurden von Bright so zusammengestellt und ausgesprochen, wie wir dies in der Sache seit Jahren bald in dieser, bald in jener Phase ebenfalls gethan haben. Dies giebt mindestens die Identität unserer Standpunkte, wobei wir ganz darauf verzichten, etwa etwas von der Ehre, der Popularität und dem Schrecken, den Bright verbreitete, abhaben zu wollen.

Wir machen hier blos darauf aufmerksam, daß diese Unzufriedenheit der englischen deutschen Korrespondenten mit England nicht eine uns Fremden eigenthümliche, sondern die mächtige, echt englische, im Parlamente gerade von den ehrlichen und Ehrenmännern vertretene, für die nächste Parlaments-Periode mit Schrecken gefürchtete, patriotische, reformative Unzufriedenheit ist, welche die eigentlich regierenden Klassen für so mächtig begründet und gerecht halten, daß sie nicht

mehr hoffen, es werde ihnen diesmal auch gelingen, was unter Vorwänden, daß Krieg draußen sei oder drohe, bisher seit beinahe einem Durchschnitts - Menschenalter ihnen jedes Jahr gelang, nämlich ohne „Reform-Bill" für England selbst durchzukommen. Wir glauben nicht mit den Manchester - Männern und der neuen „, Reform - League“, daß mit der besten, radikalsten-Reform-Bill kurirt werden könne, was Palmerston und die Seinigen gefündigt; selbst ein ganzes Parlament voller Bright's oder ehrlicher, patriotischer, einsichtsvoller Engländer käme jest vielleicht schon zu spät; aber man sieht doch wenig. stens, daß dieser Standpunkt, mit welchem wir uns ohne Verdienst, blos weil es die Sache so mit sich brachte, identifizirt haben, tein isolirter englisch-deutscher Korrespondenten-, sondern ein vollblutengli scher, mächtiger, wirkender, populärer und durch und durch ehrenvoller Standpunkt ist. (Schluß folgt.)

Italien.

Neue Versuche, das Etruskische zu entziffern.

(Schluß.)

Nachdem Herr Maury den semitischen Ursprung des Etruskischen abgewiesen, geht er zu dem Beweise über, daß es dem indogermanifchen Sprachstamme angehöre, und zwar theilt er feine Schrift in zwei Theile, indem er im ersten den arischen Charakter und seine Verwandtschaft mit dem Griechischen und Latein überhaupt entwickelt, im zweiten den Zweig zu ermitteln sucht, dem er zunächst zugehört. Zu dem Ende sammelt er zuerst alle die etruskischen Worte, die uns bei alten Autoren erhalten sind. Freilich sind sie sehr ungleich an Werth und bisweilen gerechten Bedenken ausgefeßt; indeffen ist das Feld doch nicht ganz unergiebig.

Nach Hesychius z. B. hieß der Habicht etruskisch aracos. Herr Maury vergleicht nicht mit Unrecht das griechische lɛgus, Habicht, wozu ich noch das litauische raragas, rarags, Geier (jeßt veraltet), stellen möchte. Der Stamm rag (ńyvvμı), „zerreißen“, scheint zu Grunde zu liegen. Der Flötenspieler hieß subulo. Herr Maury erklärt es aus lateinisch sub und avhos, Flöte, gewissermaßen von subaulare. Warum nicht einfacher von lateinisch sibilare, pfeifen, zischen, französisch siffler? Im älteren Latein könnte man recht füglich, statt sibilare, subulare gesagt haben; Französisch souffler, das man noch versucht sein könnte, her zu ziehen, kommt von subflare, „unterblafen". Cassis, Helm, vom griechischen zuσovw, nähen, weil die Helme aus genähtem Leder bestanden hätten, ist ebenfalls sehr bedenklich. Ein Gemälde aus dem schönen Grabe von Bulci, das Noel, Devergers und François entdeckt haben, zeigt, daß binthial, welches auch auf einem Spiegel aus Vulci (mit der Todtenfahrt des Odysseus geschmückt) vorkommt, einen Schatten, Todtengeist bezeichnete. Herr Maury hegt die Vermuthung, die ich mit einer Notiz aus einem alten Schriftsteller als richtig belegen könnte, daß hinthial Nebenform von finthial sei, und vergleicht griechisch párṛaoμa (Trugbild) — ein Mißgriff! pávraoμa enthält ein altes Partizip ya-evr-áŝo von yaɛís. Ich habe bereits irgendwo gezeigt, daß umbrisch zwei Unterweltsgötter Hondus und Hondia hießen, und daß leßtere der etruskischen Hinthia entspricht; hinthial ist also,,ein unterirdischer“. Lateinisch mug man wohl hendere (prehendere), „faffen, ergreifen“, zum Stamm annehmen. Vom Ergreifen find öfters die Todtengötter genannt. Man denke an die lycischen, seelenraubenden Harppien; arse verse, das nach Festus averte ignem heißen soll, ist ganz echt umbrisch, lateinisch: arsum verte, wie auch Herr Maury anerkennt. Echt etruskisch wird es arsem verthe gelautet haben. Die Schwächung von u in e und Auslassung von m läßt sich genügend rechtfertigen. Bei mantissa (additamentum) denkt Herr Maury an griechisch μarášeır, worauf, wenn ich nicht irre, schon Döderlein gerathen.

Auf die Eigennamen der Ortsnamen in Etrurien darf man wenig Gewicht legen; viele derselben können lateinisch, gallisch, sikulisch, Griechisch sein, und man kann jeden Augenblick fehlgreifen. Was den von den Alten angegebenen Zusammenhang der Etrusker mit den Rhätiern (in Graubündten) betrifft, so bemerkt Herr Maury mit Recht, daß dieses Romanische nichts als ein italiänisches Patois ist, mit dem sich nicht viel anfangen läßt. Der lydische Ursprung der Etrusker ist andererseits durch die neuere Wissenschaft so fabelhaft geworden, daß er ganz auf sich beruhen mag, zumal wir vom Lydischen so gut als gar nichts wiffen.

Sehr bemerkenswerth dagegen sind die Uebereinstimmungen, die Herr Maury, trog D. Müller's gegentheiliger Behauptung, für den Zusammenhang mit dem Keltischen gebracht hat, und ich kann nicht umhin, das Schlagendste davon mitzutheilen. Daß das häufig vorkommende Wort clans, Sohn, und clens (Abl. clensi), Geschlecht, Stamm, bedeute, daran kann füglich kein Zweifel sein. Zweisprachige Infchriften lehren es unwiderleglich: z. B. v. caszi. c. clans - C. Cassius C. filius Saturninus. Gaelisch bedeutet clann Kind, AbkömmlingAndere Worte, falandum (Himmel), gael. flaitheas — idus, Monatsmitte, gael. eadar, idar, irl. idir, Theilung, Trennung; lanista,

etr. Fechtmeister, gael. lann, mit dem Degen fechten. Tages, Damon der etr. Gefeßgebung, gael. (obsol.) taig; Gewohnheit, Gefeß, (vgl. griechisch, ragow, xray, ordne); die Flüsse Clanis und Arnus; felt. glen, enges Thal, das Flüffen, wie Glen, Clain, den Namen gegeben; Jern, alter Name des Shannon in Irland. Lat. fretum (aus dem Etrusk.?), schottisch frith, Meerenge, Meerbusen. Tinia, Tina, der etr. Jupiter, gael. teine, Feuer, Flamme, teine adhair, Blig; bidental, Opfer am Ort, den der Blig getroffen; bi. teintal, zweimal vom Blig getroffen (?); Lucumo, etr. Fürft, gael. luchdmionn, Stammhäuptling. Das Wort leine nimmt in Grabschriften häufig die Stelle ein, die sonst ril (Jahr) hat, und steht stets bei Zahlen, Gael. und. Jr. linn, Generation, Geschlecht, Stamm. Häufig kommt im Etrusk. vor sonst bekannten Wörtern ein sonderbar vorgeschobenes t vor, z. B. Aplu und T'aplu, Apollo, Turms, Hermes, ularu und t.ularu, Turan, Venus, Urania, Thepuza, Aebutia, Tlabon und Labon, Talmethi, Admetus, Thecsa Accesia, Thapana für Apania? Nigri filius ift in einer zweisprachigen Inschrift mit Thapirnal gegeben; Herr Maury findet darin Afer, Afrikaner. Dieses ist keltisch, z. B. im Gael. ore oder tore, Schwein, und selbst im Franz. nachwirkend, wo aus lat. amita → tamita, tante entstanden ist. Die Perfekt-Endung ce bei Verbalformen, wie turuce, minice, esece, foll gleichfalls im Gaelischen existiren. - Auch die Zahlwörter, die man (wahrschein lich abgekürzt geschrieben) auf den etruskischen Würfeln von Campa. nari liest, haben mit dem Keltischen von allen arischen Sprachen die meiste Aehnlichkeit:

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nur die Zahl Eins" ist ganz abweichend; zal würde sich erklären laffen aus früheren tar (tres, drei), etr. Venelus statt Venerus, und t zu z geschärft, wie im deutschen tal, Zahl u. f. w.

Wenn auch manche dieser Uebereinstimmungen täuschend sein mögen, so bleibt doch genug übrig, um Glauben zu erheischen. Das Etruskische wäre demnach keltisch gewesen. In der That hält Herr Maury dasselbe eng mit dem Keltischen, namentlich mit dem irisch schottischen Zweige, verwandt.

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Dieser Schluß ist indeß falsch; die Wahrheit ist blos die, daß die für uns jest noch unbekannte, jedenfalls arische Sprache der Etrusker stark mit Gallischem versezt war. Wie alt mögen unsere Wie alt mögen unsere ältesten Denkmäler sein? - Höchstens reichen sie in's dritte Jahrhundert v. Chr. hinauf, wenigstens die allermeisten. Nun wohl, vera gißt man denn, daß nach dem gallischen Einfalle in Rom, Etrurien, Umbrien und die angränzenden Länder von den aus Ober-Italien gekommenen Galliern überschwemmt waren? Kann sich in jenen Zeiten nicht das Etruskische stark mit gallischen Elementen versezt haben? Galten nicht die den Etruskern benachbarten Umbrer theils für Mischlinge, theils ganz für Gallier? Existiren nicht im Latein selbst früh zeitig gallische Ausdrücke? z. B. caterva, arpentum, aripennis, petorritum, Epona u. f. w. Können jene Würfel nicht ebenso gut einem gallischen Häuptlinge in's Grab mitgegeben worden sein, als einem Etrusker? Manche Denkmalnamen, z. B. Arauthrec, Avilerec und andere klingen ganz gallisch, wie z. B. Caturix, Vercingetorix, während die allermeisten Verwandtschaft mit dem Latein zeigen.

die Literatur der Deutschen, sowie auf dem Gebiete der Jugendschrif ten, aufmerksam gemacht und hoffen, daß recht viele Bücherkäufer sich diese praktischen Nathgeber angeschafft, die ihnen besser als irgend ein Buchhändler sagen können, wie sie bei Ausstattung ihrer Bibliotheken oder bei der Anschaffung von Jugendlektüre für ihre Kinder zu verfahren haben. Ganz vor kurzem ist nun in Leipzig ein dritter Nachtrag zu Klüpfel's literarischem Wegweiser erschienen, der die auf kulturgeschichtlichem Gebiete während der Jahre 1856-1858 erschie nenen deutschen Werke umfaßt.") Dieser von einem sehr praktischen Gesichtspunkt aufgefaßte „raisonnirende Katalog“ ist mit einem Vorworte über Schriftstellerei und Buchhandel ausgestattet, welchem wir die nachstehenden, interessanten Notizen zur Statistik des Buchhandels und Büchermarktes entlehnen:

,,Was den literarischen Verkehr in Deutschland betrifft, so gilt es für ausgemacht, daß in Norddeutschland viel mehr Bücher geschrieben und gekauft werden als in Süddeutschland; besonders Sachsen und die Mark sind wohl am schreib und kauflustigften. In Deutschland ist das in geistigen Interessen gerade nicht voranstehende Desterreich ein von den Buchhändlern besonders geschäßtes und berücksich tigtes Absaggebiet, während auffallender Weise das benachbarte Bayern für den schlechtesten Büchermarkt gilt. Ein Grund dieser Erscheinung möchte darin zu suchen sein, daß das Interesse für die Literatur in Desterreich noch neu und frisch ist und weniger Büchervorräthe aus früherer Zeit dort vorhanden sind, und daß in Bayern, nach dem Vorgang der Hauptstadt, der Sinn für bildende Kunst mehr entwickelt ist, als der für die Literatur. Der wohlhabende Bauer oder Gewerbsmann in Altbayern denkt in der Regel nicht daran, außer einigen Gebetbüchern und etwa den „fliegenden Blättern", weitere Geistesnahrung in's Haus zu schaffen, während der reiche Landwirth in Norddeutschland seine kleine Bibliothek hält und selbst der minder bemittelte Bürger und Handwerker sich das Geld am Munde abspart, um sich ein unterhaltendes oder belehrendes Buch zu verschaffen. Schon günstiger als in Bayern stellt sich die Sache in Württemberg; Stuttgart ist ein Hauptplaß für die literarische Production, weniger freilich für den Absah. Das umgekehrte Verhältniß findet in Baden und in der Rheinpfalz statt, wo schon der allgemeine Wohlstand des Volkes dem Bücherkaufen günstig ist, während die Productionsluft zurücktritt. Zum Belege des eben Gesagten fügen wir einige Notizen aus dem Geschäftsbetrieb einer Leipziger Verlagsbuchhandlung bei, die uns das Verhältniß des Absahes nach den verschiedenen Ländern folgendermaßen angiebt.

Die Prozente des Absaßes von 1857 vertheilen sich so:
Preußen mit...
30 pCt.

Königreich Sachsen und die
Herzogthümer.

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20

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Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß der Absaß nach Desterreich gerade bei dieser Buchhandlung unverhältnißmäßig schwach ist, und daß von den 20 pCt. Absaß nach Sachsen 6-8 pCt. auf Bezüge der Leipziger Kommissionäre für auswärtige Rechnung fallen dürften.

Eine noch detaillirtere Anschauung giebt die Berechnung vom Jahre 1844, in welcher die Prozente des Absages in Beziehung gesezt sind zu der Zahl der Buchhandlungen in den einzelnen Ländern und Städten. Es ist dabei besonders bemerkenswerth, daß bei Desterreich und Preußen das Absazverhältniß ganz dieselben Prozentsäße darbot, wie das Verhältniß der Buchhandlungen zur Gesammtsumme derselben.

Bringt man andererseits in Anschlag, daß der Einfluß des Griechischen auf das Etruskische jedenfalls sehr bedeutend war, wie ihre Kunft, ihre Mythologie u f. w. deutlich zeigen, so wird man sich kaum entbrechen können, das Etruskische für eine Mengsprache zu halten. Nun denke man sich eine Mengsprache mit so unvollkommenem Alphabete, wie das Etruskische, das kein o, kein d, g, b hat, geschrie. ben, man denke es sich reich an Abkürzungen, namentlich der stehenden Formeln, und ziemlich frei in Orthographie, sehr frei in der Wortabtheilung, da oft ganze Zeilen ohne Trennungszeichen sind u. f. w.; man bringe in Anschlag, daß vielleicht 12 der Inschriften abgekürzte Eigennamen und Formeln enthalten, und daß kaum fünf oder sechs Inschriften etwas wirklich Zusammenhängendes geben, das keiner Entzifferung Anhalt böte, und man wird sich nicht wundern, warum das Räthsel noch ungelöst ist. Was den Berichterstatter betrifft, so hält er den unbekannten Kern des Etruskischen für weiter nichts als einen umbrisch-lateinischen Dialekt. Der Probeftein der Entzifferung ist die große perusinische Inschrift, und gerade, fie läßt sich zu gut zwei Dritteln durch den umbrisch-lateinischen Schlüffel auflösen, ohne Preußen, Bundesst. daß man nöthig hätte, irgendwie gewagte Kunststücke zu machen andere Staaten

A. KI.

Zur Statistik des Buchhandels und des Büchermarktes in Deutschland.

Wir haben in diesen Blättern bereits vor längerer Zeit auf die beiden von Klüpfel und Bernhardi herausgegebenen Wegweiser durch

Desterreich. Bundesst.

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andere Staaten

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59

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*),,Literarischer Wegweiser für gebildete Laien". Von Dr. Karl Klüpfel. Dritter Nachtrag zu dem,,Wegweiser durch die Literatur der Deutschen“. Leipzig, Gustav Mayer, 1858. (Obwohl dieser Nachtrag auch eine Menge deutscher Zeitschriften, denen die unserige mindestens gleichsteht, namhaft macht und empfiehlt, unser,,Magazin“ aber gänzlich ignorirt, haben wir dech nicht Gleiches mit Gleichem vergelten wollen, was überhaupt nicht unsere Sache ist. D. R.)

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Ebenso wie Sachsen durch das Leipziger Kommissionsgeschäft eine verhältnismäßig große Zahl Prozentée hat, so ist auch bei Hamburg, welches in dieser Rechnung allein 34 pCt. abnimmt, der Bedarf für den Norden und Amerika eingerechnet.

Wie sehr der buchhändlerische Verkehr seit den lezten Jahrzehnten zugenommen hat, zeigt sich an der steigenden Zahl der Buchhandlungen. Im Jahre 1831 existirten in Deutschland nur etwa 300 Städte mit 1011 Buchhandlungen; besonders auffällig ist die Zunahme in Berlin 1831 80 Buchhandlungen 1855 195 Buchhandlungen in Leipzig 1831 79 1855 156 in Stuttgart 1831 17 1855 55

Vom Jahr 1831 an war der Buchhandel im Wachsen, bis zum Jahr 1846, dann trat in Folge der Theuerung und noch mehr der politischen Ereignisse im Jahr 1848 eine Abnahme ein, die sich mit der hergestellten politischen Ruhe allmählich wieder ausglich. Die Absazverhältnisse der Verlagshandlungen find natürlich durch die Art der Bedürfnisse der verschiedenen Bildungs- und Berufsklassen viel fach modifizirt. Die meisten Bücher wissenschaftlichen Gehalts werden (abgesehen von den öffentlichen Bibliotheken) in den Kreisen gekauft, welche den Universitäten angehören oder nahe stehen. Hauptsächlich find es die Universitätslehrer selbst, sodann solche, die eine Universitätsbildung genoffen haben und durch ihren Beruf darauf angewiesen find, ihre Studien fortzufeßen, besonders Lehrer, Geistliche und Aerzte. Leider vermindert sich nur in neuerer Zeit diese Klasse von Käufern immer mehr, da die schmalen Besoldungen nicht mehr zureichen, um neben den gesteigerten Ausgaben für die täglichen Lebensbedürfnisse einen Bücher-Etat zu erübrigen. Dieses unnatürliche Verhältniß ist um so mehr zu bedauern, als mit der größeren Einnahme in den höhe ren Kreisen der Gesellschaft keinesweges der Aufwand für Bücher verhältnißmäßig steigt, indem der Lurus in anderen Dingen das BücherBudget auf eine unglaublich kleine Summe herabdrückt. Während in England und theilweise auch in Frankreich auf den Familienfigen des Adels eine Bibliothek zur Ausstattung des Hauses gehört, und es auch bei deutschen Familien der adeligen und bürgerlichen Aristokratie früher Sitte war, eine Büchersammlung zu halten, so ist es jegt eine große Seltenheit geworden, daß in einem Haufe alljährlich eine bestimmte Summe für Bücher verwendet wird. Zu dem allgemeinen Gebrauch der Familie wird etwa außer den Schul- und Kinderbüchern noch eine Ausgabe von Schiller und Göthe, ein Conversationslerikon, eine Zeitschrift zur Unterhaltung und Belehrung und, wenn es hoch kommt, eine Weltgeschichte angeschafft. In dieser Beschränkung geht die Literatur wohl auch in die Kreise des städtischen Handwerkerstandes herab. An die Stelle der Familienbibliothek tritt die Theilnahme an einer Lesegesellschaft, das Abonnement bei einer Leihbibliothek, und diese Institute find es, auf welche der Verleger von Werken für die Unterhaltung vorzugsweise zu rechnen hat. Der größere Theil des Etats der Lesegesellschaften wird in der Regel für Zeitschriften verwendet, für Bücher bleibt nur ein kleiner Theil übrig. In den Leihbibliotheken bilden die Romane, welche ein unterhaltendes Lesefutter darbieten, den Grundstock, an den sich populäre naturwissenschaftliche Schriften, Reisebeschreibungen und Memoiren anschließen."

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werden; zweitens aus einem Jnder, der die Eitel der Werke, die schon unter den Autor - Namen verzeichnet sind, mit einem oder mehreren Schlagwörtern andeutet und auf den Autor im Katalog hin weist. So würde z. B. Eichhorn's. Einleitung in das alte Tefta ment" zuerst unter dem Autor-Namen: Johann Gottfried Eichhorn x. im Katalog und dann unter den Schlagwörtern,,,Einleitung" und "altes Testament" zu finden sein. Es entspräche dem Zwecke Aller, die beim Buchhandel unmittelbar betheiligt sind: der Verleger, der Sortimentshändler, der Käufer. Wer ein Buch verlangt, nennt gemeiniglich den Verfasser; kennt er diesen nicht, so nennt er den Buchtitel, freilich oft unrichtig, aber doch mit Einem richtigen Wort, und der Inder giebt dann Auskunft.

Nüglich mag ein solches Katalogisirungs-System jedenfalls sein: die Frage ist nur, ob der Nußen dem Aufwande von Arbeit und Geldkosten entspricht? Nehmen wir Copernicus': „, De revolutionibus orbium coelestium", diesen zusammengeseßten Titel müßte der Jnder unter: „revolutio", „, orbis", „, coelestis” anführen; ebenso Newton's: „Philosophiae Naturalis principia mathematica". Kaum anwendbar erscheint die Methode auf alte Werke, die der Verfaffer der Abhandlung avý gar nicht in den Kreis seiner Besprechung zieht; für die Werke de Neuzeit dürfte das neue System indeffen praktischer und von größe. rem Nußen sein.

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,,Stimmen der Zeit." Unter diesem bezeichnenden Titel giebt der bereits bekannte politische Schriftsteller Adolph Kolatschek eine neue Monatsschrift für Politik und Literatur unter der verant wortlichen Redaction von F. Walthe in Gotha heraus. Das erst Heft für Oktober ist erschienen und erregt durch seinen reichen Inhalt und durch den Grundton, in welchem diese,,Stimmen der Zeit“ gehalten sind und wohl auch ferner gehalten werden sollen, d. h. durch die Grundfäße, von denen diese neue Zeitschrift sich scheint leiten laffen zu wollen, die gerechte Erwartung, daß sie einem fühlbaren Bedürfnisse unserer Zeit in parteilofer und verständiger Besprechung der Angelegenheiten der Politik und Literatur für Deutschland werde abhelfen können, wenn auf der anderen Seite auch das Publikum de Erwartungen entspricht, die in einem Auffaße des vorliegenden ersten Heftes auch insofern ausgesprochen werden, als „der innige Anschlus aller Gutgesinnten an einander und das gegenseitige Unterstüßen ihra Bestrebungen“ nicht nur gewünscht, sondern als nothwendig erachtet wird,,,um Deutschland vor der Fäulniß zu retten, die in ihm am sich greift". In ruhiger Haltung, wiewohl zuweilen etwas befanger wenn es um Anerkennung norddeutscher Bestrebungen und Leistunger sich' handelt, werden die Gebrechen und Gefahren unserer Zeit af dem weiten Gebiete deutscher Politik und Literatur besprochen and dargelegt, und der geistige und wiffenschaftliche Zustand in Deutsc land geschildert, den der Verfaffer nur mit Bekümmerniß“ betrachten kann.

Faust auf der Pariser Bühne. In Paris, in Theater der Porte St. Martin, wird jezt ein „Faust“ aus der Feder des die schaulustigen Pariser genau kennenden Melodramen- und Zugftüd Dichters, Herrn Dennery, unter fortdauerndem Zulauf aufgeführt. Goethe's "Faust", und zwar gerade der zweite Theil, hat dem französischen Melodrama zur Grundlage gedient. Die Heldin des leßteren ist ein weiblicher Geist, Namens Sulphurine, der als Homunculus aus der Retorte des Famulus Wagner hervorgegangen. Dieser Geift, die Helena aus dem zweiten Theil des Goetheschen Drama's, ver-! führt unter dem Namen „Olympia“ den von ihr bezauberten Fauft, der aus Liebe zu ihr jede Sünde begeht. Dafür wird er denn aud am Schluffe, zur Erbauung des Parterres und der Galerie, dem m Mephistopheles geschlossenen Vertrage gemäß, in guter alter Weise vor Teufel geholt, während Gretchen für alle ihre Sünden Vergebung er hält. Wie gewöhnlich in der Porte St. Martin, haben auch in diesem Stücke der Decorationsmaler und der Maschinist zwei Hauptrollen. Der dritte Aft des Denneryschen Melodrama's spielt in Ostindien, wo Fauft, der den Wunsch ausgesprochen, ein großes Land zu regieren, Maharadscha wird und Mephisto fein Premier-Minister ift. Ein anderer Akt spielt in Herculanum, deffen untergegangene Römerwelt auf Faust's Wunsch neu ersteht. Darüber ist nun das Publikum der Porte St. Martin außerordentlich entzückt. Und dieses über ganz Paris verbreitete Publikum findet den glänzenden Erfolg des Stückes um so natürlicher, als es gehört hat, daß ein,, grand poëte allemand” ihm eigentlich den Stoff geliefert!

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