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Abhandlung über die Göttliche Komödie", und ich will, dessen Fußstapfen folgend, das ästhetische Prinzip andeuten, welches die Form giebt, und das allgemein philosophische, das gleichsam die Seele ihrer Gedichte ist, um dann Einiges über die ausgezeichneten Bilder des wackeren Malers Karl Vogel v. Vogelstein zu sagen, die mir Gelegenheit zu diesem Artikel gegeben haben."

Es folgen nun die hierher bezüglichen ästhetischen Grundsäße Schel. ling's, denen Casella, die Gegner widerlegend, beitritt; indem er die Gestaltung nach Typen vertheidigend, an Goethe und Dante nach weist, daß diese ohne eine solche uns nicht hätten ein so vollständiges Bild des Lebens geben und ihre Gedanken über das Menschengeschick und das Räthsel der universalen Existenz in so voffer und harmonischer Form gestalten können. Denn", sagt er,,,auf einem so großartigen Plane ist der philosophische Grundgedanke der Göttlichen Komödie" und des "Faust" angelegt, und wer es unternähme, diesen in einem gut durchgeführten Vergleiche vollständig zu entwickeln, indem er den Werth der Prinzipien an sich abwiegt und den Einfluß hervorhebt, den sie auf Leben und Kunst ausgeübt haben und noch ausüben, der könnte ein Buch von bedeutender moralischer und ästhetischer Wichtig. keit schreiben. Für mich genügt es, hier einen flüchtigen Wink zu geben. Man möge sich hierbei vor Allem erinnern, daß Dante nicht sowohl ein Schüler des Aristoteles und des Plato, als vielmehr des heiligen Thomas war, und daß seine Theodicee die des Christenthums ist. Goethe hat in der Ethik des Spinoza seinen heiligen Coder, in welche er sich, wie er selbst in seinen Memoiren schreibt, immer gleichsam wie in ein Asyl zu flüchten pflegte, und aus dem holländischen Philofophen hat er die ganze Substanz seiner Doktrinen geschöpft, so daß, wenn der Ausspruch Gioberti's in jeder Beziehung wahr ist, daß die „Göttliche Komödie“ die menschliche Bibel der Civilisation sei, ein französischer Kritiker (Henri Blaze, Ueberseher des „Faust") mit nicht geringerer Wahrheit den „Faust“ das Evangelium oder vielmehr die Bibel des Pantheismus nannte.

Der Grundgedanke des Dante ist kurz gedrängt folgender: Es besteht physisch und moralisch das Böse und das Gute, und es bezieht sich hierauf ein doppelter Zustand des Elends und des Glücks. Der Uebergang von dem einen zum anderen ist möglich durch Erkenntniß der Fehler und Buße, die aus freiem Entschluffe unter Begleitung der Vernunft und mit Hülfe des Glaubens bewirkt werden. Deshalb wird der im Laster, im moralischen Uebel verirrte Mensch die Vernunft anrufen, die ihn dasselbe in seiner ganzen Häßlichkeit und dem vollsten Elende kennen lehrt; nachdem er sich darauf durch eine Reihe von Prüfungen gereinigt und gleichsam die erste Unschuld wieder erlangt hat, wird er in der Tugend, dem moralischen Gute, alle jene Glückseligkeit, welche den Menschen, sei es unter den Bedingungen des Individuums, sei es in der gesellschaftlichen Ordnung, verstattet ist, wiederfinden. Sowie jedoch die Erde der unerfättlichen Sehnsucht des Menschen nicht genügt, und wie ihn seine hohe Natur unwider ftehlich über die Gränzen der Zeit hinausdrängt, so kann er sich auf den Schwingen des Glaubens zur religiösen Betrachtung der ewigen Schönheiten der Himmel und der Geheimnisse der Unendlichkeit erheben. Dieser scheinbar so einfache Gedanke trägt die schwierigsten Fragen und Probleme in sich, welche je den Geist der Denker beschäftigt haben; er ist das Feld, auf welchem alle Philosophieen gekämpft haben und noch kämpfen, und das ist kein Wunder; denn je nachdem seine Prinzipien geleugnet oder angenommen werden, bringen fie logisch die Menschheit auf ganz verschiedene Wege, nur daß die Menschheit, sei es zum Glück oder Unglück, gerade nicht immer am Faden der Logik geht. Nun darf es Niemanden von geringer Bedeutung erscheinen, daß ein so scharfer und tiefer Geift, wie der des Dante, diese Prinzipien als unerschütterlich aufnimmt und sie als die Grund pfeiler des größten Werkes seßt, das je der menschliche Geist hervors gebracht. Ein Werk, von dem man nie soviel sagen kann, daß nicht noch neue Dinge zu fagen übrig blieben, unerschöpflich, gleich der Nafur. Und damit dies nicht als Uebertreibung erscheine, wie viel ließe sich nicht über jene neue und bewundernswürdige Kunst sagen, durch welche sich in dem göttlichen Gedichte die Wissenschaft mit der Poefte vermählt und sich die Wahrheit in den symbolischen Formen des Schönen zur Erscheinung gestaltet. Machen wir uns daran, eine Probe davon zu geben.

Was thut der Künstler, um den vom Philosophen erfaßten und eben bezeichneten Grundgedanken poetisch darzustellen? Er nimmt aus der christlichen Tradition, aus den heidnischen Fabeln, aus der Ge schichte, der Natur, kurz, aus Allem das Material, um sich eine eigene und besondere Mythologie zu schaffen, die einzig paffende und mögliche für den modernen Dichter. Alle diese Elemente verwandelt er, haucht ihnen neues Leben ein, erleuchtet sie innerlich mit dem Strahl der Ideen derartig, daß sie eine durchsichtige Klarheit erlangen, aus welcher die tiefe Bedeutung hervorscheint, während sie auf der anderen Seite nichts von jener konkreten und individualen Gestaltung verlieren, auf welcher das Wesen der Poefte berüht. Und

nicht allein die Personen, welche in dem vorbereiteten Drama handeln sollen, sondern auch die Scene in ihrem Ganzen und in ihrem kleinsten Theile, der Ort, die Zeit, die poetische Figur, der Rhythmus, die Farbe, der Ton, kurz, Alles wird Sinnbild und sinnbildlicher Ausdruck von Gedanken und Gefühlen, und Alles ist gewählt, gegen ein. ander geordnet mit Verstand und übermenschlicher Meisterschaft. Um z. B. das tiefste Böse und das höchste Gute darzustellen, welche unter und über der Menschheit stehen, nicht der finnlichen Erfahrung unter liegen, sondern blos in der absoluten und ewigen Idee begriffen werden, welche Symbole konnte er wählen, die geeigneter wären, als die Hölle und das Paradies, die außerhalb der Zeit in das Ewige und Absolute gefeßt find. Der Zustand des Bösen gemischt mit dem Guten, und der Fortgang von dem einen zum anderen find vortrefflich im Purgatorium aufgefaßt, und wie diese Mischung die gewöhnliche Bedingung des Lebens, der Erfahrung und der Buße nahe gerückt ist, so wird Dante auf die Erde den Berg der Prüfung und der Buße verlegen, wo die Sonne und die Finsterniß beständig mit einander wechseln, wie die traurigen Gesänge mit den freudigen, wie der Schmerz mit der Hoffnung. Er verbindet jedoch das Ganze in einer zusammenhängenden harmonischen Architektur, die mit ihrem mittleren Theile in der Zeit ruht, während sie sich mit ihrem unteren wie gleichsam in einem unendlichen Unterbaue vertieft und mit dem obe ren sich in die Ewigkeit erhebt. Was mir ein vollkommenes Bild des allgemeinen Lebens zu geben scheint, das, um mit Carlyle zu reden, in den Zusammenfluß zweier Ewigkeiten gestellt ist, zugleich Phänomen und Idee, begränzte Erscheinung und unendliche Wesenheit. Die der Hölle gegebene Figur des umgekehrten Kegels mit der Zahl und der Art der Kreise in welche er abgetheilt ist, mit der immer dichter werdenden Finsterniß, mit dem Eise des Kocytos, in welchem er endigend sich abspigt, ist nicht weniger bedeutungsvoll als der aufrechte Kegel des Fegefeuers, der sich in einer immer reineren und lichtvolleren Luft, mit dem göttlichen Haine des Edens auf dem Gipfel, erhebt. Daffelbe muß man von den Himmeln sagen, die eine mystische Scala bilden bis zu dem legten, der ganz Licht und Liebe ist, wo als Krone des wundervollen Gebäudes sich die ewig blühende Rose erhebt.

Che si dilata, rigrada e redole

Odor di lode al sol che sempre verna.

Durch diese Wunderwelt, die der Dichter, mit Riesenarmen die ganze reale Schöpfung bewegend und nach seiner Art wieder ordnend, aufgebaut und bevölkert hat, mit der Stimme des Erzengels alle Generationen aufrufend, wandelt der Mensch betrachtend, beobachtend, fich reinigend und vervollkommnend, geleitet von der Vernunft, gehoben vom Glauben. Aber dieser Mensch ist nicht eine Abstraction ohne Fleisch und Blut, er ist normal und lebendig, es ist Dante selbst, der in seiner reichen und mächtigen Natur sagen kann: homo sum. Virgil wird die Vernunft selbst sein, der als Philosoph oder Dichter, das Wahre mit dem Schönen verbindend, sie darßiellt und sie in ihrer Vollkommenheit und Wirksamkeit ausdrückt:

Savio gentile che tutto seppe;

Onore e lume degli altri poeti.

Und wer hätte je für Dante mit mehr Wahrheit und Poesie den Glauben versinnlichen können, als Beatrice, die Jungfrau, die von ihm wie etwas Göttliches angebetet wurde, die am Morgen des Lebens starb, ehe sie den Hauch des Zweifels und der Täuschung fühlte, ein Wunder von Reinheit und Unschuld? So ist das ganze Gedicht Dante's ein einheitliches Gebäude, vom Verstand und der Phantasie derartig aufgebaut und bevölkert, daß innerlich Alles eine tiefe Ide ist, und äußerlich Alles ein glänzendes lebensvolles Bild. (Schluß folgt.) Nußland.

Literatur und Literaten Rußlands.
(Schluß.)

Die neuen Jahrgänge des Zeitgenossen" bringen auch Kritiken über alle neue literarische Erscheinungen Rußlands und über andere Zeitschriften und Zeitungen, leztere von dem „Neuen Poeten“, wie Panajev, der Mitredacteur, xar' oxyv genannt wird, der eigentliche Satiriker der Revue, und der originale Zeichner und Geißler der ruffischen,, Snobs", die dort,Chlischtsch“ heißen. Die Panaevfchen,,Chlischtsch"- Charaktere find original und keine Nachahmung. Uebrigens sind alle Thackerayschen und Dickensschen Werke überfest wie in Deutschland. Der Verfaffer des Fanfaron", Pisemsky, ist bei, rühmt durch mehrere Lustspiele und durch seine ,,Dorfgeschichten", aber ganz frei sind von dem Auerbachschen Idealismus. Turgen Verfasser der,,Beiden Freunde" u. f. w., foll der populärste je Schriftsteller Rußlands sein. In England ist er noch gänzlich kannt, in Frankreich kennt man ihn blos aus falschen Ueberse und was man in Deutschland von im weik, ist auch wen;

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seiner vorzüglichsten Productionen schrieb Turgenjev zur Widerlegung des Lermontovschen Helden unserer Zeit", der eine Werther"-artige Berühmtheit erreichte. Seine Kritik der Gogolschen Schriften, deren Kern in Geißelung der Beamten-Corruptionen besteht, passirte die Censur nicht. Er ließ sie ohne Censur drucken und wurde dafüx verbannt, bis der Großfürst Alexander, der jeßige Kaiser, den Bann von ihm nahm.

Nekrassov, der Redacteur des ,,Zeitgenossen", ist Dichter in Versen. Seine gesammelten Gedichte erschienen voriges Jahr in Peters burg. Nach ihm ist Grigorowitsch einer der populärsten Tagesschrift steller. Er liebt es, wie Turgenjev, Pisemsky und Dahl (der Humorist), Volks- und Bauernzustände zu schildern. Alle schrieben und kämpften für die jezt sich vollziehende Erlösung der Leibeigenen. Grigorowitsch ist ein großer, dichterischer Maler des Details. Eine seiner Erzählungen beginnt in einer Winternacht in einer Straße Petersburgs. Man hört und sieht die fliegenden, auf dem Schnee knirschenden und quiekenden Schlitten, das Heulen und Stöbern des Windes. Alle Arten von rothen Nasen und Pelzwerk und sonstige Details passiren Revue. Grigorowitsch ging von der Universität in's Ingenieur-Fach der Armee, nahm bald seinen Abschied, wurde Student der KunstAkademie (unter Brüllov, dem genialen Maler), dann lebte er eine Zeit lang auf dem Lande, wo er das niedrige Volk ftudirte, um es nun mit der Feder, nicht mit dem Pinsel, zu malen. Sein berühmtestes Werk ist,,Anton Goremyka“ (von gore, Kummer), dessen Held als der Onkel Tom Rußlands betrachtet werden kann (der aber nicht vergebens mißhandelt ward, wie der amerikanische). Er wird gemißhandelt, dadurch zum Verbrechen gezwungen und dann verbannt. Das Ende der Erzählung fällt in die jeßige Wirklichkeit: er und alle Sklaven werden zurück und zur Freiheit gerufen. Turgenjev's,,Mu munia“ hat im Wesentlichen denselben Inhalt mit der Moral: es ist niederträchtig, Leibeigene zu mißhandeln, und das Institut der Leibeigenschaft ein niederträchtiges Institut.

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Grigorowitsch und Graf Tolstoi (auch Mitarbeiter am Zeit, genoffen") sind die Haupt-Dichter der Monatsschrift: „Bibliothek für allgemeine Lektüre". Die Hauptartikel in der ersten Lieferung 1857 find folgende:,,Verwandte in der Hauptstadt“, von Grigorowitsch, Gedichte von Tolstoi, Maikov und Anderen,,,Frauen-Unterhaltung", von Schtscherbina,,,Skizzen aus dem russischen Bauerleben", von Pisemsky, Kritiken über Erziehung und Schule in Rußland, Kritiken über Grote's englische, übersezte,,Geschichte Griechenlands" und Motley's überseßten,,Aufstand in den Niederlanden", die,,Son nigen Erinnerungen", von Mrs. B. Stowe und andere Ueberseßungen (darunter,Antigone“).

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Die Nationalen Jahrbücher" bringen in der ersten Lieferung 1857 Gedichte von verschiedenen Verfassern: „Die Portrait-Galerie", Novelle von Dankovski, „Russische Lebensbilder", von Dahl, „Ruffische Lebensbilder aus dem vorigen Jahrhundert", von Sabjelin,,,Ein Tag in Paris", von Stachel, Kritik der Little Dorrit", sonstige. Kritiken und Bibliographie über Novellen und Erzählungen von Turgenjev,,,Kalender für 1857" und „Alte russische Chroniken", von Suchomlinov, „Leben Plato's", von Snegirev,,,Kiew und sein Seminar", von Askotschensti,,,Berichte über die Mineralogische Ge sellschaft in Petersburg", das Textbuch der vegetabilen Chemie", Familien-Chroniken“, von Aksakov u. s. w. Das letztere Werk ist eine merkwürdige Production. Es greift die Leibeigenschaft auf das heftigste an, besonders die Herren wegen Vernachlässigung ihrer Bauern u. f. w. mit Reminiscenzen an spezielle Erlebnisse und Defekte im Erziehungs- und Schulwesen.

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Wladimir Dahl ist berühmt als Talent für kurze, kleine Novellen an denen es sonst überall an Talent fehlt. Dabei hat er viel Komik und ist stets schlagend national und aufrichtig. Seine Richter lassen sich bestechen, seine Kosaken sind Diebe, und wenn er von Fäusten spricht, umschreibt er sie nicht, sondern nennt die Faust ebenso naiv eine Faust, wie einen Schmußpeter Saukerl.

Diese nicht blos in Worten sich geltend machende Wahrheitsliebe und Aufrichtigkeit der russischen Schriftsteller überhaupt ist die Garantie der ruffischen Literatur und vielleicht Rußlands selbst. Wenn Gogol's berühmter Roman:,,Die todten Seelen", Grade von Corrup tion an das Tageslicht bringt, an die der ärgste Feind Rußlands kaum

getragen und in Fleisch und Blut der ganzen Nation verwandelt, als eine der gesundesten und erfreulichsten Erscheinungen der Gegens wart bezeichnet zu werden verdient, eine um so schönere, als die ganze runde Erde jezt und während der lezten zehn Jahre nichts Aehnliches und größtentheils nur das Gegentheil aufweisen kann. Man wendet zwar ein, daß nicht durch einen großen Entschluß die ganze Leibeigenschaft auf einmal aufgehoben werde. Aber dagegen giebt es die gewaltige Thatsache, daß viele Leibeigene die Freiheit noch mehr fürchten, als ihre Herren. Die Beamten-Corruption und der Schrecken der Polizeiwillkür sind noch zu groß, als daß sich Schwache an die Freiheit wagen könnten. Selbst in Hauptstädten brandschaßt der Quartálny oder Polizei-Kommissar jeden Menschen, der ein Schild und öffentliches Geschäft hat, auf die unverschämteste Weise. Und wenn Jemand „Recht“ hat, bestohlen ist oder sonst einen Verlust er, litten, den das Recht wieder herstellen soll, leidet er oft lieber Unrecht und Verlust, um durch das,,Recht" nicht noch einmal ausgeplündert zu werden. Erst muß Recht und Geseß zur Herrschaft gebracht, die Polizeiwillkür gebrochen werden, um den Schwachen und Leibeigenen die Freiheit zu einer Wohlthat zu machen. Daran wird stark gearbeitet. Auch hier drängt und strebt die National-Literatur rüstig zur That. Die,,Provinzial-Skizzen", von Schtschedrin, welche in dem Russischen Boten" erschienen, behandeln dieses Thema, daß Aufhebung der Leibeigenschaft und Aufhebung der Rechts- und Polizei-Corruption Hand in Hand gehen müßten, mit ebenso viel Sachkenntniß, als Geist und Satire.

Der Russische Bote", eine Schöpfung der neuen Zeit unter Alexander, konnte solche Artikel ungestraft bringen. Unter Nikolaus wären sie unmöglich gewesen, obgleich er durchaus nicht so furchtbar gegen die Presse war, als er gewöhnlich verschrieen wird. Die Rebellion, welche seinen Regierungsantritt bezeichnet, ging von LiteratenOffizieren aus. Das eine Haupt der Rebellion war ein Dichter, die anderen schrieben Literatur oder waren besonders literarisch gebildet. Dies begründete in dem vorigen Kaiser allerdings einen lebenslänglichen Haß gegen das Literatenthum und hielt ihn wahrscheinlich von manchen Reformen zurück, aber er hat Literaten, Dichter und Satiriker geduldet und Manchen sogar begünstigt. Wenigstens wurde kein Victor Hugo verbannt, der unter Ludwig Philipp gegen das Eril Napoleon's protestirte.

Der Kaiser Alexander II. hatte literarische Sympathieen von Jugend an. Durch seine Vermittelung wurde die Verbannung eines der populärsten Schriftsteller aufgehoben. Sein Lehrer war Jukowski, der Ueberseßer Homer's und fast unzähliger deutscher Dichter, der Autor des „Sängers im russischen Lager", einer der geistvollsten Dichtungen. Jukowski war Freund Krylov's, Puschkin's und aller eminenten Schriftsteller. Der Einfluß eines solchen Lehrers mag viel zu dem freien Geiste beigetragen haben, der sich im jezigen Kaiser regt und unter seinem Scepter die jugendlichen Schwingen üben darf. Der Russische Bote" zählt die besten russischen Schriftsteller zu seinen Mitarbeitern: Turgenjev, Tolstoi, Schtschedrin, Kudrjavzev zc. Lesterer ist Professor der Geschichte an der Universität Moskau und schrieb 1857 Eindrücke und Reiseskizzen aus Wien, Berlin und sonstigen deutschen,,Gauen ".")

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Die ,,Illustrirte russische Zeitung“ in russischer Sprache, welche mit dem 1. Januar 1858 begann, ist das Werk eines Deutschen, Alexis Baumann, und seines polytechnographischen Instituts. Sie erscheint im Umfange der,,Illustrirten Zeitung" und ist mit ebenso meisterhaften Illustrationen geschmückt, wie mit dem reichsten politischen, literarischen und wissenschaftlichen Inhalte versehen. Wir finden Korrespondenzen aus London und New-York und aus allen wichtigen Plägen der Welt.

Diese größtentheils Sutherland Edwards (er schrieb aus eigener Anschauung und Studium an Ort und Stelle) entnommenen Notizen reichen blos bis zum Anfange des vorigen Jahres. Was seitdem begonnen und geschaffen ward, ist größtentheils Frucht und Folge der hier erwähnten Schriften und Schriftsteller, so daß unsere Notizen, so spärlich sie auch ausfielen, doch ihren Werth für die Beurtheilung des jeßigen Rußland haben mögen. B.

Frankreich.

geglaubt haben würde, ist es wenigstens ein Trost und schon ein Gegen. Eine neue französische Ueberseßung der Gedichte von H. Heine. **)

gift, daß solche Dinge an das Tageslicht kamen und Regierung und Volk dem Uebel in's Gesicht sehen können. Man hat es erkannt und muß es nun entweder vernichten oder sich von ihm zerfreffen lassen.

Wir sehen aus diesem Blick auf den Inhalt dreier Monats fchriften (1854-1857), daß auch unter dem Kaiser Nikolaus gesprochen, gedacht und geschrieben und schon ganz entschieden die Leibeigenschaft bekämpft ward. Die Rolle, welche die Leibeigenen in der russischen Literatur spielen, zeigt, daß sie der Freiheit würdig, find und daß die jeßige Bewegung für deren Freiheit, vom jeßigen Kaiser thatne sächlich begonnen und von der ganzen National-Literatur vorbereitet,

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aus vielen Gründen erklärlich, vielleicht zunächst daraus, daß seine Poesie einen so merkwürdigen Zusaß von Satire und Wiß hat, Eigenschaften, für welche die Franzosen eine besondere Sympathie haben.

Was wir bisher von französischen Uebersehungen deutscher Dich tungen gesehen haben, war nicht geeignet, viel Freude darüber auf kommen zu lassen, denn der Ton, die Stimmung, das eigenthümliche Wesen der deutschen Poesie war in den uns zu Gesicht gekommenen Proben nicht wieder zu erkennen. Sehr richtig sagt der Verfasser der vor uns liegenden Uebersehungen in seiner Vorrede: Unsere Sprache hat nicht genug naive Grazie bewahrt, um die Anmuth dieser lieblichen Kinder wiedergeben zu können, außerdem ist es ihr ganz unmöglich, die echt deutschen Klänge der Wehmuth und Sehnsucht, der schwärmerischen Trauer und schmachtenden Melancholie nachzusingen, welche ihnen einen so ergreifenden Reiz verleihen.,

Ueber Heine heißt es:,,Er bietet so einen frischen und geistesvollen Gedanken, so viel überraschende und ergreifende Scenen; wunderbare kleine Gemälde, deren lebhaftes Kolorit und freie Nüanzi rung von kühner Zeichnung und charakteristischer Wahrheit von zauberischer Wirkung sind. Klein, wie sie meistens sind, eröffnen sie doch eine Fernsicht und zeigen uns die Natur in ihren verschiedensten Formen und Stimmungen, lächelnd oder furchtbar; anmuthige und düstere Gestalten ziehen, wie von magischem Stab beschworen, vorüber. Die Wirklichkeit, ohne ihre Hauptzüge zu verändern, erhält das Ansehen einer geheimnißvollen Täuschung, und die Täuschung gewinnt Leben und prägnante Wirklichkeit.“

Der Verfasser erkennt den tiefen Unterschied der Poesie beider Länder an und sagt in Beziehung auf die Aufnahme, welche Heine's Gedichte in Frankreich muthmaßlich finden dürften:,,Wir sind an eine beredtsame und reflektirende Poesie gewöhnt, von gelehrtem Stil und langem Athem, welche die Gefühle und Bilder einer philosophischen Idee unterordnet; hier im Gegentheil finden wir eine träumerische Poesie einfach und kurz, ganz Gefühl und Bild, ohne Kommentar und Reflexion. Wir müssen jeden Vers aufmerksam und mit ganzer Seele lesen, wenn wir dieselbe Wirkung davon genießen wollen wie die Deut schen. Das Herz und die Phantasie sind bei unseren Nachbarn so beweglich und fein wie bei uns der Verstand, sie verstehen die Poesie wie wir den Scherz, sie kommen ihr entgegen."

Wir sehen aus der Vorrede, daß dem Uebersezer das Verständniß nicht fehlt, und wir freuen uns, dies auch von der Uebertragung sagen zu können. Der Ton ist so getroffen, wie es in dieser Sprache des Verstandes nur irgend möglich ist. Gedanke und Bild find mögfichst, treu beibehalten und wenn uns im ersten Augenblick unsere be kannten Lieblinge fremd erscheinen, so überzeugen wir uns doch bald, daß es nur das Gewand ist, das ihnen diesen fremden Anstrich giebt. Der Leser urtheile selbst:

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Realismus in der Kunst“, der sich namentlich mit der neuesten deutschen Roman-Literatur beschäftigt, die einer ziemlich scharfen Kritik unterworfen wird. .,,Die deutschen Romane", heißt es, stehen den englischen und französischen außerordentlich nach; in der That, so anmuthig auch viele von den deutschen Sagen und Feenmärchen sind, scheint doch die Prosadichtung dem deutschen Genius wenig zuzufa gen, und Romane des wirklichen Lebens find fast ganz außer seinem Bereich. Zwar weiß Jedermann, daß auch in England und Frankreich die Romane ihrer Mehrzahl noch herzlich schlecht sind daß sie nur die stereotypen Charaktere und Begebenheiten in mehr oder weniger schwülstiger und ungrammatischer Sprache wiederholen, und es darf daher nicht Wunder nehmen, wenn eine ähnliche Klaffe von Werken dem deutschen Leihbibliotheks-Publikum zum Futter dient. Was jedoch Deutschland von England und Frankreich unterscheidet, ist der Umstand, daß, während in diesen Ländern von Zeit zu Zeit Romane erscheinen, die selbst der Aufmerksamkeit ernsterer Leser nicht unwürdig sind, es dort überhaupt weder Romane noch Nomanschreiber giebt, die in England oder Frankreich für ausgezeichnet gelten würden. Wir wollen hiermit nicht sagen, daß es den Deutschen ganz an beachtungswerthen Romanen fehlt, aber jeder sachverständige Kritifer wird zugeben, daß selbst die besten derselben von einem anderen Kaliber sind, als diejenigen, welche in England und Frankreich,, Sensation“ erro gen. Als Beweis wollen wir nur Freytag's „Soll und Haben" an= führen, welcher drei oder viermal in's Englische überseßt und in wohlfeilen Ausgaben stark verbreitet worden ist, so daß wir darauf Bezug nehmen können mit der Zuversicht, allgemein verstanden zu werden. Seit einem halben Jahrhundert hat in Deutschland kein Noman einen so großen Erfolg gehabt; er ist bereits bis zur achten Auflage gediehen, und es giebt Niemanden, der ihn nicht gelesen hätte. Dieser Erfolg ist ohne Zweifel gerechtfertigt. Wenn wir das Werk mit anderen deutschen Romanen vergleichen, so bemerken wir in demselben Eigenschaften, die ihm überall Eingang verschaffen würden, die aber in Deutschland ihm eine Ehrenstelle in der Roman-Literatur sichern müssen. Ein Künstler im höheren Sinne des Worts ist Freytag gerade nicht, aber es fehlt ihm daran nicht sehr viel; er hat ein Auge für Charakterschilderung, und er besißt in einem gewissen Grade die noch seltenere Gabe, Charaktere dramatisch vorzuführen; er hat ein leichtes Erfindungstalent und das sehnliche Verlangen, die Wirklichkeit darzustellen; er kennt das Leben in vielerlei Formen und ist weitherzig in seinen Sympathieen; er schreibt außerdem mit einer Kraft, die feine Landsleute nicht oft an den Tag legen. Troßdem hat sein Buch, das in Deutschland einen so tiefen Eindruck machte, in England nicht den geringsten hervorgebracht; es fand reißenden Absaß, weil die zu gleicher Zeit erscheinenden Uebersehungen und Herrn v. Bunsen's seltsame Vorrede die Neugier erregt hatten, aber wir haben niemals von einem urtheilsfähigen Leser gehört, der den Roman den besseren Werken dieser Klasse in England und Frankreich an die Seite gestellt hätte. Es scheint uns kaum glaublich, daß selbst deutsche Kritifer,,Soll und Haben" mit Balzac oder George Sand, Thackeray oder Dickens vergleichen dürften, während englische Kritiker unbedenklich den Schriften sehr untergeordneter Novellisten den Vorzug geben würden. Man fühlt, daß Freytag's Buch manches Verdienstliche enthält, und daß sich darin Stoff befindet, den eine geschicktere Hand in dauerhaftere Formen gekleidet haben würde; aber man liest es einmal und nicht wieder.")

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*) Haben denn die Kritiker der Westminster Review niemals Giwas von Goethe's und von Jean Paul's Romanen gelesen? Wir denken doch, daß diese Romane, abgesehen von ihrer nationalen Färbung, was Seelenschilderungen und Menschenfenntniß betrifft, es mit jedem englischen oder französischen Werke dieser Art aufnehmen können. Dem viel empfohlenen und gekauften „Soll und Haben" fehlt es allerdings an Lebendigkeit und allgemeiner Ans ziehungskraft, aber die deutsche Kritik hat das Werk auch keinesweges so hoch gestellt, wie es das große Publikum gethan, dessen Motive bei dem wunderbaren Erfolge des Buches unter Anderem in einer trefflichen Charakteristik aus der Feder von Robert Pruz (Nr. 39 des,,Deutschen Museum") erklärt worden sind, D. R.

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England.

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei
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Niederwallfir. Nr. 21), fowie von allen fönigl. Poft-Aemtern, angenommen.

Auslandes.

Berlin, Donnerstag den 21. Oktober.

Friedrich der Große, nach Thomas Carlyle.*) Wenn irgend Jemand berufen war, den Eindruck zu verwischen, den etwa die leichtfertige, ihrem Autor wenig zur Ehre gereichende Macaulaysche Skizze des Preußen Königs im englischen Publikum zurückgelassen, so ist es Thomas Carlyle, der bereits seit länger als einem Menschenalter mit deutscher Sprache, Wissenschaft und Litera tur innig vertraut ist, während alle diese Dinge dem Verfasser der „Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's II." fast gänzlich fremd find. Thomas Carlyle, in der Nähe von Dumfries in Schottland, im Jahre 1796, geboren, hat dort, in der rauhen Natur der kaledonischen Gebirgslandschaft, unter den Granitfelsen- und dunkeln Mooren (wie er selbst von dort einst an Goethe schrieb), die fich westwärts durch Galloway fast bis an die Irische See erstrecken", feine literarischen Studien gemacht; naturwüchsig und ungeleckt, wie die Umgebungen seiner Kindheit und seiner Studien, sind auch der Gedankengang und der Stil, den er sich angeeignet, beides ebenfalls im Gegensaße zu dem kunstreichen Gedankengang und dem geleckten Stil seines geschichtschreibenden Zeitgenossen Macaulay.

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Das erste deutsche Werk, das Carlyle mit Begeisterung ftudirte und für das englische Volk bearbeitete, war Goethe's,,Wilhelm Meister", den er 1824 in einer englischen Uebersehung herausgab. Lewes widmet ihm sein berühmtes Goethe-Werk mit den Worten: ,,To Thomas Carlyle, who first taught England to appreciate Goethe" (An Thomas Carlyle, der England zuerst Goethe würdigen lehrte). Unmittelbar nach Vollendung seines,,Wilhelm Meister" begann Carlyle sein,, Leben Schiller's", welches zuerst bruchstückweise im London Magazine, herausgegeben von Charles Lamb, William Hazlitt und Cunningham, abgedruckt war und nicht wenig dazu beitrug, den Geschmack an der damals in England noch gar nicht gekannten deutschen Literatur dort zu verbreiten. Gleichwohl war es weder Goethe, noch Schiller, an deren schöner Form und edler Darstellungsweise Carlyle sich ein Muster nahm. Vielmehr scheint es vorzugsweise Jean Paul gewesen zu sein, der ihn zu Nachahmungen und zu nachhaltiger Bewunderung anregte. Wenigstens trägt dasjenige größere Werk Carlyle's, das unmittelbar nach seinem,,Life of Schiller" erschien, ganz das Gepräge Jean Paul's. Sein „Sartor Resartus" ist ein in's Englische überseßter Dr. Kagenberger, der bei ihm Dr. Diogenes Teufelsdreck heißt - ein Roman voll eigenthümlicher, englischer Ideen, der aber in Deutschland spielt und von deutfchen Ausdrücken und Wendungen wimmelt.

Carlyle ist diesem krausen, unbeholfenen, aber kraft- und geist vollen Stil auch in seinen späteren Werken, namentlich in seiner ,,Geschichte der französischen Revolution" (1837), in feinen VorLesungen über „Heroen-Kultus" (Hero-worship, 1840) und in feinen ,,Jüngstentages-Schriften" (Latter-Days-Pamphlets, 1848-1849) treu geblieben. Durchaus originell in seinen Anschauungen, hält er sich in diesen Werken ebenso fern von den steifen Anbetern der Vergangenheit, wie von den windigen Aposteln der Zukunft. Er ist ein Bewunderer der Revolution von 1789, so lange sie weder den Jakobinern, noch dem Soldaten-Kaiser dient, ein Verehrer des Heroismus und besonders des Königthums, wenn sie mit wahrer Geistesgröße und Gerechtigkeit verbunden sind, und ein Verkündiger der Freiheit, sofern sie die göttlichen Gefeße und die des strengen Rechtes zu den eigenen macht. Im Jahre 1848, als die Ereignisse in Frankreich seine von ihm lange vorher aufgestellte Behauptung, daß das

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1858.

französische Volk unfähig sei, die Freiheit zu begreifen, auf das Unumstößlichste bestätigten, war es das Autoritäts-Prinzip, das er in seinen, Jüngstentages-Schriften" als das einzige Rettungsmittel des Tages proklamirte. „Man muß wieder Verwunderung, Erstaunen empfinden; man muß glauben, man muß gehorchen", sagte er. Das Autoritäts-Prinzip war es auch, dem er in seinem „Heroen-Kultus“ gehuldigt hatte, und ein dieses Kultus würdiger Heros war ihm zu allen Zeiten Friedrich der Große, den er seit Jahren zum Gegenstande seiner Studien gemacht und um deffenwillen er vor einiger Zeit nach Berlin gekommen war, von wo er sich auch nach Schlesien und anderen Landestheilen begab, um die berühmtesten Schlachtfelder Friedrich's kennen zu lernen.

Hier liegt uns nun die Frucht seiner Studien vor. Carlyle's Geschichte Friedrich's des Großen ist gewissermaßen die Quintessenz und das Resultat aller seiner früheren politischen und sozialen Forschungen und Schriften. In Friedrich ist ihm die Autorität, das Königthum, wie es sein soll, personifizirt, in seinem Kultus die,, Heroworship" gerechtfertigt; das strenge Recht und der philosophische Gedanke, die auf Friedrich's Thron saßen, sind ihm hoch erhaben über den von der französischen Revolution proklamirten Freiheits-Ideen. Friedrich ist ihm der lezte König, der überhaupt die civilifirte Welt beherrscht hat und dem gegenüber Napoleon weder ein wahrer Heros, noch ein Gesetzgeber im höheren Sinne war. Friedrich ist ihm in jeder Beziehung der Einzige", und zwar ganz besonders in seinem eigenen Jahrhundert, dem achtzehnten, das, nach Carlyle, über alle Maßen demoralisirt und entnervt war und dem die französische Revolution, welche dabei ein eben auch nicht beneidenswerthes NachrichterAmt geübt, ein rechtzeitiges Ende machte.

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Deutschland und insbesondere Preußen kann dieses Werk übrigens den unverständigen, hohlen Urtheilen gegenüber, die, nach dem Vorgange des Geschichtschreibers Macaulay, von dem großen Haufen der politischen Tagesrichter Englands, die Times an ihrer Spize, über unsere Geschichte und Bildung gefällt werden, als eine vollständige Vindication betrachten. Von der Saat, die Friedrich ausgestreut und die auch heutzutage noch in Preußen Früchte trägt, sagt Carlyle:, Indeed, they bear such fruit to the present hour as all the Newspapers are obliged to be taking note of, sometimes to an unpleasant degree. Editors vaguely account this man the,,,, Creator of the Prussian Monarchy"", which has since grown so large in the world and troublesome to the Editorial mind in this and other countries. He was indeed the first, who in a highly public manner notified its creation, announced to all men that it was, in very deed, created, standing on its feet there, and would go a great way, on the impulse it had got from him and others. As it has accordingly done and may still keep doing, to lengths little dreamt of by the British Editor in our time,) whose prophesyings upon Prussia and insights into Prussia, in its past, or present, or future, are truly as yet inconsiderable in proportion to the noise he makes with them. The more is the pity for him! and for myself too in the Enterprise now on hand". Der Verfasser sieht vorher, daß gerade, weil die Herausgeber der tonangebenden englischen Blätter so wenig von Preußens Vergangenheit, Gegenwart, oder Zukunft wiffen, sie auch dieses sein Werk nicht verstehen und nicht werden zu beurtheilen wissen.

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Leider giebt er aber diesen Kritikern auch wieder manche Blößen durch seinen Mangel an jeder künstlerischen Gruppirung des Stoffes, durch die Formlosigkeit seines Stiles und durch die unenglischen Ausdrücke, die auch in diesem Buche auf jeder Seite vorkommen. Selbst der Titel desselben: History of Friedrich II., called (genannt) Frederick the Great, ist schon eine Schrulle, die auf den ersten Anblick glauben macht, der Verfaffer stelle die Größe Friedrich's in Abrede, während doch gerade das Gegentheil das Richtige ift. In seiner Geschichte läßt er den Namen Friedrich, ebenso wie die Bezeichnungen *) Hier ist vielleicht, statt des Singulars, der Plural „Times" u sup

pliren

D

Kaiser, Kurfürst, Ritter 2c., meistens unüberseßt. Was würden unsere Puristen wohl sagen, wenn ein deutscher Geschichtschreiber in einem größeren Werke Fremdwörter so gebrauchen wollte, wie es in dem nach stehenden Sage von Carlyle (Buch III, Kap. 3) geschieht:,,It was in the second year ... that the Teutsch Ritters, famishing for money, completed the Neumark transaction with Kurfürst Friedrich".") Beiläufig sei hier bemerkt, daß Carlyle, in richtiger historischer Würdigung der deutschen Ansprüche auf Gebiete, deren sich im Mittelalter die Polen bemächtigt hatten, schon in der Vorgeschichte Friedrich's die Theilung Polens im Jahre 1773, soweit Preußen dabei interessirt war, als ein natürliches Aequivalent der Theilung Preußens darstellt, welche 307 Jahre vorher stattgefunden hatte.

Auch in dem Sinne ist das vorliegende Werk als ein in deutscher Weise bearbeitetes zu bezeichnen, daß es in weitschichtiger, aber gründlicher Forschung uns zur Vorgeschichte der Mark Brandenburg und des alten Preußen zurückführt. Nachdem der Verfasser im ersten Buche einleitende Betrachtungen über die Geschichte des großen Königs von dem entfernten Standpunkte, in welchem wir uns befinden, sowie über die Geburt, die Aeltern und Großältern Friedrich's geliefert, geht er im zweiten Buche zu einer Geschichte Brandenburgs und der Hohenzollern von 928 bis 1417 über. Das dritte Buch hat die Ueberschrift: Die Hohenzollern in Brandenburg", und umfaßt die drei Jahrhunderte von Kurfürst Friedrich 1. (1412) bis zum Tode König Friedrich's I. (1713). Das vierte Buch ist überschrieben: „Friedrich's Lehrzeit, erste Epoche, 1713-1723"; das fünfte Buch: „Das DoppelHeirats-Projekt und welchen Schwierigkeiten es begegnet, 1723 bis 1726"; das sechste Buch:,,Das Doppel-Heirats-Projekt und der Kronprinz den Stürmen und Wellen ausgefeßt, 1727-1730"; endlich das siebente Buch, womit der dritte Band (der Tauchniß-Edition) abschließt:,,Furchtbarer Schiffbruch des Doppel-Heirats-Projektes, Februar-November 1730."

Was die Jugendgeschichte Friedrich's betrifft, so benußte der Verfaffer, außer den bekannten Enthüllungen der Markgräfin von Bayreuth, auch die in den Archiven des Foreign Office befindlichen „Prussian Despatches" aus der Zeit der Hothamschen Gesandtschaft in Berlin. Er giebt einen Auszug aus dieser Korrespondenz, ertheilt jedoch den Lesern mit seiner gewöhnlichen Selbstironie den Rath, die diplomatischen Briefe lieber zu überschlagen und sich mit der bloßen Erzählung zu begnügen.

Daß ein Werk, wie das Carlylesche, über Friedrich, mit seinen eigenthümlichen Gesichtspunkten und manchen neuen Daten, auch in's Deutsche übertragen wird, versteht sich von selbst. Die Aufgabe ist jedoch keine leichte, einen Schriftsteller, der in seiner eigenen Sprache oft dunkel und schwer verständlich ist, klar und erschöpfend in eine andere zu übertragen. Herr Carlyle läßt zwar sehr oft gegen die deutschen und insbesondere preußischen Geschichtsquellen über Friedrich, wegen ihres Mangels an Uebersichtlichkeit und insbesondere an Registern, seinen Unmuth aus; er bezeichnet die deutsche Geschichtsforschung geradezu als Pedanten-Arbeit, als Produkte des nüchternen Magister Trockenstaub (Dryasdust); aber er übersicht vor dem fremden Splitter den Balken im eigenen Auge: denn eine größere Konfusion sowohl in der Saßbildung, als in den Details der Erzählung und in der Anordnung des Ganzen, kann es wohl kaum geben, als hier vorliegt. Es genüge vorläufig die Bemerkung, daß der Verfasser im ersten Buche ausführlich über Friedrich's Geburt und erste Lebensjahre, über seine Aeltern und Großältern®) und insbesondere über Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. berichtet; dann folgt im zweiten und dritten Buche die Geschichte der Hohenzollern und Branden burgs, worin über Friedrich I. Alles wiederholt wird, was bereits im ersten Buche steht, und endlich wird im vierten Buche nochmals die Kindheits- und Jugendgeschichte Friedrich's II. erzählt, woran sich dann die weitere Geschichte des Königs knüpft.***)

Herr J. Neuberg, Ueberseßer der „Hero-worship", ist vom Verfaffer zu dieser neuen Arbeit autorisirt worden und hat sich ihr wahrscheinlich unmittelbar unter den Augen des Herrn Carlyle unterzogen,

*) Buch III, Kay. 11 befindet sich folgender englisch-deutscher Sat: Joachim Friedrich... carried on a löbliche Regierung... as Eighth Kurfürst, of him we already noticed the fine Joachimsthal - Gymnasium, or foundation for learned purposes in the old Schloss of Primnitz, his very great anxiety to profit by the Prussian Mitbelehnung &c. **) Unter Anderem manches Interessante über die Königin Sophie Char lotte, nach den Berichten des bekannten englischen Deisten Toland. D. R. ***) Was die Anordnung der Thatsachen betrifft, so hätte sich Herr Carlyle an der sehr populär gehaltenen, in vier Auflagen verbreiteten, deuts fchen,,Geschichte Friedrich's des Großen, von Franz Kugler" (vierte Auflage, Leipzig, Lorck, 1856) ein nachahmenswerthes Muster nehmen können. Es fehlt diesem Buche auch nicht an dem von Herrn Carlyle in allen deutschen Geschichtswerken vermisten,,Index", der allerdings dort keine so wunderlichen, unhistorischen Kapitel - Ueberschriften darbietet, wie sie in den halb englischen, halb deutschen, Contents" ber,, History of Friedrich II." fich finden. Daß die zahlreichen Monographieen von Preuß über Friedrich als König, Philosoph, Gesetzgeber, Feldherr, Dichter und Familien-Oberhaupt von Herrn Carlyle ausgebeutet worden, ist zwar überall wahrzunehmen, doch wird

indem er in dankenswerther Weise manche sonst kaum verständliche Anspielung und Aeußerung desselben in Anmerkungen erläutert, zu welchen ihm vielleicht der Verfaffer selbst die Hülfsmittel geliefert. Diese Anmerkungen könnten inzwischen noch viel zahlreicher sein, da dem deutschen Leser in der vorliegenden Ueberseßung immer noch · Vieles unklar, wo nicht unverständlich, ist. Auch hätte Herr Neuberg im Intereffe des Originals beffer gethan, sich nicht so streng an den babelschen Periodenbau und die manierirte Ausdrucksweise deffelben zu halten. Mehr Freiheit der Bewegung würde jedenfalls mit größerer Schönheit und Klarheit verbunden gewesen sein. Wie sie hier vorliegt, ist die deutsche Uebersehung mitunter geradezu unlesbar. (Fortsegung folgt.)

Italien.

Italiänische Philosophie und Aesthetik.

Ueber die Göttliche Komödie" Dante's und
Goethe's "Faust".

Anläßlich zweier Gemälde vom Prof. Karl Vogel v. Vogelstein.
(Schluß.)

Mit Prinzipien, die bezüglich der Kunst analog, bezüglich der Philssophie verschieden, ja gänzlich entgegengeseßt sind, ist „Faust" ausgeführt. In dem System des Pantheismus, zu dem sich Goethe bekannte, und das in diesem Werk poetisch gestaltet ist, erscheint die Unterscheidung des moralisch Guten und Bösen unlogisch und ungereimt. Denn indem Alles Ausströmung und Art der göttlichen Substanz ist, ist auch Alles geseßlich und heilig. Und desto ungereimter ist es, dem Menschen die freie Entschließung zuzusprechen; er ist der Sklave der ewigen Nothwendigkeit, gegen die er sich nicht auflehnen kann; er möge sich daher da Fatalität seiner Natur überlaffen, und inmitten des Strudels de Lebens sich stürzend, möge er genießen, beobachten, denken, wirke und Alles erproben; er wird sich endlich unter jeder Bedingung a die Höhe schwingen, wenn in ihm das ätherische Element liegt, de uns erhebt; er wird sinken, wenn seine schwere Natur ihn nach unter zieht. Dies scheint mir wesentlich der Grundgedanke Goethe's z sein, wiewohl die Widersprüche des Systems sich darin abspiegeln und ihn etwas unklar erscheinen lassen, wie auch aus demselben Grunde die poetische Composition, besonders im zweiten Theile, oft verwirrt und dunkel wird, und zwar im Gegensaß zu der Danteschen, welche die beiweitem größere und fast unermeßliche Ausdehnung an Ebenmaß, Harmonie und Klarheit in nichts beeinträchtigt. Ich würde meinerseits auch nicht mit Menzel (Deutsche Literatur) sagen, daß Goethe's Gedicht gerade dahin gerichtet sei, das Ideale zu bekämpfen, und gleichsam von dem Erdgeist diktirt, um den Menschen, der nach hohen Dingen strebt, zu verspotten; wiewohl ich mit ihm übereinstimme, darin eine Parodie aller Anstrengungen der menschlichen Freiheit von Anbeginn der Welt, und in diesem Sinn die größte und befte Satire, welche je gegen die Menschen gemacht worden, zu erkennen. Es scheint in der That nicht, daß die ideale Tendenz darin immer und absolut verdammt sei, und es ist manche Stelle, wo Mephistopheles Faust den Schlüffel giebt, womit er in den geheimnisvollen Aufenthalt der Mütter (die typischen Ideen und elementaren Kräfte der Welt) dringt und so Helena hervorruft, die ideale Schönheit der griechischen Kunst, in deren Reigen er gänzlich gefangen wird, ohne daß irgend etwas von allem diesen unter einem schlimmen Lichte dargestellt würde. Wie dem auch sei, über allen Zweifel wundervoll ist die poetische Gewalt, mit welcher der Dichter seinen Gegenstand darstellt und ver körpert.

Nach dem Prolog im Himmel, der eine Nachahmung und bis zu einem gewissen Grad eine Parodie der erhabenen Scene ist, die das Buch Hiob eröffnet, ist man in dem Studirzimmer des Typus-Menschen Goethe's, in den Goethe, der, um uns der deutschen Redeweise zu bedienen, ganz besonders der objektive Dichter ist, wenn nicht ganz, so doch zum großen Theile seine eigene Subjektivität gelegt hat; so daß man in Wahrheit den Doktor Faust den Dante dieser neuen,Göttlichen Komödie" nennen kann, mit dem Unterschiede jedoch, daß er unendlich mehr handelnde Person und Protagonist in seinem Drama ist, während Dante wenig mehr als ein einfacher Zuschauer bleibt. Fauft ist wirklich Mensch, Mensch der Natur, mit dem Streben nac dem Erhabenen einerseits, und nach dem Irdischen andererseits, mit jenem Kampfe in der Seele, von dem Paulus schreibt: „Er sagt zum Himmel: gieb mir deine leuchtenden Sterne, und zur Erde: reiche mir deine Herrlichkeiten“, und weder was nah, noch was fern ist, be friedigt je feine tief beängstigte Brust. In jenem Sinne des angf vollen Kampfes ruft er aus: 3wei Seelen :c."°) Diesem vom Kampf erfaßten Menschen erscheint, als die Enttäuschungen der Wis senschaft und der Magie, der versuchte Selbstmord und die freudi gen Harmonieen am Ostertage und ein Gang durch die unter dem

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