Billeder på siden
PDF
ePub

rechtfertigt! Der Verfasser bejaht die Frage.,,Es ist augenscheinlich, darauf aus, sie zu spornen, als zu zügeln, sie vorwärts zu drängen, sagt er, daß, wenn Karl in diesem blutigen Kampfe Sieger gewesen, als vor Fehltritten zu warnen. als vor Fehltritten zu warnen. Die Föderalisten verschanzten sich die Freiheit und die Religion Englands zugrunde gegangen wären.“ hinter der Verfassung und dem Präsidenten, diesen durch die öffent Die Freiheit allerdings, und das ist die Hauptsache! und auch wohl liche Verehrung geheiligten Bollwerken: aus diesen mußten sie hinaus. die Religion, wenn wir darunter eine bestimmte kirchliche Form, wie gedrängt werden. Er fing an beiden zu rütteln an: das große Un. fie damals in England als Puritanismus, Presbyterianismus c. auftrat, glück, wenn Bestimmungen des Grundgefeßes, die den Feinden der verstehen, mit deren Untergang aber nicht der der Religion überhaupt Republik zum Vortheil ausschlagen, beseitigt; wenn dem Heiligenschein nothwendig verknüpft war; denn die echte Religion vermag kein Tyrann um das Haupt des großen Mannes, deffen Tugenden der guten Sache zugrunde zu richten, da sie überhaupt nicht untergehen kann. Nur Nur schaden, einige Strahlen genommen werden! Eine undankbare Arbeit kirchliche Formen können mit Gewalt abgeschafft und mit anderen ver- allerdings, die aber Jefferson den Packeseln seiner Partei aufzuladen tauscht werden, an denen, wenn sie nicht von wahrer Religiösität be gedachte; er wollte nimmer für den Gegner der Verfassung und seelt werden, am Ende wenig liegt. Freilich gedeiht die wahre Re- Washington's, dieser großen moralischen Mächte, gelten, und zich jedes ligion nur in der Freiheit. Wo eine herrschende Kirche, ein bestimmtes üble Gerücht über ihn öffentlich der Lüge und Verleumdung. Doch kirchliches System als das allein berechtigte die Religion zu repräsen bald kam seine Doppelzüngigkeit zu Tage. Das Direktorium, im Sreit tiren sich anmaßt, da herrschen Heuchelei, äußerer Formendienst, Un- mit der amerikanischen Regierung, ließ, um der Welt zu zeigen, wie duldsamkeit; das Volk verliert allen sittlichen Halt und der Geist ver- einer der hervorragendsten Bürger der Union über Washington und fümmert in leeren scholastischen Kämpfen um abgestandene Dogmen deffen Politik denke, folgenden Brief Jefferson's an Mazzei, einen und Glaubensnormen. Das erkannte auch Cromwell, und darin besteht italiänischen Diplomaten, in den Moniteur einrücken: „Der Anblic sein Hauptverdienst, das er sich um Staat und Religion erwarb, daß unserer politischen Welt hat sich, seitdem Sie uns verlassen, gar er die Gewissen frei gab. ,,Wenn die höchste Behörde", sagte er, sehr verändert. An der Stelle jener Liebe zur Freiheit und zum repu„, selbst Gewissensfreiheit hat, und die Bedürfnisse des eigenen Ge- blikanischen Regiment, die uns siegreich durch die Kriegsprüfungen wissens befriedigen darf, indem sie das Kirchenregiment einführt, geführt, sahen wir eine englisch-monarchische und aristokratische Partei welches sie für das beste hält: warum sollte sie nicht dieselbe Freiheit auftauchen, die sich es geständlich zum Ziel gesezt, uns diese englische Anderen gewähren? Die Gewissensfreiheit ist ein natürliches Recht. Regierung nach dem Wesen zu geben, deren Formen sie uns bereits Wer es für sich haben will, soll es auch den Anderen lassen. Man aufgedrungen. Die Mehrzahl der Bürger jedoch bleibt den republihat diesen Grundsaß verkannt, und das ist eine von den hauptsächlichsten kanischen Prinzipien getreu. 'Die gesammte Klasse der Grundbesißer Richtigkeiten unserer Kämpfe gewesen. Jede Seite hat gesagt: D, eine große Zahl der Männer von Talent, ist republikanisch; gegen gebt mir die Freiheit! Aber, gebt sie ihr, und, sobald sie dieselbe be- uns aber haben wir: die gesammte ausübende und richtende, sowie figen wird, wird sie Anderen sie nicht geben. Wo ist hier unsere Auf- zwei Drittel der gefeßgebenden Gewalt, alle öffentlichen Beamten, richtigkeit? Gewissensfreiheit ist ein Gut, was gegenseitig sein muß. oder die es werden wollen, alle Aengstlichen, welche die Windstille des Ich darf behaupten, meine Herren, alle Schäße der Nation wären nicht Despotismus dem sturmbewegten Meere der Freiheit vorziehen, die im Stande gewesen zu dem Kampfe, welchen sie gekämpft haben, die englischen Kaufleute und die amerikanischen, die mit englischen KapiMänner zu verpflichten, welche ihr Blut für das Vaterland vergossen talien handeln, die Spekulanten, die Bank-Actionaire, die Besizer von haben, wenn sie nicht Gewissensfreiheit zu erhalten gehofft hätten, eine Staatspapieren- kurz, den ganzen Troß, der dazu wie geboren, uns Freiheit, schöner als die, welche der Episkopat ihnen bewilligt, oder die in allen Dingen, in bösen wie in guten, nach englischem Muster zuenglischen oder schottischen Presbyterianer ihnen gewährt hätten. Ich zustugen. Sie würden erschrecken, wenn ich Ihnen die Abtrünnigen, wiederhole es: die religiöse Freiheit ist die Grundlage der Dinge. die zu diesen politischen Keßereien übergegangen, namentlich herrechnete: Sie muß es sein; das bleibt eine Wahrheit für uns und für die Männer, die Simson im Felde und Salomo im Rath gewesen, haben künftigen Geschlechter“. (Schluß folgt.) England, dieser Delila, das Haupt unter die Scheere gelegt!"

Nord-Amerika.

Thomas Jefferson, sein Leben und sein Briefwechsel.

IV. Im Genusse der ländlichen Ruhe zu Monticello, wo die Nachbarn ihm den Hof machten, die Tischgenossen seinen Worten, wie Göttersprüchen, lauschten, fühlte er sich anfangs ungemein wohl. Bald aber langweilten ihn die kleinstädtischen Anbeter und Gläubigen, die ihn umgaben. Er verschwor sich zwar, sein Stillleben nie zu verlassen, betheuerte seinen Ekel vor der Politik und seine Briefe waren von dieser voll und er konnte nicht mit kaltem Blute von ihr sprechen. Dieser von der Welt geschiedene Weise hatte in seiner Einsamkeit seltsame Anfälle fanatischer Wuth. Mit einem Blick auf Europa schrieb er: „Ich rechne darauf, daß die schmachvolle Flucht der Tyrannen, die in Frankreich räuberisch einfielen, den Zorn der Völker gegen diejenigen entflammen wird, welche sich vermessen haben, fie in so arge Unternehmungen zu verwickeln; sie wird die Könige, die Edelleute und die Priester auf die Schaffotte führen, die sie so lange mit Menschenblut getränkt haben. Ich überrasche mich noch immer über dem Gefühl, daß ich warm werde, wenn ich an diese Elenden denke; ich thue es daher so selten wie möglich; lieber sehe ich mir an, wie mein Klee und meine Kartoffeln gedeihen“........ ,,Wenn ich es erlebte, unsere lieben Verbündeten mit dem übrigen Festlande in Frieden zu sehen, so zweifele ich nicht, nächsten Herbst mit Pichegru in London zu speisen; denn ich glaube, ich wäre im Stande, mich eine Weile von meinen Kleefeldern zu trennen, um die Morgenröthe der Freiheit und des Republikanismus auf der BritenInsel zu begrüßen."

Ebenso außer Rand und Band war seine Zunge in seinen Aeußerungen über die inneren Angelegenheiten der Union. Er machte es der Regierung zum Verbrechen, die Unruhen in Penn sylvanien unterdrückt, der Opposition, es geduldet, Washington, die Meinung gegen die eigentlichen Urheber des Aufstandes, die demokratischen Vereine, schlau aufgeregt, und Madison, sie, dem Präsidenten zum Troß, nicht vertheidigt zu haben. Er, der seinen Freunden die fluge Schwenkung angerathen, welcher Genet zum Opfer fiel, tadelte fie in tugendhaftem Eifer, daß sie, um sich nicht von der Nation zu trennen, gefährliche Bundesgenoffen im Stiche gelassen und sich auf die Seite der Regierung gestellt hätten. Da er für das Gebahren der republikanischen Partei nicht mehr verantwortlich war, so ging er mehr

Als dieser Brief in die Deffentlichkeit kam, gestand er traurig: ,,Ich kann ihn nicht verleugnen, da ich in der That der Verfaffer bin; kann mich aber auch nicht offen dazu bekennen, wenn ich nicht eine persönliche Spannung zwischen mir und dem General herbeiführen und so mit denen zerfallen will, die auf dem Namen Washingtor schwören, d. H. mit neun Zehntel unseres Volkes.“

Der Bruch zwischen Washington und Jefferson war seitdem entschieden; sie haben einander niemals wiedergesehen. Jefferson ging öfter an der Thür von Mount Vernon vorüber, ohne anzuklopfen. Er that wohl daran: er hatte den Plag in dem Vertrauen und in der Achtung des Generals unwiederbringlich verloren; klar waren seine Doppelzüngigkeit, seine Mitschuld an den planmäßigen Verlästerungen Washington's zu Tage gelegt, die in der schamlosen demokratischen Presse ihren Ausdruck fanden, die von dem großen Bürger unablässig in einem Tone sprachen, wie kaum von einem Nero, von einem weltkundigen Verbrecher oder von einem gemeinen Gauner; die an dem Tage, wo für den Befreier des Vaterlandes pie Vollmachten abliefen, die Hymne Simeon's anftimmte:,,Herr, laß nun deinen Knecht in Frieden hinfahren, nach deiner Verheißung, denn meine ,,so rief in frommer BeAugen haben dein Heil geschaut" geisterung ein Mann, der einen Strom der Seligkeit sich über die Menschheit ergießen sah. War jemals ein solcher Ausruf gerechtfertigt, fo ist er es heute: denn heute steigt ein Mann, der die Quelle aller Leiden des Landes war, von seiner Höhe zu seinen Mitbürgern hinab und verliert die Macht, neues Unheil über die Union zu häufen“. So begrüßt die Aurora, das wüthendste Organ der Demokraten, die Einführung des Präsidenten John Adams, eines der Häupter der Föderalisten (4. März 1797). Nur durch drei Stimmen hatte er über feinen Mitbewerber, Jefferson, gesiegt, dem jeßt die Vice-Präfidentur zum Loose fiel. Die Republikaner waren zwar unterlegen, hatten aber dennoch guten Grund, das Siegeslied anzustimmen. Hatte ihnen der Rücktritt Washington's nicht die Macht, so hatte sie ihnen dafür das Land gegeben. Die Föderalisten selbst räumen ein“, schrieb Jefferson an Monroë wenige Monate vor der Wahl, „daß ihre ganze Kraft in dem Verdienste Washington's, in seinem allmächtigen Einfluß auf das Volk wurzele. Am Tage, wo die Gewalt von Washington an seinen Nachfolger übergeht, ist nur Eines von beiden denkbar: ist die fer ein Monokrat, dann wird er von dem republikanischen Geist seiner Vollmachtgeber beherrscht; oder er ist Republikaner, so wird er natür lich diesem Geiste Vorschub thun und die Harmonie zwischen Regierung und Regierten herstellen. Warten wir es in Geduld ab!"

"

[ocr errors]

Der politische Horizont war nach außen, wie nach innen, trübe. Das Direktorium hatte alle diplomatische Beziehungen mit der UnionsRegierung abgebrochen, und schon hörte man die Kanonen der französischen Korsaren dröhnen; im Lande bangten die Gemüther vor dem Kriegeslärm. Die Republikaner legten die französischen Farben an, die Föderalisten suchten die alten Heereszeichen hervor; man schlug fich in den Straßen, die trikolore oder schwarze Kokarde am Hute. Das ist nicht der Moment, nach dem Steuerruder zu geizen", äußerte Jefferson und war entschlossen, durchaus keine Verantwortlichkeit in der Leitung der Geschäfte zu übernehmen, der thätigen Politik vollständig fremd zu bleiben. Er konnte es auch, da er vermöge feines Amtes nur dem Senat vorzusißen hatte und nicht einmal, außer bei Gleichheit der Stimmen, zu stimmen brauchte. Von seinem Vice-PräsidentenStuhl herab konnte er den Parteienkampf beobachten, ohne mit in die Schranken hinabzusteigen, mit aller Welt gut Freund sein und abwechselnd auf die Regierung und auf die Opposition einwirken.

Zwischen Adams und Jefferson begann bald nach Beendigung des Wahlkampfes ein wechselseitiges Schönthun. Der Präsident schmeichelte sich, Jefferson zu benußen, die auswärtigen Schwierigkeiten zu glätten und die Fraction der Föderalisten, die auf Hamilton hörte, in Schach zu halten. Der Vice-Präfident wiederum meinte, sich Adams zu bedienen, Zwiespalt unter den alten Freunden Washington's zu unterhalten und einen Krieg mit Frankreich zu hindern; denn ein Krieg, und wäre er noch so unpopulär, schaart endlich das Land um die exekutive Macht, und die Opposition muß verstummen. Allein schon bei den ersten annähernden Schritten stießen sie so hart gegen einander, daß sie, ohne es zu wollen, sich weiter von einander entfernt fahen, als vor dem Annäherungsversuch. Der Parteienhaß war zu einer furchtbaren Brunst entflammt. Wir Beide", schreibt) er an Edward Rutledge,,,wissen auch von heftigen Debatten und großen Aufregungen politischer Leidenschaften zu unserer Zeit; aber die Menschen von verschiedenen Meinungen gingen doch mit einander um, und wußten die Staatsangelegenheiten vom geselligen Verkehr zu trennen. So ist es jest nicht: alte, vertraute Freunde weichen einander auf der Straße aus, wenden den Blick ab, um nicht an den Hut rühren zu dürfen. Das mag der Jugend hingehen, für sie ist jede Leidenschaft ein Genuß. Für uns Grautöpfe ist es eine Qual. Die Ruhe ist die Milch der Greife".

Wer aber trug die Schuld an diesem Umschlag der Sitten in den Vereinigten Staaten? War es nicht die zügellose, von Jefferson inspirirte und angestachelte demokratische Preffe, die in das Aller heiligste des Familienlebens drang und die geheimsten Privat-Angelegenheiten ehrenwerther Männer, wie Hamilton's, an den Pranger stellte? Allein, in den Parteikämpfen, wie in den Kämpfen zwischen Volk und Volk, giebt es Kriegsgeseße, die man nie ungestraft übertritt: wer sich verbotener Waffen bedient, giebt sie auch seinem Feinde in die Hände. Callender, ein feiler Schriftknecht, ohne Scham und Zucht, hatte früher jeden Gegner Jefferson's mit seinem Unrath beworfen; als er aber bei seinem zur Macht gelangten Gönner sich um eine Stelle bewarb und verächtlich abgewiesen wurde, wendete er seine Giftpfeile gegen diesen und brachte die ärgerlichsten Geschichten ans Licht. Die Föderalisten jauchzten, und hatten die Lacher auf ihrer Seite. Jefferson war davon bis in's Herz getroffen; er ermaß die ganze gefährliche Tragweite dieses brutalen Treibens der Preffe, das er doch eigentlich angebahnt; er begriff, daß es zulezt jedem Hochherzigen und Edelgesinnten die Theilnahme am Staatsdienst verleiden müßte.,,Der Kreis der Männer, die den höchsten Stellen gewachsen sind, ist schon nicht mehr allzugroß; er wird aber immer enger werden, wenn die jenigen sich freiwillig zurückziehen, die Schmähungen tiefer empfinden, als Vertrauen auf die Gerechtigkeit des Publikums haben. Ich kannte und kenne die tüchtigsten Männer im Fache der öffentlichen Geschäfte, die aber einem brutalen Anfall diefer Klopffechter der Halle nicht stehen würden. Die Dienste des größten Mannes in unserem Lande würden uns verloren gegangen sein - ich kann es behaupten, weil ich ihn gekannt habe, wäre er mit der schamlosen Frechheit, die heutzutage im Schwunge ist, angegriffen worden. Wie tief verleßt haben ihn schou die seltenen und schwachen Antastungen! Wäre er erst den Anfällen ausgesezt gewesen, deren sich die föderalistischen Rotten fähig zeigen, er würde in einer Zornaufwallung das Steuerruder hingeworfen haben".

Seit Washington's Rücktritt kannte die Wuth der Partei keinen Zügel mehr. Sie beschränkte sich nicht auf Wort und Schrift: die politischen Duelle, die Thätlichkeiten häuften sich. Man fing an, sich mit einem Todtschläger in der Fauft und mit Pistolen im Gürtel in ben Kongreß zu begeben. Ein Herr Lyon, im Repräsentanten Hause, antwortete auf die Grobheit eines Herrn Griswold damit, daß er diesem in's Gesicht spuckte, und acht Tage später warf Herr Griswold den Herrn Lyon zu Boden, daß er sich mitten unter seinen Kollegen überschlug. Ein Trupp Offiziere fiel über einen Redacteur

der Aurora her, weil er die Bürgerwehr verlästert hatte, und John Randolph, ein talentvoller junger Redner, der im Kongreß von dem Generalstabe der Armee als von einem Haufen Lumpenpack" gesprochen, sah sich am anderen Tage aus seiner Loge geriffen und zum Theater hinausgeworfen. Indeß trug Washington's Niederlegung der Gewalt nicht so rasch die Früchte, die Jefferson seiner Partei verheißen hatte. „Ich hatte immer gehofft", schrieb er unter dem 17. Juni 1797 an Oberst Burr,,,daß, mit der Entfernung der Popularität des legten Präsidenten aus der Wagschale, die Schwere der Freiheitsliebe des Volkes hinreichen werde, das eben durch diese Popalarität gestörte Gleichgewicht zwischen der Executive und Legislative herzustellen; ich hatte immer geglaubt, die ehrenhaften Triebe der Nation würden der undankbaren Vorliebe der Gewalt für Großbritanien Widerstand entgegenseßen. Leider hatte die auswärtige Politik der legten Regierung uns Frankreich entfremdet, in diesem Lande eine Reaction gegen uns hervorgerufen und diese Reaction übt auf unsere Mitbürger dieselben Wirkungen, wie früher Washington's Popularität; sie haben sich in mehreren Wahlen merklich bekundet und daraus erklärt sich, daß die republikanische Majorität im Kongresse geschwächt ist. Wann wird sie an Stärke zunehmen? Das hängt von den Ereignissen ab und ist so unberechenbar, daß ich die Zukunft unserer Institutionen als völlig ungewiß betrachte“.

Im April 1798 verbreitete die Nachricht: Frankreich will in Amerika einen Tribut erheben", Bestürzung unter den Verbündeten des Direktoriums und Zorn unter den Massen. „Millionen für unsere Vertheidigung, und keinen Cent, um den Frieden zu erkaufen!" war der Volksschrei, vor dem die Opposition verstummen mußte. Jefferson war über diese furchtbare Gährung der Gemüther mehr überrascht als beunruhigt: „Der Menge, die dem Impuls des Augenblickes gehorcht, mag man die leidenschaftlichen Ausbrüche nachsehen; aber wie sollte eine fremde Nation zu den Fanfaronaden des Präsidenten gleichgültig bleiben? Und seine Drohungen treffen ja nicht blos Frankreich, sie gelten ja nur seinen eigenen Mitbürgern. Neulich äußerte er: „,,,Es bedarf des Einschreitens der obersten Gewalt, um die gefährlichen Täuschungen zu zerstreuen und den böswilligen Auslegungen, welche die Bürger irreleiten, entgegenzuwirken"".... Selbst das Briefgeheimniß ist nicht mehr sicher; und ich weiß nicht, was mich tiefer schmerzt, daß ich nicht wagen darf, zu schreiben, was ich denke, oder daß mein Vaterland einen solchen Zustand duldet.... Zum Glück wird dieses Fieber nicht anhalten; Allen zum Troß bleibt das Land wesentlich republikanisch. Die Prinzipien von 1776 find ihm in ihrer Lauterkeit in's Herz gewachsen, und diejenigen, die das Bewußtsein haben, unverändert geblieben zu sein, haben auf die Länge nichts zu fürchten".

[ocr errors]

Aber eben um diese zu schrecken, wurden die ftrengsten Maßregeln für die allgemeine Sicherheit in dem Kongreß vorgeschlagen. Die Alien Act" (Fremdenakte), gegen die Schaar der fremden Flüchtlinge und Einwanderer gerichtet, aus denen sich das demokratische Heer rekrutirte, die dem Präsidenten das Recht übertrug, die Fremden auszuweisen, wurde von beiden Häusern angenommen. Ein Gefeßentwurf wurde dem Senat vorgelegt, wonach jeder des Einverständnisses mit den Franzosen überführte Bürger mit dem Tode, und jeder mit Gefängniß von unbestimmter Dauer bestraft werden soll, der das Direktorium vertheidigt oder die Unionsregierung schmäht. Dieses Gesez, verhaßten Andenkens, unter dem Namen,, Sedition Act" (Aufruhrakte), erst durch den Senat gemildert und von den Repräsentanten vielfach amendirt, endlich angenommen, blieb ein schlechtes an sich und ein gefährliches in seiner Anwendung für die Regierung. Jede Beschränkung der Freiheit in Wort und Schrift, die von der Föderalgewalt ausging, widerstrebte den Volkssitten und dem Geiste der Verfassung; fie mußte aufhören, sobald die Nation von der wahnsinnigen Angst vor den Jakobinern sich frei fühlte. Die Vermehrung der Auflagen, welche die großen Kriegesrüstungen nothwendig machten, trugen das Ihrige bei, fie vollends von der eingebildeten Krankheit" zu heilen.,,Der Arzt tritt unter dem Gewande des Steuereinnehmers an das Bett", schrieb Jefferson. „Die gegenwärtige Majorität hat eine sehr leichte Hand zum Ausgeben; das diesjährige Budget geht weit über die kostspieligsten Jahre des Unabhängigkeitskrieges hinaus. Der Beutel des Volkes ist der wahre Siß der Empfindung, und Wahrheiten, die ihm durch kein anderes Organ zugänglich wären, wird ihm dieses klar machen“..........

Die Föderalisten hatten beim Volke den Kredit verloren. John Adams fand keine Unterstüßung bei der Präsidenten-Neuwahl, und bei der Ballotage am 11. Februar 1801, zwischen den beiden Kandidaten Burr und Jefferson, siegte dieser endlich nach der sechsunddreißigsten Kugelung. Die föderalistische Partei war gefallen, um sich nie wieder zu erheben. War nun Jefferson befriedigt? Mitnichten; gar oft richtete er einen unruhigen Blick in die Zukunft. Er, der sich rühmte, wenn auch nicht der That, so doch dem Willen nach der Schöpfer gewesen zu sein jener friedlichen Revolution von 1801, die den Instinkter

[blocks in formation]

Deutscher Weinbau in Kalifornien.

Wir entlehnen Nachstehendes der Korrespondenz eines deutschamerkanischen Blattes aus Los Angelos in Kalifornien:

,,Los Angelos, die älteste Stadt Kaliforniens, liegt im 34. Breite grade, zwischen der See und dem Küftengebirge, da, wo das lettere die größte Einbiegung macht. Die Gegend ist flach, der Boden ein humus. reicher, lehmiger Sand und das Klima das angenehmste und gesundefte, das man finden kann. Die Sommerhige wird durch erfrischende SeeTuft gemäßigt und der Winter manifeftirt sich durch Regengüffe und nur von den nahen Gebirgshäuptern glänzt der Schnee. Hier wächst und gedeiht beinahe Alles, was zur Annehmlichkeit des Lebens dient. Viele hundert Acker Gartenland mit lebendiger Weiden - Einzäunung in der nächsten Umgebung des Städtchens find, außer mit den üblichen Garten-Erzeugnissen und Obstbäumen, noch mit Orangen-, Feigen-, Granat, Mandel- und Olivenbäumen bepflanzt und selbst die Dattelpalme und der Pfefferbaum finden sich in einzelnen Exemplaren. In verschiedenen Gärten der älteren Einwohner wird auch Zuckerrohr mit Erfolg gebaut.

,,Aber den größten Ertrag und den Hauptnahrungszweig der Stadt bilden die am meisten verbreiteten Nebenpflanzungen. Der Weinstock wurde schon im vorigen Jahrhundert durch die, über die Küftenftriche Kaliforniens angesiedelten Missionen eingeführt, sein Ertrag fing aber erst in der neuesten Zeit an, ein dankbarer HandelsArtikel zu werden. Da es hier ungefähr acht Monate nicht regnet und bei dem heiteren, tiefblauen Himmel felbft die Gewitterregen mangeln, so werden die Gärten aus dem Los Angelosfluffe, einem kleinen, frischen Gebirgsstrome, nach Bedürfniß bewäffert. Ein mehrere Meilen lang gezogener Kanal durchströmt in verschiedenen Richtungen die Gärten und führt denselben durch verschiedene Zweigadern, mittelst Schleusen, Waffer in Menge zu. Die gesegliche Ordnung der Bewässerung wird durch einen Kanalauffeher, der ein städtischer Beamter ist, aufrecht erhalten. Dieser künstlichen und willkürlichen Bewässerung ist es zuzuschreiben, daß hier im Weinbau nie eine Mißärndte vorkömmt, sondern den Weingartenbesigern ein reichliches Einkommen durch den edlen Rebensaft alljährlich gesichert ist. Die hier wachsende Traube ist eine blaue von vorzüglichem, süßem und gewürzigem Geschmack und erreicht in einzelnen Fällen eine Schwere von 6 Pfund. Man rechnet hier ungefähr 1000 Rebstöcke auf den Acker und jeden Stock zu durchschnittlich 40 Cents jährlichem Ertrag. Im dritten Jahre schon fangen die Weinstöcke an, zu tragen. Das Anpfählen derselben ist hier nicht gebräuchlich. Die Arbeitslöhne find geringer, als anderwärts, da alle Gartenarbeiten durch Indianer verrichtet werden, die bei weitem weniger erhalten als Weiße. Daß der Wein, in solcher Zone gewachsen, ein ausgezeichneter ist, an Kraft, Feuer und Lieblichkeit keinem anderen nachsteht, läßt sich leicht denken. "In neuerer Zeit hat der hiesige Weinbau die Aufmerksamkeit der Europäer, wie der Amerikaner, auf sich gezogen und die Grundstücke find deshalb im Preise gestiegen. Deffenungeachtet kann man immer noch von den spanischen Kaliforniern Weingärten mit Vortheil kaufen. Auch unsere Landsleute haben sich sehr am Weinbau betheiligt. Die Herrn Köhler und Fröhling, Julius Weyse und Dr. Hüber, sowie Andere, besigen sehr werthvolle Weingärten. Die bei den erstgenannten Herren haben in San Francisco ein Handelshaus für kalifornische Weine errichtet und haben das Verdienst, die Pioniere des hiesigen Weinhandels gewefen zu sein und zuerst demselben einen geregelten Markt verschafft zu haben, wodurch natürlich der Anbau neuer Gärten hervorgerufen und das Wein-Erzeugen bedeutend ermuthigt wurde. Genannte Herren allein werden nächstes Frühjahr vielleicht über 100,000 Gallonen theils erzeugten, theils aufgekauften Weins nach San Francisco senden. Bei der landschaftlichen AusStellung in Philadelphia erhielten dieselben Preise für ihre kalifornischen Weine.

,,Seit einem Jahre hat sich in San Francisco und hier eine deutsche Gesellschaft zu 50 Antheilen gebildet, um in hiesiger Gegend eine Ansiedlung zur Betreibung des Weinbaues zu gründen. Das Grundeigenthum gehört hier den alten Kaliforniern, spanischen Ursprungs, von denen Viele 10-12 Leguas Land besigen, das blos als

[ocr errors]

Weide dient und das fie gern verkaufen. Genannte Gesellschaft hat 30 Meilen von hier zu ihrem Zweck 20,000 Acker Landes, zu 2 Dol lars den Acker, in der Nähe des Sta. Annafluffes gekauft. Ein fünf Meilen weit geführter Bewässerungskanal ist bereits fertig, die Stra ßen sind ausgelegt und die einzelnen Grundstücke vermessen und nivellirt. Die lebendigen Zäune werden gegenwärtig gefeßt und in Januar 8 Acker jedes einzelnen Grundstücks mit Reben bepflanzt. Außerdem erhält jeder Garten eine Anzahl junger, hier üblicher Fruchtbäume. Das Ganze steht unter Anordnung und Aufsicht eines Verwalters, Georg Hansen aus der Rheinpfalz, dem der Verein monatlich 200 Dollars bezahlt. Nach Verlauf von 3 Jahren werden die Gärten unter die Theilhaber verlooft und es bekömmt Jeber seinen Antheil, einschließlich der Straßen, von 20 Ackern, als eingezäuntet, theilweis tragendes, freies Eigenthum. Die Einlage für jedes Mit glied ist auf 750 Doll. berechnet, die zu bestimmten Fristen innerhalb drei Jahren einzuzahlen find.

,,Der Hafen von Los Angelos ift 25 engl. Meilen entfernt und heißt San Pedro. Dieselbe Entfernung hat die beabsichtigte deutsche Ansiedlung, nur daß sie dem Meere bei weitem näher liegt und Aus sicht hat auf einen eigenen Hafen. Durch regelmäßige DampfbootVerbindung stehen wir im Verkehr mit San Francisco, des ungefähr 700 engl. Meilen von uns entfernt liegt.

,,Der hiesigen Gegend blüht sicherlich eine große Zukunft. Abgesehen von ihren günstigen klimatischen Verhältnissen und der geographischen Lage, so muß dereinst die beabsichtigte Eisenbahn von den Staaten über die westlichen Steppen sie berühren und schon jest i die von Missouri nach Kalifornien zu führende Landstraße bestimm hieher zu gehen“.

Mannigfaltiges.

-,,Annuaire des deux Mondes" Unter diesem Titel giebt die Redaction der Pariser Revue gleiches Namens in jedem Jahre ein im Monat November erscheinendes Jahrbuch von tausend Seiten, im Formate der Revue heraus, das eine Uebersicht der Staaten-, Literatur, Kunst- und Sitten-Geschichte aller Länder der Welt, wäh rend des abgelaufenen Jahres (von Juli zu Juli), enthält. Dieses wegen seiner Vollständigkeit und würdigen Haltung überaus anerken nenswerthe Unternehmen umfaßt bereits acht Jahrgänge von 1850 bis 1857-1858. Gewöhnlich ist jeder Band mit einigen Bildnissen derjenigen Persönlichkeiten ausgestattet, die im laufenden Jahre on meisten die Aufmerksamkeit und die Achtung der beiden Welten, der alten und der neuen, erregt haben. Der soeben erschienene Jahrganz 1857-1858 ist mit einem sehr schönen Bildniffe Sr. Königl. Hoher des Prinzen-Regenten von Preußen geschmückt und bringt auch übe Preußen einen Artikel, in welchem, wie jezt in fast allen zeitgeschicht lichen Darstellungen des Auslandes - gleichviel, ob in Europa, oder in Amerika geschrieben - diefer Fürst als die Morgenröthe einer neuen Aera der Macht und des fittlichen Einflusses von Preußen und Deutschland bezeichnet wird.

- Die leßten Spuren Leichardt's. Der Zeitschrift für allgemeine Erdkunde" ist ein Schreiben aus Adelaide zugegangen, in welchem über eine im Auftrag des Gouvernements von Neu-SüdWales unternommene Expedition nach dem Inneren Auftraliens berichtet wird, deren Hauptzweck darin bestand, die Spuren des unglücklichen Leichardt aufzusuchen. Die Expedition verließ unter der Leitung des Herrn Gregory am 27. März d. J. Moreton-Bay und nahm nachdem sie über die bewohnten Gegenden hinausgekommen, die Ric tung nach dem Victoria-Fluß. Dem Laufe desselben folgend, entdeckt sie ein wenig nördlich von Mount Jnniskillen, in 146° 6' östl. Länge, die lehte Spur des deutschen Reisenden, nämlich ein großes L, 18 Zoll lang und 4 Zoll breit, tief in einen Gummibaum eingeschnitten. Diese Stelle ist 80 engl. Meilen westlicher als der Punkt, wo man bisher nach den wahrscheinlich lügnerischen Erzählungen der Eingebornen annahm, daß Leichardt getödtet worden sei. Gregory ist derAnsicht, daß Leichardt in der sich nach Norden und Nordwesten ausdehnenden Wüßte in Folge kürzlicher Regengüffe Waffer fand, daß er, hierdurch verlockt, weiter vorbrang, und daß, als er fich endlich genöthigt fah, umzukehren, die Wafferlöcher hinter ihm ausgetrocknet waren. Wenn er auf diese Weise seinen Tod gefunden hat, so werden seine Gebeine wohl nie von einem menschlichen Auge erblickt werden.

Bösentlich erfdeinen 3 Nummern. Breté jährlich 3 Thlr. 10 gr., balikbril 1 Ihlr. 20 Sgt. und vierteljährlich, 25 Ogr., wofür das Blatt im Inlande portofrei and in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 141.

für die

Bestellungen werden in 'feder deutschen Buckhandlung (in Eerlin ber Beit u. Comp.. Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallfit. Nr. 21), sowie von allen 'lönigl. Bot. Wemiern, ‘angenommen.

Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Donnerstag den 25. November.

Frankreich im fiebzehnten Jahrhundert. *)

II. Philosophie und Jesuitenorden.

Die Philosophie des Cartefius macht Epoche; von ihr schreibt fich die neuere philosophische Forschung in ihrem ftreng ausgesproche. nen Gegensage gegen die scholastische Methode des Mittelalters her; Cartesius sucht das Prinzip der legten unmittelbarsten Gewißheit im denkenden Ich auf, um sich eine Operationsbasis zu schaffen, von welcher aus er zur Erkenntniß der Wahrheit vordringen könne, ein kühner Gedanke und eine kühne Methode, welche der Philosophie des Glaubens, die nie den absoluten nackten Zweifel als zulässig erklären wird, schnurstracks entgegengesezt ist. Nichtsdestoweniger gab es streng kirchliche Theologen, welche die neue Lehre mit der Glaubenslehre in Einklang zu bringen und der Dogmatik dienstbar zu machen suchten. Ein solcher war Nicolas Malebranche (geboren 1638, gestorben 1715), Priester des Oratoriums, ein Mann, der zu den scholaftischen Theologen seiner Zeit, namentlich zu den Jesuiten, in ziemlich demselben Verhältnisse stand, wie etwa Hermes und Günther, welche die neue deutsche Philosophie mit ihrem Glauben in Uebereinstimmung zu bringen bemüht waren, zu den Zionswächtern unserer Zeit ftanden und noch stehen. Vom höchsten und leßten Standpunkt aus kann man denselben nicht Unrecht geben; denn alle diese Versuche, die Kirchenlehre auf eine neue Grundlage zu verpflanzen, sind sehr mißlich und deshalb gefährlich, weil die würdigen Männer, welche sie unternahmen, bisher nur sekundäre Philosophen gewesen sind, die der Sache nicht auf den Grund fahen und mehr guten Willen als eigentliche Kraft auf den Kampfplaß brachten. Die Gegenfäße liegen tiefer; die alte Scholastik ist so mit den Einrichtungen und Anschauun gen der hierarchischen Kirchenverfassung, die heute meist als Kirche selbst gilt, verwachsen, daß jeder derartige Versuch eine gefährliche Neuerung ist, und die Ritter der Scholaftik wiffen sehr wohl, wofür sie kämpfen. Eine Schwalbe macht keinen Sommer, und der Pater Malebranche hat sein ganzes Leben gegen theologische Gegner zu kämpfen gehabt, die vielleicht schlechte Philosophen, aber desto kühnere Kämpen ihrer Orthodorie waren. Alles, wie heutzutage.

Malebranche hatte einen talentvollen, ihm ganz ergebenen Schüler, den Jesuiten André, ein Mann, der in der französischen Literatur als Philosoph, sogar als Aesthetiker einen ehrenvollen Plag einnimmt. Seine Abhandlung über das Schöne (Essai sur le beau) wird noch heute von den Franzosen geschäßt. Als origineller Denker kann er nicht gelten, da er, wie namentlich auch aus dem neu aufgefundenen Briefwechsel hervorgeht, ein faft ganz passiver Anhänger des Malebranche und seiner Auffassung des Cartesianismus ift.

Pater André hatte natürlich mit seiner Philosophie innerhalb des strengen Ordens, der seine eigene Philosophie zum Hausbedarfe besist, einen schweren Stand, und da der Orden stets Recht hat, wie sich von selber versteht, Pater André aber, der, mit einer ziemlich bißigen Natur begabt, auch Recht haben wollte und seine Rechtgläubigkeit gegen die Philosophie seiner Ordensbrüder hartnäckig vertheidigte, so begreift man, daß endlich gegen ihn das Hauptargument angewendet wurde, das heutzutage leider nicht mehr angewendet werden kann, nämlich die Bastille. Nachdem er dort Zeit gehabt hatte, über seinen Frrthum reiflich nachzudenken, wurde er zahm, erklärte dem P. Provincial seinen Irrthum und wurde freigelaffen. Die Verfolgung hörte aber erst auf, als der Bischof von Bayeur, Herr de Luynes, erklärte, ihn in seinen Schuß zu nehmen und gegen alle Angriffe zu vertheidigen. Man schickte ihn 1726 nach Caen, um dort am Kolle gium Mathematik zu lehren. Er war in seinem philosophischen Eifer abgekühlt und lebte ruhig und in Frieden noch achtunddreißig Jahre. Zu bemerken ist noch, daß die Schriften von Cartesius und Malebranche bereits auf den Inder gesezt worden waren, daß also P. André

*) Vgl. Nr. 128 bes,Magazin" von diesem Jahre.

1858.

eine verlorene Provinz vertheidigte. Daß es damals leicht war, ihn auch das Jansenismus zu verdächtigen, liegt auf der Hand.

Neuerdings hat man nun zu Caen, wo P. André in späteren Jahren gelebt hatte, durch Zufall einen bedeutenden Fund gemacht. Herr Mancel, Konservator an der Stadtbibliothek von Caen, erfuhr, daß zwei große Pakete Manuskripte, die aus dem Nachlasse eines Fräulein von Blottière ftammten und früher ihrem Erblasser, dem alten Advokaten und Schriftsteller Charles de Guens, der Zögling und Freund des P. André gewesen, gehört hatten, auf dem Wege wären, in den Kramladen zu wandern und dort zu Düten und Umschlägen verbraucht zu werden. Er machte sich also auf und unterzog die Papiere einer näheren Untersuchung. Es waren zahlreiche Manuskripte des P. André, darunter 50 Stück Briefe von Malebranche, Fontenelle, d'Aguesseau, an die Bäter Jesuiten Tamburini, Delaißtre, Danbenton u. s. w.; sodann hunderteinundsiebzig Briefe an P. André selbst adressirt oder ihn betreffend; darunter 16 (meist Autographen) von Fontenelle, 17 (alles Autographen) von Malebranche. Herr Mancel vereinigte sich, nachdem er diesen Fund gemacht, mit Herrn Charma, Profeffor der Philosophie an der wissenschaftlichen Fakultät zu Caen, und gab fie nach gehöriger Sichtung und Ordnung heraus.")

Am interessantesten ist die Geschichte seiner Verfolgung, ihres Fortschrittes und ihrer wahren Ursachen, die aus den Briefen der zweiten Section völlig klar erkannt werden kann.

Es ist der Briefwechsel, den P. André mit seinen Superioren und Brüdern von der Gesellschaft Jesu geführt hat. Bereits in der ersten Section ist ein Schreiben des P. André an Malebranche (vom 25. April 1713) abgedruckt, worin er sich gegen diesen seinen Meister über die Verfolgungen beklagt, die ihm von Seiten seiner Ordensbrüder entstünden, weil er nicht vom Cartesianismus lassen wolle. Er beklagt sich, daß man ihn aufgefordert, feinen Schülern eine Art Formular zu unterzeichnen und zu diktiren, worin die Irrthümer des Cartefius und Malebranche verdammt wurden. P. André hatte in der Schule des Ordens etwas gelernt; siehe da, wie er sich zu helfen weiß: „Da ich alle Welt gegen mich sah, so widerstand ich nicht länger; aber ich gab allen diesen guten Kasuiften zu verstehen, daß ich es nur diktiren würde, als eine Schrift des Ordens, und nicht als von meiner Seite. In der That, ehe ich es meine Schüler schreiben ließ, erklärte ich ihnen, es wäre eine Schrift, die man mir von Paris geschickt, um sie ihnen zu diktiren, und an den Stellen, wo der Verfaffer in der ersten Person sprach, sagte ich, aus Furcht, sie könn» ten sich täuschen:,,Auctor scripsit, non ego".

Ueberhaupt nimmt er die Jesuiten in diesem Briefe hart mit, doch mit Unrecht. In der Lage, wo P. André sich befand, hatten fie vollkommen Recht. Lehr- und Meinungsfreiheit haben sie nie anerkannt; das wußte er, ehe er in den Orden eintrat, ehe er den Eid des Gehorsams leistete und sich in Allem den Regeln desselben unterwarf. Wenn sie ihre approbirte Ordensphilosophie hatten, so war er auch darauf verpflichtet, keinesweges aber berechtigt, sie (die nothwendige Folge) durch irgend welchen Cartesianismus verdrängen zu wollen. Die Philosophie der Jesuiten ist heute dieselbe, wie vor hundert Jahren, und wird in hundert Jahren noch dieselbe sein fie ist richtig -warum? fie enthält nichts gegen die Orthodoxie und ist approbirt; fie liebt die Veränderung nicht, denn wenn sie dieselbe zuließe, wenn sie einen Fortschritt in der Vernunftforschung anerkennte, so würde man zugestehen müssen, daß etwas Früheres falsch gewesen sei; dazu wird man sich nicht entschließen. Sint ut sunt, aut non sint! Das ist das Geheimniß. Man begreift nicht, wie verständige katholische Theologen noch den Muth haben können, philosophiren zu wollen. Wozu denn? Was wird dadurch erreicht? Wo hat es in neuerer Zeit einen kirchlichen Philosophen gegeben, der

*) „Le père André, Jésuite. Documents inédits pour servir à. l'histoire philosophique, religieuse et littéraire du XVIII siècle, comprenant la correspondance, de ce Père avec Malebranche, Fontenelle, et quelques personnages importants de la Société de Jésus, publiée pour la première fois, et annotée par MM. Charma et Mancel". 2 vol. Paris, Hachette, 1857..

nicht mit den ersten Schriften selbständigen Denkens sofort in eine Keßerei gerathen oder stark dazu hingeneigt hätte? Was kommt denn bei allen Versuchen endlich heraus, als ein demüthiges pater peccavi, welches oft recht ehrend für die Selbstverleugnung des Betref fenden fein mag, aber immer einen niederschlagenden Eindruck macht. Also ordentlich philosophiren oder gar nicht. — Zudem wird der Jefuitismus von einem richtigen Instinkte geleitet: die unantastbare Glaubenslehre, die freilich auch von der scholastischen Philosophie unabhängig ist und in ihr nur einen sehr inadäquaten Ausdruck findet, würde in den Kampf der philosophischen Meinungen, in den ursachlichen Verlauf der Geschichte der Philosophie, hineingezogen werden, wie wir das im Protestantismus gesehen haben.

(Schluß folgt.)

England.

Oliver Cromwell, nach Merle d'Aubigné.
(Schluf.)

In einer anderen Rede Cromwell's, vom 17. September 1656, heißt es:,,Ich werde Euch die Wahrheit sagen. Unsere Richt schnur und Gewohnheit seit dem legten Parlament ist gewesen, dieser Nation begreiflich zu machen, daß alle religiösen. Sekten, die sich ruhig verhalten, Gewissensfreiheit genießen sollen: Wir haben nicht gestatten wollen, daß man aus der Religion einen Vorwand zur Ergreifung der Waffen und zum Blutvergießen mache. Alles, was darauf zielt, Ränke und Parteien hervorzurufen, werden wir mit Gottes Gnade unterdrücken, wie scheinbar auch der Vorwand sein mag, und wen wir auch als Schuldigen finden mögen. Ich erkläre, ich bin gegen jede Gewissensfreiheit, welche diesem Grundsage entgegen sein wird... Wenn ein Mann, der für seinen Kultus eine bestimmte Form gewählt, die, welche andere Formen gewählt haben, mit Füßen treten will; wenn ein Independent zum Beispiel sich anmaßt, den zu verachten, zu beleidigen, zu reizen, der nur die Erwachsenen taufen will, so werde ich das nicht dulden. Keine Unduldsamkeit!.... Gott schenkt uns einen Kopf und ein Herz, um alle Dinge gleich aufrecht zu halten! Das ist meine Handlungsweise gewesen. Ich habe einigen Kampf, einigen Tadel zu ertragen gehabt, sei es von dieser Seite, sei es von einer anderen. Ich habe geduldig diese Vorwürfe getragen, und durch Gottes Gnade habe ich nicht geringen Erfolg gehabt zu verhindern, das eine Sekte die andere unterdrücke". Seine Duldung erstreckte sich selbst über die Katholiken, wenn er auch öffentlich für sie nichts thun fonnte. In einem Schreiben an den Kardinal Mazarin, der ihn um Schonung der Katholiken gebeten hatte, heißt es: "Ich habe Mitleid mit Einigen, ja fogar mit einer großen Zahl gehabt und zwischen den Frommen und Verschwörern einen Unterschied gemacht... Sobald ich gewiffe Hindernisse und manche belästigende Einflüsse werde beseitigen können, beabsichtige ich von neuem, auf diesem Wege fort zuschreiten und mich so des Eurer Eminenz gegebenen Versprechens zu entlebigen".

--

In Betreff der religiösen Freiheit hätte Cromwell sogar mehr zu thun gewünscht, aber er konnte es nicht. Ein gelehrter portugie fischer, aus Amsterdam gebürtiger Jude, Manasse Ben Jfrael, lebte feit einiger Zeit in England, von wo die Juden 400 Jahre zuvor vertrieben waren. Er hatte sowohl beim langen, als beim kleinen Parlament um die Erlaubniß für die Juden, sich in Großbritannien niederzulaffen, gebeten, aber vergebens. Der Protektor zeigte sich diesem Ansuchen günstig und versammelte am 12. Dezember 1655 in Whitehall einen aus Baronen und Rechtsgelehrten und Geistlichen zur Prüfung der Frage festgefeßten Ausschuß. Cromwell sprach sich zu Gunsten der Freiheit aus, und niemals, sagt ein Zeuge, hatte er fo schön gesprochen. Aber die Mehrzahl des Ausschuffes sprach sich gegen Cromwell's Vorschlag aus. Die Theologen und die Kaufleute widerfesten sich in gleicher Weise. Die Juden durften in England uur mit besonderer Erlaubniß des Protektors sich aufhalten.

Diese freiere Anschauung war nicht, wie der Verfasser es dar stellt, eine Frucht des Proteftantismus, sondern, wie der Protestantismus selbst, eine Wirkung der Ideen, die, aus den wiedererschlossenen Schriften des Alterthums fließend, den Boden befruchteten, der während des ganzen christlichen Mittelalters brach gelegen, und solche Keime aufgehen ließen, die auch jezt noch nicht überall zur Reife gediehen find. Die Gewiffensfreiheit, die Cromwell im Namen der Religion verkündete, ist in Frankreich ein Jahrhundert später in Folge einer ähnlichen Umwälzung im Namen der Vernunft verkündet worden. In wessen Namen man sie verkündet, ist gleichgültig, wenn sie nur zur Wahrheit wird. Noch immer aber hat sie an der Hie rarchie, nicht blos der katholischen, sondern auch der protestantischen, ihren schlimmsten Feind. Troß Cromwell's Freifinnigkeit sind in England noch fast zwei Jahrhunderte Katholiken und Dissenters ihres Glaubens wegen von den wichtigsten bürgerlichen Rechten ausge schloffen gewesen, bis — nicht die Einsicht der herrschenden Konfeffion

[ocr errors]

von ihrem Jahrhunderte langen Unrecht sondern die unabweisbaren Forderungen der Zeit die Fesseln löften. Eine wahre Gewissensfreiheit kann auch nur dann Plag greifen, wenn die Konfeffionen fried. lich neben einander bestehen, wenn die ewigen Mäkeleien an der fremden und die ewigen Lobpreisungen der eigenen aufhören. Es sind süßliche, aber leere Redensarten, wenn der Verfasser in der Vorrede versichert, daß, wenn er das kirchliche, politische und dogmatische System Roms verwirft, er sich, sobald es sich um Personen, selbst um solche handelt, die feinen Ueberzeugungen am entschiedensten entgegen find, jenes schönen Gebotes zu erinnern weiß: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Es giebt genug römische Katholiken, deren Sittlichkeit, Talente, Worte er bewundert. Noch mehr; er weiß die religiösen Ueberzeugungen zu ehren, sobald sie aufrichtig sind, und wenn er christliche Frömmigkeit in einem der römischen Kirche an gehörenden Mann findet, so erfüllt es ihn mit einem faum auszu sprechenden Gefühl von Achtung und Freude. Gleichwohl ist diese Schrift ein Zeugniß gegen das Papstthum.

Dem aufrichtigen Katholiken ist seine angestammte Religion ebenso heilig, wie dem aufrichtigen Protestanten die seinige: wer ihm seine Religion, aus der er seine Frömmigkeit und Sittlichkeit schöpft, angreift, der greift zugleich auch seine Frömmigkeit und Sittlichkeit selbst an. Rein und ohne Schuld ist keine Konfession in ihrer geschichtlichen Entwickelung geblieben. Wie der Scheiterhaufen Huffens im Bodensee, so hat sich der Scheiterhaufen Servet's im Genser See wiedergespiegelt. Es ist endlich einmal Zeit, daß man, den kon fessionellen Hochmuth fahren lassend, in demüthiger Selbsterkenntniß die alten Sünden in's Meer der Vergessenheit versenke und ein neues Leben beginne nach der Art, wie es Lessing so schön in seiner Parabel von den drei Ningen für die verschiedenen Religionen und Konfes sionen verzeichnet hat.

Ein Buch, wie das vorliegende, ist seiner Tendenz nach dem Geiße Cromwell's und mehr noch dem der echten Religiosität und dem Hauptgebote der Bibel, das der Verfasser so felbstgefällig anführt, durchaus entgegen; denn es erregt Haß und Zwietracht.

Was Cromwell für die bürgerliche Freiheit gethan, wie er für das Gedeihen, die Größe und den Ruhm Englands gesorgt, davon giebt der Verfasser eine lebendige Schilderung. Aber hierin leitete den Protektor nicht sein puritanisches Christenthum, sondern der richtige Taft, das praktische Geschick, das dem angelsächsischen Volksstamm eigen ist. Er unterschied sich hierin von den französischen Revolutionsmännern, daß er sich von allen Abstractionen frei zu halten wußte und klar erkannte, was seiner Nation noth that, und mu Energie und unbeugsamer Konsequenz das als nothwendig Erkannte durchsezte. Er ließ sich hierbei nicht von vagen religiösen Gefühle und allgemeinen Forderungen einer abstrakten Moral leiten, sonden folgte der nüchternen Erkenntniß seines scharfen Verstandes. Denn in Cromwell war auf eine wunderbare Weise der Schwärmer und der praktische Geschäftsmann vereinigt; er war mystique et pratique, wie ihn Guizot richtig bezeichnet, doch beides immer zu feiner Zeit. Daß Cromwell nach der Königskrone seine Hand ausgestreckt habe, leugnet der Verfasser. Das Parlament habe ihm die Königskrone angetragen, er aber die Annahme standhaft verweigert. Von der Petition des Heeres an das Parlament, worin es gegen die Wiederherstellung des Königthums energisch protestirt, erwähnt der Verfasser nichts. Und doch war sie es, die den Protektor bewog, in der Sihung des Parlaments am 8. Mai 1657 die entscheidenden Worte auszusprechen: „Ich kann mich bei dieser Regierung mit dem Königstitet nicht befassen. Solches ist meine Antwort in dieser großen und wichtigen Angelegen= heit". Der Verfasser stellt die Sache so dar, als sei nicht der äu ßere Widerstand, sondern sein eigener Widerwille der Grund der Verweigerung gewesen.,,Besaß denn Cromwell keinen Ehrgeiz? fragt der Verfaffer. Besaß er ihn insbesondere nicht bei dieser die Königswürde betreffenden Angelegenheit? Das gänzlich leugnen zu wollen, würde heißen, ihn außerhalb aller Bedingungen des menschlichen Daseins segen zu wollen. Es giebt keinen Menschen ohne Sünde, sagt die Schrift. Was wir behaupten, ist, er war gerade und aufrichtig in diesem Kampfe, und wenn das Fleisch stritt wider den Geist, fo ftritt auch der Geist wider das Fleisch. Oliver hatte einen lebendigen Glauben; dieser Glaube ist eine Macht, und eine Macht, die von Tage zu Tage in dem Herzen wächst. Der Zweck, zu welchem Gott diese himmlische und göttliche Macht in einen Menschen pflanzt, if, die irdischen, menschlichen, finnlichen Mächte in seinem Herzen zu be siegen. Die Frage ist also niemals, ob diese beiden entgegengesezten Grundstoffe der neue und der alte Mensch -zu gleicher Zeit in demselben Einzelwesen sind, sondern ob der Kampf zwischen diesen beiden Mächten ein ehrlicher und rechtschaffener ift“. Diese Erklärung umgeht die Frage mit frommen Betrachtungen, wie Macaulay in der Stelle, die der Verfaffer zur Bestätigung seiner Behauptung anführt, das Faktum mit dunklen Redensarten verschleiert und beschönigt. Die Sache war einfach die: Cromwell war klug genug, fich den. Anschein

« ForrigeFortsæt »