Billeder på siden
PDF
ePub

Wöchentlich erscheinen 3 Rummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 @gr., halbjährlich 1 Thir. 20 Sgt. und viertel jährlich 25 Sgr., wofür Das Blatt im Julande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 129.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Opediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Poft-Verstern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Griechenland.

Berlin, Donnerstag den 28. Oktober.

Die Jonischen Inseln, nach der Gräfin Doria d'Istria. *) Ein höherer Offizier der britischen Marine scheut sich nicht, in einer Denkschrift über das Mittelländische Meer") zu sagen: „Wir möchten die Jonischen Inseln als eine Besigung betrachten, die wir für irgend eine griechische Monarchie der Levante in Verwahrung haben". Ohne von den englischen Staatsmännern eine so gänzliche Selbstverleugnung zu verlangen, dürfte sich doch jeder Fortschrittsfreund fragen, ob die amtlichen Organe Großbritanniens, soviel an ihnen war, dahin gewirkt haben, den Joniern einen Theil der Blüthe wiederzugeben, deren sie sich in den schönen Tagen ihrer ursprünglichen Unabhängigkeit erfreuten? eine Blüthe, wovon alle noch vorhandenen Denkmäler, alle Erzählungen der glaubwürdigsten Geschichtschreiber des Alterthumes Zeugniß geben.

Die Vertreter Ihrer britischen Majestät in der SiebeninselnRepublik sind der Lord Ober-Kommissär und die Residenten. Jener mit den proveditori-generali hat seinen Siz in Korfu; er ist das wirkliche Haupt der ausübenden Gewalt und sie wird durch die Refidenten auf den Inseln vertreten. Die Gewalt des prestantissimo residente auf jeder Insel ist beträchtlich; denn ohne seine Zustimmung darf kein Akt der Gemeinderäthe ausgeführt werden. Mit gutem Grund ist Kollisionsfällen vorgesehen und der Senat im Verein mit dem Lord Ober-Kommissär hat dann zwischen den Residenten und Räthen zu entscheiden.

Der Senat, aus fünf Mitgliedern, einem General-Secretair und einem Präsidenten, steht an der Spige der eingeborenen Behörden. Er wird als Handhaber der Exekutive angesehen. Er sendet einen mit der Verwaltung beauftragten Eparchen auf jede Insel, der aber, sowie alle richterlichen Beamten, von dem Lord Ober-Kommissär bestätigt werden muß. Die gefeßgebende Versammlung aus vierzig Mitgliedern wird von dem Wahlkörper der Siebeninseln nach Korfu abgeordnet.

Das Obertribunal, oder der Appellhof, der den nächsten Rang nach dem Senate einnimmt, besteht zur Hälfte aus englischen Richtern, die von der Königin gewählt werden. Grundsäglich erkannten die OberKommissäre nur das Englische und Italiänische als Amtssprachen an; gegenwärtig jedoch dürfen die Erkenntnisse der Gerichtshöfe und andere amtliche Schreiben im Englischen und Griechischen erlassen verden.

In einem vorzugsweise religiösen Lande hat die Geiftlichkeit noth vendig einen bedeutenden Einfluß; die gegenwärtige Organisation der Priesterschaft entspricht mehr, als zur Zeit der venetianischen Herr chaft, den Grundsägen der griechischen Kirche. Korfu, Cephalonien, Zante, Santa-Maura und Cerigo haben Erzbischöfe, die von den Priestern gewählt und vom Patriarchen in Konstantinopel bestätigt verden. Einer dieser Würdenträger wird nach der Reihe Exarch aoxos). Diese Würde, die in der römischen Kirche nicht mehr beteht, ist sehr alt. Im sardischen Konzil (347) geschieht ihrer Ervähnung mit der Definition: kagyòs douv iníoronos iñs μntoorókεws der Exarch ist ein Metropolitan-Bischof). Allein diese Bedeutung erweiterte fich mit der Zeit; denn im fünften Jahrhundert stand der Erarch über den Metropolitanen. Als das chalcedonische Konzil fünf Patriarchen gleichen Ranges einfegte: zu Jerusalem, Theopolis (Aniochien), Alexandrien, Rom und Konstantinopel, wurden ihnen die Exarchen untergeordnet. Der Jonische Erarch hängt von dem Patriarchen u Konstantinopel ab. Bei Erneuung oder Auflösung des Parlamentes jeht die Würde an einen anderen Erzbischof über. Er entscheidet in ester Instanz, wenn über den Urtelsspruch eines Jonischen Erzbischofs

*) Bekanntlich ist dies eine mit einem russischen Fürsten vermählte, seit ängerer Zeit in der Schweiz lebende Prinzessin Ghika. Wir theilen Nachtehendes aus einem Artifel mit, den sie in der Revue des deux Mondes peröffentlicht hat. D. R.

**),The Mediterranean, a Memoir physical, historical and nautical". By Admiral W. H. Smyth.

1858.

an ihn appellirt wird. Von dogmatischen Fragen kann bei den Jonischen Prälaten keine Rede sein; da die Orientalen nicht, wie die Katholiken, annehmen, daß das Dogma „sich entwickeln", d. h. sich ändern könne.

In Bezug auf Administration und Staats-Haushalt müssen die Sieben Inseln nach Größe, Bodenbeschaffenheit, Kultur und Beschäftigung merklich von einander abweichen. Geben wir zuvörderft eine geographische Ueberschau. Korfu, die nördlichste, liegt am Eingange des Adriatischen Golfs. Deftlich wird sie von der albanesischen Provinz Delvino durch eine zwei Stunden breite Straße, westlich durch den Kanal von Otranto von Italien getrennt. Die Insel, beinah in der Gestalt eines Dreiecks, hatbei läufig sechzig Stunden im Umfang, zwanzig Stunden in der Länge von Norden nach Süden, und zehn Stunden in der größten Breite. Wegen der vielen Berge und Hügel eignet sie fich wenig zum Anban. Einige beschränkte Ebenen könnten freilich durch ihre Fruchtbarkeit die Korfioten entschädigen, wenn die Bewässerung leichter wäre; allein der Mensogni und Potamo liefern nicht Wasser genug, um die Dürre zu überwinden. Dazu kommt ein zwar mildes, aber sehr veränderliches Klima, das die kräftigsten Körper erschlafft und zur Trägheit verdammt. Die Haupterzeugnisse sind: Schwefel, eine geringe Art Marmor, Steinkohlen von ziemlich schlechter Beschaffenheit, einige Salzwerke, die ein mittelmäßiges Produkt liefern, Korn, Wein und Oliven.

Außer Korfu giebt es nur Dörfer auf der Insel. Bei keiner Stadt prägen sich in ihrer Physiognomie die zahlreichen Revolutionen, die das Land durchgemacht, so sprechend aus. Die Esplanade und der Palast des Lord Ober-Kommiffärs bilden eine englische Stadt. Die griechische Stadt mit ihren hohen Häusern und engen Bogengängen erinnert den Reisenden, daß er sich auf hellenischem Boden befinde. Das Judenviertel mit seinem grauenhaften Schmuß beweist, daß die britische Toleranz nicht die Macht hatte, in den Hebräern den Sieg für das Comfort zu erwecken. Die Italiäner und Malteser, die sich in den Straßen drängen, sind eine lebendige Mahnung an die venetianische Herrschaft. Die ungezwungene Haltung der lebhaften und reizenden Korfiotinnen, die lächelnd an den Fenstern weilen, scheint den Beweis zu liefern, daß sie nicht gewillt seien, die Unabhängigkeit, die ihnen Venedig erobert hat, aufzugeben, und man sieht es ihnen an, daß die Traditionen des Gynäkeions im alten Korcyra längst vergessen sind. Soldaten in weißer Uniform, mit einem Strohhut auf dem Kopfe, kaufen ungeheure Melonen, Zitronen und Weintrauben, deren Größe von der Macht der Südfonne zeugen. Wenn Korfu noch keine westliche Stadt ist, wenn man in seinen Vorstädten auf Spuren einer vererbten Fahrlässigkeit stößt, so weilt dagegen das Auge mit Befriedigung auf die freundliche Stadt, die, Albanien gegenüber, am Fuße der kühn überragenden Zitadelle fich amphitheatralisch erhebt.

Nicht an der gemischten Bevölkerung der Hauptstadt, die schon stark den englischen Zuschnitt angenommen, muß man die hellenische Rage studiren; dazu muß man in die halbverfallenen Schlöffer gehen, wo über der Pforte ein Wappen glänzt, auf das die Herren stolz find. Die Griechen haben so wenig Bedürfnisse, daß sie selbst in der Armuth eine Würde und eine gewisse Eleganz bewahren, welche die Deutschen und die Engländer von dem Reichthum unzertrennlich glauben. Der Korfiotische Adel steht in Feinheit der Sitten dem französischen nnd italiänischen nicht nach. Auch das ungeübteste Auge erkennt in ihm die doppelte Ueberlieferung zweier am frühesten civilisirter großer Nationen in Europa: der Hellenen und Lateiner. Daher feine unerschütterliche Ueberzeugung, daß das Uebergewicht der Engländer kein so unbedingtes sei, als sie sich einbilden.

Südlich von Korfu bemerkt man das Eiländchen Paro, das außer Del und Mandeln seinen kräftigen Bewohnern wenig Hülfsquellen bietet. Weiterhin in derselben Richtung stößt man auf SantaMaura, am Eingang des Golfs von Afra. Sie ist fast rund, etwa zwanzig Stunden im Umfang, und obgleich voller Gebirge, wovon die höchsten im Mittelpunkte, dennoch reich an Mandel- und Olivenbäumen. Die Insel Theaki bildet ein ausgeks längliches

Viereck von etwa zehn Stunden im Umfang. Auch hier seht der Felsboden dem Ackerbau unübersteigliche Hindernisse entgegen. Außer Ge traide erzeugt sie schöne Korinthen. Einen Hauptvorzug besißt sie in ihrem trefflichen Ankergrund. Cephalonien ist mit gutem Recht stolz auf seinen Hafen/Theodor, wo ein ganzes Geschwader sicher ankern kann. Diese Insel, an der Mündung des Golfes von Patras, gegenüber dem berühmt gewordenen Missolongi den Fluthen entsteigend, ist beinah rund und hat 60 Stunden im Umkreis. Außer dem Hauptorte Argostoli, hat sie noch zwei Städtchen: Liruri und Aro; leßteres mit einer Veste. In früheren Zeiten hat dichtes Gehölz die Halden des Berges Nero bedeckt; allein bei der Sorglosigkeit der Regierung unter der venetianischen Herrschaft wurden die Wälder ungehindert verwüstet. Die dürren Felsen lassen dem Pfluge nur wenig anbaulichen Raum, der allerdings von wunderbarer Fruchtbarkeit ist.

Zante, südlich von der vorigen und nur durch einen vier Stunden breiten Kanal von ihr getrennt, scheint unter allen von der Natur ám meisten begünstigt. Sie bildet einen Halbkreis, streckt sich vier bis fünf Stunden in die Breite und sieben bis zehn Stunden in die Länge und hat etwa zwanzig Stunden im Umfang. Wer sie noch besucht, ist von ihr entzückt. Robert nennt sie die goldene Insel; Spon ein irdisches Paradies; George Wheler versichert, daß es das köstlichste und fruchtbarste Stück Erde sei, das er je gesehen. Die Italiäner haben daher auch dem Vaterlande Ugo Foscolo's den poetischen Namen Fior di Levante (Blume des Ostens) gegeben. Sie verdankt den Ruhm ihrer Fruchtbarkeit einer sehr engen, von Bergen umschlossenen Ebene, worin sich die Sonnengluth konzentrirt. Zante erzeugt Wein, Cerealien und Olivenöl; ihr Hauptreichthum aber besteht in Korinthen, wenn sie unzeitige Regengüffe nicht darum bringen. Zulegt kommt die Insel Cythera, jest Cerigo, die, wenn man das Kap Matapan umfegelt hat, an der Spiße von Morea, im Südost erscheint. Sie hat zwanzig Stunden im Umfang, allein zwischen den oft von furchtbaren Winden gepeitschten dürren Felsen giebt es nur wenig urbaren Boden, wo etwas Getraide angebaut wird. Die Bevölkerung lebt daher auch kümmerlich in ihren zwanzig Dörfern und der kleinen Hauptstadt Cerigo oder Kapsali, die im Westen der Insel belegen und durch eine Beste vertheidigt ist.....

-

Werfen wir nun einen Blick auf die politische Gesinnung der Bevölkerung, so trifft er auf zwei scharf unterschiedene Tendenzen, die sich schon nach dem Fall der venetianischen Herrschaft schroff entgegen traten. Unter der französischen Herrschaft, dann unter dem russischen Protektorat nämlich theilte sich die Bevölkerung in zwei Lager: hüben die Demokraten, durchdrungen vom Nationalgefühl, stolz auf die alten Erinnerungen des hellenischen Stammes; drüben die Oligarchen, die eifrigen Wächter der byzantinischen Traditionen des Autoritäts-Prinzips. Unter dem englischen Protektorat haben diese Parteien andere Namen angenommen und den Weg der Umgestaltung eingeschlagen. Jest heißt jene die Oppositions-Partei, diese die konservative.

Alle Fractionen der lezteren sind über Einen Punkt einverstanden: sie erkennen den Schuß Britanniens als eine Thatsache an, die man ein für allemal gelten lassen muß; der im Ganzen dem Lande mehr Nugen, als Schaden bringt. Capodistrias war dieser Meinung; denn er strebte aus allen Kräften, Oesterreichs Pläne zu durchkreuzen, das nach der Oberlehnsherrlichkeit über die Inseln gelüftete. Er glaubte, eine freigesinnte Nation, wie die englische, würde die Entwickelung der neugeborenen Republik eher begünstigen, als eine despotische Regierung, der, wie er wußte, alle Nationalitäten des christlichen Morgenlandes ein Dorn im Auge sind. Die konservative Partei, die diesen Gesichtspunkt zu dem ihrigen gemacht, konnte ebenso gut die englische oder protectionistische heißen; eine Bezeichnung, die genauer ist, als der oft gebrauchte Ausdruck:,, aristokratische Partei".

Die Konservativen, von ihren Gegnern zarazónio (die Höllischen) genannt, theilen sich in zwei Gruppen: in die Rückschreitenden und Stillstehenden. Die Ersteren tadeln die von den Lords OberKommiffären gemachten Zugeständnisse und wünschen das autokratische System zurück, das im General Maitland Fleisch geworden. Die Leßteren, ohne die zugestandenen Reformen zu mißbilligen, halten es für unklug, auf dieser Bahn zu weit zu gehen, weil man dadurch die. Republik mißlichen Verwickelungen bloßstellen und das Protektorat ernstlich gefährden würde.

Die Opposition, die man auch die hellenische oder nationale Partei nennt, hat zwei scharf abgeschnittene Schattirungen: die Reformisten und Antiprotectionisten oder Separatisten. Die Reformisten betrachten das Protektorat als eine von der Macht der Ereignisse aufgezwungene Nothwendigkeit. Ihr Ziel ist, durch alle verfassungsmäßigen Mittel die Ausführung der von Europa verbürgten Verträge zu erlangen, den Nationalsinn lebendig zu erhalten und mit Hülfe desselben Geist und Sitte des Jonischen Volkes zu entwickeln, ohne das Feuer seiner Leidenschaften wach zu rufen. Den Antiprotectionisten dagegen ist das Protektorat Täuschung und Prellerei (nhávy zaì ảлain). Das heißblütige Cephalonien ist die Wiege dieser Partei. Als die Preß

"

freiheit Jedem gestattete, seine Meinungen auszusprechen, stellten es sich zwei Journale: Der Freiheitsfreund" und Die Wiedergeburt" (Ὁ (Ο Φιλελεύθερος — Ἡ ἀναγέννησις), unter ber Mesaction ber tas H lentvollen Zervos und Momferrato, zur Aufgabe, das Protektorat anzugreifen. Aber die hohe Polizei" unterdrückte sie und verwies die Redaktoren nach einer fast wüsten Insel; als man jedoch die Wahlen freigab, wurden die beiden Häupter der separatistischen Partei in Cephalonien mit einer überwiegenden Mehrheit zu Deputirten gewählt. Auf der Tribüne entwickelten sie nun mit vielem Glanz die Theorieen, die sie in der Presse vertreten hatten. Diese Debatten hatten kein anderes Ergebniß, als den geseßgebenden Körper zweimal zu vertagen und endlich aufzulösen. Seit dieser Zeit breitete sich die antiprotectionistische Partei reißend schnell aus, zuerst in 3ante, dann auf den anderen Inseln. Unpolitische Strenge, die Quälereien einer inquisitorischen Polizei führten mehr Anhänger ihrem Lager zu, als der Einfluß ihrer Häupter, wie sehr diese auch furchtlos für ihre Sache kämpften und litten. Nach den kleinen Eilanden verwiesen, ohne Urtel auf dürre Felsen verbannt, sprach ihre Standhaftigkeit überzeugender, als die glänzendsten Reden. Die Regierung hatte sich in einen Frrweg verfahren: Galgen wurden in Cephalonien auf gerichtet, aber kein Infulaner wollte sich zum Henkerdienst hergeben; ein englischer Unteroffizier mußte es übernehmen, die unglücklichen Opfer eines Systems der Unterdrückung und der Nache zu würgen. Soldaten des britischen Heeres, in Nachrichter verwandelt, peitschten Hunderte von Verurtheilten, deren Wehegeschrei in den Gemüthern einen Haß hervorriefen, der noch jezt nicht völlig beschwichtigt ist. (Schluß folgt.)

Neugriechische Sprache und Literatur in England und
Nord-Amerika.

Es ist von Reisenden im Königreich Griechenland bemerkt worden, daß sie daselbst und auf ihren Wanderungen durch das Land zu wiederholten Malen Engländer, Franzosen und Amerikaner, sowohl Gelehrte als Touristen, nicht aber Deutsche angetroffen haben. Neuerdings mag dies anders geworden sein, und wenigstens haben sich jüngst deutsche Touristen auch nach Griechenland auf den Weg gemacht und dort im Lande umgesehen; aber Gelehrte, namentlich solche, die sich um die Sprache und um die Literatur des Volkes bekümmerten und die ihre diesfallsigen Beobachtungen und Bemerkungen, überhaupt die dort von ihnen in jener Beziehung gefundene Ausbeute ihren Standes- und Studiengenoffen mittheilten, bleiben zuhause. Anders ist dies bei Engländern und Amerikanern. Wir wissen von mehreren Gelehrten aus der Mitte dieser beiden Nationen, die sich längere Zeit in Griechenland aufgehalten, dort besonders auch mit der Sprache und der Literatur des Volkes und Landes sich beschäftigt und dann die Früchte ihrer Studien ihren Landsleuten in Schriften mitgetheilt haben. Die Griechen selbst und namentlich die Gebildeten und Gelehrten unter ihnen, wissen dies nach Gebühr und Verdienst zu schäßen und sie find den Ausländern für ihre diesfallsigen Bemühungen und Bestrebungen aufrichtig dankbar. Dies thut z. B. der Professor Asopios in Ather in einer öffentlichen Rede, welche er dort im Jahre 1856 gehalten hatte. Er erwähnt darin einen gelehrten Amerikaner, Professor Felton, und sagt von ihm, daß derselbe „vor zwei Jahren bei ihnen in Athen gewesen, mit großer Nachsicht ihre Mängel übersehen und wenn er etwas Gutes gefunden, nur dies beachtet, auch mit Ehrlichkeit ihren geringen Anstalten Aufmerksamkeit geschenkt habe“, u. s. w. Ebense erwähnt er den gelehrten Profeffor der griechischen Sprache in Edin. burg, Blackie, den Ueberseßer des Aeschylus, der auch der Neugriechen in Schriften mit Theilnahme gedacht und besonders die Ansicht von der Fortdauer der griechischen Sprache, in der Sprache der heutigen Griechen mit warmem Eifer ergriffen und in seinen Schriften: „Oa the Pronunciation of the Greek Language, Accent and Quantity" (Edinburg, 1853). weiter entwickelt habe, desgleichen den an einem Gymnasium in der Nähe von Edinburg angestellten Hellenisten Jakol Clyde, der die Schriften:,,Romaic and Modern Greek compared with one another and with Ancient Greek" (Edinburg, 1855), und Greek Syntax" &c. (Edinburg 1856) herausgegeben. Beide waren vor drei Jahren in Athen und wandten ihre Aufmerksamkeit der dortiger Universität, ihren Vorlesungen und Anstalten zu, nnd beachteten auð mit gleichem Intereffe die Literatur und die gelehrten Persönlichkeiten Griechenlands. Der genannte Felton, welcher Profeffor der griechischen Literatur am Harward - College in Cambridge in Nord - Amerika ist, äußerte sich über Griechenland, über das Land und das Volk, übe die Fortschritte in ihrer Entwickelung', über die neugriechische Literatur u. f. w., ebenso ausführlich als unbefangen und wohlwollend, in seinem Werke: „A History of Greece, from the Earliest Times &c." (Cambridge, 1855), und in gleicher Weise beurkundete er sein Za tereffe an Griechenland durch die von ihm für Nord-Amerika besorgte

[ocr errors]

Herausgabe des Werkes des Grafen Carlisle: .,Diary in Turkish ., Diary in Turkish and Greek Waters. By the Right Honourable Earl of Carlisle, edited by C. C. Felton" (Boston, 1855).") Felton hat auch später, nachdem er das Königreich Griechenland verlassen, die hervorragenden Er. scheinungen der neugrichischen Literatur mit warmem und lebendigem Interesse zu verfolgen und an der Wiedergeburt des Landes und Volkes, z. B. durch Büchersendungen an die Universitätsbibliothek in Athen, sich zu betheiligen nicht unterlassen.

Es wäre zu wünschen, daß sich Aehnliches in gleicher Weise auch von Deutschland und von deutschen Gelehrten sagen ließe, und wenn es gleichwohl nicht der Fall ist, woran liegt dies?

Frankreich.

Frankreich im siebzehnten Jahrhundert.

1. Madame de Montmorency.

(Schluß.)

Das dritte Buch führt uns die Herzogin von Montmorency als unglückliche Witwe vor. Sie lag im Schlosse La Grange am Fieber krank, als zwei Mönche kamen, um ihr den Abschiedsbrief ihres Gemahls zu überreichen. Als sie die Herzogin sahen, zögerten sie, ihr die Schreckensnachricht mitzutheilen. Sie errieth aber aus den Thränen und der Trauer ihrer Umgebung, was man ihr verheimlichen wollte. Bis dahin hatte sie noch gehofft; sie konnte nicht glauben, daß der König an Montmorency, seinem Verwandten, der ihm so wichtige Dienste geleistet, das Todesurtheil würde vollstrecken lassen. Beim Ausbruche des Kampfes befand sie sich in Béziers, das sie beim Herannahen der königlichen Armee verließ. Gaston zwang sie, Gaston zwang sie, ihm zu folgen. Er hatte ihr geschworen, er werde sein eigenes Intereffe für das Leben des Herzogs, ihres Gemahls, opfern. Sie verließ ihn nicht, um ihn an sein Wort zu mahnen. Aber sie erfuhr, daß man ihre Flucht als einen Akt der Empörung betrachtete, daß man das Unglück ihres Gatten ihren Nathschlägen zuschriebe und daß davon die Rede sei, auch ihr den Prozeß zu machen, wiewohl sie sich beeilt hatte, dem Könige die Schlüssel der Städte, welche die Freunde des Herzogs noch besaßen, einhändigen zu lassen, wodurch sie seinen Zorn zu entwaffnen dachte. Sie beschloß daher, nach Béziers zurückzukehren und sich zur Verfügung des Königs zu stellen. Ihr ward der Befehl, sich auf ihr Schloß La Grange zurückzuziehen. Nach dem Tode des Herzogs rieth man ihr, sich zum Könige zu begeben und sich bei ihm zu rechtfertigen. Sie that es nicht. Für sie hatte das Leben keinen Werth mehr. Als man ihr die Ankunft der Kommissäre, die auf ihre Güter Beschlag legen sollten, meldete und ihre Leute ihr riethen, ihren Schmuck und ihre sonstigen Werthsachen, die ihr Eigenthum wären, in Sicherheit zu bringen, schlug sie es aus und überließ Alles den Beamten. Sie erhielt den Befehl, Languedoc sogleich zu verlassen und sich nach Moulins, oder La Fère, oder Montargis zurückzuziehen. Sie wählte Moulins, um dem Orte, wo ihr Gemahl ruhte, näher zu sein. Als sie sich der Stadt näherte, beAls sie sich der Stadt näherte, bemerkte man eine auffallende Freude an ihr. Ihre Ehrendame fragte fie erstaunt um die Ursache.,,In Moulins", antwortete sie,,,hoffe ich, wird man mir den Prozeß machen, wie man ihn in Toulouse meinem Gemahle gemacht hat.“ Als sich hierauf der Schmerz ihrer Umgebung in lautem Weinen kund gab, sagte sie: „Wenn Ihr mich wahrhaft Liebtet, würdet Ihr Euch mit mir freuen, weil Ihr nicht zweifeln könnet, daß mir der Tod erwünschter sein muß als ein so jammervolles Leben." Man wies ihr in einem alten, verfallenen Schloffe ihre Wohnung an. Der Kerkermeister ließ die Fenster mit Eisenstäben vergittern. Eine große Niedergeschlagenheit bamächtigte sich ihrer. Sie sehnte sich nach dem Tode. Einst sah sie aus einer Mauerspalte eine Schlange hervorkriechen, die sich dem Saume ihres Gewandes näherte. Eine plögliche Freude ergriff fie; sie neigte sich zu dem Reptil und ftreckte ihm ihren Arm hin. Aber eine ihrer Frauen trat in diesem Augenblicke in's Zimmer; das Geräusch erschreckte die Schlange; sie floh und die Herzogin begleitete sie mit einem Blicke der Verzweiflung.

Ihre Brüder forderten sie vergeblich auf, in ihr Vaterland zurückzukehren. Einer derfelben, der sich in ein Kloster zurückgezogen hatte, kam nach Frankreich, um die Erlaubniß auszuwirken, daß sie ihm nach Italien folgen könne. Er wandte sich an den König; doch dieser blieb taub gegen seine Bitten. Man fürchtete, sie könnte, statt nach Italien zu gehen, sich nach Languedoc begeben, wo sie sich die Herzen durch ihre Wohlthaten gewonnen hatte und wo noch viele Verehrer und Anhänger des Herzogs von Montmorency waren. Man hat ihren außerordentlichen Schmerz über den Tod ihres Gemahls als eine Folge der Gewissensbisse, die sie als Urheberin seines tragischen

[ocr errors]

*) In einer Anmerkung in diesem Werke thut Felton gelegentlich den den Ausspruch, daß das Lesen des Homer am Hellespont die beste Widerlegung der Träumereien Fr. Aug. Wolf's und seiner Anhänger sei“.

Geschickes empfunden habe, erklären wollen. Es läßt sich jedoch kaum denken, daß eine Frau, die sich in allen anderen Verhältnissen so klug und scharfsichtig zeigte, ihren Gemahl bewogen haben sollte, fich einer Partei anzuschließen, die einem Richelien gegenüber wenig Aussicht auf Sieg bot. Es ist unwahrscheinlich, daß sie, die nur immer für das Leben ihres Mannes zitterte, ihn in ein so thörichtes und gefährliches Unternehmen verwickelt haben sollte. Der harten Be handlung, die sie von Seiten des Königs zu erdulden hatte, lag nicht ihre Schuld, sondern die Furcht zu Grunde, fie könnte selbst ihr Leben. opfern, um ihren Gemahl zu rächen. Als sie sich in das Kloster begab, ließ man auch von der Strenge nach und der König gab ihr mehr als Ein Zeichen, daß er sich ihrer liebevoll erinnere. Nur zwei spätere Biographen, Desormeaur und Cotolendi, klagen sie ausdrücklich an, sie habe den Abgrund, in den ihr Mann gestürzt sei, selber gegraben. Von ihren Zeitgenossen treten zwei als freilich nicht unverdächtige Zeugen auf: Richelien unddie Tochter Gaston's, Mademoisselle de Montpensier. Leßtere berichtet, sie habe ihr selbst in Moulins das Geständniß abgelegt. Dagegen aber spricht eine Stelle aus einem Briefe ihres Beichtvaters, der an sie, als sie gegen ihn ihr Mißgeschick beklagt hatte, schrieb:,,Sie können es nicht ertragen, daß Sie un schuldig verfolgt werden. Wollten Sie lieber, Madam, Ihr Unglück durch Verbrechen verdient haben? Sehen Sie nicht ein, daß Sie sich über Ihre Unschuld beklagen?"

Den beharrlichen Bemühungen ihres Bruders gelang es endlich daß man ihr die Freiheit wiedergab. Sie empfing die Nachricht ohne Freude und eilte, das Gefängniß zu verlassen. Ihr Bruder drang vergebens in sie, ihn nach Italien zu begleiten. „Wenn ich," sagte sie zu ihm,,,zu meiner Familie zurückkehrte, glaubst du, daß meine Verwandten im Stande wären, jemals aus meinem Herzen die Betrübniß, in der du mich siehst, zu entfernen? oder daß ich, Frankreich verlassend, je die Erinnerung, an meinen Montmorency, den ich, wie ich wohl fühle, mein Leben hindurch beweinen muß, aufgeben werde? Dein Beispiel zeigt mir den Weg, den ich einschlagen muß.“ Sie beschloß, wie ihr Bruder, aus der Welt in ein Kloster zu flüchten und wählte das Kloster der Heimsuchung zu Moulins, wozu sie besonders die Verehrung für Franz von Sales, den Stifter des Ordens, und die Liebe zu Madame de Chantal, der Superiorin desselben, bestimmte.

Nur nach und nach konnte sie alle Fäden, die sie an die Welt knüpften, lösen. In ihrem Aspl suchta sie selbst der elende Gaston, der ihren Gemahl so feige verrathen hatte, auf. Sie hat immer," foll er, als er sie verließ, gesagt haben, wie eine Weise gesprochen, heute sprach sie wie eine Heilige." Einige Jahre später schickte Ludwig XIII, als er durch Moulins reiste, einen Herrn feines Gefolges, um sie in seinem Namen zu begrüßen. Ein Edelmann stellte sich von Seiten Richelieu's vor. Bei diesem Namen fühlte sie eine innere Empörung. Sie hatte Mühe, sich zu bemeistern und sagte endlich: Mein Herr, melden Sie gefälligst Ihrem Herrn, daß meine Thränen für mich sprechen und daß ich seine unterthänigste Dienerin bin.“ Einige Zeit darauf, als sie sich gerade im Kreise der Nonnen befand, wurde ihr ein Brief überreicht. Sie las ihn und man bemerkte auf ihrem Gesichte den tiefen Eindruck, den er auf sie gemacht hatte. Sie schwieg und begab sich hinaus. Bald darauf ließ sie reiche Almosen vertheilen, Messen lesen und Gebete in allen Kirchen anstimmen Man hatte ihr den Tod Richelieu's gemeldet. „Alles ist vorüber in dieser Welt für diesen großen Minister; nichts kann ihm mehr frommen, als Gebete." Der Prinz von Rohan, der Erbe seines Schwagers Montmorency, verlegte sie durch den Verdacht, daß sie mehrere Kostbarkeiten, die zur Erbschaft gehörten, verheimlicht habe. Sie wies mit Würde eine solche Beschuldigung zurück. „Von Edelsteinen“, schrieb fie, „kann ich jezt keinen Gebrauch mehr machen; sie passen nicht zu einer Trauer wie die meinige, die ewig sein wird." - Von denen, die sich früher ihres Schußes erfreut hatten, blieb ihr der Dichter Mairet auch im Unglücke treu. Er wagte es, ihr eine feiner Tragödien:,,Die Untröstliche", zu widmen.

Es war schon in früheren Jahren ihr Lieblingsgeschäft gewesen, in streitigen Sachen Rath zu ertheilen oder fie zu schlichten. Eines Tages erzählte man dem Herzog von Montmorency von einer Zwistigkeit zwischen zwei Familien.,,Gut“, fagte er lachend, „das ist wieder etwas für meine Frau." Als er einst von einer Reise zurückkam, fragte er sie mit seinem liebenswürdigen Lächeln: „Mein Herz, wie viel Streitigkeiten hast Du während meiner Abwesenheit geschlichtet?“ Auch in Moulins nahm man oft ihren weisen Rath in Anspruch. Nicht blos Privatleute wandten sich an sie, sondern selbst der Statthalter der Provinz fragte sie zuweilen in Kriminalsachen um ihre Meinung. Man erzählt, sie habe einst die Unschuld eines Angeklagten, den man schon zum Tode verurtheilen wollte, an den Tag gebracht. Einem Bischof aus Languedoc, der sie auf seiner Reise nach Paris, wo er eines Prozesses wegen die berühmtesten Rechtsgelehrten um Rath fragen wollte, in Moulins besuchte und ihr von seiner Streit

sache erzählte, bewies. fie die Ungerechtigkeit seiner Forderung mit folchem Nachdrucke, daß er den Prozeß aufgab und in seine Diözese zurückkehrte.

Vor ihrem Einzug in's Kloster entließ sie ihr Gefolge und ihre Dienerschaft. Der Abschied war rührend. Eine Ehrendame folgte ihr in's Kloster, auch mehrere ihrer Dienerinnen nahmen den Schleier; ein Theil ihrer Leute blieb in der Stadt, um den Trost zu haben, sie zuweilen zu sehen. Eine innige Zuneigung verband fie mit Madame de Chantal. Das Geschick dieser Frau war ein ähnliches, wie das ihrige. Sie hatte ihren Gatten durch einen unglücklichen Zufall auf der Jagd verloren und ihr einziger Sohn, der Vater der nachmals so berühmten Madame de Sévigné, war in einem Treffen getödet worden. Schon in frühester Jugend hatte sie Neigung zum beschaulichen Leben. Die Beredtsamkeit des frommen Franz von Sales, den fie in Nancy während der Fasten 1604 predigen hörte, ergriff mächtig ihr Herz. Sie verband sich mit ihm zur Stiftung eines neuen religösen Ordens nach der Regel des heiligen Auguftinus. Im Jahre 1610 begab sie sich nach Annecy, wo sie das erste Kloster des Ordens der Heimsuchung errichtete. Die Herzogin von Montmorency wünschte aus den Händen dieser Frau den Schleier zu erhalten. Madame de Chantal unternahm die Reise nach Moulins, rieth jedoch der Herzogin, erst noch ihre weltlichen Angelegenheiten zu ordnen, bevor sie sich ganz von der Welt zurückzöge. Sie begab sich nach Paris, wohin sie der Wunsch der Königin rief, und von da nach Moulins zurückgekehrt, erkrankte sie und starb in den Armen der Herzogin von Montmorency.

Die trauernde Witwe hatte anfänglich die Absicht, in Toulouse ein Kloster zu stiften und in dessen Mauern ihrem Gatten ein Grabmal zu errichten. Auf den Rath der Madame de Chantal stand sie jedoch von diesem Vorhaben ab und beschloß dafür, die Leiche ihres Gemahls nach Moulins bringen und ihm ein Denkmal unter dem Dache, worunter sie selbst wohnte, errichten zn laffen. Nach vielen Nach vielen Schwierigkeiten kam ihr Entschluß zur Ausführung. Sie selbst gab die Idee zu dem Mausoleum an; die größten Künstler in Paris wurden beauftragt, das Werk auszuführen.

Die Herzogin hatte sich von der Welt zurückgezogen, aber die Welt suchte sie in ihrer Zurückgezogenheit auf. Alle großen Schmerzen fuchten bei ihr Troft und Linderung. Eine Witwe, die ebenfalls einen heißgeliebten Gatten verloren hatte, begab sich nach Moulins, um dort bei der Trösterin der Seelen sich auszuweinen. Es war die Herzogin von Nemours, deren Gemahl in einem Zweikampfe gegen seinen Schwager, den Herzog von Beaufort, geblieben war. Eine andere Witwe, noch unglücklicher als jene, die Gemahlin Karl's 1. von England, suchte ebenfalls die Witwe Heinrich's von Montmorency, deren Geschick dem ihrigen so sehr glich, in ihrer Einsamkeit auf. Die betrübte Königin, ganz in Thränen, warf sich in die Arme ihrer Base und bat sie um Trost, den sie nirgends sonst finden könnte. Lange dauerte ihre Unterredung, und die Witwe Karl's I. sagte beim Scheiden zu den Nonnen: Meine Schwestern, Ihr befizet einen Schat; bewahrt ihn wohl; sie ist eine wahre Heilige!"— Noch eine andere Königin besuchte die Herzogin von Montmorency, weniger um Trost zu suchen, als um ihre Neugier zu befriedigen: Christine von Schweden. Sie blieb länger als zwei Stunden bei der Herzogin, ließ sich das Leben und die Herzensgeschichte derselben seit dem Tode ihres Gatten erzählen. Gerührt umarmte sie die Herzogin weinend, kam den folgenden Tag wieder, hörte an ihrer Seite eine Messe und bat sie um ihren Segen und ihre Freundschaft. Endlich fand die Herzogin von Longueville, die Heldin der Fronde, die zulezt die Waffen niedergelegt hatte, verstoßen vom Hofe, entzweit mit ihrem Gemahle, geächtet in den Augen der Welt, bei ihrer Lante den Trost und den Frieden, deffen sie so sehr bedurfte. Während ihrer Anwesenheit in Moulins wurde das Denkmal des Herzogs von Montmorency errichtet. Es bestand aus zwanzig Marmorstatuen von verschiedener Größe. Die eine weibliche Figur, die den Schmerz darstellte, trug die Züge der Her zogin. Diese in ihrer Demuth wollte sie entfernt wiffen, und nur auf Zureden der Herzogin von Longueville stand sie davon ab. Nicht minder mißfiel ihr der Name der christlichen Artemisia, den ihr ein Herr Puget, der in einer eigenen Schrift eine Beschreibung des Mausoleums gab, beilegte. Nach Vollendung der Kapelle und des darin errichteten Denkmals ließ sie die Leiche ihres Gatten dahin bringen. „Welche Freude fühle ich“, sagte sie,,,daß es mir vergönnt war, meinem Gotte und dem Gatten, den er mir geschenkt hat unter demselben Dache einen Wohnfiß zu bereiten.“

Sie empfing nach funfzehnjähriger Vorbereitung den Schleier, den 30. September 1657. Man wählte sie zur Superiorin des Klosters; sie schlug die Wahl aus. Erst später, nach einer abermaligen Vakanz gewählt, nahm sie das Amt an. Es war wunderbar, wie sie bei ihrer schwächlichen Gesundheit die strengen Klosterregeln beobachtete, und dabei sich der größten Thätigkeit hingab. Sie vernachlässigte weder die kirchlichen noch weltlichen Pflichten. Ein Beweis ihres gesunden Sinnes ist, daß sie die Seelen, die sie leitete, vor aller mystischen

Liebe und schwärmerischen Extase, wie sie so häufig in Nonnenklöftern ist, zu warnen und zu bewahren suchte. Ihr wisset", fagte sie zu einer jungen Nonne,,,daß ich keinesweges geistig erweckt, noch durch göttliche Verzückungen bevorzugt bin. Während meines Gebetes finde ich meine Lust darin, in dem Zustande zu sein, in dem mich Gott will, und wünsche nichts mehr als das, was er mir giebt." - Eine Nonne verlangte von ihr die Erklärung jener Stelle in den Psalmen: ,,Ich habe Gott gesucht während der Nacht mit meinen Händen." Sie antwortete:,,Wenn eine Seele sich jenes inneren Lichtes, das sie führt, wie das Tageslicht unsere Schritte, beraubt fühlt, so muß sie sich hauptsächlich an die guten Werke halten. Das heißt Gott mit den Händen suchen; denn die That gehört der Hand an. Meiner Meinung nach ist dies auch die sicherste Art, Gott in diesem Leben, das nur eine lange Nacht ist, zu suchen, und unser heiliger Stifter sagt daffelbe, wenn er lehrt, daß es, um zur Vollkommenheit zu ge= langen, nur wenig Kenntniß, wenig Nachdenkens, aber vielen Thuns und vielen Leidens bedarf.“ Sie konnte auch heiter sein und wußte besonders dann einen Strahl von Fröhlichkeit leuchten zu laffen, wenn es galt, ein niedergebeugtes Gemüth zu zerstreuen und aufzurichten. ,,Man darf", pflegte sie zu sagen,,,Jesus Christus die Schmach nicht anthun, die Freudigkeit in seinem Dienste zu verlieren." — Das Jahr, in dem sie die Laft der ihr anvertrauten Seelen trug, war beinahe verflossen. Sie hatte es vorhergesagt, das Ende dieses Jahres würde auch das ihres Lebens sein. Ihre Kräfte waren erschöpft. Sie verschied unter Thränen und Gebeten ihrer Genoffinnen. Am 5. Juni 1666 verließ diese schöne Seele, die Ehre ihres Jahrhunderts, die Erde. Sie hatte die Stille und Vergessenheit gewünscht und ihr Wunsch ist ihr erhört worden, denn ihr Name ist kaum im Gedächtnisse der Menschen geblieben. Die Welt liebt die Kontraste. Bei der La Vallière trug der Reiz ihrer Fehler zur Bewunderung ihrer Tugend bei. Unter den Frauen, die wegen ihrer Hingebung und ihrer Liebe berühmt sind, giebt es keine, die größer ist, als die Witwe Montmorency's; aber ihre Tugend hatte keinen Schatten, darum blieb sie auch verborgen in ihrer Vollkommenheit. M.

Mannigfaltiges.

- Spanische Geschichtschreiber. Die Offizin von Bernhard Tauchnig in Leipzig, welcher die Freunde des Alterthumes die schönen, billigen Ausgaben griechischer und römischer Klassiker®) und die Freunde der englischen Literatur eine ganze Bibliothek wohlfeiler Copyright-Editions verdanken, hat jezt auch angefangen, den Bedürfnissen der Freunde spanischer Literatur Rechnung zu tragen. Zunächst erhalten wir von ihr ein von Herrn Adan Fabricio sehr geschickt zusammengestelltes Handbuch ausgewählter spanischer Geschichtschreiber,) das sich ebenso durch seinen Inhalt wie durch seine äußere Form und feinen Preis empfiehlt. Der Herausgeber hat uns in diesem Büchlein von 227 Seiten in Sedez-Format eine vollständige Geschichte Spaniens, und zwar nach den berühmtesten, älteren und neueren Geschichtschreibern geliefert. Mit einer,,Einleitung in die Geschichte Spaniens", nach Don Modesto Lafuente, dem Ver= faffer einer „Historia general de España" in' 18 Bänden, beginnend, werden wir zunächst, nach demselben Geschichtschreiber, mit den ursprünglichen Völkerschaften der Halbinsel sowie mit ihrer frühesten Geschichte und Gesetzgebung, dann größtentheils nach Mariana, Conde und Lafuente mit der Geschichte der maurischen Herrschaft und der Kämpfe zwischen den Christen und Muhammedánern bekannt gemacht. Der Herausgeber unterläßt nicht, dabei auch Proben von den historischen Poesieen, die dieses Zeitalter feiern, zu liefern, sowie er überhaupt die Mängel der älteren spanischen Historiker, die den Arabern felten Gerechtigkeit widerfahren laffen, durch Auszüge aus unparteiischeren, neueren Darstellungen beseitigt hat. Die Geschichte der Eroberung Mexiko's liefert er nach dem berühmten Antonio de Solis, doch scheint uns hier eine empfindliche Lücke zu sein, da es an einer Geschichte der Entdeckung von Amerika gänzlich fehlt. Für die Geschichte der neueren Zeit haben Toreno, Adolfo de Caftro (Historia de los Protestantes Españoles), Madoz und Lafuente als Quelle gedient. Der Herausgeber sagt am Schlusse feines spanisch geschriebenen Vorworts: „Vorliegende Sammlung kann zugleich als Hülfsmittel für Alle dienen, welche die spanische Sprache auf leichte und bequeme Weise erlernen wollen. Der historische Stil ist der leichteste von allen, wie denn überhaupt die reiche und schöne spanische Sprache Denjenigen, welche Lateinisch oder Französisch verstehen, sehr wenig Schwierigkeiten darbietet. Solche können innerhalb weniger Wochen, ohne Lehrer, aber mit Hülfe eines Lerikons, jedes spanische Buch lesen lernen. Es hängt dies, wie so viele Dinge im Leben, nur vom Willen ab!“

*) Demosthenes, edirt von Imm. Bekker, Euripides, von Wigschel, Homer, von Bäumlein, Tacitus, von Fr. Haase 2c. ic.

**),,Los Historiadores Españoles en pruebas escogidas por Adan Fabricio, Profesor de historia". Imprenta de Bernardo Tauchnitz. Leipzig, 1858.

Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Tblr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür 18 Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 130.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bel Seit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Riederwallfir. Kr. 21), sowie von allen königl. Voft-Nemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Rußland.

Berlin, Sonnabend den 30. Oftober.

Ein Beitrag zur deutschen Literatur aus Rußland. Lavater's Briefe an die Kaiferin Maria Feodorowna.")

Bei Gelegenheit des dreihundertjährigen Stiftungsfestes der Uni versität Jena hat die kaiserliche öffentliche Bibliothek in St. Peters burg, deren Direktor der Staatssecretair Baron Modest v. Korff ift, die vorliegenden Blätter, als eine der Jubel-Universität dargebrachte Huldigung; herausgegeben und in elegantester Form drucken lassen. Herr v. Korff fagt in seiner Widmung an den Senat der Universität Jena: Einige Blätter aus dem reichen Schage der deutschen Literatur, vom Zufalle verweht, haben wir gesammelt und bringen fie, als Festgeschenk, einer der thätigsten Werkstätten des deutschen Geistes dar, des Geistes, deffen Spuren überall sichtbar sind, wo die Wiffenschaft gepflegt wird, dessen unvergängliche Denkmale auch in dem literarischen Institute, in deffen Namen ich rede, längst den gebührenden Ehrenplag einnehmen“.

Einer der kaiserlichen Oberbibliothekare, Dr. Rudolf Minzloff, 4 hat die Handschrift der vorliegenden Briefe Lavater's an die Kaiserin Maria, Mutter der Kaiser Alexander I. und Nikolaus, in der Bibliothek des großfürstlichen Schlosses zu Pawlowsk aufgefunden. Diese Briefe sind vom Jahre 1798 aus Zürich datirt and haben den Zudatirt-and stand der Seele nach dem Tode zum Gegenstand, einen Stoff, den der schwärmerische, gemüth- und geistvolle Lavater bekanntlich mit Vorliebe behandelte und dem bereits seine 1768 zuerst erschienenen ,,Aussichten in die Ewigkeit", die sich die lebhafteste Theilnahme der Gebildeten erworben hatten, gewidmet waren.

Es ist interessant, wahrzunehmen, wie die auf einem festen Glau#ben, auf warmer und reiner Menschenliebe ruhenden Ideen des Jünglings über die Fortdauer der Seele nach dem Tode und über den Za Zusammenhang, in welchem der beffere, edlere Theil unserer Natur mit den Seelen geliebter Abgeschiedenen bleibt, dreißig Jahre später m in ihm noch mit der alten Ueberzeugungstreue, mit der Kraft einer in inspirirten, gewissermaßen prophetischen Beredtsamkeit wirkten. Er na, beendigte diese Briefe wenige Monate vor dem Eintritte jener Kataoft strophe, die seinem dem Wohlthun und der Menschenliebe gewidmeten nt Leben ein Ende machte. Der leßte der vorliegenden Briefe Lavater's aan die Kaiferin ist vom 26. Dezember 1798 datírt, und im Seprit tember 1799 traf ihn, als er eben auf der Straße in Zürich ver ten wundete Franzosen pflegte, eine mörderische Kugel, die ihn dermaßen aus schwer verleßte, daß er ein Jahr lang auf dem Schmerzenslager zu gn brachte, von dem er nur durch den Tod erlöst wurde.

[ocr errors]

Die Kaiserin hatte Lavater kennen gelernt, als sie im Jahre 1782 - mit ihrem Gemahl, dem damaligen Großfürsten Paul, unter dem Namen eines Grafen und einer Gräfin du Nord, eine Reise über Berlin durch Deutschland, die Schweiz, Italien und Frankreich machte. Er stand damals im Zenith feines Ruhmes, als universell gebildeter Theolog und Humanist. Besonders die Frauen schwärmten für den poetischen Gottesmann von Zürich, zu dem sie von Deutschland aus förmlich wallfahrteten, und der, wenn er einmal nach Deutschland fam, um, wie namentlich in Bremen und anderwärts, Gaftpredigten zu halten, dort wie ein Gesandter des Himmels aufgenommen wurde. Es war also kein Wunder, daß auch die Großfürstin Maria, bei ihrem edlen Herzen und ihrem hochgebildeten Geifte, großes, ja unbedingtes Vertrauen zu Lavater faßte, bei dem sie nicht blos für sich, sondern wohl auch für ihren ungestümen, weniger gebildeten Gatten, Belehrung und damit innere Beruhigung zu finden hoffte.

[ocr errors]
[ocr errors]

balb

[ocr errors]

im

mer,

dan

itz

Es wurde demnach mit Lavater ein Briefwechsel angeknüpft, der, wie es scheint, zunächst die sogenannte Wissenschaft der Physiognomit

J

*),, Ueber den Zustand der Seele nach dem Lode". Nach der Originals Handschrift herausgegeben von der kaiserlichen öffentlichen Bibliothek zu St. Pete rsburg. St. Petersburg, 1858, Buchdruckerei der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.

1858.

zum Gegenstandé hatte, als deren Begründer Lavater angesehen würde. Nachbem Leßterer erkannt hatte, daß diese Wissenschaft keine Zukunft habe, wußte er zur rechten Zeit einzulenken und seine physiognomifchen Beobachtungen als das, was sie wirklich flnd, als Beiträge zur Erkenntniß der gegenseitigen Durchdringung von Geift und Körper, zu betrachten. Seine reiche Sammlung von Bildnissen und Schattenriffen merkwürdiger Personen diente fortan mehr einer bloßen Liebhaberei, wie es deren viele giebt, als zur Grundlage einer phyfiognomischen Gefeßgebung, und zulest nahm er sogar keinen Anstand, diese Sammlung, die er feit Herausgabe seiner physiognomischen Fragmente" noch durch zahlreiche Zeichnungen und Kupferstiche von Chobowiecki, Lips, Schellenberg und anderen berühmten Künstlern bedeutend vermehrt hatte, der Kaiserin Maria von Rußland käuflich zu überlassen.

Diese in ihrer Art einzige Sammlung physlognomischer Zeichnungen bildet seitdem eine der Hauptzierben der Bibliothek des Schlosses Pawlowsk, das jezt im Befiße des Großfürsten Konstantin Nikolajewitsch ist. Sie besteht aus mehreren tausend Blättern, die, nach den Andeutungen Lavater's, klassifizirt und in vier starken Groß-Foliobän den vertheilt sind. Jede einzelne Zeichnung ist von Lavater's Hand mit einer Inschrift versehen, und zwar in Herametern, wie er sie (in eben nicht sehr klassischer Weise) zu machen liebte.

Die erste Abtheilung des ersten Bandes, der Religion gewidmet, wird mit einer Reihe von Christus-Köpfen eröffnet, mit deren Samm lung einst Lavater seine physiognomischen Studien begonnen hatte, denn auch diese hingen mit der Grundidee seines Strebens, die Menschheit nach dem sittlichen Vorbilde Jesu zu reformiren, auf das innigste zusammen. Es folgen Allegorieen: das Gebet, die Frömmigkeit, die Wohlthätigkeit, aber auch die Scheinheiligkeit und die Heuchelei. Die zweite Abtheilung enthält historische Bildnisse: Peter den Großen, Karl XII. c., und zuleßt auch das eigene Portrait, einen fißenden Lavater, und darunter der holperige, mit der Physiognomik in einigem Widerspruch stehende Herameter:

[merged small][merged small][ocr errors]

Die fünfte Abtheilung des ersten Bandes, die der vier Menschenalter, ist sehr reichhaltig. Besonders die Periode der Kindheit enthält Stücke von höherem Kunstwerth. Die Unterschriften sind oft sehr überraschend, z. B. die eines sehr einfach aussehenden Knaben: ,, Auf der Erde nicht viel im Himmel wird was aus dir werden.“ Der zweite Band ist den menschlichen Leidenschaften gewidmet. Der dritte Band führt den Titel,,Die Vernunft", mit den UnterAbtheilungen: Aufmerksamkeit, Vorsichtigkeit, Nachdenken, Erstaunen, Einsicht, Festigkeit, Genie, Gemeinheit, Aberglauben, Geistesschwäche, Dummheit und Wahnsinn. Der vierte Band endlich umfaßt die mensch lichen Empfindungen und Gefühle. Unschuld, Sehnsucht, Liebe und Treue treten uns zuerst nach einander vor die Augen; ihnen folgen dann als Nachtstücke: Sinnlichkeit, Eitelkeit, Furcht, Schrecken, Tranrigkeit, Schmerz, Mißtrauen, Geiz, Härte und Bosheit. Physiognomieen von Thieren und sogar auch von unbelebten Gegenständen bilden die leßte Abtheilung des vierten Bandes und der ganzen Sammlung, an deren Schluß der Künstler (Schellenberg) auch noch zwei Blätter Todtentanz" angebracht hat. Das lezte dieser Blätter ift ,,Die vollendete Arbeit" betitelt und stellt, als sollte es die bald nach Beendigung der Sammlung stattfindende Katastrophe ankünden, welche dem Leben und der Thätigkeit des Sammlers ein Ende machte, einen Schriftsteller dar, der eben einen Band abschließt, während von hinten der Tod (ein Gerippe) hinzutritt und das Dintenfaß über die ganze Arbeit ausschüttet. Hätte nicht Lavater selbst auch darunter wieder eins: Sexameter, und zwar einen scherzhaften, geschrieben, so

« ForrigeFortsæt »