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233entlich ersteinen 3 Rummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., balbjährliṁ 1 Tṭir. 20 Sgt und viertel jährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 124.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen, Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Reumann, Niederwallfir. Nr. 21), sowie von allen königl. Soft-Nemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Nußland.

Berlin, Sonnabend den 16. Oktober.

Literatur und Literaten Rußlands.

Vor einigen Monaten erschien in einer englischen Wochenzeitung die überraschende Nachricht, daß in Petersburg ein Wigblatt, eine Art Punch, erscheinen solle, mit dem Zusage: „Das sind hoffnungsvolle Zeichen!" Diese Nachricht ging als merkwürdiges Kuriosum in viele andere Zeitungen über. Kurz darauf lasen wir in einer deutschen Zeitung die kunterbunten, wißigen Namen von nicht weniger als neun in Petersburg erscheinenden, von,,fliegenden Buchhändlern" auf den breiten Straßen lustig und frech ausgerufenen und selbst Generalen und mächtigen Staatsmännern unter die Nase gehaltenen Kladderadatschen, Krakehlern, Punschen und Charivari's. Neue illufirirte Wigblätter! Fliegende Buchhändler! Zeitungen in Masse! Illustrirte Zeitungen! Wochenblätter! Monats- und Vierteljahrsschriften! Romane, Gedichte und wissenschaftliche Werke! Und alle in wirklicher russischer Sprache! Das sieht Alles fabelhaft, unmöglich aus, besonders in England, wo unter 100 Menschen noch 90 fest überzeugt sind, daß von Boulogne oder Calais aus die Barbarei sofort mit Riesenschritten anseße, und man schon in Berlin alle Wochen einmal, wie Donnerstags Sauerkohl und Erbsen mit Pökelfleisch, Menschenfleisch zu Mittag effe, und in Rußland Alles, was nicht in Eis und Schnee gefroren sei, sich gegenseitig lebendig, ungekocht und ungebraten auffresse und Französisch dazu spreche. Selbst die gebildeten Engländer glauben noch ziemlich allgemein, daß die Russen gar keine Sprache besäßen und nur Französisch sprächen.

Herr Sutherland Edwards, der lange in Petersburg und Moskau lebte, in leßterer Stadt eine Ruffin heiratete und ruffische Sprache, Literatur und Lebensweise genau kennen lernte, fängt seine,,Skizzen und Studien", die er neuerdings den Engländern bietet, mit der ernsten Versicherung an, daß die Ruffen Russisch sprechen und fast ihre ganze blühende Literatur in russischer Sprache geschrieben, sogar gedruckt sei.

,,Der englische Tourist, der in Petersburg ankömmt und erstaunt, daß die Zollbeamten weder seine Person durchsuchen, noch seine steifgestärkten Hemden zerknittern, noch seinen „Murray“, den Fremdenführer durch alle Welt, konfisziren, ist ebenso überrascht, daß keiner im Stande ist, Französisch zu verstehen. Dieses Erstaunen wird zum Aerger und zur Verzweiflung, wenn weder der Iswoftschik, der ihn in Beschlag nimmt und in eine Droschki schafft, noch die erfte, zweite, dritte Person, die er in der Straße anredet, noch irgend ein Käufer oder Verkäufer in den Läden am Kai entlang ihm ein Wort versteht, mag er Französisch oder Deutsch oder zulegt sogar Englisch sprechen. Der pfiffige Jowoftschik wird ihn bald aus dieser Verlegenheit be freien: er bringt ihn in's erste, beste deutsche Hotel (in Rußland sind alle Fremde Deutsche, wie in England jeder Foreigner -,,a Frenchman"), deffen Befißer und Kellner nicht nur Französisch und Deutsch, dessen sondern obendrein auch Englisch sprechen" (die meisten größeren Ho. tels in der ganzen gebildeten Welt – mit Ausnahme Englands, wo keine deutschen Kellner gehalten werden - find auf diese englische Sprachunfähigkeit- vorbereitet. Zwischen Hamburg, und London fahren seit Menschenaltern englische Dampfschiffe, die alle Wochen mehrmals Deutsche herüber bringen, ohne daß irgend einer von den Mannschaften ein Wort Deutsch gelernt hat oder je ein Capitain auf den Einfall gekommen wäre, einen der Tausende zu engagiren, die ebenso gut Englisch als Deutsch sprechen. In Indien herrschen sie seit hundert Jahren und nicht ein Dußend Engländer versteht eine Sprache der Indier erträglich. In China wollen sie mit allen 360 Millionen Einwohnern handeln und haben dies beinahe seit 20 Jahren angefangen, aber es fehlt überall an Dolmetschern, und wo einmal Einer auf getrieben wird, verstehen ihm die Chinesen nichts oder Alles halb. So viel in Parenthese).

Unter den eigentlichen Ruffen aber in einer anderen Sprache, als der ruffichen, nur einen Bogen Papier kaufen oder den Weg er

1858.

fragen zu wollen, ist eine der hohlsten Jllusionen. Ohne Zweifel wird das Französische in Rußland besser gesprochen, als in irgend einem anderen Lande (mit Ausnahme Frankreichs selbst), und es giebt viele russische Schriftsteller, die ebenso gut Französisch als Russisch schreiben. So früher Tengoborski, Ulibischeff, der Biograph Mozart's und Feind Beethoven's, so Herzen in London, wo er zwei russische Zeitschriften redigirt, ruffische Dichter edirt und bald Nuffisch (er schreibt das beste Russisch, sagen die Ruffen selbst), bald Franzöfifch, bald Deutsch, bald Englisch schreibt. Viele russische Schriftsteller haben theils deutsche, theils russische, theils franzöfifche Sprache zum Mittel, sich der Welt mitzutheilen, gewählt. In allen gebildeten Häusern Rußlands werden zwei, drei, vier Sprachen mit gleicher Geläufigkeit gesprochen. Die vornehmere russische Jugend spricht in der Regel außer Russisch auch Französisch, Deutsch und Englisch. Keine größeren Sprach-Ta= lente als die Ruffen. Aber deshalb zu schließen, daß die große Volksmasse etwas Anderes versiche, als echtes Russisch, ist ein dicker Irrthum. Außerdem läßt auch der demokratische Charakter der aus etwa 150,000 Familien bestehenden russichen Aristokratie keine Firirung des Französischen zu. Jeder, welcher Nation er auch angehöre, kann russischer Edelman werden. Jeder Offizier, der ein Regiment bekommen, jeder Civilbeamte, der bis zum Tschin (Titularrath) gestiegen, mag er von einem Ausländer oder von einem Leibeigenen abstammen, kann politisch zum gleichen Range mit den Demidov's oder Dolgoruki's steigen. Er kann großer Grundbesiger und Leibeignen-Eigenthümer werden.

Kurz, der Engländer muß nun an die merkwürdige Thatsache glauben lernen, daß die Ruffen Russisch sprechen und die meisten ruffischen Blätter, so oft sie auch unter deutschen oder englischen Titeln zitirt werden:,,Die Nordische Biene", die „Moskauer Zeitung",,,Der russische Invalide",,,Der russische Bote", "Der Zeitgenosse", "Die Bibliothek für öffentliche Lektüre",,,Die nationalen Jahrbücher" 26., nur in russischer Sprache erscheinen.

Der Irrthum, daß das Französische in Rußland vorherrsche, hat allerdings einen historischen Boden. Unter Katharina, und fast in ihrem ganzen Jahrhundert, sprachen die gebildeten Russen kaum etwas Anderes, als Französisch. Daß ruffische Sprache und Literatur seitdem riesig wuchsen, ist bis jezt verhältnißmäßig nur Wenigen bekannt. Außerdem finden Fremde bis heute noch, daß sie in allen gebildeten Familien im besten Französisch angeredet werden.

Wer daher sich nur in sogenannter,,guter Gesellschaft" bewegt, muß immer noch glauben, daß die Ruffen blos Französisch sprechen. Ebenso können Deutsche, die von einer reichen deutschen Familie Petersburgs in die andere gehen oder eine deutsche Bierkneipe (präch tige Salons mit Sammet-Sopha's zuweilen) nach der anderen besuchen, mit gutem Gewissen versichern, daß in Petersburg blos Deutsch gesprochen werde. Daffelbe gilt von London, wo Deutsche Jahrzehende lang leben können, ohne ein Wort Englisch zu sprechen oder zu ver stehen. (In,,Klein-Deutschland" Londons gilt das ziemlich wörtlich). Rußland und seine Sprache und seine nationale Kultur fingen nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts an, fich zu regen. Bis dahin gab es das russische Gedicht von Igor, die Chroniken Neftor's, später Lomonoffov's Schriften, sonst aber kaum etwas gedrucktes Ruffisches (mit Ausnahme von manchen Ueberseßungen). Die jezigen Ruffen können diefe Sprache kaum noch ohne Schwierigkeit verstehen und sehen erst in Karamsin den eigentlichen Begründer, in Puschkin den Reformator und Leffing der modernen, ruffifchen Sprache. Karamsin war ein Freund Alexander's und Puschkin Zeitgenoffe, wenn auch nicht so recht Freund, des Kaisers Nicolaus. In England glaubt man noch, daß Letterer grimmiger Feind des Ersteren gewesen und an seinem Tode Schuld fei. Die Wahrheit ist, daß Puschkin in einem Duell mit seinem franzöfifchen Schwager d'Anthès-Heekeren fiel, einem kaiserlichen Garde-Offizier, nachdem er manche Beweise der Freundschaft vom Kaiser erhalten, der auch seine legten Augenblicke verschönerte, indem er ihm auf dem Todtenbette versicherte, daß für seine Familie gesorgt werden solle.

Unter Alexander I. wurden die besten deutschen, französischen und englischen Werke in's Russische überseßt, und Originalschriftsteller versuchten ihre Schwingen. Karamsin richtete seinen Spott gegen das Franzosenthum bereits vor mehr als sechzig Jahren. Der Moskau-Brand und der Marsch bis nach Paris gaben dem Phönir des National-Gefühls neue Schwingen. In einer Komödie Gribojedov's finden wir die noch restirende Liebe für Franzöfelei auf das heftigste gegeißelt. Das Nationalgefühl und die National-Literatur wuchsen still, unbegünstigt, vielfach niedergehalten, unter Nikolaus. Die KrimZeit that auch das Ihrige: während derselben wurden die Sarafan's (altrusfische Kleidung) wieder unter den gebildeten Klaffen sichtbar, und die Damen trugen,,Schtschogolev "-Ohrringe mit vier kleinen Kanonen-Kugeln (natürlich von Gold und keine Zehnpfünder) zur Ehre des Artillerie-Offiziers gleichen Namens, der die ganze Flotte der Alliirten mit vier Kanonen von Odessa abgehalten haben sollte. Die langen, grünen Jacken, welche Knaben und Mädchen trugen, erinnerten an den Anzug der Krim - Soldaten. Durch diese und andere Ursachen wurden russische Sprache, Literatur und Kultur begünstigt. Das Französische ist zu dem geworden, was es überall in der Welt ist, zur Conversationssprache mit Fremden, zur Diplomatensprache, in Rußland nur etwas mehr, als anderswo, weil die russische Sprache den Fremden bisher fast ganz unbekannt ist und die Russen nun einmal mit ihrem glücklichen Sprachtalente leicht noch drei, vier Sprachen lernen.

Petersburg hat jezt eine überraschend reiche, frische russische Literatur und nur ein französisches, wie ein deutsches Journal. Verhältnißmäßig, d. h. im Vergleich zu Deutschland und England, ist das eigentliche Zeitungswesen noch schwach, aber in Magazinen und Monatsschriften haben sie schon ganz wesentliche Vorzüge vor dem überflutheten England voraus. Die nationalen Jahrbücher",,,Der russische Bote“, „Die Bibliothek für allgemeine Lektüre" erscheinen wöchentlich zweimal und geben außer wissenschaftlichen, literarischen 2c. Artikeln gute Revues des politischen Inhalts von je vierzehn Tagen. „Der Zeitgenosse" ist eine dicke Monatsschrift. Jedes der genannten Blätter kostet jährlich 15 Rubel, oder 20 Silbergroschen pro Heft. Papier und Druck find enorm theuer (im Durchschnitt vierfache deutsche Preise), so daß man auf ein bedeutendes Interesse, großen Abfag und auf eine noch blühendere Zukunft des russischen Journalismus schließen muß. Das jezige Bedürfniß schafft erst hinreichend Papier und Druckereien, hinreichende Schriftsteller. Das literarische Leben ist mit einem so großen, raschen Sprunge vorwärts gekommen, daß sich erst Schriftsteller, Papier, Seßer und Drucker nach und nach bilden und einfinden müssen, um ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen.

Außer den genannten,,Revues" giebt es noch einen Telegraph" und ein,,Teleskop“ der Monats-Literatur. Ihr Werth liegt mehr in der Vergangenheit.") Jeßt arbeitet man schon frisch mit Wochen- und Tages-Blättern.,,Nirgends", sagt A. Herzen (,,Du développement des Idées révolutionnaires en Russie." London: Trübner & Comp.) „,ist der Einfluß von „Revues“ so groß gewesen, als, in Rußland. Sie haben eine unermeßliche Maffe von Kenntnissen, Ideen und Thatsachen über das unermeßliche russische Reich verbreitet während der lezten fünfundzwanzig Jahre. Sie gaben den Bewohnern von Omsk und Tobolsk Gelegenheit, die Werke von Dickens oder G. Sand zwei Monate nach deren Erscheinen zu lesen. Die regelmäßige Publication dieser Revues hatte außerdem das Gute, Indolenz zu überwinden und literarisches Bedürfniß zu wecken."

Und es ist erweckt, erwacht und regt sich überall mit frischen, starken, jungen Gliedern. Bis jezt freilich wiffen wir wenig davon. Selbst die größten russischen Schriftsteller sind in Deutschland nur Wenigen, in England fast Niemanden etwas näher bekannt. Karamfin's Geschichte ist niemals in's Englische überseßt worden und seine ,,Reisen", vor funfzig Jahren aus dem Deutschen überseßt, längst unbekannt geworden.,,Pique - Dame", von Puschkin, wurde zum Theil in's Englische verstümmelt, niemals übertragen. Sonst nichts von Puschkin. Eine der schönsten Erzählungen von Gogol,,,Ein Paar aus der alten Zeit", wurde nach einer falschen französischen Ueberseßung aus dem Französischen falsch für ein Penny-Blatt in's Englische überseßt. Die Gedichte Lermontov's sind durchaus unbekannt. Nur sein Held unserer Zeit" wurde aus dem Deutschen in's Französische, aus dem Französischen in's Englische getrieben. Gribojedov's, Gore ot Uma" ift den Engländern allein in einer gewissenhaften Uebertragung von dem Ruffen Benardaky zugänglich. Karamsin, Krylov, Puschkin, Jukowsky, Gogol, Gribojedov sechs der eminentesten Schriftsteller dieses Jahrhunderts - unbekannt in England und unter fast allen civilisirten Völkern! Wie würden sich die Schriftsteller der „civilisirtesten Nationen“ verdient machen, wenn fie diese und andere Russen biographisch charakterisirten und über*) Allerdings da fie beide schon seit mehr als zwanzig Jahren ein

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festen, statt in Artikeln und Broschüren über russische Barbarei und Despotie zu eifern! Freilich, revolutionaire Schriftsteller wurden verfolgt und bestraft - wie überall. Selbst das „freieste Volk" ließ seinen Schriftstellern die Ohren abschneiden und gloßte sie an auf Schandpfählen. Defoe u. A. ftanden am Pranger, Leigh Hunt saf im Gefängnisse, Mitchell wurde transportirt und Thistlewood we gen Schriftstellerei (?) hingerichtet in England. Jezt ist es freilich anderes, beffer. Ein gefährlicher Redner und Schriftsteller wird vielleicht Konsul oder so etwas bei den Antipoden oder – Secretair des Baron Nicholson (,,Judge and Jury", Zotentheater), das heißt auch unschädlich gemacht, nur gründlicher und grausamer, das heißt im Geheimen lebendig begraben. Andere, die es zu arg machen, wie z. B. Reynolds, läßt man just deshalb ungeschoren, und zwar mit Recht und glänzendem Erfolg, wovon die kontinentale Polizei noch keine Spur von Ahnung zu haben scheint. Im Uebrigen hört in dieser Beziehung Rußland durchaus nicht an der Gränze auf und bald wird, wie es scheint, drüben Freiheit und anderswo Furcht vor dieser Freiheit zum feinsten Tone gehören. Diese Furcht scheint in Amerika schon zu herrschen. Ein Organ der dreißig freien Republiken sagte unlängst, daß Rußland als Despotie schon gefährlich war, aber mit seiner jeßigen Freiheit furchtbarer werde, als je.

Die russischen Revue's und Monatsschriften zeichnen sich vor theilhaft vor Englischen und Amerikanischen durch eine gewisse Post. tivität aus, d. h. zunächst negativ durch Freiheit von sogenanntem Feuilletonismus, der seine Force in Formen, Phrasen, Diction, Ausspinnung oder respektive in Sentimentalismus und Humorismus sucht, durch Realismus, Novellen und Erzählungen, die aus ge= sunder Beobachtung des Wirklichen und lebenswahrer Charakteristik ihre Kraft und ihren Reiz schöpfen, durch Charakter- und Lebensbilder, Satire gegen russisches Beamtenthum, Aufdeckung der Corruption in der Staatsverwaltung, Artikel über Industrie, Handel und natürliche Reichthumsquellen Rußlands, frühere Geschichte, Gegenwart und Garantieen für die Zukunft. Das sieht gesund, kräftig und jugendlich aus. Außerdem beschäftigen sich die russischen Zeitschriften auch ziemlich reichlich und gründlich mit Kritik oder Ueberseßung ausländischer Literatur, besonders der englischen.

Um den Inhalt der lezten russischen Revue, des „Zeitgenossen“, näher kennen zu lernen, führen wir die hauptsächlichsten Beiträge aus den Jahren 1854-1856 an: „Die zwei Freunde", Novelle von Turgenjev,,,Bleak House", von Dickens, „Mumunie", von Turgenjev, Das arme Mädchen", von Panajev, „Mrs. Perkins' Ball“, von Thackeray, „Fanfaron, ein Exemplar unserer eigenen ,,Snobs" (in Thackerayscher Manier), „Memoiren eines Kavallerie-Offiziers wāh rend des türkischen Krieges 1828",,,Eine Reise nach Paris", von Thaderay,,,Experimente mit russischen Snobs", von Panajev,,,Männer von Charakter“, von Douglas Jerrold, viele Gedichte von Nekrassov (dem Redacteur, mit Panajev) und Graf Tolstoi, biographische, tritische und wissenschaftliche Artikel, wie Delwig" (Freund Puschkin's, mit dem er ein literarisches Journal redigirte), von Gajewsky,,,Versuch einer Biographie Gogol's“, „Erinnerungen an Gogol“, „Erzählungen zur Beleuchtung der arbeitenden Klaffen“,,,Leben und Tod des lezten Montenegriner - Fürsten", von Kowalewsky (bekannt durch seine Thätigkeit im orientalischen Kriege, jest Direktor im Ministerium des Auswärtigen), „Die kriegerischen Thaten der Don Kosaken gegen den Khan der Krim und den Prätendenten Pugatschev in den Jahren 1773 und 1774",,,Kritiken russischer Sprachwerke", von Sernin,,,Gerhard Friedrich Muller", von Solowjev, Makarov" und sein,, Moskauer Merkur“, von Gennady,,,Reisen in den Polargegen, den und an der Küste von Weiß-Rußland", von Schpilewsky zc.

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Diese Titel-Angaben sagen nicht viel, aber man sieht doch, womit sich die russische Haupt-Revue während des Krieges beschäftigte, auf welchen sie nicht viel Rücksicht nahm, ohne deshalb an Circulation abzunehmen. (Schluß folgt.)

Schweiz.

Der Maler Leopold Robert. (Schluß.)

Robert machte Glück mit diesen Bildern, Ruhm und Bestellungen folgten ihnen rasch; aber bei den Künstlern und der Gesellschaft Roms war er nicht beliebt. Seine Malereien wurden wegen ihrer Schönheit und Originalität bewundert, sein Geist war sorgfältig an gebaut, sein Geschmack fein ausgebildet, sein Herz für innige Freundschaften empfänglich; allein seine äußere Erscheinung in Gestalt und Benehmen war nicht gewinnend: ein dicker Kopf, der zwischen den Schultern steckte, Stimme und Haltung machten den Eindruck eines linkischen und schüchternen Menschen. Er trieb die Bescheidenheit bis aufs Aeußerste; er nahm ftets den lezten Plag ein und spielte die untergeordneteste Rolle. Wenn er aber in traulichem Kreise, diese

und Gefühle aus der durchsichtigen Sprache, die Achtung und Bewanderung hervorriefen. Seine Vermögensumstände befferten sich zusehends. Er konnte seine Freunde, die ihm aus ihren Mitteln zu der Reise nach Rom Vorschüsse gemacht hatten, vollständig befriedigen und ließ seinen Bruder Aurèle, der schon bei einem Uhrmacher in ber Lehre war, zu sich nachkommen und ihn ebenfalls zum Künstler ausbilden.

Sein erstes Gemälde, das ihm einen europäischen Ruf verschaffte, war der „Neapolitanische Improvisator"; die Figur sollte ursprünglich eine auf dem königl. Museum improvifirende,,Corinna" vorstellen. Robert aber, unbefriedigt davon, kragte sie aus und erseßte, sie durch ben improvisirenden Neapolitaner. Es war die Hauptzierde im Schloffe Louis Philipp's zu Neuilly und ging bei der Verwüftung desselben burch Feuer mit zugrunde. Es ist durch Kupferstiche weltbekannt. Das Werk hat all die Eleganz, Freiheit und Elastizität des klassischen Lebens die Stoffe find irdisch und gehören der Erde; aber Composition, Ausdruck und allgemeine Wirkung eigenen der hohen Poesie. Durch anhaltendes Studium der mannigfaltigsten Typen gelangte Robert zu der idealen Schönheit, blieb aber immer innerhalb der Gränzen der Wirklichkeit. Er machte unzählige Ausflüge in die Apenninen und giebt in seinen Briefen eine lebhafte Schilderung von den Eindrücken, die das Volk in ihm zurückgelaffen.

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Die erste Studie dieser Art war die berühmte „Les moissonneurs", jezt im Louvre, eine seiner tüchtigsten und populärsten. Hier trat sein Genius in voller Kraft hervor. Die Einzelheiten find dem gewöhnlichen Leben entlehnt und mit jener Gewissenhaftigkeit der Genremalerei ausgeführt, wie auf irgend einer,,Trinker-Gesellschaft" Teniers' oder einer Bauernfamilie" der holländischen Schule aus dem siebzehnten Jahrhundert; aber über diese Gruppe einer italiänischen Herbstlandschaft hat Robert's Genius das Licht klassischer Reinheit und Eleganz ausgegoffen. Bei einer Ausstellung in Paris hatte es den glänzendsten Erfolg; später (1831) kaufte es Louis Philipp und, frei von den Skrupeln seiner Vorgänger gegen die Nationalität des Künstlers, schmückte er diesen eigenhändig mit den Decorationen der Ehrenlegion.

Interessant ist sein Urtheil über Raphael:

....,,Ja, ,,Ja, ich gebe zu, daß Raphael eine erstaunliche Menge wunderbarer Werke geschaffen; allein Raphael ist Raphael, das will sagen: er ist nicht die Natur, sondern ein Künstler; denn diese Herren Professoren schwagen immer von den großen Meistern und ich rede stets von der Natur. Ich kann nicht glauben, daß ein Mann mit so reicher Imagination so viele Madonnen, die einander so ähnlich sind, ausgeführt habe; mich dünkt vielmehr, die meisten sind von fremder Hand gemalt. Michel Angelo scheint schon deshalb ein höherer Genius zu sein, da er sich nicht an die Launen derer band, die bei ihm Gemälde bestellten. Raphael führte seine Entwürfe wunderbar aus; aber ich, meinestheils, hätte Compositionen, wie die Stanza", den ewigen Wiederholungen von Priestern und Mönchen mit Christus und Jungfrau weit vorgezogen. Ihr vergleicht Ingres mit Raphael; ich dächte, man vergleicht ihn besser mit Leonardo da Vinci, der niemals bei seinen Arbeiten Beistand suchte, und daher auch so wenige Werke hervorbrachte, obgleich er im hohen Alter starb.“

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Eines seiner vollendetsten Gemälde war 1831 im Pariser Salon ausgestellt: „Eine neapolitanische Mutter, weinend auf den Trümmern ihrer durch ein Erdbeben verwüsteten Wohnung“, das jeßt der Herzog von Aumale in feiner Sammlung besigt.

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Das Jahr 1831, in welchem Robert wieder nach Paris kam, war überhaupt, wie schon oben erwähnt, ein Jahr der Triumphe die ,,Moissonneurs" waren mit 8000 Frs. bezahlt worden; vor einigen Jahren schäßte man es auf 40,000 Frs. Sein erster Besuch in Paris galt seinem Zeichnenlehrer, Charles Girardet, und er wieder holte den Besuch, geschmückt mit dem Orden der Ehrenlegion. „Ich tomme", sagte er,,,den Zoll des Dankes für meine Ehrenkrone dem Manne zu bringen, der mir zuerst den Pinsel in die Hand gab." Der Greis und sein Schüler fielen einander weinend in die Arme.

Robert ließ sich nun zu Venedig nieder, in der Absicht, das heimische Leben dieses Winkels der Adria ebenso wie in Rom die Banditi und Contadini, wie in Neapel die Lazzaroni durch seinen Pinsel zu verherrlichen. Er besuchte wenig Gesellschaft zu Venedig; seine vertrauten Gefährten waren Odier, ein früherer Schüler Ingres', Sohn des Banquiers, und noch einige junge Künstler. Sie malten zusammen und Abends lasen fie belehrende und unterhaltende Schriften, wie: Barante's "Herzoge von Burgund", Daru's,,Geschichte von Venedig", Gil Blas, oder La Bruyère's „Charaktere". Keiner dieser jungen Künstler fand Geschmack am Theater. Die Pasta, obgleich schon im Niedergang ihres Ruhmes, feßte dennoch ganz Venedig über ihre, Norma“ und „Semiramis“ in Entzücken; die Jünglinge blieben ungerührt und betraten das Theater Fenice mit keinem Fuß, überdies verfiel Robert bald darauf in jenen Trübfinn, der mit Selbstmord endete.

Schon in Rom hatte er sich in Charlotte Bonaparte verliebt. Nach der Erscheinung seiner Hauptgemälde bekam er Zutritt zu der besten römischen Gesellschaft; außerdem hatte er Umgang mit Horace Vernet, Madame Recamier, dem Ritter Bunsen; auch Chateaubriand, damals französischer Gesandter beim päpstlichen Stuhl, nahm ihn von Zeit zu Zeit bei sich auf; allein am tiefsten gefesselt fühlte er fich von dem Umgang mit der Prinzessin Charlotte Napoleon, Tochter Joseph's, Erkönigs von Spanien, und an ihren Vetter, den ältesten Sohn Louis', Erkönigs von Holland, den älteren Bruder des jezigen französischen Kaisers, verheiratet. Diese hoffnungslose Neigung zu einer verheirateten und hochstehenden Frau vergiftete ihm das Leben. und beschleunigte die Entwickelung des unseligen Keimes, den die Geburt in ihn gelegt. Die Prinzessin und ihr Gemahl bewunderten die Talente und erfreuten sich an der Unterhaltung Robert's; denn wenn er wollte, konnte er die Leute das Linkische seiner Manieren übersehen machen. Sie hatten natürlich keine Ahnung, welche Verheerungen die Reize der Fürstin in dem Herzen des Künstlers anrichteten.

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Robert's leztes Gemälde war die Abfahrt eines venezianischen Fischers in das Adriatische Meer. Es stellt die Lagune dar, in der eine große Barke mit gespanntem Segel hielt; am Ufer stehen zwei Frauen, von denen die eine ihr Kind in die Höhe hebt, eine Mahnung an das Vaterherz des Fischers, der im Begriffe ist, abzusegeln. Dieses Bild wurde zuerst in Venedig ausgestellt und der Vicekönig, sowie alle Kunstsinnigen und Künstler nicht blos in Venedig, sondern auch aus den Nachbarstädten Padua und Treviso kamen, es zu sehen und zu bewundern. Es ging dann nach Paris, wo es denselben Enthufiasmus hervorrief allein mitten unter die Triumphe fiel die Schreckenskunde, daß der Gefeierte sich selber den Tod gegeben. Während der ganzen Zeit war sein Gemüth von tiefer Melancholie umnachtet. Das Bild hatte ihm viel Arbeit gekostet. Nie mit sich zufrieden, stand er vor der Staffelei, unablässig ausstreichend und von neuem malend. Ein gesunder Sinn hätte freilich allen Grund gehabt, sich an den erworbenen Gütern zu erfreuen: gesichertem Ruf, Beliebtheit, Geldgewinn; Robert sah Alles schwarz. Seine hoffnungslose Liebe, die Furcht, hinter seinen Ansprüchen an sich als Künstler zurückzubleiben, die quälende Angst vor der Kritik — Alles vereinigte sich, ihn unglücklich zu machen. Und diese seelenmarternde Stimmung theilte sein liebender Bruder Aurèle, der während der ganzen Krisis schlaflose Nächte verlebte.

Am 15. April 1835 holte ein junger deutscher Maler die Brüder ab, um bei einer venezianischen Dame Miniaturbilder zu besehen. Auf dem Rückwege sagte Leopold zu seinem Bruder, er solle heiraten, weil es noch Zeit sei. Früher hatte nämlich Aurèle oft in feinen Bruder gedrungen, diesen Schritt zu thun, als das beste Heilmittel gegen seinen Trübsinn; worauf ihm Leopold stets antwortete:,,Heirate du doch!" Sie aßen in einem Speisehause und verbrachten den Abend bei einigen deutschen Damen, wo Musik gemacht wurde. Leopold unterhielt sich in liebenswürdig heiterer Laune. Nachhause gekommen, fanden sie die Nummer des Journal des Débats - der französische Konsul, de Sacy, hatte die Aufmerksamkeit gehabt, ihm das Blatt aufs Zimmer zu schicken in welcher Delécluze das Eintreffen des obenerwähnten Gemäldes in Paris anzeigte. Am 8. Mai erhielt er einen Brief von der Prinzessin Charlotte, in welchem sie ihm zu dem Erfolg seines Bildes Glück wünschte. Er verbrannte den Brief mit der Aeußerung, er sei nun von seiner Leidenschaft geheilt. Worauf der Bruder sagte:,,Wenn nicht an der Leidenschaft, so bist du an ihren Folgen krank." Den nächsten Morgen ging der Bruder nach dem Palast Pisani, wo sie zu malen pflegten. Als er heimkehrte, fand er das Zimmer verschlossen. Er klopfte, rief keine Antwort. Er brach endlich die Thür mit Gewalt auf da lag Leopold mit dem Gesicht auf dem Boden, im Blute schwimmend. Mit einem Rasiermesser, das auf einer Kiste lag, hatte er sich den Hals abgeschnitten. Aerztliche Hülfe blieb fruchtlos.

Das Begräbniß fand ohne Gepränge statt: Eine Gondel, von seinem Bruder, seinen Freunden und den Künstlern in Venedig begleitet, führte seine Leiche nach der Insel San Cristoforo; ein einfacher Stein mit der Inschrift: „A Léopold Robert ses Amis et Compatriotes", bezeichnet sein Grab.

Frankreich.

Geschichte der Königin Marie Antoinette.
Bon É. und I. de Goncourt.*)

Mit dieser Geschichte ist uns ein Bild der unglücklichen Tochter Maria Theresia's geliefert, wie bisher noch keines existirte. Die Brüder E. und J. de Goncourt, von denen die neuere französische

*),, Histoire de la reine Marie Antoinette". Par E. et J. de Goncourt. Paris, 1858.

Literatur schon manche gelungene Arbeit besist, haben auf das vorliegende Werk einen besonderen Fleiß verwandt und sowohl die Frau, als die Königin, treu und ergreifend dargestellt. Was bisher über Marie Antoinette insbesondere veröffentlicht wurde, war nichts weniger, als erschöpfend und diente nicht dazu, ihrem Charakter die volle Gerechtigkeit zu Theil werden zu laffen. Selbst Madame Campan zeigt, troß der skrupulösen Gerechtigkeitsliebe, die ihre,,Memoiren" kennzeichnet, in ihrer Schilderung der Königin eine gewisse Kälte, wie sie in den Protokollen eines Untersuchungsrichters vorherrscht. Man nimmt leicht wahr, daß ihre Erzählung lange nach den Ereignissen geschrieben sei und daß bei der Arbeit des Kopfes das Herz nicht mehr recht mitgewirkt habe. Das Werk der Herren de Goncourt trägt dagegen überall die Spuren einer inneren Bewegung, die sich nicht scheut, sich zu erkennen zu geben, weil sie mit einer aufrichtigen Erforschung der Wahrheit Hand in Hand geht und dabei doch auch das Bestreben hat, alle enthusiastischen Ausschreitungen zu vermeiden, die in solchen Darstellungen sehr am unrechten Orte sind.

Nur Eines wäre vielleicht an diesem Buche zu tadeln: die Vorliebe nämlich, welche die Verfaffer darin, wie in einigen ihrer früheren Darstellungen, für das achtzehnte Jahrhundert an den Tag legen für eine Zeit, wo Anmuth und liebenswürdige Leichtfertigkeit sehr oft mehr galten, als die ftrengen Tugenden des Charakters und des Herzens, die doch andererseits den Verfassern keinesweges gleichgültig find. Um dieser Vorliebe willen, gefällt sich die Darstellung zuweilen allzusehr in Details und in kleinen Anekdoten, zum Nachtheile des fittlichen Eindruckes, den das Ganze zu machen bestimmt ist. Allerdings gereicht die biographische Form, in welche diese Geschichte der Königin gekleidet ist, jener Darstellungsweise einigermaßen zur Ent`schuldigung. Auch haben wir es ihr zu verdanken, daß wir, wenn wir hin und wieder die Königin aus den Augen verlieren, dafür um so beffer die Frau mit allem ihren Liebreiz, sowie mit allen den Eigen schaften kennen lernen, die ihr tragisches Schicksal uns erklären.

Ein anderes Verdienst dieses Buches ist, das wir darin auf das genaueste mit den Personen bekannt gemacht werden, welche die Königin umgaben und den Kreis bildeten, den sie mit der sanften Autorität ihres Charakters beherrschte. Als ausgezeichnete Studien sind besonders die Portraits des Herrn v. Besenval und der Herzogin von Polignac zu betrachten.

Bei dem Eintritte der großen Katastrophe, die der Herrschaft und bald darauf auch dem Leben der edeln Königin ein Ende machte, verläßt die Darstellung natürlich ihre leichtere, anekdotenhafte Erzählungsweise, und die Verfasser zeigen sich nun ganz ihrer Aufgabe als Geschichtschreiber würdig. Nicht blos treten sie als Vertheidiger Marie Antoinettens gegen die Verleumdungen auf, mit welchen der Aristokratenhaß und die gemeinen Seelen den Ruf der Königin be schmugt haben, sondern sie rächen dieselbe auch gegen diejenigen Zeitgenoffen, die über das politische Benehmen Marie Antoinettens nach dem Beginn der Revolution ein scheinbar sie verurtheilendes Still schweigen beobachten. Die Verfasser weisen nach, daß die Königin auf das Lebhaftefte die Emigration und deren Treiben getadelt habe; fie ftüßen sich dabei vornehmlich auf ein Schreiben der Königin an den Grafen von Artois (nachmals König Karl X.), das über die Denk weise der Gemahlin Ludwig's XVI. feinen Zweifel läßt. Der Charakter Marie Antoinettens, als Königin, wird dadurch moralisch sehr gehoben und dem etwas unbesonnenen Royalismus ihrer Schwägerin, Madame Elisabeth, gegenüber, gewinnt sie unstreitig an Hoheit und historischem Intereffe.

Man sieht, daß diese Lebensbeschreibung, der Bedenken ungeachtet, welche im Anfange der Anekdotenkram und die Details erregen, in mehr als Einer Hinsicht eine Bereicherung der Literatur der franzöftschen Revolutions-Geschichte ist. Die Herren von Goncourt haben sich dadurch ein wahres Verdienst erworben, und eine Uebertragung ihres Werkes in unsere Sprache würde eine völlig gerechtfertigte Ar beit sein. R. D. M.

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wie in einigen Gegenden des deutschen Vaterlandes, im Münsterland, am Rhein, in Bayern und in Oesterreich die Materialien zu seiner epischen Darstellung gesammelt, in welcher er den, wie er meint, Deutschland immer noch in zwei große Heerlager theilenden und es niemals zu nationaler Einheit kommen laffenden Kampf der Welfen und der Waiblinger mit seinen von Italien ausgehenden geheimen Fäden und Schnüren dem deutschen Volke, das davon kein flares Bewußtsein habe, schildern will. Die nachfolgende Dichtung", fagt Guzkow in der Vorrede,,,will, soweit dem Wort eine Wirkung z kommen kann, beitragen helfen, die vaterländische Einheit zu fördern. Sie will warnen, will ermuntern. Sie will die Gefahren aufdecen einer trügerischen Lockung. Sie will den lieblichen Ton der Pfeife des Vogelstellers nachweisen, selbst in dem Busche, wo Tannenzapfen, nicht Orangen, reifen. Sie will einem großen, fehr füchtigen, auch von ihr heilig gehaltenen Hang und Drang der chriftlichen Völker würdigere Ziele zeigen, als sie sich bisher in der fernen Fata Morgana spielten. Sie will für jene heraufziehende Entscheidung den germanischen Kampfesmuth schärfen, tausendjährigen Siegerftol; nähren helfen, will den Verräthern unseres eigenen Heerlagers auf ihren geheimsten und nächtlichsten Pfaden folgen." Daß der Ver faffer der,,Ritter vom Geiste" ein großes Talent befißt, Herzens konflikte, Seelenstimmungen und zugleich das Leben im Staate un in der Gesellschaft zu schildern, wird ihm allgemein zuerkannt. Auch dieser erste Band des,,Zauberer von Rom" bringt bereits entschieden Proben dieses Talentes, und so darf das Publikum reichen Stoff zum Nachdenken, wie zur Unterhaltung, von diesem Werke sich ver. sprechen.

Portugiesisches Englisch. Sogar in unserem gründlich gelehrten Deutschland giebt es englische Sprachlehren und Dialoger Sammlungen, deren Verfaffer oder Bearbeiter von der Sprache, die fie lehren wollen, offenbar eine nur mangelhafte praktische Kenntniß besigen, und es würde nicht schwer sein, hiervon einige eklatante Bei spiele anzuführen. Auch das schlechteste dieser Machwerke könnte jedoch für eine wahrhaft klassische Arbeit gelten im Vergleich mit einem kürzlich in Paris erschienenen Buche, das sich als „The New Guide of the Conversation, in Portuguese and English. By J. da Fonseca and P. Carolino" ankündigt und aus dem das Londoner Athenaeum einige unglaublich klingende Citate mittheilt. Die Herausgeber sagen in ihrer Vorrede: A choice of familiar dialogues, clear of gallicisms and despoiled phrases, it was missing yet to studious portuguese and brazilian Youth. We sought all we may do, to correct that want... We did put a great variety now expressions to english and portuguese idioms: without to attach ourselves (as make some others) almost at a literal translation... We expect then, who the little book, (for the care what we wrote him, and for her typographical correction) that may be worth the accep tation of the studious persons, and especialy of the Youth, at which we dedicate him particularly." Die Gespräche sind alle in folgendem Stil gehalten:,,It delay me to eat some wal nutskernels: take care not leave to pass the season." Be tranquil: i shall throw you any nuts during the shell is green yet." ,,The artichoks grow its?",,I have a particular care of its, because, i know you like the bottoms." Da, wie die Verfaffer bemerken, „the french language becomes us all days too much necessary", so geben sie auch einige Ueberseßungen aus vertraulichen Briefen französischer Schriftsteller, z. B.: Flechier at Mme. of the Rouré, More i was impatient at do you my compliment on your wedding; mor pleasure i have to do you to day. The heaven was seems, several years, to go for or to prepare you a husband who migh be worthy you. It was give you at him: the happyness it is like of one and another pars. Think which benedictions shall be followed the union of two hearts well matched.” Racine to M. ViMy uncle what will to treat her beshop in a great sumptuonsness, he was go Avignon for to buy what one not should find there, and he had leave me the charge to provide all things etc." Man denke sich die Lage der unglücklichen portugiesischen und brafflianischen Jugend, die verurtheilt ist, nach solchen Mustern Englisc zu lernen!

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chentlich erscheinen 3 Kammern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., balbjährlich 1 Tölt. 20 Sgt, und viertel jährlich 23 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird,

No 125.

für die

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Literatur des Auslandes.

Italien.

Berlin, Dienstag den 19. Oktober.

Italiänische Philosophie und Aesthetik.

Das „Magazin für die Literatur des Auslandes“ hat vielfache Berichte über die Fortschritte der deutschen Philosophie in Italien ge= bracht. Wir glauben über Toskana, wo troß der kirchlichen Macht sich die Opposition gegen Rom, ganz besonders stark aber gegen die Civiltà Cattolica hervorthut, keine bessere Einleitung bezüglich der philosophischen Bestrebungen geben zu können, als wenn wir gelegent lich eines Allen geläufigen Gegenstandes einen der hiesigen Vorkämpfer felbft sprechen lassen. Man täuscht sich, wenn man annimmt, daß die deutsche Philosophie in Italien schon heute nach ihrem Wesen erfaßt werden könne. Es fehlen dazu noch alle Vorbedingungen; ja, sagen wir es heraus, es fehlt durchschnittlich an den allgemeinen Vorstudien. Es wird hier mancher philosophische Kampf mit der äußersten Heftigfeit gegen die Civiltà Cattolica durchgefochten, aber man darf dabei nicht glauben, daß die liberalen Kämpfer zum Protestantismus oder zu deutschen Systemen hinneigen. Zwei Jahre lang wurde jegt Rosmini in Florenz gegen Rom vertheidigt, aber anstatt hervorzuheben, was dieser Forscher deutschen Einflüssen verdanke, suchte man ihn viel mehr auf Thomas von Aquina zurückzubeziehen. Selbstverständlich ist somit auch Gioberti hier nicht tief eingedrungen. Das Sein" (essere) spielt in den Kämpfen mit Hegelschem Anhäuch eine große Rolle, aber man zwängt es selbst hier mit einer so unglaublichen Zähigkeit zwischen die katholischen Dogmen hinein, daß seine dialektische Entwickelung eine Unmöglichkeit bleibt. Was man jezt in Deutsch= land nach einer so vielseitigen Ausbildung der Philosophie versucht, nämlich Religion und Philosophie in Einheit zu bringen, das will man hier bereits erreichen, ehe man noch eine eigene Philosophie besigt. Die Italiäner selbst machen auf wirkliche Speculation wenig Anspruch, sondern streben, wie sie selbst sagen, nach der Philosophie des gefunden Menschenverstandes. Da jeder Einzelne im Besiz desselben zu sein glaubt, so philosophirt er eben nach seiner Art, wobei schon wegen der Schwierigkeit unserer Sprache die deutschen Denker in ihrem innersten Wesen ihm unzugänglich bleiben. G. Casella, Secretair der Akademie della Crusca, ist der deutschen Sprache mächtig, und gehört in jenen Kreis, der die Rosminische Philosophie gegen die Civiltà Cattolica vertheidigt. Er hat zwei Bilder eines deutschen Malers zu einer philosophischen Abhandlung über Goethe's,,Faust" und Dante's ,, Divina Commedia" benugt, und wir führen ihn hiermit selbst redend ein. Florenz.

"

K. R.

Ueber die Göttliche Komödie" Dante's und
Goethe's "Faust".

Anläßlich zweier Gemälde vom Prof. Karl Vogel v. Vogelstein.

„Es ist schon mehrseitig bemerkt worden, wie die verschiedenartige Natur der Völker und Raçen sich in einigen außergewöhnlichen und prädestinirten Männern zu vergegenwärtigen und gleichsam zu personifiziren scheine. Unter diesen Typusmenschen, wenn der Ausdruck erlaubt, nehmen ohne Zweifel Dante und Goethe einen der vornehmften Pläße ein. Es dürfte in der That schwer sein, Jemand nachzuweisen, der reiner und vollständiger als Einer der Beiden in Charakter, Leben, Grundfäßen und Werken den Geist und das verschiedenartige Geschick der beiden antagonistischen Schwesterstämme, des lateinischen und des germanischen, ausdrücke, der zwei Stämme, die einen so großen Theil an der Entwickelung der Weltgeschichte haben. Denn der eine weihte zuerst mit Waffen und Gefeßen, dann mit dem chriftlichen Pontifikat die menschliche Gesellschaft und führte fie weit voran, schuf die moderne Kunst und erweckte das Alterthum, sowie er dem Ocean eine neue Welt entriß; der andere, mit reicher Ader jugendlichen Blutes temperirte die Völker des Südens, die unter Knechtschaft und Corruption ermattet waren; pfropfte auf den alten Stimm der lateinischen Civilisation wohl barbarische aber kraft

1858.

volle Keime; erfand die Buchdruckerei und die Artillerie, und in doppelter Weise sich die Erbschaft des Erstgeborenen aneignend, ließ er einerseits das Vermächtniß der alten Weisheit reichliche Früchte tragen, und andererseits verpflanzte er aus seinem Blute in die neue Welt Völker und Staaten voll wunderreicher Zukunft. Beide sind Stämme, die in ihren Anlagen, Tendenzen und Werken jeglicher Art einen universalen, synthetischen und überaus idealen Geist offenbaren, mit dem Unterschiede jedoch, daß der deutsche Idealismus besonders in der Höhe der metaphysischen Speculation erscheint, während der des lateinischen Stammes in dem Adel und der Hoheit der Kunst auftritt; der erste durch die Gewohnheiten des bürgerlichen und häuslichen Lebens, sowie durch den Kultus der Natur gemäßigt, der zweite durch einen unüberwindlichen praktischen Instinkt und den gesunden Sinn für die Wirklichkeit.

Diese charakteristischen Züge treten bewundernswürdig in den beiden großen Männern hervor, die ich als den Ausdruck und den vollständigsten Typus ihres Stammes bezeichnete. In der That waren Beide, was ihre Aehnlichkeit betrifft, universale Geister, die Alles > wußten, was ihr Zeitalter wußte, und sogar durch mühsames Forschen oder mit dem Blicke des Schers im Gebiet der Wissenschaft neue Thatsachen und Wahrheiten entdeckten oder ahnend voraus verkündeten, und während sie einen Geist besaßen, der sich in die ideale Welt vertiefen und sie durchmessen konnte, verbanden sie damit in bewundernswürdiger Uebereinstimmung eine allmächtige Phantasie, welche gleich, sam wie ein magisches Prisma in glänzenden Farben das Licht der Wahrheit über die Schöpfungen des Schönen ergoß.

Nicht weniger groß und bedeutend sind zwischen ihnen die Unterschiede und die Kontraste; möge man ihr Leben betrachten, das so stürmisch und leidenschaftlich bei dem florentinischen Verbannten, und so ruhig und gleichmäßig (wenige Jahre der Jugend ausgenommen), bei dem Minister von Weimar ist; oder möge man auf die Grundsäge und Absichten achten, nach denen sie wirkten, und auf die Natur und die Eigenschaften der Werke, die sie erzeugten. Dante, Mann der That, und nicht weniger Bürger als Schriftsteller und Dichter, hat immer ein einziges Ziel vor Augen: die Reorganisation und die Größe seines Vaterlandes, die sittliche und staatsbürgerliche Veredlung der Menschen; daher der Charakter der mächtigen Einheit, der in jeder seiner Schriften erscheint; daher sieht man in seinen erhabensten poetischen Visionen immer wieder die Bilder aus jener Zeit durchblizen, und fühlt man die Gluth der Leidenschaften damaligen Lebens. Goethe dagegen liebt die Wissenschaft wegen der Wissenschaft, die Kunst wegen der Kunst; daher sehen wir ihn sich in eine unendliche Verschiedenartigkeit verschiedener Werke ausbreiten, die unähnlichsten Extreme mit einander verbinden, jede Gattung versuchen, jede Form annehmen, mit allen Farben sich kleiden, ähnlich dem Proteus der Fabel, von welchem der Dichter fagt: Omnia transformat sese in. miracula rerum. So konnte er mit Recht, wenn auch etwas stolz, von sich selbst in den Xenien sagen: Während meine Feinde die Haut der Schlange ic." Und diese Richtung, gänzlich praktisch in dem Einen, und gänzlich künstlerisch und betrachtend in dem Anderen, ist vor Allem ebenso sehr der wahre Charakterzug des Individuums wie des Stammes.

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Bemerkenswerth, und unter dem moralischen und ästhetischen Gesichtspunkt noch bedeutender ist die Verschiedenheit der philosophischen Grundsäße, nach denen sich ihre Schriften, und besonders die beiden Meisterwerke: die „Göttliche Komödie“ und „Faust“, gestalten; eine Verschiedenheit, welche in ihnen selbst unabhängig, von den Einflüffen der Sprache, der Traditionen und des Klimas, die Form der Kunst auch dann noch modifizirt, wann fie dieselbe in analoger Weise auffaffen; was nicht Wunder nehmen wird, wenn man weiß, daß die wahre Form nicht ein todtes Gewand ist, das man den Begriffen mechanisch umhängt, sondern daß sie sich aus dem Centrum der Ideen wie ein lebendiger Organismus entwickelt. Daß Dante und Goethe die Kunst in analoger Weise verstanden und übten, wenigstens in ihren zwei großen Hauptwerken, bemerkte schon Schelling in feiner

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