Billeder på siden
PDF
ePub

was einen unreinen Ort bezeichnet. Nach der im Jahre 1453. er.' folgten Einnahme Konstantinopels wurde nämlich den unterworfenen Griechen ein Ort als Wohnplah angewiesen, an welchem man den Unrath aus der ganzen Stadt aufhäufte.") Ungeachtet dieser Demüthigung wurden die Fanarioten treue Diener der Osmanen, das heißt treu in soweit, als die eigenen Intereffen dabei nicht beeinträchtigt wurden. Ihre Geistlichkeit wußte die Sultane von der Loyalität ihrer Gesinnungen, sowie von ihrem Haffe gegen die Christen zu überzeugen, und die Herrscher riefen zum Danke dafür in allen Theilen des ihnen zugehörigen Landes eine fanariotische Hierarchie in's Leben. Dies erregte unter den Christen allgemein so große Entrüftung, daß viele derselben zum Islam übertraten, natürlich nicht aus innerem Triebe, sondern lediglich in Folge des Umstandes, daß in der Türkei die Kirchenoberen zugleich Richter des ihnen zugetheilten Volkes sind und dieses auf allerlei Weise drücken können. Die Habgier der Geistlichkeit übersteigt alle Begriffe; auf Geld, und nichts als Geld, ist ihr Sinn gerichtet, und da ihre Stellen käuflich find, so steht auch der Pfründenwucher in üppigster Blüthe. Weffen Nationalgefühl nicht auf fester, sicherer Grundlage ruht, der beugt sich vor den Fanarioten, welche die die slavische Liturgie enthaltenden Bücher vernichten, die Kirchen schließen, in denen Gottesdienst nach slavischem Ritus abgehalten wird, die Christen bei jeder Gelegenheit denunziren, in's Gefängniß werfen lassen oder sie ans Meffer liefern, mit Einem Worte, auf die unerhörteste Weise mit ihren Glaubensbrüdern verfahren.

Als die Serben im Jahre 1804 aufstanden, nahmen sie furchtbare Rache an den verrätherischen Fanarioten; die Jonischen Griechen schüttelten 1819 auf den rauchenden Trümmern von Parga und Suli das Joch des Patriarchen von Konstantinopel ab; Hellas schuf 1821 im Freiheitskampfe in Athen eine eigene, unabhängige Synode, die Moldau und Walachei benußten 1828-1829 die Wirren des russischtürkischen Krieges, um die Fanarioten, ihre Feinde, auszutreiben, und in Bulgarien, Bosnien, Albanien und der Herzegowina endlich ging, da kein anderes Mittel übrig blieb, ein großer Theil der Bevölkerung zum Islam oder zum Katholizismus über, um sich aus den Krallen der Griechen zu retten. Um sich für die erlittene Schlappe und die Schmälerung ihrer Einkünfte zu rächen, fiel ein Schwarm Fanarioten in Bulgarien ein, und das unglückliche wehrlose Land seufzte, nicht unter dem Drucke der Türken, sondern unter demjenigen seiner christlichen Glaubensbrüder. Doch auch hier schlug die Stunde der Vergeltung, als das Maß voll war; das Volk erwachte und dankt dieses den gelehrten reisenden Slaven, unter denen Andreas Wenelin 1829 zuerst die Aufmerksamkeit Europa's auf dasselbe und das von ihm bewohnte Land lenkte. Den Namen des gelehrten Mannes spricht der Bulgare heute mit wahrer Ehrfurcht aus und sieht in dem Gedächtnißstein, welchen er zu deffen Verherrlichung in Odessa aufgestellt hat, das erste Merkzeichen seiner geistigen Wiedergeburt. Von jenem Augenblicke an bis in unsere Tage hinein zieht sich ein ununterbrochener Kampf hin, und der träge Türke weiß nicht einmal, um was sich die Giauren streiten, ahnt nicht, daß es sich um nichts weniger als um Leben oder Tod handelt, und daß, wenn der Slave Sieger bleibt, die Ausrottung oder wenigstens die Vertreibung der Ungläubigen die natürliche Folge davon sein muß.

Es giebt unter den Bekennern des Islam's Manchen, der ein Vorgefühl der Dinge hat, welche im Schoße der Zukunft, vielleicht schon der nächsten, liegen und deshalb Hab und Gut zu Gelde macht, um nach Klein-Asien überzusiedeln und dadurch dem Fanarioten, seinem Verbündeten, freies Feld zu lassen.

Wenn dem Bulgaren die Erkenntniß seiner Lage und Zukunft in lezter Zeit klarer geworden ist, so hat er dies vorzugsweise den Emigranten zu danken, welche sich in seinem Lande niedergelassen haben und ungeachtet wiederholter drohender Noten von Seiten der österreichischen Regierung das Volk denken und handeln lehren, die Blößen der Hierarchie aufdecken und dadurch nicht nur dem gemeinen Mann in Bezug auf seine Rechte die Augen öffnen, sondern ihn auch überzeugen, in wem er den eigentlichen Feind zu suchen habe. Der Autor behält vorzugsweise diejenigen Bulgaren im Auge, welche die Diözese von Philippopel bewohnen und sondert diese, dem Glauben nach, in rechtgläubige (православные) oder schwarze, katholische oder Paulitianer (weiße) und Musulmanen oder Pomacen. Die katholi schen sind Nachkommen der in der Mitte des elften Jahrhunderts durch die Kaiserin Theodora nicht vollständig ausgerotteten Sekte der Manichäer und die Zahl derselben hat sich mit der Zeit, vorzugsweise

[blocks in formation]

in Folge der Habgier des griechischen Klerus sehr erweitert. Sie er freuen sich durchgängig eines gewissen Wohlstandes und verdanken diesen der Fürsorge des apostolischen Stuhls. Daß die bulgarische Literatur blühe, darf man nicht behaupten, allein sie giebt doch Lebens zeichen von sich, und auch hier ist wieder der katholische Theil der Bevölkerung der regsamste. Den Bischof Andreas Caffanova, einen sehr erleuchteten katholischen Geistlichen, muß man als einen der Hauptpfeiler der Wiedergeburt der Bulgaren betrachten, und er hat fich durch seine Gelehrsamkeit sowohl, wie durch Sanftmuth und strenge Rechtlichkeit das Vertrauen und die Liebe des Volkes in hohem Grade erworben. In Konstantinopel erscheint eine Zeitschrift in bulgarista Sprache, der,,Zarograder Bote" (ввсmникь), in welchem man Wünschen und Klagen Ausdruck giebt, natürlich nur in dem Maße, als es die Censur des Fanarioten-Patriarchen gestattet. Daskalov hat seine Aufgabe noch nicht erschöpft und stellt in einem späteren Artikel fernere Enthüllungen in Aussicht.

[ocr errors]

"

Mannigfaltiges.

Ein literarisches Denkmal Silvio Pellico's.) Bor uns liegen Silvio Pellico's, des frommen Dulders, Briefe in einer französischen Ueberseßung von Antoine de Latour, welcher Leßtere bereits früher eine französische Bearbeitung von Pellico's „Gefängniffe" und seiner Pflichten der Menschen" herausgegeben hatte. Wenn man diese Briefe lieft (fagt der Herausgeber), erfährt man an sich daffelbe, was Pellico selbst bei der Lesung seiner Bibel an sich erfahren hatte: man wird ein besserer Mensch; man lebt sich hineir in die Gefühle einer christlichen Entsagung, die den Gefangenen der Bleidächer und des Spielberg befeelten; man lernt auf diesen Fußstapfen die himmlischen Züchtigungen demüthigen Herzens anzunehmen ( und die Vorsehung selbst in den härtesten Proben, die sie uns auflegt, zu preisen; man fühlt sich aufgelegt, wie er selbst, den Menschen ihre Irrthümer, ihre Ungerechtigkeiten und Verfolgungen zu verzeihen. Außer dem Moralischen kommt manches Politische zur Sprache, das für die, welche sich mit den italiänischen Zuständen ein gänglicher beschäftigen, von Interesse sein muß. Uebrigens ist der französische Ueberseßer ein Mann, der mit ganzer Seele gearbeitet hat, der eine völlige Wallfahrt unternommen, wie er in der Vorrede erzählt, um Pellico selbst zu sehen, was ihm dessen inzwischen erfolgter Tod unmöglich machte; hernach, um an allen Stellen verweilt zu haben, die durch sein Gedächtniß geweiht sind. Er war in Brüny auf dem Spielberge, in Padua, Verona, Venedig, wo er im Dogerpalafte Silvio Pellico's Fenster in den Bleikammern nach dessen B schreibung aufsuchte, wo er die Riesentreppe betrat, auf welcher Jenr herabgeführt worden war, um seine Verurtheilung zu hören. Ar dem Kirchhofe von Turin kniete er endlich an seinem Grabe, wo a die leßte Rose pflückte, die noch an dem sonst entblätterten Strauche blühte. Er beschreibt es: eine etwa sieben Fuß hohe Marmorppra mide steht auf dem Hügel, an der oben ein Medaillon in Relief die Inschrift trägt: SILVIO PELLICO und darunter:,,Silvio Pellico, geb. zu Saluzzo d. 24. Juni 1789, geft. zu Turin den 31. Jan. 1854. Unter der Last des Kreuzes hat er den Weg zum Himmel kennen ge lernt und uns darin unterrichtet. Christen, betet für ihn und fol get ihm."

Französische Cursus für Schullehrerinnen. In einem Schreiben von der Rhone theilt die,,Allgemeine Zeitung" Folgendes zur Charakteristik des französischen Unterrichtswesens mit:,,Zu dem ,,brevet d'institutrice" melden sich jest außerordentlich viele Mädchen die nicht einmal beabsichtigen, daraus Nußen zu ziehen. Darum if auch, namentlich in größeren Städten, der von einer Directrice für folche Damen gehaltene Normalkursus eine wahre Kuriosität. In einem derselben z. B. wurden drei Monate des Jahres auf Philosophie verwendet, und die zu Primärlehrerinnen bestimmten mußten in Zeit von zwei Stunden einen Auffah über das Thema schreiben: „, Parallele zwischen Herodot, Titus Livius und Bossuet" und "Parallele zwischen Plato, der ftoischen Schule und Descartes". Das Examen, früher,,du degré supérieur", jest blos,,des parties facultatives" genannt, umfaßt die ganze Weltgeschichte, Geographie und Physik, sogar die Elemente der Chemie, die Naturgeschichte, Kosmographie, die rationelle Arithmetik mit Quadrat- und Kubikwurzeln, alle Defini tionen der Geometrie, dazu Religion und Musik, resp. Gesang. Def nennt man geistige Emancipation der Frauen!"

*),, Lettres de Silvio Pellico, traduites et précédées d'une introduction par M. Antoine de Latour". 1. fort vol. grand in 8. (594 pag.), avec portrait. Paris, Dantu.

[ocr errors]

Magazin

WöHentlich erfdeinen 3 Rummern. Tres fährlich a thir. 10 @gr., balbläbṛlich 1 Sbír. 20 @gt, und viertel jährlig 25 Ogr., wofür das Blatt im Islande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 138.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bez
Beit . Comp., Jägerßraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann,
Riederwallftr. Nr. 21), sowie von allen 'lönigl. Bofl-Nemtern, angenommen.

Literatur des Auslande s.

Nord-Amerika.

Berlin, Donnerstag den 18. November.

George Washington, nach Washington Irving.") Durch den kürzlich erschienenen vierten Band (deffen Original erst im Jahre 1857 von Washington Irving vollendet wurde) ist nunmehr auch die von Profeffor. Bülan in Leipzig herausgegebene deutsche Uebersehung der Lebensbeschreibung George Washington's, soweit der berühmte amerikanische Schriftsteller sie zu führen gedachte, beendigt. Nur bis zur Erwählung Washington's zum Präsidenten der Republik, im Jahre 1789, reicht diese Lebensbeschreibung, die eigentlich mit Unrecht,,The Life of George Washington" heißt, falls nicht der Verfaffer, der sich jezt nach dem Ruhepläßchen seines vorgerückten Alters, nach Sunnyside, gänzlich zurückgezogen, dort noch einmal Lust und Gelegenheit findet, seine leßte große Arbeit wieder aufzunehmen. Man hat mit Recht gefragt, warum. Washington Jrving, besonders wenn er nicht die Absicht hatte, das ganze Leben seines großen Landsmannes zu beschreiben, überhaupt an diese Aufgabe gegangen, da bereits eine in Amerika, sehr verbreitete, ebenso liebevoll den Gegenstand behandelnde, als populär gefaßte Lebensbeschreibung Washington's aus der Feder des bekannten Historikers Jared Sparks vorhanden ist?**) Vergebens hatte man von dem Verfasser einen Aufschluß über die Gründe erwartet, die ihn veranlaßten, das von der Nation mit Beifall aufgenommene Werk von Sparks durch ein anderes zu erseßen. Der erste Band erschien ohne alle Vorrede. und Einleitung, und auch das Nachwort, welches der vierte Band uns bringt, ist ohne ein Wort des Aufschlusses in dieser Beziehung. Inzwischen spricht die Darstellung Irving's allein für sich: was Sparks in seine Biographie nicht aufzunehmen für nöthig hielt, weil die sie begleiten den neun Bände „, Writings" mehr als genügend darüber Auskunft ertheilen, das hat Ersterer in die Lebensdarstellung selbst mit ver= webt. Ja, das Werk Washington Irving's ist nicht bloß eine Biographie des großen, republikanischen Staatsmannes und Feldherrn, sondern auch eine Geschichte des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes überhaupt, mit deffen Schluß die Darstellung vorläufig ihr Ende

erreicht.

Wir wollen hier das Nachwort Washington Irving's, das von dem Inhalte und dem Plane des Werkes eine ziemlich vollständige Uebersicht giebt, unseren Lesern mittheilen und sie dadurch zugleich ermuntern, sich das gut überseßte Werk in der Bülauschen Ausgabe von Lorck anzuschaffen:..

,,In dem jest vollendeten (here.concluded) Werke haben wir uns bemüht, die Laufbahn Washington's von Kindheit an, seine früheften Vermessungs-Expeditionen in die Wildniß, seine diplomatische Sendung nach den franzöfifchen Gränzposten, seine Feldzüge im fran zösischen Kriege, die schweren Prüfungen, die er als Oberbefehlshaber während der Revolution zu bestehen hatte, und die edle Einfachheit, mit der er in der Zurückgezogenheit lebte, getreulich zu erzählen, bis er zuleßt, ohne daß er selbst etwas dazu that, sogar gewissermaßen gegen feinen Wunsch, durch die einstimmige Wahl eines dankbaren Vaterlandes auf den Präsidentenstuhl erhoben wird.

„Der Plan unferes Werkes machte es nothwendig, ausführlich die Feldzüge der Revolution zu behandeln, selbst wo Washington nicht

[ocr errors]

1855-1858.

[ocr errors]

*) Das Leben George Washington's", von Washington Irving. Her ausgegeben von Prof. Dr. Friedrich Bülau. 1-4. Band. (Der erste, zweite und dritte Band, deren Erscheinen wir in diesen Blättern zur Zeit angezeigt, tragen die Bezeichnung: während auf dem vierten Bande dieser Name fehlt.) Leipzig, C. B. Lord, Aus dem Englischen von W. E. Drugulin", **) Unter dem Titel: „The Writings of Washington", hat Jared Sparks nach Handschriften und Materialien in Mount Vernon, dem Wohnsiße des Gefeierten, in Washington und in den übrigen (älteren) Dreizehn Unionsstaaten, sowie in den Archiven von London und Paris, welche leßteren ihm dazu von der englischen und französischen Regierung bereitwillig geöffnet worden waren, die Tagebücher, Briefe, Reden, Depeschen und Gesez-Motivirungen Washington's und endlich dessen Leben, in zehn Oktavbänden, herausgegeben, von welchen der erste, ein sehr starker Band, der Lebensbeschreibung allein gewidmet ist. D. R.

1858.

persönlich auf dem Schauplaße der Begebenheiten anwesend war; aber sein Geist durchdrang und leitete das Ganze, und eine allgemeine Kenntniß des Ganzen ist unentbehrlich, um den Scharfblick, die Vorausficht, die ausdauernde Seelenstärke und die umsichtige Weisheit zu würdigen, mit der er Krieg führte. Bei der Darstellung der Revolution haben wir uns bemüht, das, was wir für ihren eigenthüme ́lichsten Zug halten: die Größe des Zieles und die Kärglichkeit der verwendbaren Mittel, hervorzuheben. Wir haben uns bemüht, dem vorherrschenden Mangel an Hülfsquellen, die sträfliche Vernachlässigung, die Noth und den Jammer aller Art, mit denen ihre Helden auf ihren Zügen durch pfadlose Wildnisse oder dünn bevölkerte Landftriche, im fengenden Sonnenbrand oder im unbarmherzigsten Unwetter, auf ihren durch blatige Fußspuren über Schnee und Eis zu verfolgenden Wintermärschen, in ihren unwirthlichen, durch Entblößung und Hunger noch unwirthlicher gemachten Winterlagern zu kämpfen hatten, beständig in's Licht zu stellen. Die Geduld und Seelenstärke, mit welchen eine halbdisziplinirte Miliz, freiwillige Verbannte von ihrem heimathlichen Heerde, ohne die Aufregung, welche der stolze Prunk und Glanz des Krieges hervorzubringen geeignet sind, und nur von ihrem Patriotismus angetrieben, an den Tag legten, sind die edelsten und rührendsten Eigenthümlichkeiten dieses großen Kampfes für Menschenrechte. Diejenigen thun seiner moralischen Größe Unrecht, welche seinen militärischen Operationen durch wohlfeile Uebertreibung einen melodramatischen Effekt und falschen Schimmer verleihen und ihre größten Triumphe auf dem Schlachtfelde suchen wollen. Las fayette zeigte ein richtigeres Verständniß der Eigenthümlichkeit des Kampfes, als Napoleon, gewohnt, seine ehrgeizigen Ziele mit Hunderts tausenden von Truppen und Zehntausenden von Erschlagenen zu ver folgen, über die winzige Armee der amerikanischen Revolution und ihre Schlachten hohnlächelte. Sire", gab er treffend und erschöpfend zur Antwort!,, es war ein Kampf um die große Sache, gewonnen durch Vorpostengefechte und Scharmüßel“.

,,Was den Charakter und die Thaten Washington's betrifft, so haben wir uns bemüht, sie in das klarste Licht zu stellen und sie für sich selbst sprechen zu lassen, weshalb wir auch im Allgemeinen erläuternde Bemerkungen oder Lob unterdrückt haben. Seine eigenen mündlichen und schriftlichen Aeußerungen haben wir vielfach angeführt, um seine Empfindungen und Beweggründe aufzuklären und den wahren Schlüssel zu seiner Politik zu geben; denn niemals hat ein Mensch einen wahrhaftigeren Spiegel feines Herzens und seines Geistes und eine vollständigere Erläuterung seines Benehmens hinterlassen, als er in seinem umfänglichen Briefwechsel. Dort lernt man seinen Charakter in seiner ganzen majestätischen Einfachheit, feiner mannhaften Größe, seiner stillen, riesigen Kraft kennen. Er war kein Romanheld; er hatte Nichts von romantischem Heroismus an sich. Als Soldat war er der Furcht unfähig, machte sich aber kein Verdienst daraus, die Gefahr herauszufordern. Er kämpfte für eine Sache, aber nicht für persönlichen Ruhm. Mit Freuden legte er nach dem Siege das Schwert hin, um es nie wieder umzugürten. Nuhm, dieses lautschallende Wort, welches den Geist manches Kriegers erfüllt wie das Schmettern der Dromete, war nicht das Ziel feines Strebens. Gerecht zu handeln, war ihm innerer Trieb, das öffentliche Wohl zu fördern, beständiges Bemühen, die Liebe der Tugendhaften zu verdienen, sein Ehrgeiz. So ausgerüstet für die reine Anwendung gesunden Urtheils und umfassender Weisheit bestieg er den Präsidentenstuhl.

"Dort laffen wir ihn vor der Hand. Soweit ist unser Werk, das für das Gemeinwesen bis zur Feststellung unserer Verfaffung umfaßt, die ganze militairische Laufbahn Washington's und seine Thätigkeit vollständig. Dem Publikum müssen wir überlaffen, zu sagen, wie wir es ausgeführt haben; nicht ohne uns mit der Hoffnung zu schmeicheln, daß es wie bisher mit der Frucht unserer Arbeiten viel leichter zufriedengestellt sein wird, als wir selbst. Wird uns das Maß von Gesundheit und guter Stimmug, mit welchem eine gütige Vorsehung uns über die gewöhnliche Zeit literarischer Arbeitsfähigkeit gesegnet bat, noch ferner vergönnt, so gedenken wir fortzufahren und einen

2. 3."

Thomas Jefferson, sein Leben und sein Briefwechsel. II.

Schlußband der Päsidentenschaft und den leßten Lebensjahren Washing-war ein besonderes Glück, daß, außer der Finanzbill, noch ein Streit. ton's zu widmen. Bis dahin legen wir unsere Feder hin und suchen punkt zwischen dem Norden und dem Süden dem Kongreffe vorlag, die Erholung und die Ruhe, welche alternde Jahre verlangen. wodurch ein Austausch von Zugeständnissen und Entschädigungen leichter Sunnyside, 1857. werden mußte: es war die Residenz der Unionsregierung zu wählen. Soll die Hauptstadt an die Ufer des Hudson, des Delaware ober des Potomak, in den Schoß der freien und handeltreibenden, oder in den der ackerbauenden und Sklaven haltenden Staaten verlegt werden? Seit fast einem Jahre war der Gegenstand auf der Tagesordnung; die Abgeordneten von New-York, Pennsylvanien, Virginien machten mit Nachdruck die Ansprüche ihrer respektiven Staaten geltend, ohne einander besiegen zu können. Jefferson brachte es nun durch seine Bermittelung dahin, daß Virginien in der Finanzfrage nachgeben wollte, wenn die Residenzfrage zu deffen Gunsten entschieden würde. Hamilton's Bill ging nun durch, Washington wurde gegründet, die Gefahr der Zerstückelung war vorüber.

Seit einem Monate waren die Finanzpläne des Schaß-Secretairs Hamilton Gegenstand einer heftigen Debatte im Kongreffe. Um so willkommener wurde Jefferson von der gesammten politischen Welt begrüßt; Jeder wollte ihn zu seinen Gunsten voreinnehmen. Die Sache selbst war eigentlich seinem Departement fremd, und er hatte über die Streitpunkte keine Meinung; er ließ sich jedoch von Allen ohne Unterschied feiern und benahm sich gegen Jeden mit gewinnender Freundlichkeit, augenscheinlich mit klager Berechnung, denn Jefferson, der Diplomat, trug sich bereits im Geheimen mit dem Plane, Hamilton, und selbst Washington, überflüssig zu machen und sich selbst an ihre Stelle zu bringen.

Hamilton, mit zwanzig Jahren in den Generalstab Washington's getreten, hatte sich in den Feldlagern, unter dem Zelte des Ober-Anführers und in den höheren Kreisen des Waffenhandwerks gebildet. Hier gewöhnt sich der Geist von einiger Größe, die Ereignisse aus der Höhe und in ihrer Gesammtheit zu überschauen, das Band zwischen der Organisation der Gesellschaft und dem Loose der Schlachten zu be greifen, die Bewegungen der Heere mit der Thätigkeit der Staatsgewalten berechnend zu verbinden. Die Anschauungen des Kriegers übten Einfluß auf die des Politikers; die Leidenschaft für eine gute Regierung ward in ihm aus der Ungeduld zu siegen geboren. Er hatte gesehen, wie die militärischen Operationen durch die Zänkereien der Behörden und die an dem Föderalwesen haftenden Unordnungen in der Verwaltung fortwährend gehemmt wurden, und da konnte er sich des Neides auf die starke Einheit und die schöne Ordnung der europäischen Monarchieen um so weniger erwehren, als er nicht vor der Besorgniß zurückschreckte, der Zusammenhang der Staaten könnke jemals zu stark werden. Der Volkscharakter seiner Landsleute erschien ihm als zureichende Bürgschaft gegen die Gefahren der Centralisation. Schon im Jahre 1780 entwarf er den Plan zu einer Verfassungs-Reform und zu einem entsprechenden Finanzsystem.

Das große Verdienst Hamilton's als Schaß-Secretair besteht darin, daß er seine Finanz-Combinationen dem großen Gedanken, der die Verfassung befeelt hatte, dienstbar gemacht. Als er dem Kongreffe vorschlug, alle für die gemeinsame Sache gemachten Schulden auf die Rechnung der Union zu schreiben und sie unverkürzt abzutragen, wollte er nicht nur die National-Ehre wahren, den Kredit heben und durch dieses große Beispiel der Achtung vor öffentlichen Verträgen dem Lande eine Lehre der Ehrlichkeit geben; sondern auch durch diese finanzielle Solidarität die Provinzen an einander knüpfen, die Kapitalisten um die Centralregierung schaaren, ein neues Element der Dauer in die Inftitutionen einführen, da alle Staatsgläubiger ein Intereffe haben würden, sie aufrecht zu erhalten.

[ocr errors]

Das Ziel aber, nach welchem Hamilton steuerte, war den Südländern verhaßt, die Mittel, die er dazu vorschlug, schienen ihnen von Grund aus ungerecht. Sie waren Ackerbauer, reich an Land, aber arm an Kapital. Stets in Geldklemme, waren fie genöthigt gewesen, ihre Befiztitel um einen Spottpreis an den Schaz loszuschlagen. Die Inhaber dieser Befihtitel, Spekulanten ohne sittliches Gefühl fie waren es, die sich auf Unkosten der ursprünglichen Gläubiger bereichern würden, und diese Spekulanten gehörten fast ausschließlich den nördlichen Staaten. Die Konsolidirung der Föderalschuld würde demnach, wie die finanzielle Vereinigung, nur zum Nugen des Nordens ausschlagen; denn der Norden hatte am meisten im Kriege gelitten und also dem gemeinsamen Schaß die meisten Schulden auf Rechnung zu bringen, da der Süden an seinen eigenen vollauf hatte.... Die Repräsentanten des Nordens nahmen dies übel und ließen Drohungen vernehmen. Wollte man den Staatsbankerott, so würden sie, ehe sie sich einer solchen Entehrung mitschuldig machten, lieber aus dem Kongreß scheiden, und weise man die finanzielle Union zurück, so höre für sie auch die politische auf......

[ocr errors]

Die Beruhigung des Landes war jedoch nur eine scheinbare. Nachdem die Session geschlossen war, dauerte die Aufregung im Lande fort. Das Publikum hatte das dunkle Gefühl, daß der finanzielle Zank nur das Vorspiel sei eines langen Krieges zwischen entgegengeseßten Prinzipien und Interessen. Man schaarte, man rüstete sich zu dem nahen Feldzuge. Virginien blieb der Heerd einer von Tage zu Tage höher lodernden Oppositionsflamme, von der zwar am 26. November 1790 Jefferson in einem Briefe an Morris mit bitterer Wegwerfung spricht: Die Regierung ist zu stark, um sich darüber zu beunruhigen"; allein schon am 4. Februar 1791 äußerte er gegen Mason: In der Theorie mag man Recht oder Unrecht haben, die öffentliche Meinung ist jedoch stets zu berücksichtigen", und um die Lehre mit dem Beispiel zu verbinden, überreichte er dem Präsidenten eine Note, worin er beweist, daß die vom Schaß-Secretair vorgeschlagene und vom Kongresse genehmigte Nationalbank nicht verfaffungsgemäß sei. Das war der erste Akt der Feindseligkeit gegen Hamilton. Bon diesem Tage an vertrat Jefferson die Opposition im Kabinet, wie Madison ihr Organ im Kongresse war. Den größten Dienst leistete er ihr damit, daß er sie auf den Namen:,,republikanische Partei“ taufte. Wohl war die gesammte Nation republikanisch, und, wie Washington fagte,,,unter Allen, deren Meinung etwas werth ist, sind nicht zehn Männer, die daran denken, die Regierung in eine Monarchie umzuwandeln"; allein es ist ein unglücklicher Zug in dem Charakter demokratischer Gesellschaften, sich stets für bedroht zu halten, und Der hat Anspruch auf das Vertrauen der Massen, wer ihrem Argwohn Recht giebt, auf ihre Leichtgläubigkeit spekulirt. Durch den bloßen Namen, den fich die Opposition beilegte, beschwor sie vor den Augen des Publikums das Gespenst der Monarchie herauf. Wenn so ge mäßigte Männer, wie Madison, es für nöthig hielten, sich laut als Republikaner zu verkünden, konnten ihre Gegner etwas Anderes dem Royalisten und Aristokraten sein? Mußte sich die Verwaltung nicht irgendwie gegen die Institutionen des Landes verschworen haben? So erklärte fich endlich, was man seit einiger Zeit Verdächtiges in dem Benehmen der Regierenden bemerkt haben wollte: Der Vice-Präsident John Adams brüstete sich wie ein Prinz in einem sechsspänniger Wagen; Mrs. Washington wurde bei ihrem Einzuge in New York mit dreizehn Kanonenschüffen begrüßt; der Präsidentenpalaft mit seinem Lurus, seinen Livree-Bedienten und seiner Hoffitte gemahnte an das königliche Schloß zu Versailles. Die Eingeladenen erschienen im Kostüm, Alle standen vor dem Staatsoberhaupt; dazu kam ein Ball, bei welchem Washington mit seiner Gemahlin auf einem thronähnlichen Kanapee saß, und endlich war der Senat so weit gegangen, dem Prästdenten die Titel: „Hoheit“ und „Protektor“ anzutragen. Solche Eingriffe in die schlichten demokratischen Sitten konnten nur von den Of. fizieren ausgegangen sein, welche nach dem Schluß des Unabhängigkeits krieges dem Oberanführer die Krone angeboten und den erblichen Militair-Orden der Cincinnati gestiftet hatten. Ihre Pläne hatten fis nicht geändert; Hamilton war ihr Haupt. Hatte er nicht im Schoße der Convention von Philadelphia seine Vorliebe für die britischen Institutionen unverholen ausgesprochen! Inftitutionen unverholen ausgesprochen! Diese Reden, von Mund zu Mund gehend, wurden immer giftiger und steckten zuleßt auch die Gemüther an, die es mit der Regierung ehrlich meinten, derart, daß Hamilton an J. Adams schrieb: Ich erhalte eben von einem gutunterrichteten Freunde aus Virginien einen Brief, in welchem er sagt: Alle Personen, auf die ich treffe, fühlen sich glücklich und find uns wohlgeneigt; allein ein großer Theil, die Regierungsfreunde mitbegriffen, scheint beunruhigt von einem eingebildeten politischen Ep. stem, das den Umsturz der republikanischen Regierung beabsichtige. Waren die Menschen jemals erfinderischer, fich mit Gespenstern zu plagen?"

"

[ocr errors]

Einen Augenblick konnte man glauben, und Jefferson glaubte es auch, daß diese Drohung keine rednerische Uebertreibung sei. Auf die Bitte Hamilton's verstand sich dieser dazu, zwischen die Streitenden vermittelnd zu treten. Im Grunde waren die Parteiführer in keiner geringen Unruhe darüber, daß sie sich zum Aeußersten hatten hinreißen lassen. Wir sehr es daher auch in der Tiefe gegen- Dieser virginische Korrespondent war aber kein Anderer alt seitig grollte, fühlten sie doch die Nothwendigkeit, zu einer jener Washington selber, der bei seinem Minister anfragen zu müssen glaubte, Transactionen ihre Zuflucht zu nehmen, auf welche in diesem Lande wie diesen Beschwerden der öffentlichen Meinung zu begegnen sei die politischen Streitigkeiten, wie sehr man sich auch anfangs be-,,Solche Ungereimtheiten", schrieb ihm Hamilton,,,find nur durc droht, sie mit dem Schwerte auszumachen, fast ftets hinauslaufen. Es eine einfache und glatte Lügenbezüchtigung abzufertigen“. Schade pur,

[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

"

daß der jugendliche Oberst über diefe, allerdings berechtigte, Nichtachtung der 'einfältigen Schreier es vergaß, sorgfältig über sich zu wachen, daß er ihnen keinen Vorwand leihe. Er diente der Republik ehrlich; er wußte, daß keine andere Regierungsform für die Union möglich ist; allein er stellte die amerikanische Verfaffung tief unter die englische und sagte das ohne Schonung, ohne Vorsicht, indem er eine Ehre darein seßte, seine freie Sprache nicht den gemeinen Vorurtheilen zu opfern. Jefferson verfehlte nicht, diese Offenheit auszubeuten. Jedes unüberlegte Wort seines Kollegen wurde sorgfältig aufgefaßt, in's Taschenbuch gezeichnet, seinen Freunden zugeflüstert, von diesen umbergetragen, übel ausgelegt und als Beweise von den argen Plänen des Schaß-Secretairs dargestellt. Heute nahm Jefferson Gott, feinen Schöpfer, zu Zeugen", er habe Hamilton die verrotteten Flecken" als nothwendige Elemente der britischen Verfassung vertheidigen hören, und er glaubte sich nun zu dem Schlusse berechtigt, daß sein Nebenbuhler ein systematischer Parteigänger der politischen Bestechung, daß die Feilheit der Föderalisten das Geheimniß ihres Einflusses im Kongreffe und daß die republikanische Partei der Wächter der öffentlichen Moral sei. Ein andermal sei ihm zu Ohren gekommen, daß Hamilton bei einer feierlichen Gelegenheit seinen Abscheu gegen die französische Revolution ausgesprochen. Bei einem Bankett habe Hamilton die Gesundheit Georg's III. mit mehr Feuer, als die des Präsidenten, ausgebracht. Bei allen diesen jämmerlichen Klatschereien hatte er keinen anderen Zweck, als seine Gegner zu Helfershelfern Pitt's zu stempeln. Behauptete er ja fogar, aus guter Quelle zu wiffen, daß sie sich eine Zufluchtsstätte und Jahrgelder in England gesichert haben". Freilich fühlte er sich selbst, als er in seinen alten Tagen das Blatt durchlas, von dieser schmählichen Verleumdung verleßt, und der Gewissensschrei entwand sich seinem Herzen: „Unmöglich! darüber war Hamilton zu erhaben!“ Allein, wollte er nicht das Geständniß ablegen, daß die Opposition unter seiner Leitung eine haffenswerthe und lächerliche Rolle gespielt habe, so war er dazu verdammt, die Lüge mit aller Beharrlichkeit aufrecht zu erhalten, daß „eine bestialische Rotte, von Hamilton geführt, sich es zum Ziel gefest, eine Regierung mit König, Lords und Gemeinen zu gründen".

[ocr errors]

Umsonst gaben ihm John Adams und Hamilton die ehrlichsten und beruhigendften Erklärungen über das, was sie wollten; es paßte ihm, unruhig, und behagte ihm, ungerecht zu sein. Der geistvolle, freie Denker mochte es schwer faffen, daß man seine Ansichten kreuzen und doch auf gleichem Wege mit ihm sein könne. Er war von herrischem Sinne und reizbaren Nerven, jeder Widerstand galt ihm als persönliche Kränkung, jeder Gegner als Feind, um so haffenswerther, je furchtbarer. Er konnte es Hamilton nicht verzeihen, ihm überall den Nang abgelaufen zu haben: er hatte die erste Rolle im Kabinet erhalten, und doch hatte der Schaß-Secretair die Stellung eines Premier-Ministers eingenommen; Jefferson hatte am meisten die öffentliche Meinung geschont, und doch war es Hamilton, der bei vorkommender Gelegenheit die größte Macht auf sie geübt hatte. Dieser hatte über alle Sachen eine Meinung, und um sie geltend zu machen, nahm er niemals Anstand, in das Revier seiner Kollegen zu dringen, ihre Handlungen zu kontroliren, auf die Gefahr hin, ihre Eigenliebe zu verleßen, oder sich selber eine Blöße zu geben. Er kannte keine Scheu vor dem Publikum; er verstand es und war dreift genug, mit ihm ein Wort zu reden und stets bereit, nach der Feder zu greifen, um seine Gegner zu entlarven und ihre Sophismen aufzudecken. Er war, mit Einem Worte, ein harter Kämpe, mit dem es gefährlich war, eine Lanze zu brechen, und Jefferson hatte es durchaus nicht eilig, es in offenem Kampf mit ihm aufzunehmen. Wie eifrig er auch in vertrauten Kreisen die Handlungen seines Kollegen verläßterte und sie ohne Scham der Wuth der demokratischen Preffe preisgab, so hütete er sich doch mit der Vorsicht eines alten Diplomaten, ihm jemals einen offiziellen Grund zur Klage zu geben, in deffen Geschäftskreis überzugreifen, seine Theilnahme an den von ihm inspirirten Zeitungsartikeln zu verrathen, oder Aufsehn zu verursachen, um nicht den Präsidenten zu mißstimmen und Hamilton Gelegenheit zu geben, seine Größe in offener Schlacht geltend zu machen. Er fühlte es, wie kißlich seine Stellung, wie schwierig es sei, sich in Schranken zu halten, und wurde es bald müde, unablässig über sich zu wachen. Kaum war ein Jahr seit dem Beginn des Kampfes im Kabinet verfloffen, und schon sprach Jefferson davon, das Feld zu räumen und auf seinem Landgute Monticello zu leben. Jefferson liebte nicht die Anstrengung, er warf sich gern in die Strömung und ließ sich von der Woge forts tragen. Sein Werk war übrigens vollbracht, er hatte die republikanische Partei in ihre natürliche Bahn geleitet: er brauchte jezt nur die Gewalt der Dinge wirken zu lassen und feine Stunde abzuwarten. Er konnte nur dabei gewinnen, sich nicht täglich dem Feuer seiner Gegner auszuseßen und sich nicht öffentlich den kleinen Umtrieben. feiner Freunde anzuschließen. Ihr Sieg war gewiß, obgleich nicht in naher Aussicht. Die Zeit der Wahl zum Präsidenten rückte heran. Schlug Washington es aus, noch einmal die Macht zu übernehmen,

[ocr errors]
[ocr errors]

so mußte die Nachfolge in diesem Augenblicke wieder an die Föderalisten kommen. Jefferson mußte nun nach zwei Seiten hin seine Thätigkeit richten, feinen Austritt bewirken und den Washington's hindern, bis seine Partei zahlreich und überwiegend genug sei, ihrem Führer die Präsidentur zu verschaffen.

Bei Washington, der sich aufrichtig nach Ruhe und Zurückgezogenheit sehnte, tlagte er über die gesteigerten Umgriffe des Schaßamtes, das allmählich sämmtliche Staatsgewalten aufzusaugen und die Autorität des Präsidenten selbst zu gefährden drohe. Hamilton verfüge über alle Stellen, habe seine Actien in allen Unternehmungen: so sei er Herr des Kongresses geworden und reiße ihn auf eine gefährliche Bahn, wohin ihm der Süden nimmer folgen werde. Nur die Absicht, ihn aufzuhalten auf einem Absturz, der durch die Monarchie zur Zerstückelung führen müsse, habe die Opposition in's Leben gerufen. Lege aber Washington die Macht nieder, überlasse er das Land sich selber, bevor es Zeit hat, seine wahren Freunde kennen zu lernen: so würde die Opposition ohnmächtig sein, den Uebeln, die sie voraussieht, zu steuern. Er, Washington, allein könne bie tollen Ueberschwänglichkeiten der Föderalisten hindern, die Republikaner beruhigen und das Band zwischen dem Norden und dem Süden bilden. So lange der Kongreß nicht aus dem Joche Hamilton's erlöst, so lange die Republik in Gefahr sei, so lange dürfe der Befreier der Vereinigten Staaten die Geschicke des Vaterlandes keiner anderen Hand anvertrauen. Erst wenn eine ehrliche und republikanische Majorität die Schaar wuchernder Anglomanen, die Amerika Gefeße gebe, verdrängt haben würde, dann sei Washington seiner Pflicht gegen das Vaterland ledig und könne seinem Hange nach ländlicher Stille genügen, selbst bevor die Dauer seiner neuen Präsidentur abgelaufen. Bis dahin hatte Hamilton gegen Jefferson keine Repreffalien gebraucht; aber jeßt war seine Geduld erschöpft. Er griff zur Feder und, hinter einem „Ein Amerikaner“ versteckt, enthüllte er in den Spalten der Unionszeitung dem Publikum die ärgerlichen Durchstechereien des Staats-Secretairs mit den Feinden der Verfassung und des öffentlichen Kredites, die Schlupfwinkel, in die er sich verkroch, um dem Tadel der Rechtschaffenen zu entgehen. Er forderte ihn auf, zwischen der Regierung und der Opposition zu wählen. Der Streich traf; man sah, wer ihn geführt. Der Präsident, der bis dahin von dem Zank keine Notiz zu nehmen für angemessen hielt, konnte ihn von nun an nicht mit Stillschweigen übergehen. Er mußte mit seiner Autorität einschreiten: die beiden Nebenbuhler mußten ihre Aufführung erklären. Jefferson hatte nun den offenen Bruch, den er scheute, gerade durch seine Kunstgriffe herbeigeführt und war, zu seinem großen Aerger, ehrenhalber genöthigt, auf seinem Posten zu bleiben und gegen seine Freunde hart zu verfahren. Von diesen aufgehezt, hatte sich der Westen Pennsylvaniens verbündet, die Erhebung der Getränkesteuer zu hindern. In einem Manifest bedrohte der Präsident die Rebellen, sie vor die Gerichte zu stellen, und verlangte von Jefferson die Gegenzeichnung dieser Akte. Der Minister fügte sich mit Anstand. Er erfüllte seine Amtspflichten pünktlich, aber der Verdruß, einer Politik zu dienen, die nicht die seinige war, nagte an ihm immer tiefer, und wie er sich auch dagegen öffentlich verwahrte, mit den Republikanern etwas gemein zu haben, so ließ er sich doch von Tag zu Tage immer tiefer in ihr leidenschaftliches Treiben ein.

Sicherlich hatte er seine Hand mit im Spiele, als die Republikaner, in der einzigen Abficht, die öffentliche Meinung aufzuregen, Hamilton bei der Repräsentantenkammer des Unterschleifs anklagten und, als antimonarchische Kundgebung, die Wiederwahl J. Adams, zur Vice-Präfidentur bekämpften. Wohl entging Hamilton dem Tadelsvotum, aber einen Monat lang stand feine Ehrlichkeit öffentlich in Frage; wohl siegte J. Adam's in der Wahlschlacht, aber 53 unter 130 Stimmen hatten ihre Erklärung abgegeben, das Vaterland sei dadurch in Gefahr. Die Föderalisten hatten das Uebergewicht durch die Geiftlichkeit, die Barre, die Behörden, die Großkapitalisten; durch Alle, welche Geistesbildung und Berufsort über das kleinliche spießbürgerliche Wesen erhoben durch Alle, mit Einem Worte, die vermöge ihres Sinnes und Bedürfniffes für Ordnung in der Gesellschaft der Regierungspolitik günftig waren. Die ländliche Bevölkerung jedoch, hartnäckiger in ihrem Groll gegen das Mutterland und ihrem Mißtrauen gegen die oberste Gewalt, abgeschloffener in dem engen,,,sinnverengenden" Kreis des rustikalen Lebens, war nur schwach gegen die Verlockungen der Opposition geschüßt, und ein Stoß, der von außen kam, genügte, ihr die schwankende Menge der Kleinbürger und Arbeiter in die Arme zu werfen. Die Strömung ist umgeschlagen!“ rief Jefferson voll Freude und Hoffnung in Dezember 1792,,,der Geist von 1776 ist vom Donner der Kanonen bei Valmy erwacht. Die gränzenlose Schwäche unserer alten Regierung hatte die Fluth gewaltsam in einen entgegengeseßten Lauf gedrängt, und sie drohte, Alles mit dem Flitterkram der Monarchie zuzudecken; jeßt nimmt sie eine gute Richtung, die uns, hoffe ich, zu einer Regierung der Ge

feße, die sich an die Vernunft, nicht an die Schwächen des Volkes wendet, führen wird. Der Wiederhall, den die Nachrichten aus Europa in den Zeitungen finden, zeigt, daß die Wendung unserer Angelegenheiten in einem viel engeren Zusammenhang mit den franzö fischen Ereignissen ist, als die Klügften ahnen möchten... Der Erfolg des · Republikanismus in Frankreich hat den Hoffnungen der Monokraten den Todesstoß gegeben. Unsere Republikaner freuen sich und find stolz auf den Namen Jakobiner, den man ihnen vor zwei Monaten als eine Brandmarke aufgedrückt hat“.

Süd-Australien.

Die Stadt Melbourne.

Rachstehende Schilderung dieser durch ihr wunderbar rasches Aufblühen merkwürdigen Stadt, des Hauptortes der neuen füdauftralischen Provinz Victoria, ist einer auf der Insel Mauritius erscheinenden englischen Zeitung entlehnt:

[ocr errors]

....,,Vor sechs Jahren zeugte Alles in Melbourne von Unordnung, Verwirrung und Elend. Die Straßen waren ungepflastert, ohne Abzugskanäle, ohne Laternen, die Wege waren Moräfte, die Häuser selten, die Miethen enorm, für jeden Gegenstand. wurden fabelhafte Preise gefordert. Expressung war an der Tagesordnung, und an Bequemlichkeiten des Lebens war nicht zu denken. Männer, Frauen und Kinder kauerten in elenden, von Schmuß ftarrenden Leinwandzelten zusammen, und Hunderte waren nächtlich ohne Schuß und Behausung dem durchdringenden Regen preisgegeben. Welch ein Unterschied gegen jest! Das Wachsthum von Melbourne gehört zu den Wundern unseres Zeitalters und liefert wieder ein Beispiel von dem unvergleichlichen Kolonifirungs-Talent des angelsächsischen Stammes.) Allenthalben erheben sich Läden und öffentliche Gebäude, deren architektonische Schönheit einer europäischen Stadt Ehre machen würde. Die Straßen sind mit breiten Trottoirs versehen, genau wie in London, dem Melbourne auch im Punkte der Beleuchtung nicht nachsteht. In beiden Parlaments- Häusern ist Gas angebracht, desgleichen in den Theatern, den Hotels, den Kirchen und vielen Privat-Etablisse ments. Cabriolets, Equipagen und Fuhrwerke jeder Art rollen unauf hörlich durch die Straßen. Collins-Street erinnert an Cheapside; Tausende von Leuten eilen geschäftig hin und her, und es summt und schwärmt wie in einem mächtigen Bienenkorbe.

[ocr errors]

„Die Post nach England geht heute ab, und das Postamt ist förmlich belagert. Fliegende Buchhändler treiben ihr lärmendes Wesen, und das Geschrei:,,Summary for England", „,Argus, Argus",,,Herald, Herald”, „Age, Age", ertönt von allen Seiten. Hier und da sieht man Personen an kleinen Tischen sigen, die mit Federn, Dinte und Papier versehen sind und wo man gegen eine kleine Vergütigung Briefe schreiben oder Zeitungen nach England adressiren kann. Weiterhin bemerkt man Gesichter, die das lebhafte Konterfei des Pickwickschen Sam. Weller darbieten und deren Betriebs-Kapital aus drei Bürsten, einer Flasche Wichse und einem Holzkloß besteht. Die Schuhpußer-Brigade macht hier ein glänzendes Geschäft. Jeden Augenblick begegnet man in Melbourne bekannten Physiognomieen. Innerhalb zweier Stunden bin ich von Freunden aus London, Mauritius, Süd-Afrika, Adelaide und anderwärts angesprochen worden. Welcher herzliche Händedruck! Man glaubt in England zu sein. „Komm, altes Haus!" ruft ein Bekannter, den ich seit Jahren nicht gesehen, „Laß uns zusammen im Criterion frühstücken.“ Wir traten um 1 Uhr Mittags in dieses Hotel ein. Der Speisesaal ist sehr geräumig, eine Fontaine plätschert in der Mitte; dreihundert Personen nehmen ihr Mahl ein; die Speisen sind vortrefflich, die Weine von er fter Qualität und die Aufwartung ohne Tadel. Noch besser gefallen mir die Gäste. Sie sind fein gekleidet, schwaßen von der Leber weg und sehen aus wie die Gesundheit selber......

„Melbourne besigt drei sehr gute Theater: das Theatre Royal, das Princess's und das Olympic, wovon ersteres das Drury-lane der Kolonie ist; dann giebt es noch allerhand Vergnügungsörter und endlich auch ein australisches Cremorne. Natürlich verfehlte ich nicht, diese Lokale zu besuchen, und zum Ruhme Victoria's sei es gesagt; in kei nem Welttheile sah ich Leute, die sich anständiger betragen hätten, als die Männer und Frauen, mit welchen ich dort zusammentraf.:

Unter den verschiedenen öffentlichen Gebäuden, die ich während meines Aufenthaltes in Melbourne besichtigte, verdient namentlich die öffentliche Bibliothek Erwähnung. Den Eingang bildet eine geräumige Halle, von korinthischen Säulen getragen und mit getäfeltem

*) Wobei jedoch auch die Goldgruben in Anschlag gebracht werden müssen, ohne deren Entdeckung Melbourne schwerlich einen so großartigen Aufschwung D. N. genommen hätte.

Marmor gepflastert. Man steigt eine breite Treppe hinauf und be findet sich im Bibliothekzimmer, einem wahrhaft prachtvollen Raum, der fein Licht von oben durch schön geschliffene Glasscheiben erhält, die eine sanfte, zum Studium geeignete Helligkeit verbreiten. Die Bibliothek, welche 8000 Bände zählt, ist vortrefflich geordnet; man bekömmt in einer Minute, was man verlangt. Die Bücher find alle in Kalbleder mit goldenem Schnitt gebunden, und bestehen ohne Ausnahme aus den neuesten und besten Ausgaben; mit Einem Wort, die ganze Einrichtung ist fürftlich. Ich besuchte diese Anstalt mehrere mal und fand nie weniger als funfzig bis sechzig Leser zugegen. Die Legislatur hat im vorigen Jahre 5000 Pfund Sterling zam Ankauf von Büchern bewilligt, und fernere 5000 Pfund zu demselben Zweck in diesem Jahre; außerdem hat sie zum Anbau eines neuen Flügels die bedeutende Summe von 20,000 Pfund ausgefeßt. Der durchschnittliche Besuch der Bibliothek, welcher dem Publikum unentgeltlich von zehn Uhr Morgens bis neun Uhr Abends freisteht, wird auf zweihundert Personen täglich angegeben.

„Ich nahm auch beide Parlaments-Häuser in Augenschein, die von außen noch nicht ganz fertig sind. Die Ausstattung des Innern ist ungemein splendid. Selbst in dem goldenen Victoria kam mir eine so verschwenderische Entfaltung der Pracht und des Glanzes unerwartet. Wenn Alles beendigt ist, werden die Kosten sich auf nicht viel weniger als eine Million Pfund (nghe an sieben Millionen Thaler) belaufen.

"

In dem Haufe der Abgeordneten hörte ich Ebden, O'Shanaf Duffy, Blair und andere Redner von untergeordneterem Ruf. Ebden ist Schazmeister - ein recht hübscher Mann, vom Kap der guten Hoffnung gebürtig. Duffy ist ein kleiner, magerer Mann von gal ligem Ansehn, deffen Physiognomie etwas Weinerliches hat, aber seir schönes, durchbringendes Auge verräth Wärme des Herzens und Intelligenz. Seine Stimme ist fein und schneidend, aber er spricht rasch, ernst und mit Sachverständniß. O'Shanaffy ist ein korpulenter, dicht behaarter, stämmiger Gentleman; seine Rede ist fließend, und man sieht es ihm an, daß er sich auf das Debattiren versteht. Er gehört zu den hervorragendsten Mitgliedern des Hauses und befißt großen Einfluß. Die Hauptrolle in der Assembly soll jedoch der GeneralAdvokat Michie spielen.

„Die Vorstädte Melbourne's, Collingwood, Brighton und St. Kilda, haben mit dem Wachsthum der Sadt mehr als gleichen Schritt gehalten. Manche Villen und viele von den Terrassen, welche diese ländlichen Aufenthalte schmücken, könnten sich ohne Nachtheil in der Umgebungen Londons sehen lassen. In verschiedenen Theilen de Provinz sind schon Eisenbahnen im Gange, und binnen wenigen Jahren wird das „eiserne Roß" ohne Zweifel diese „ Go-ahead. Kolonie in jeder Richtung durchlaufen. Es fehlt zwar nicht an Leuta, welche alle Art Unheil prophezeihen; aber ich kann diese düsteren An sichten nicht theilen. Ich sehe vielmehr unbedingtes Vertrauen in die Entwickelung der Hülfsquellen des Landes und in die unerschütterliche Energie und Beharrlichkeit des Volkes".

Mannigfaltiges.

- Die Umkehr zum Mittelalter. Die bekannten Fastenpredigten des P. Ventura in Paris sind jest auch in einer deutschen Ueberseßung unter dem Titel: Die chriftliche Politik; Konferenzen, gehalten in der kaiserlichen Kapelle der Tuilerieen", im Druck_er= schienen.") Wir haben bereits, bei Anzeige des Originales, erwähnt, daß der Verfasser alle Revolutionen und alles Unheil der neueren Zeit zunächst der Wiederbelebung des klaffischen Heidenthums im funfzehnten Jahrhundert und sodann der aus dieser Wiederbelebung her vorgegangenen Reformation in die Schuhe schiebt, sowie daß er den Kaiser Napoleon III. auffordert, in die Fußstapfen der großen Herr fcher des Mittelalters einzutreten, die von den Regierungen seit dem funfzehnten Jahrhundert zu ihrem Verderben befolgte Politik zu verlaffen und zu der älteren, christlichen Politik zurückzukehren. Frankreich, das, wie P. Ventura meint, ebenso wie sein Kaiser berufen ist, die Welt zu regeneriren, hat diese Kapuzinerpredigten bereits nach Verdienst gewürdigt, indem es sie, einhellig die Achseln zuckend, zu den Aften gelegt hat; es fragt sich nun, was Deutschland zu dieser,,Wiffenschafts-Umkehr sagen wird, die Alles, was man bei uns darüber za Tage gebracht, weit hinter sich läßt.

*) Mainz, Kirchheim, 1858.

« ForrigeFortsæt »