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keit schwerlich eine zweite der vorhandenen Sammlungen gleichkommen wird. Laffen wir nun eine gedrängte Uebersicht desjenigen, was die Sammlung, eigentlich zwei einander ergänzende, in sich birgt, folgen. Von Kaiser Maximilian I. an, mit welchem sie beginnt, bis mit Leopold I. fehlt keines der männlichen Glieder des Habsburgischen Hauses in Desterreich und Spanien (mit Ausnahme etwa nur des Infanten Don Carlos), kaum eine oder die andere der resp. Gemahlinnen. In gleicher Vollständigkeit erscheinen sämmtliche anderen deutschen Dy nastieen in ihren regierenden oder apanagirten Häuptern: den Hohen zollern in Brandenburg (incl. den großen Kurfürsten und seine erste Gemahlin), Franken und Schwaben; die Wettiner, Wittelsbacher, Welfen, Askanier, Nassauer in Deutschland und Alt-Niederland, die Oldenburger in Holstein und Dänemark u. f. w. Neben ihnen die edelsten Geschlechter des Kaiserstaates und übrigen Deutschlands, theils erloschene, theils blühende, und wer aus ihnen sich irgendwie in Feldoder Civildiensten hervorgethan hat. An Jörg von Frundsberg, Franz von Sickingen und Göz von Berlichingen (von ihren Zeitgenossen werden bis jezt nur Seb. Schartlin von Burtenbach und Ulrich von Hutten vermißt) reiht sich mit Wiens Vertheidiger, Niklas von Salm, ein stattlicher Generalstab kaiserlicher Kriegshauptleute des sechzehn ten und siebzehnten Jahrhunderts bis zu den lezten Helden des drei ßigjährigen Kriegs herab, die, wie Basta, Wallenstein's Kriegsmeister, Dampierre und Bucquoi, für Habsburg stritten: Melander, Sporck und Johann de Werth. Ungemein zahlreich sind die Dokumente aus Ungarn und Siebenbürgen, ungarisch oder lateinisch abgefaßt und meist zierlich geschrieben: Schreiben nicht nur sämmtlicher siebenbürgischen Fürsten, bez. ungarischer Kronprätendenten, Johann's von Zapolya, Bethlen Gabor's, der Bathori und Rakoczi, sondern auch der erlauch testen Häufer des Ungarvolkes. Auch Polen ist vertreten. Italien repräfentiren die Häuser Sforza und Visconti, Medici, Este, Farnese, Rovere u. A., am reichsten find die Gonzaga bedacht. Zwei Päpste (Urban VIII. und Alexander VII.) eröffnen den unübersehlichen Reigen der Kardinäle, darunter Baronius, Bellarmin, beide Granvella, Richelieu und Mazarin, der Erzbischöfe (Deutschlands und Ungarns), Bischöfe auf mehr denn vierzig bischöflichen Sißen, Klosteräbte und sonst distinguirter Geistlichen der katholischen Kirche. Aus Mar' I. Zeitalter tragen wir Regiomontanus, Conrad Celtes und Treißsauerwein nach; hier fehlt etwa nur der bayrische Geschichtschreiber Turmair, genannt Aventin († 1534). Der römischen Kirche gegenüber steht ein volles Jahrhundert und mehr entlang der Protestantismus Deutschlands, Hollands und der Schweiz mit seiner Fülle berühmter Theologen, Universitätslehrer, Humanisten, Rechtsgelehrten, Staatsmänner, Diplomaten u. f. w. An Italien schließt sich das savoyische Herzoghaus, an dieses Lothringen, beide reich in der Sammlung vertreten, besonders das leztere, deffen vielfach verzweigte Fürsten-Descendenz sich theils, wie der Zweig Guise, an Frankreich lehnt, theils herüber nach Deutschland weist. Die überaus stark be. völkerte Rubrik Frankreich führt zuerst sämmtliche Throninhaber, sodann die übrigen Glieder der königlichen Linien Valois und Bourbon, zulezt auch den französischen hohen Adel, die Diplomatie, das Kabinet und Marschallat in ihren hervorragenden Würdenträgern vor. Selbst der portugiesische Thron zählt mehrere seiner merkwür digsten Repräsentanten. Noch weniger durfte Großbritannien mit Eli» sabeth bis mit Karl II. fehlen. Bemerkenswerth durch ihre Bedeutung und Vollständigkeit sind ferner die Dokumente aus dem Freiheitskampfe der Niederländer, einerseits der Begründer dieser Freiheit, Wilhelm's von Oranien, seiner Söhne, Ludwig's von Nassau, Egmont's, Hoorne's, sowie derer, welche im Verein mit ihnen den Kampf in Rath und Feld unterhielten und zum dauernden Erfolge führten; andererseits eine ansehnliche Reihe Spanisch oder Franzosisch abgefaßter Schriftstücke spanischer und belgischer Granden, die seit Don Juan d'Austria, Margaretha von Parma, Alba und Alexander Farnese (diese eingeschlossen) im Interesse der drei Philippe fochten und reagirten. Von den militärischen und staatsmännischen Größen der Krone Spanien in diesem und dem nächsten Jahrhundert wird kaum eine einzige vermißt. Dem großen deutschen Religionskriege präludiren die Wortführer des 1608 zu Horn geschlossenen evangelischen Bündnisses, sodann die (hingerichteten oder geächteten) Häupter des böhmischen Aufstands, und die Männer der Reaction in Böhmen, Mähren, Schlesien und Oesterreich. Den Schlußreigen bildet Schweden, das nun in kurzem auch die Wahlstatt betritt, in der Sammlung aber mit einem bemerkenswerthen Schreiben König Johann's III. beginnt, durch einen fortlaufenden Geschichtskommentar von Dokumenten, welche die Gestalten Gustav Adolph's, Christinen's und Karl X. Guftav's, ihrer Räthe und Feldobersten, kurz aller der Matadore des evangeli

schen Glaubens- und Befreiungskampfes ersten und untergeordneten Grades vergegenwärtigen. Unter allen diesen Bekämpfern des Kaiferhauses und der Ligue (Schweden, Deutsche, Dänen, Schotten, Franzosen) fehlt wenigsten keine der höchsten Celebritäten. Als noch Fehlende, mehrentheils subalternen Ranges, wüßten wir allerdings noch mehrere aufzuführen, wie den bei Breitenfeld gefallenen General-Major Maximilian von Trustal, den Stadtkommandanten von Hamburg, Dodo von In- und Kniphausen, Widerhold, den Vertheidiger von Hohentwiel, Hebron, °) Ruthven, Slange u. A.; allein die umsichtige Thätig. keit des Sammlers wird nicht ruhen noch raften, bis sämmtliche Lücken durch Kauf oder Umtausch ausgefüllt sind. Zu diesem Zwecke ist schon vor mehrern Jahren ein gedrucktes, das Fehlende angebendes Verzeichniß von ihm ausgegeben worden, welches auch die Erwerbung einer namhaften Zahl wichtiger, bereits in die neuere Sammlung eingereihter Autographen zur Folge gehabt hat. E. Köhler.

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Mannigfaltiges.

Diez über die romanischen Sprachen. Von der Grammatik der romanischen Sprachen von Friedrich Diez ist soeben bei Weber in Bonn eine zweite, gänzlich umgearbeitete Auflage des zweiten Theiles erschienen, nachdem dies mit dem ersten Theile bereits vor mehr als Jahresfrist der Fall war. Selten hat ein Werk deutschen Fleißes die Theilnahme der gelehrten Welt, namentlich auch in Frankreich, in dem Grade auf sich gezogen, als die Grammatik der romani schen Sprachen von Diez. Nicht allein die Tiefe und die Universalität der Forschung, die sich darin offenbart, sondern auch die Klarheit und Einfachheit der dadurch aufgefundenen Gefeße und ihre Darstellung in Regeln waren es, welche diesen Erfolg herbeiführten. Wenige werden es wiffen, daß der Dichter Uhland der Erste war, welcher im Jahre 1812 auf die Bedeutung der altfranzösischen Epen aufmerksam machte; seitdem haben Raynouard u. A. auf diesem Felde gearbeitet, aber keiner mit solchem Glück, als Diez. Was in den zwanzig Jahren, seit dem Erscheinen seiner Grammatik, weiter geforscht und erstrebt ist, hat Diez mit Aufmerksamkeit verfolgt und verarbeitet, und so ist in dieser neuen Ausgabe keine wichtige Erscheinung unberücksichtigt geblieben, bis auf unseren Landsmann Mahn. Dieser zweite Theil behandelt die wichtige Lehre von der Declination, der Conjugation, der Ableitung und Zusammensehung der Redetheile, sowie von der Partikelbildung. (Sp. 3.)

Eugen Sue in hebräischer Sprache. Als eine literas rische Kuriosität ist die jest in Wilna erscheinende hebräische Uebersehung von Eugen Sue's, Geheimnisse von Paris" zu bezeich nen. **) Der Ueberseßer, Herr K. Schulmann, hat sich bereits früher durch einige Schriften in hebräischer Sprache:,, Ueber finaitische Inschriften“, „Zur Geographie von Palästina“ 2c. bekannt gemacht. Der unter der Regierung Alexander's II. geübten milderen Zensur, die unter Kaiser Nikolaus, namentlich gegen hebräische Schriften, mit außerordentlicher Strenge verfuhr, ist es zu verdanken, daß jeßt in Rußland auch Werke, wie dieses, gedruckt werden dürfen. Die hebräische Bearbeitung der ,,Mystères de Paris" ist von deutschen, sprachlichen und fachlichen Anmerkungen begleitet - ein Umstand, der (wie Steinschneider's „Hebräische Bibliographie", ***) welcher wir die erste Kunde von dieser Erscheinung verdanken, mit Recht bemerkt) für die gegenwärtigen Sprachverhältnisse der Juden in Rußland beachtenswerth ist. Die Ueberseßung, ohne sklavisch zu sein, schließt sich treu dem Original an, das sogar durch hebräisch-französische Assonanzen sehr geschickt reproduzirt wird, wie schon der Titel des Werkes besagt, indem das hebräische Misthere" nicht bloß den Sinn, sondern auch den Klang des Wortes,, Mystères" wiedergiebt. Eben so ist der Name Fleur de Marie" sehr glücklich durch m (,,Perach-Mor", deutsch: Myrrhenblüthe") wiedergegeben. Da gelehrte Herausgeber der Hebräischen Bibliographie“ ist inzwischen der Ansicht, daß diese gewandte Kenntniß und Handhabung der hebräischen Sprache auf andere und würdigere Stoffe, als den vorliegenden, verwandt werden sollte.

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G. H. Schubert an die Herzogin von Orleans. Vorerinnerung. Das nachstehende Schreiben wurde nach Anfang der vierziger Jahre dem Unterzeichneten, damals in Vevey wohnend, von vertrauter Hand als ein Ineditum mitgetheilt. Es ist ihm nicht erinnerlich oder nie bekannt gewesen wie und woher es in diese Hand gekommen sein mochte. Mit der Anschauungs- und Darstellungsweise des berühmten Verfassers wohlbekannt, fand ich keinen Grund, an der Echtheit des Schreibens zu zweifeln, und erfreute mich an ihm, wie Alle, denen ich es vorzulegen geeignet glaubte. Jezt, nach dem unerwartet frühen Ableben der hohen edlen Frau, an welche es gerichtet war, kam es mir wieder in lebhafte Erinnerung, und ich glaubte den Herrn Geheimen Hofrath v. Schubert bittend angehen zu dürfen, mir dessen Veröffentlichung, und zwar in diesem gehaltreichen ,,Magazin", zu gestatten. Der ehrwürdige Mann wünschte zuvörderft genauere Kenntnißnahme des Inhalts, welchem Verlangen gemäß ihm Eingang und Schluß des Schreibens abschriftlich zugesandt wurden. Hierauf erfolgte gegen Ende des August eine zweite Antwort, d. d. Pähl bei Weilheim in Oberbayern (wo der edle Veteran die heurigen Sommermonate genoß), des Inhalts:,,Beim Lesen der mitgetheilten Proben ist allerdings eine dunkle Erinnerung in mir erwacht, daß der Brief von mir könne gewesen sein, aber mit Gewißheit könnte ich dieses nicht behaupten. Nur der Anblick meiner Handschrift könnte mich davon überzeugen. Ich habe gar so viele Briefe in jenen Ausruhestunden geschrieben, für deren Verwendung ich keine deutliche Erinnerung habe. In jedem Fall würde das Entstehen meines Briefes in jene Zeit fallen, in welcher die nachmalige, mir unvergeßlich theure Herzogin von Orleans noch als Prinzessin in Ludwigsluft lebte. (In halt und Ton des Schreibens hatte mich von Anfang an nicht anders glauben lassen.) Denn damals habe ich allerdings öfters folche Briefe mit ihr gewechselt, wie der, den Sie in Abschrift besigen, den gegebenen Probestücken nach sein mag.“ „Thun Sie nun damit, mein geliebter Freund, so schließt der zweite Brief - was Sie wollen." Diese Schlußworte als eine Art Ermächtigung betrachtend, hege ich kein weiteres Bedenken, das inhaltreiche Schreiben wortgetreu nach der in meinem Besiz befindlichen Abschrift den Lesern dieses Blattes vorzulegen. E. Köhler.

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Zwei Dinge find es, die Sie in Ihrem Briefe besonders herausheben: Sie kennen in Ihrer Gegend keinen erleuchteten und mit dem Feuer des heiligen Geistes und der Gottseligkeit getauften Mann, dem Sie sich ganz vertrauen dürften, und haben dafür einen Beruf, der das Herz zerstreut, und ein Herz, das sich leicht zerstreuen läßt. Im Grunde haben Sie, indem Sie Ihr Loos schilderten, das Loos der ganzen Menschheit geschildert. Es fehlt nicht etwa blos den meisten Menschen, es fehlt den meisten Christen das, was im Beginne der Christen-Epoche nicht fehlte: die Feuertaufe, d. i. Männer, die mit Geist und mit Feuer taufen. Oder, wo sind sie denn, die großen Menschen Johannes, Paulus, Petrus, die uns mit Wort und That, mit Kraft und Leben das Ewige nahe legten?

Sowie es uns aber von der einen Seite an der geistvollen Darstellung des Ewigen mangelt, so drückt uns von der anderen die Zeit-lichkeit überall mit ihrem allgewaltigen Arm zur Erde, und das arme Menschenherz, zu schwach, sich in dem Elemente des Ewigen zu halten, hängt sich, von eigenem Gewicht und von fremdem Druck abwärts getrieben, desto fester an das Zeitliche und klebt desto inniger daran. Dieses Hängen und Kleben an den zeitlichen Gestalten der Dinge begünstigt zwar sehr der herrschende Geist der Zeit, der, als Politik der großen Welt, als Lurus der kleinen und großen Welt, als Gewinnsystem der handelnden Welt, als grober und feiner Eigennug der mühsam erwerbenden Welt, recht darauf ausgeht, uns von dem Ewigen auf immer zu isoliren, indem er uns in der Zeitlichkeit zu ersäufen droht. Also Mangel und Hindernisse theilen Sie mit den Meisten. Darin ist aber keine Hülfe und keine Vertröstung auf

1858.

Hülfe. Wenn die menschliche Natur in unseren Tagen noch dieselbe, wenn der Geist Gottes noch derfelbe, wenn Christus heut, gesteru und ewig derselbe ist, so muß auch in unseren Tagen mehr als ein Faden ergriffen werden können, der, wohl angefaßt, aus dem Labyrinth entführt und in das Heiligthum der Gottseligkeit einführt. Aber dieser Faden, wie heißt er? - Wie und wo kann er erblickt, aufgegriffen und festgehalten werden? - Laffen Sie mich vorerst stammeln, was ich nicht aussprechen kann. Es ist wenigstens noch der Laut der Gottseligkeit in unseren Ohren, der Buchstabe derselben noch in unseren Augen; wir können lesen in der heil. Schrift, hören, was bessere Menschen hier und da verkünden, sehen, was sie thun. Aber all dieses Sehen, Lesen, Hören hilft soviel als nichts, wenn es nicht Geist und Leben wird (lassen Sie mich das am meisten mißverstandene und verschmähte Wort nennen): Gebet. Alles, was Religion heißt, ist todt, Alles, was man Tugendübung heißt, alle Religion und Tugend bleibt eine Leiche, wenn sie nicht Gebet werden.

Was ist aber das so mißverstandene und verschmähte Gebet? Die Menschenseele betet nur dann, wenn sie, erleuchtet von dem ewigen Strahle, ergriffen von dem ewigen Geiste, sich und all ihr Sehnen in die Hand der ewigen Liebe legt und spricht: ich will dein, ich will nur dein, ich will ewig dein sein! Die Menschenseele betet nur dann, wenn sie dies ihr himmeldurchdringendes Wort ausspricht und von dem Geist Gottes, dem alldurchschauenden, dem alldurchdringenden, die Antwork vernimmt: Alles ist mein, und Alles, was mein ist, sei dein, sei ganz dein, sei ewig dein! und, von der Antwort, die lauter Geist und Leben ist, neu beseelt, schon eine zweite bessere Seele zu den Lasten des Tages und zu den Bürden des Berufes mitbringt. Dies Gebet, das eigentliche Gebet (denn was man sonst noch Gebet nennt, kann nur als Stimmung zu diesem eigentlichen Gebet, als Glockengeläut zu dieser Seelenfeier Gebet heißen), dies eine Gebet, ich meine dies himmlische, göttliche Sein im innersten Menschen, kann mit tausend Namen bezeichnet werden, kann in Hinsicht auf Gott als Wahrheit Glaube, in Hinsicht auf Gott als die Heiligkeit Liebe, als die Seligkeit Zuversicht, in Hinsicht auf die klaren Gebote Gottes Gehorsam, in Hinsicht auf die dunklen Führungen Gottes Ergebung, in Hinsicht auf die Mitchristen Bruderliebe, in Hinsicht auf die Mitmenschen Menschenliebe, in Hinsicht auf das nächste Bedürfniß des Nächsten Nächstenliebe, in Hinsicht auf die Leiden der Zeit Geduld und in anderen Hinsichten anders heißen. Aber wie man es auch heißen mag, es ist das Heiligste, dessen die Menschenseele fähig ist, es ist das Heiligste selber, es ist Religion, Weisheit, Seligkeit in Einem, es ist das Höchste, Beste im Menschen. Wenn Sie nun aber das Heiligste kennen, so werden Sie auch wohl im Stande sein, sich die Frage selbst zu lösen: Wie heißt denn der Faden oder die Fäden, die mich in das Heiligthum hineinleiten können? Denn Alles, was Sie an das so bestimmte Gebet weist, was Sie daran erinnert, dazu erweckt, dafür stimmt, darin übt, Alles ist Faden, hinreichend in das Heiligthum selber. Was Sie von der Vergänglichkeit weg- und in Ihr Jnnerstes ein- und von da zu Gott führt, alles das ist Faden, den anzugreifen, dem nachzugehen nur durch Gewohnheit süß werden kann. Jedes Blatt im Buche der Natur, jede Wanderung in den Schicksalen Ihres Lebens, jede Zeile im neuen Testamente oder einer anderen geistreichen Schrift, jeder Anspruch Ihres Herzens, das im Vergänglichen doch nie ruhen kann, jeder Dorn in Ihrem Berufe, jede Freuden- und Trauerscene in Ihrem Hause, jede Regung des heiligen Geistes in Ihrem Innern kann und soll für Sie Faden werden, der Sie vom Zeitlichen zum Ewigen leitet. Diese unzähligen Fäden, die Gottes Hand vor unserem äußeren und inneren Blicke ausbreitet, die der Leichtsinnige nicht sieht, die der irdische Sinn nicht erfaßt, die der schwache Sinn wieder fallen läßt, zu sehen, zu erfassen, festzuhalten, wird mit jedem Tage leichter für den treuen Jünger Jesu, der Gott den Unsichtbaren in Christus sehen, Gott dem Unhörbaren in Christus hören, Gott den Unzugänglichen in Christus lieben, Gott den Unermeßlichen in Chriftus anbeten, Gott den Unnachahmlichen in Christus ähnlich werden gelernt hat. Demnach vereinigen

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sich alle Fäden, die in das Heiligthum weisen können, für den Christen als so viele Radien in Chriftus, als dem Mittelpunkte des Christen thums. Mit anderen Worten, dem Blicke des Christen, der seinen Christus nie aus den Augen verliert, wird eben dadurch Alles, was er in der Welt und seinem Kreise sieht, ein Faden, der in das Heiligthum weist. Aber wie komme ich zu diesem Blick? Darauf weiß ich weiter nichts zu antworten als: durch Treue im Kleinen, die das Nächste, was gethan werden muß, thut, das Nächste, was gemieden werden muß, meidet, das Nächste, was entbehrt werden muß, entbehrt, das Nächste, was gelitten werden muß und soll, leidet und dadurch stark wird, mehr zu thun, zu meiden, zu entbehren, zu leiden. Treue im Kleinen sei unser Spruch; denn wenn man im Kleinen freu ist, so wird uns die ewige Liebe das Große, das Größere, das Größte anvertrauen, die Treue sieht jeden Faden, hebt ihn auf, hält ihn feft und kommt an seiner Leitung in's Heiligthum.

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Durch das Opfer ihrer Ehre an der ungeregelten Leidenschaft Chilperich's erhob sich Fredegunde, wenn wir es so nennen dürfen, aus der Dunkelheit, in der sie geboren war und gewann Eintritt.in dem Palaste; durch das Blut der unglücklichen Galswintha, Brunhilda's Schwester, watete sie zum Throne. Nachdem sie Chilperich verleitet, der, was er auch immer für Andere gewesen sein mag, für sie doch sicher ein gnädiger König und liebender Gatte war, seine königliche Braut zu ermorden und sie selbst öffentlich zu heiraten, lag sie ihm fortwährend in den Ohren, daß sie den Befehl zu Verbrechen ihm eingab und betrieb, die seinen Namen mit Schmach bedeckt haben. Ihr ganzes Leben, nach ihrer Erhebung zum Throne, scheint mit Ausdenken und Vollführung von Mörden hingegangen zu sein u. f. w." Einem Buhler, dem Major Domus Lauderich zu Liebe, fiel Chilperich zuleht selbst durch einen von ihr gedungenen Meuchelmörder. Nicht nur ihren Stiefsohn Chlodwig brachte sie durch Verleumdungen schrecklichster Art in's Verderben, ihre eigene Tochter Rigunthis, mit der sie sich verfeindet hatte, „quia Regunthis adulteria sequebatur", ermordete fie, indem sie ihr beim Oeffnen einer Lade den schweren Eisens deckel auf den Hals fallen ließ. Bischof Prätertatus kam übel an mit den chriftlichen Ermahnungen und Strafreden, die er ihr gehalten; die Königin ging voll Geifer und Galle (felle fervens) hinweg; am Ostersonntage des Jahres 590 wurde er am Altare selbst von einem Meuchelmörder tödtlich verwundet, und als er hierauf zu Bett gebracht worden, besuchte ihn Fredegunde mit heuchlerischen Versprechun gen, seinen Tod zu rächen, wenn sie den Mörder entdeckte, wollte ihm auch einen geschickten Arzt (wahrscheinlich um ihn zu vergiften, wenn er nicht anders stürbe) hinsenden; doch der Bischof wurde nicht hintergangen; er fagte ihr in's Gesicht, was er von ihr denke. Dieses find einige Proben:,,eine Hälfte ihrer Verbrechen würde hinreichend sein, sie als die Messalina und Borgia ihres Zeitalters zu brandmarken." Und doch besingt sie der Hofpoet Fortunatus in folgendem Distichon:

,,Klug, weitschauend im Rath, am Hof voll nüglicher Vorsicht," Reich mit Talenten begabt, schenkt sie mit offener Hand, Hoch mit jedem Verdienste geschmückt, Fredegunde, die reiche, Schön von dem Antlig glänzt ihr der erfreuende Lag." Fredegunde ist allerdings das stärkste Beispiel für die Gräßlich keit jener Zeiten; aber sie steht doch nicht im Widerspruche mit ihrer Umgebung, ihre Verbrechen find die ihres Jahrhunderts und keines derselben, für sich genommen, ist ohne zahlreiche Seitenstücke. Mord für Alles und Jedes: ein Bruder oder Verwandter gelüftet nach des Anderen Reiche er läßt ihn todtschlagen - ist ein politischer Geg ner außer dem Bereiche der Gewalt, so wird man ihn zu ködern fuchen, ihm neunundneunzig heilige Eide schwören und, wenn er so einfältig gewesen ist, denselben zu glauben, ihn kaltblütig ermorden. Dieses Eisbrechen und Dingen von Meuchelmördern ist eine so gewöhnliche Sache, daß sich die Könige und Großen dergleichen ungemein leicht verzeihen, und daß es öfters vorkommt, wie der Eine ein dauerndes Bündniß mit dem Anderen schließt, von dem er vor kurzer Zeit noch mit Mord bedroht worden war.

Wie die Major Domus Pipin von Heristall und Karl Martell auftreten, hören allerdings die Gräuelscenen mehr und mehr auf, und es scheint demnach, als ob der Grund zu so ungeheuren Freveln nur wesentlich in den mit Fluch beladenen Familien der Merovinger ́gelegen. Mit jenen großen Männern schwindet der satanische Spuk, der alle Mächte der Hölle entfeffelt zu haben schien; das königliche Geschlecht war in drei bis vier, von Sünde und Ehebruch befleckten Generationen körperlich und geistig hinlänglich entartet, um mit dem elenden Schattenkönigthum zufrieden sein, das ihm noch eine Zeit lang übrig blieb; die Großen, ohne geistigen Halt und fittliche Stärke,

wurden von den Größeren in Zaum und Zügel gehalten, die verweltlichte Kirche wesentlich durch Bonifacius apostolischen Eifer reformirt; in die große Masse der Franken scheint das Verderbniß minder tief eingegriffen zu haben.

Darüber, daß das Christenthum einen so geringen Einfluß auf die neu getauften Franken geäußert, dürfen wir uns nicht wundern. Eh' aus der Taufe eine Bekehrung, eh' aus dem Hersagen des Glau bensbekenntnisses ein wirklicher Glaube wurde, mußte mindestens ein Jahrhundert vergehen. Chlodwig war ein roher Barbar, ein grobsinn licher Heide, und bie burgundische Klotilde, seine Gemahlin, die ihn zur Annahme des Christenthums drängt, eben auch keine besonders mustergültige Chriftin, wie ihr späteres Leben zeigt; denn sie, obgleich nach ihres Gatten Tode im Kloster lebend, versteht sich trefflich darauf, die grimmige, heidnische Blutrache anzufeuern. Der Haupteinwand, den Chlodwig gegen das Christenthum zu machen wußte, war der, „daß der Christengott gar nicht aus dem Geblüte der Götter sei", ein Einwand, den heutzutage mancher afrikanische Häuptling auch noch machen würde. Ja, wenn er seinen Stamm von Wotan, Donar oder Bal der abgeleitet hätte, dann wäre es etwas Anderes gewesen, dann wäre Grund vorhanden für einen Germanen, diesen Glauben anzunehmen, aber was wollte dieser fremde Gott? Die Angst in einer Schlacht, die sich zum Unheil für ihn zu wenden drohte, bestimmte ihn endlich, den Gott der Klotilde anzurufen und demgemäß das Christenthum anzunehmen. Etwas politische Pfiffigkeit verträgt sich recht gut mit-barbarischer Geistesbeschränktheit, und Chlodwig mag recht gut im Stand gewesen sein, die weltlichen Vortheile zu erkennen, die ihm aus diesem Uebertritte erwuchsen; daß er aber im Grunde genommen das Christenthum nur so annahm, wie ein Heide einen anderen Fetisch eintauscht, nachdem der frühere sein Vertrauen verloren hat, dafür giebt sein ganzes folgendes Leben den Beweis. Er blieb der rohe, gewissenlose Heide, der er vor der Taufe gewesen; eine Reihe der schändlichsten Verwandtenmorde und größten Treulosigkeiten beflecken sein Andenken; scheußlich geradezu aber sind die Krokodilthränen, die er in einer großen Volksversammlung über seine Verlässenheit und Einsamkeit in der Welt weinte; denn wie Gregor ausdrücklich angiebt, that er es in der Absicht, diejenigen seiner Verwandten, die bisher feinen Nachstellungen entgangen waren, hervorzuløcken, um auch sie vollends aus dem Wege zu räumen. Die guten Bischöfe jener Zeit waren dazu auch nicht besonders geeignet, ihm richtige Vorstellungen über feine neue Religion beizubringen: nicht, als ob Alle schlechte und unfähige Menschen gewesen wären, o nein, es gab sehr achtungswerthe Leute darunter, aber die heilige Dummheit war groß, und der Geschichtschreiber jener Zeiten, der gute Bischof Gregor von Tours, giebt uns den Beweis dafür, daß man völlig verlernt hatte, Sittlichkeit und Kirchenglauben in Wechselwirkung zu denken. In demselben Kapitel, in welchem er eben erzählt, wie Chlodwig zwei seiner Verwandten auf die treuloseste Weise ermordet, fügt er falbungsvoll hinzu: „Und se streckte Gott täglich seine Feinde vor ihm danieder und mehrte sein Reich, weil er wandelte vor ihm mit einem aufrichtigen Herzen und that, was wohlgefällig in seinen Augen."

Was mag der psalmodirende Bischof unter einem aufrichtigen Herzen" verstanden haben? Chlodwig besuchte fleißig die Kirchen und den Gottesdienst, beschenkte die Geistlichkeit und den heiligen Martin von Tours, dessen Patronschaft ihm einmal etwas theuer vorkam. Denn als er ein demselben aus der Beute geschenktes Pferd für sich haben und mit Gelde lösen wollte, ließ es ihm die Geistlichkeit nur um den doppelten Preis des Angebotes, worauf er, vielleicht mehr einfältig als wißig, äußerte:,,St. Martin wäre zwar ein sehr guter Nothhelfer, aber etwas theuer". Das war Christenthum und aufrichtiger Wandel und wohlgefällig in den Augen Gottes. Ein anderes Beispiel dieser Art: Chlotar, der Sohn Chlodwig's, hatte während feiner Regierung mit eigener Hand feines Bruders Kinder vor der Augen der weinenden Klotilde, seiner Mutter und der Kinder Großmutter, erschlagen, hatte die Frauen ermordeter Könige zur Ehe mit sich gezwungen, seinen eigenen Sohn grausam getödtet, später auch deffen unschuldiges Weib und Kinder; endlich im 51. Jahre seiner Regierung will der graue Sünder seinen Frieden mit Gott machen und wallfahrtet mit reichen Gaben zum heiligen Martin von Tours. Nun wird Gregor berichten, wie zerknirscht er diese großen, schweren Verbrechen gebeichtet, welche Reue er darüber empfunden! o nein, Chlotar kniet nieder an dem Grabe eines gewissen Priesters und macht ein vollkommenes Bekenntniß von den Nachlässigkeiten, die er sich vielleicht (im Gottesdienste) habe zu Schulden kommen lassen, und flehte mit vielen Seufzern zu dem heiligen Bekenner, er wolle ihm die Verzeihung des Herrn verschaffen und durch seine Fürbitte das Gedächtniß alles deffen auslöschen, was er ohne böse Absicht (irrationabiliter) gethan habe.“ Die Erzählung wirkt fast spaßhaft: denn danach scheint der fromme Chlotar für Mord und Todtschlag gar kein Gewissen gehabt zu haben, und wir werden an aller Psychologie irre. Selbst die heidnischen Furien, die aus dem Blute der Er

schlagenen sich erheben und Seelenangst und Verwirrung auf den Mörder bringen, existiren für den christlichen Franken nicht; seine Nerven sind nicht erschüttert worden durch das Flehen der Geängftigten, durch das Wimmern der Sterbenden und den Anblick des Blutes; aber daß er vielleicht ein und das andere Mal die Kirche versäumt u. f. w., das macht ihm Gewissensskrupel. Man sieht übrigens hieraus, daß die Dummheit dieser Barbaren größer gewesen sein muß, als ihre Bosheit, und das ist allerdings eine große Ent schuldigung und ein Milderungsgrund für Vieles.

Ein anderes Musterbild aus diesen Zeiten ist der nicht talent lose, aber wollüftige und üppige Gemahl der Fredegunde, Chilperich, nicht der schlechteste der Merovinger, der es aber mit der Geistlichkeit verdarb. Es ist merkwürdig, wie Gregor von Tours fofort Augen bekommt für das, was er bei den anderen gottesfürchtigen Bösewichtern durchaus nicht entdecken kann. Chilperich war schon von römisch-gal lischer Bildung getränkt, er schrieb schlechte lateinische Verse, erfand vier neue Buchstaben für das fränkisch-lateinische Alphabet, dichtete Kirchengesänge und war Theologe, wobei er sich zur sabellischen Keße rei neigte. Wenn auch selbst ein Lüderling, ja, vielleicht eben deshalb, sah er Manches an den frommen Herren, was rohe Barbaren zu se hen nicht im Stande waren:,,Gegen Niemanden", sagt Gregor,,, rich tete er so viele Verspottungen und boshafte Scherze in seinen Unterhaltungsstunden, als gegen die Bischöfe; den einen nannte er stolz, den anderen leichtsinnig, einen dritten lüderlich, indem er nichts so = sehr haßte, als die Kirchen; denn häufig sagte er:,,,,Wie kommt's? ■ unser Schaß bleibt leer; wie kommt's? unser Reichthum kommt an die Kirchen; Niemand herrscht eigentlich mehr, als die Bischöfe"".. Daß der leichtsinnige Chilperich ganz richtig urtheilte, ist eine Sache, die der heutige Geschichtsforscher ohne Weiteres zugesteht; aber er kam übel an bei den Heiligen, die jedesmal die Kirche vorschieben, wenn ihre sehr menschlichen Schwächen menschlich beurtheilt 1 werden. Chilperich ist sofort,,der Nero und Herodes unserer Zeiten".-,,Er war dem Fraße ergeben, und sein Gott war der Bauch; er hielt sich für klüger als alle anderen. Menschen, er machte schlechte Verse, weil er die Quantitäten nicht recht kannte und beobachtete". Es geht aber aus Allem hervor, daß Chilperich, abgesehen von seinem sittlichen Wandel, ein Mann von nicht unbedeutender Bildung und Talenten war. In der Durchseßung seiner theologischen Privatmeinung wollte er allerdings etwas autokratisch zu Werke gehen, indessen beweist eben die Geduld, mit welcher er die groben Abweisungen seiner Bischöfe aufnahm, daß er ein Nero und Herodes nicht war. Als er unserem Geschichtschreiber eine Abhandlung der Trinität vorgelesen und gesagt:,,So, wünsche ich, sollet Ihr und die anderen Lehrer der Kirche glauben", und dieser sich dagegen erklärt und ihn wi derlegt hatte, erklärte der König zornig, er werde die Sache gescheidteren Männern vorlegen, die gewiß mit ihm übereinstimmen würden. Gregor erwiederte:,,Nun, wer Deiner Meinung zustimmen sollte, der kann kein gescheidter Mann, der muß ein Narr sein". Salvius, Bischof von Alby, dem er einige Tage später dieselbe Anmuthung stellte, wollte gar das königliche Manuskript in Stücke, zerreißen, und Chilperich stand von seinem Vorhaben ab.

Hiernach wird man sich ein ungefähres Bild von dem geistigen Standpunkt jener Zeiten machen können. Erfreulicher werden die Zeiten mit dem Hervortreten der großen Heldengestalten, der drei lezten Hausmaier, welches beweist, daß troß der Verworfenheit, die auf der Oberfläche erscheint, die guten Kräfte des Germanenthums und der christlichen Lehre in der Tiefe wirksam gewesen, die allgemeine Zerseßung nur eine Fäulniß gewesen, wie sie eintreten muß, damit das Saamenkorn Wurzel fassen könne. Es beginnt nun ein plastischer Bildungsprozeß: der Feudalstaat gestaltet sich und geht mit der kirchlichen Verfassung jene Verbindung ein, die durch das ganze Mittelalter für die Geschichte Europa's bestimmend geblieben ist; ein Bildungsprozeß, der zum guten Theil unseren Blicken entzogen ist und nur auf sehr künstliche Weise theilweise errathen werden kann, weil die Geschichtschreibung jener Zeiten sehr mangelhaft und einseitig war und Vieles außer Acht ließ, was vor Allem nöthig zu wiffen wäre.

Ueber die sozialen Zustände des Volkes, sowohl der Franken als der Gallier, die Standesverhältnisse, die Entstehung des Lehnswesens u. f. w. erfahren wir von den Chronisten nur soviel, als wir aus ihren Erzählungen errathen; das Meiste muß künstlich aus den Rechtsquellen, z. B. dem Gefeßbuche der salischen Franken, erschloffen wer> den. Kein Wunder also, daß Vieles dunkel bleibt und den Vermuthungen freien Spielraum läßt. Auch der Verfasser des Werkes, das uns zu diesen allgemeinen Betrachtungen angeregt hat, sieht sich in die Nothwendigkeit versezt, deren zu machen, nachdem er frühere nicht halt. bar befunden, und stellt wesentlich neue Ansichten über die Art und Weise auf, in welcher die Eroberung Galliens erfolgte. So z. B. stellt er gegen Eichhorn und Savigny, welche in den principes des Tacitus und den Antrustionen der Franken die Vorfahren der späteren Feudalherren finden, es gänzlich in Abrede, daß bei den Franken

und anderen Stämmen ein erblicher Adel bestanden habe. Wo ersich wirklich findet, z. B. bei den Bayern, sei er sehr wenig zahlreich. Zufolge des salischen Gefeßes hatten die Ingenui (Gemeinfreien) Niemanden über sich, als den König. Es kommt freilich darauf an, was man unter Adel versteht, hohen oder niederen; denn wie z. B. Wirth nachgewiesen, bilden eben diese Ingenui, welche eine weit größere Zahl von halb rechtlosen Liten und ganz rechtlosen Sklaven hinter sich haben, einen grundbesißenden Bauern-Adel; die fünf adligen Geschlechter der Bayern sind aber das, was wir Dynasten Geschlechter nennen. Doch mögen diese Ingenui als Adel oder Nichtadel angesehen werden, sintemal sie ebensowenig Diplome hatten, als die norwegischen Großbauern; soviel steht wohl fest, daß die Feudalherren nicht aus ihnen hervorgegangen, daß vielmehr dieser alte germanische Stand zeitig auseinandergesprengt worden, ebenso wie die auf ihm beruhende Familien- und Gau-Verfaffung; der fränkische Feudaladel ist sehr gemischten Ursprungs, und beruht seine Entstehung wesentlich auf der veränderten Stellung des Königthums, das sich nun mit einem Hofstaate und einer Anzahl persönlicher Diener. umgeben hatte, die der alte germanische König nicht kaunte. Herr Perry bestreitet gleichfalls, daß Gallien durch die sogenannten Gefolgschaften, die allmählich unter ihren Führern vordrangen, erobert worden sei, sondern läßt dies durch regelmäßige Feldzüge des ganzen Volkes nach vorausgegangenem Volksbeschlusse auf dem Malberge geschehen; die Lage der unterworfenen Gallier stellt er sich weniger drückend und jammervoll vor, als man bisher angenommen, und verlegt die Entstehung des Lehns- und Benefizienwesens wesentlich erst in die Zeit der Hausmaier. Nicht also der König an der Spize feiner Gefolgschaft, aus welcher später die Leudes hervorgingen, nicht eine Auzahl Freibeuterhaufen unter ihren Anführern, sondern das Aufgebot des ganzen salischen Stammes unter seinem Könige hat das gallische Land erobert, wenn wir Herrn Perry folgen, welcher den Begriff des comitatus wesentlich anders auffaßt; die Leudes find, ihm (mit Roth) keine dem Könige durch einen besondern Eid verbundene Klasse, sondern das gesammte wehrhafte Volk: die Antrustionen (wörtlich: Leute, auf die der König vertraut, to trust on), die beständigen Begleiter und Diener (also Hofleute) des Königs, jedenfalls meistens nach freiem Ermessen erwählt, entsprechen den comites regis des Tacitus und den späteren Vassen der karolingischen Zeit.

Der König konnte sie aus dem fiscus regius, d. h. jener Masse liegender Gründe, welche Privateigenthum der Krone waren, ausstatten und so sich durch einen besonderen Eid verbinden; da die Hausmaier, die im Hofstaate der Merovinger ursprünglich keinesweges die erste Stelle einnahmen, vermöge ihres Amtes, die Oberaufsicht und Verwaltung des Fiskus über sich hatten und also im Besize des nervus rerum gerendarum (des Geldes) waren, so begreift sich, daß, bei der gänzlichen Unfähigkeit der entweder minderjährigen oder geistesschwachen Könige, die Verleihung solcher Benefizien den Hausmaiern anheimfiel, wie diese dadurch selbst in die Höhe kamen, und warum gerade die Gründung des Lehnswesens in ihre Zeiten fällt; sie mochten dafür sorgen, daß die Antruftioner des Königs ihre eigenen wurden; kurzum, sie machten die Hofleute und Großen zu ihren Klienten. Wäre dies nicht der Fall gewesen, so würde diese Hausmaierschaft ganz unbegreiflich sein; denn es kommt vor, daß ein noch Unmündiger nach des Vaters Tode als Major Domus anerkannt wird, und es ist ersichtlich, wie diese Würde bereits völlig Familiengut und ein zweites Königthum geworden ist. Wie wäre dies ohne starke materielle Stüßen möglich gewesen? Wir müssen annehmen, daß die Familie der Pipine einen bedeutenden Anhang von Großen hinter sich hatte, welche ihr durch etwas mehr als bloße Anerkennung ihrer Tüchtigkeit verbunden waren, daß man aber die schwachen Merovinger deshalb noch auf dem Throne ließ, weil an ihren Familien die Pietät des gemeinen Franken haftete. Die Hausmaier waren sonach die Könige des neuen Besizadels, primi inter pares, und somit die Grundlage aller späteren Feudalherrschaft gelegt, die keinesweges so durchaus germanisch und adelig gewesen, als Viele sich vorstellen. Wie mancher puer regius, wie Mancher, der als Unfreier an den Hof gekommen, wie mancher gallische Geldmäkler, kurzum, wie mancher Emporkömmling mag mit jenen ersten Lehen ausgestattet worden sein, während die alten Gemeinfreien verdränzt oder zur Sklaverei herabgedrückt wurden! Es ging nicht beffer und poetischer zu, als heutzutage; im Gegentheil, das Unrecht war frecher und gewaltthätiger, als jemals.

Wir haben das Buch des Herrn Perry mit großem Interesse durchgelesen, ja, wir können sagen, studirt. Der Verfasser verbindet große Belesenheit und Quellenkenntniß mit Ernst und Gediegenheit im Urtheile; deutsche wie französische Forschungen sind ihm wohlbekannt, so daß wir dieses Werk über die Franken bis zum Tode Pipin's, das der Verfasser als eine Vorstudie zu einer Geschichte Karl's des Großen betrachtet wissen will, mit zu dem Besten rechnen können, was über diesen Gegenstand erschienen. Wir halten es also für Pflicht, das deutsche Publikum auf dasselbe aufmerksam zu macher.

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Schweiz.

Der Maler Leopold Robert.")

Louis Leopold Robert war am 13. Mai 1794 im Kanton Neuen burg zu La Chaux-de-Fonds, damals einem ärmlichen Dorfe, geboren. Seine Weltern waren nicht reich, aber durch ihr Gewerbe, die Uhrmacherei, wohlhabend, ziemlich gebildet und glücklich durch liebevolle, friedliche Häuslichkeit. Doch scheint der Irrfinn in der Familie erb lich gewesen zu sein; denn zwei von drei Brüdern endeten durch Selbstmord. Von frühester Kindheit zeigte Leopold Anlage zum Zeich nen. Bücher, Hefte, Wände waren mit rohen Skizzen bedeckt. Der Bürgerschule entwachsen, wurde er als Lehrling in einem Geschäft zu Yverdun angebracht. Leopold war darüber in Verzweiflung, und der Vater kam zu der Einsicht, daß die Kunst deffen Beruf sei. Der Plan, ihn diese Bahn einschlagen zu lassen, wurde durch die Bekanntschaft mit der Familie Girardet zu Locle begünstigt. Sie betrieb an diesem Orte von Vater auf Sohn ein mannigfaltiges KunstindustrieGeschäft in bedeutendem Umfange; die Glieder derselben waren Zeich ner, Kupferstecher, Buchhändler, Kalender-Verleger und hielten außer dem in ihrer Wohnung eine Elementar- Zeichnenschule. Ein Bruder, Abraham Girardet, wurde einer der berühmtesten Kupferstecher Frank reichs und als Zeichnenlehrer bei der Gobelins-Manufaktur angestellt, nahm aber in Folge des Trunkes, dem er sich ergab, ein trauriges Ende. Der zweite Bruder, Charles, der zu Paris wohnte, entdeckte zuerst, bei einem Besuche in Locle, den Genius in Robert, und nahm ihn, mit Einwilligung des Vaters, nach Paris, um ihn in der Kupferftecherkunft zu unterweisen. So wurde Robert Schritt für Schritt in die Werkstatt David's geführt, damals auf dem Gipfelpunkt der Hofgunst, in der Fülle des Reichthums und des Ruhmes, als Haupt derTM National-Malerschule. Seine späteren Gemälde reichten zwar in ihrer Erfindung nicht an die Werke früherer Jahre, und seine Erfolge bei seinen Schülern verdankte er ohne Zweifel nur der Beharrlichkeit, womit er die Eigenthümlichkeit eines Jeden herauszufinden ftrebte. Bedenkt", schärfte er seinen Jüngern unablässig ein, „daß Euer Gegenstand eine Entwickelung Eures Selbstes und nicht die mechanische Nachbildung dessen sein muß, den ich euch vor die Augen bringe."

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Robert wurde David's Günstling; er verfolgte mit allem Kraft aufwand die Studien in Anatomie, Malerei und Kupferstich — in dem lezteren vollendete er ein Werk, das ihm Hoffnung machte, den Preis in Nom zu gewinnen. Der Sturz Napoleon's brachte um diese Zeit die Herrschaft Neuenburg an die Krone Preußen zurück, und Robert, als Ausländer erklärt, wurde von der Bewerberlifte gestrichen. Joseph Coiny, dem der Preis zuerkannt wurde, äußerte, als er die Arbeit Robert's sah, gegen diesen: „Es ist ein rechtes Glück für mich, daß Ihr Name von der Liste gestrichen worden." Gerard, mit gewohnter großmüthiger Liebenswürdigkeit, verwendete fich für Robert David war als „,,Königsmörder" Landes verwiesen- und gebrauchte dazu seinen Einfluß bei Lainé, dem Minister des Innern; umsonst: Robert blieb ausgeschloffen und verlor also die Frucht einer mehrjährigen Arbeit.

,,Ein peinliches Dasein steht mir in Aussicht, wenn ich genöthigt sein soll, hier zu weilen, wo man für die Kunst keinen Sinn hat. Ein Schüler, der das Glück gehabt, Meisterstücke zu sehen, den Rath großer lebender Meister zu hören, manches Gelungene zu leisten wie unglücklich ist er, wenn er gezwungen wird, auf einem dürren Felde zu pflügen."

Auf die Empfehlung Gerard's erwirkte ihm Humboldt eine Unter stüßzung zu einer Reise nach Italien, die er auch sofort autrat. In Rom, nachdem er sich sorgfältig in deffen Kunst- und Bauwelt um gesehen, entschloß er sich, einen neuen Weg einzuschlagen. Es war gerade um die Zeit der zahlreichen Verhaftungen und Hinrichtungen jener malerisch gewandeten und gerüsteten Räuber, der Schrecken der Reisenden in den Jahren nach der italiänischen Restauration und in der Folge eine ergiebige Fundgrube für Erzählungen, Dramen, Opern und Gemälde. Wer hätte die Kopieen von Horace Vernet's Räuber. Bildern nicht gefehen, die heiteren Weisen des „Fra Diavolo“ nicht gehört? Seitdem sind diese Sachen schaal geworden; damals aber war das italiänische Banditenwesen ein jungfräulicher Boden für die Kunst, und Robert war der erste bedeutende Künstler, der den Boden urbar machte. Er erhielt von der Behörde die nachgesuchte Erlaubniß, das Gefängniß der Termini täglich zu besuchen und Ab bildungen von den Räubern und ihren Frauen zu entwerfen; gebräunte, kräftige Männer; zarte, schwarzäugige Weiber in ihrer malerisch glänzenden Tracht, mit ihren eigenthümlichen Waffen; von den letterer brachte Robert viele käuflich an sich und schmückte damit stets feir Zimmer aus. Eines dieser Weiber, Maria Grazia, der echte Typm einer Banditenfrau, war ein Muster weiblicher Schönheit: stattlic in Gestalt und Wuchs; das Haupt von einer Fülle glänzenden Haares umwallt, kräftig, stolz und furchtlos. Ihr Bild wurde von Robert und Anderen oft wiederholt. (Schluß folgt.)

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Mannigfaltiges.

Der Große Salzfee". Zu dem Artikel über die Statt am Großen Salzfee, welchen wir in Nr. 120 des,,Magazin" gelie fert, bemerken wir, daß sich eine sehr forgfältig nach den Aufnahmen von Frémont und Stansbury von A. Petermann gezeichnete und ausgeführte Spezialkarte des Großen Salzfees von Utah (Maaßstab 1:870,000) in der kürzlich ausgegebenen Nr. VII der geographischen ,,Mittheilungen“ von Justus Perthes befindet.") Wir lernen dadurch den See, welcher beinahe zwölf geogr. Meilen lang und etwa halb so breit ist, mit seinen Umgebungen auf das genaueste kennen, da die Höhen der zahlreichen Berge, die ihn zum Theil umschließen und zum Theil in seiner Mitte liegen, ebenso wie die verschiedenen Tiefen de ,,Großen Salzfee" und des in seiner Nähe gelegenen „Utah-See", mit welchem jener durch den ,,Jordan" verbunden ist, überall durc Zahlen angegeben sind. Das „, Utah-Becken", welches gewissermaßen den Mittelpunkt des großen inneren Beckens des westlichen Kontinents von Nord-Amerika bildet, ist eine Hoch-Ebene von 4-5000 Fuß Er. hebung, mit einer Breite von 50 und einer Länge von mehr als 100 geogr. Meilen. In der furchtbar öden Steinwüfte dieser Hoch- Ebene mit ihren zahlreichen alkalischen Lachen und Gewässern bilden die kulturfähigen Gelände des „Großen Salzsee" eine anzichende Dase. In der Mitte und an den Rändern des Sees erheben sich mehrere Felseninseln bis zu einer Höhe von 3000 F. über deffen Spiegel. Das Wasser des Salzsees enthält, nach einer analytischen Bestimmung, nahe an 224 pCt. feste Bestandtheile und übertrifft, seinem salinischen Gehalte nach, selbst die reichsten Salzquellen der östlichen Staaten.

Er gab nun das Kupferstechen auf, blieb eine kurze Zeit in der Werkstatt von Groß, der die Schule David's fortseßte, verließ dann Paris and ging in seine Vaterstadt zurück. Wahrscheinlich sagte der heroische und flüchtige Pinsel Gros' dem Geschmacke eines Künstlers wie Robert nicht zu, der so streng wählig nach gedrungener, kernhafter Schönheit rang und im Stande war, halbe Jahre darauf zu verwenden, um wenige Figuren auf einer Platte von wenigen Zollen,,Die Dichtigkeit des Waffers", sagt Stansbury, ist so außerordentharmonisch zu ordnen. Welch ein Gegensaß zu Gros mit seiner ellenlangen Leinwand, seinen immer vollen Farben, seinen Bataillonen Figuren! Gros war ein prachtvoller „eigener Korrespondent“ von den Schlachtfeldern Napoleon's und wunderbar in seiner Weise. Wenige lyrische Motive genügten für den Ehrgeiz und die Unsterblich keit Robert's.

- Rach seiner Rückkehr in die Heimat malte er manche Miniaturbilder, **) unter anderen sein eigenes, das seine Schwester, Frau Huguenin-Robert, in frommer Liebe noch jezt aufbewahrt. Bald aber wurde er des Aufenthaltes in der Schweiz überdrüssig und er schrieb an Gerard;

*) Léopold Robert, sa vie et sa correspondance", par F. Feuillet de Conches. Paris, Michel Lévy frères.

**) Robert's Bild der Madame David in Kupferstich wollte nach der Restauration nicht ziehen; da kam der Verleger auf den klugen Einfall, die Unterschrift ausraðiren und dafür setzen zu lassen:,,Bild der Herzogin von Orléans-Penthièvre", und es ging reißend ab; ein Seitenstück zu dem Kniff eines Gastwirths in Londen, der nach der Revolution 1688 auf seinem Schilde dem Kopfe Jakob's II. den Namen Wilhelm's III. geben ließ.

lich, daß man, ausgestreckt auf dem Rücken liegend, mit Kopf und Hals, sowie mit den Beinen bis zum Knie und den Armen bis zum Ellbogen, außerhalb des Waffers, von demselben noch getragen wir In fißender Stellung, die Arme, des Gleichgewichts halber, ausge streckt, bleiben die Schultern über der Oberfläche. Das Schwimmer ist deffenungeachtet sehr schwierig in Folge der beständigen Neigung der unteren Extremitäten, zur Oberfläche zu steigen, und der Salzgehalt des Waffers ist überdies so stark, daß die geringste Quantität, die in's Auge kömmt, einen stechenden Schmerz verursacht; auch würde das zufällige Verschlucken einer größeren Menge des Waffers soforti ges Ersticken herbeiführen. Nach dem Bade muß man die Haut mit füßem Wasser waschen, um die durch schnelle Verdunstung sich bildende Salzkruste von derselben abzuspülen. Troßdem ist ein Bad in die sem Wasser eine herrliche Erfrischung und Stärkung“.

*) Auch die,,Zeitschrift für allg. Erdkunde" hat bereits in ihrem Juni Hefte eine interessante, von einer Karte begleiteten Darstellung des Landstricht D. R. von Fort Laramie bis zum Großen Salzfee mitgetheilt.

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