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No 119.

für die

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Literatur des Auslande s.

Nord-Amerika.

Der Krieg gegen die Mormonen.

1. Marsch nach Utah.

Berlin, Dienstag den 5. Oktober.

Während in den größeren Handelsstädten Amerika's, sowohl im Inneren wie an der Küste, eine dichte Volksmenge in haftiger Geschäftigkeit sich durcheinander treibt, verliert sich die dünne Bevölkerung an den Gränzen und in den weniger angebauten Gegenden in das Unbestimmte. Daher giebt es in Amerika zwar viele Geschäfte, aber wenig Geschichte. Eine Armee kann eher ein Land beseßen, als Menschen unterwerfen, oder überhaupt ein bestimmtes Ziel erreichen. So ist es bisher mit den Mormonen ergangen. Truppen haben ohne Widerstand deren Hauptstadt erreicht, ohne daß man ihrer noch recht Meister geworden. Freilich müssen dabei auch die ungenügenden, schwankenden und widersprechenden Maßregeln der Bundesregierung mit in Anschlag gebracht werden.

Die erste Abtheilung der Truppen verließ am 13. Juni unter Oberst Cook Fort Bridger, um nach dem Salzfeethale zu marschiren. Sie bestand aus dem zweiten Dragoner-Regiment von 350 Mann, der Artillerie unter Capitain Phelps mit sechs Geschüßen, welche von 70 Mann bedient wurden, und den 350 Mann zählenden Freiwilligen unter Oberst Bee. Korrespondenten von New-Yorker Blättern hatten sich diesem Zuge angeschlossen. Sie marschirten am ersten Tage 13 Meilen und lagerten am Muddy Creek (Schlammbach), der aber, im Gegensatz zu seinem Namen, als ein schönes, klares Flüßchen erschien. Der Tag war heiß und der Marsch ermüdend. Den folgen den Morgen um 6 Uhr, am 14. Juni, brachen General Johnston, sein Stab, die Poft und verschiedene Civilisten, worunter der Korrespondent des New-York Herald von Camp Scott auf und um 94 Uhr folgte an demselben Tage die zweite Abtheilung, bestehend aus ungefähr 420 Mann, einschließlich einiger Artillerie. Am 15. Juni marschirte die dritte Abtheilung ab, welche durch das 600 Mann starke zehnte Infanterie-Regiment gebildet ward, und an demselben Tage folgte die aus 700 Mann bestehende Nachhut. Ungefähr fünf hundert Wagen, welche Brücken, Boote, Lebensmittel, Munition und Kriegsbedarf überhaupt auf zwei Monate führten, begleiteten die Armee. Die Zahl der Pferde und Maulthiere wird auf 3000 angegeben.

Herald

Die erste Abtheilung rückte am 14. Juni 20 Meilen bis zum Bärenfliasse vor, wo sie gegen Abend vom General Johnston und deffen Begleitern eingeholt ward. Hinter dem Muddy Creek gewährte das Land einen ungleich besseren Anblick, obgleich man immer höher stieg. Die Stelle, wo sie das Gebirge zwischen dem Muddy Creek und dem Bärenfluffe überschritten, giebt der Korrespondent des New-York als 7315 Fuß über dem Meeresspiegel an und bezeichnet die Landschaft als großartig und erhaben. Nach Süden hin erblickten fie in der Ferne die Uinta Gebirge, deren schneebedeckte Gipfel sich mit den Wolken zu vermischen schienen. Nach Westen, oder im Angesicht der Truppen, erhob sich ein anderes mächtiges Gebirge, als wolle es ihrem Marsche eine Gränze seßen, und zur Rechten (nach Norden) zog sich dicht am Wege eine tiefe und steile Schlucht hin. Man fand auf den Hochebenen treffliches Gras und eine Menge wilder Blumen und schreibt diese Fruchtbarkeit dem tiefen Schnee in der falten Jahreszeit und der dadurch bewirkten guten Bewässerung zu, indeß waren die hohen Bergrücken von Bäumen entblößt. Nach dem Bärenfluffe hin war der Abfall der Gebirge schärfer, indeß nur an zwei Stellen schroff. Die weite Aussicht von einer Stelle, welche als der Rand des großen Baffins (the Rim of the great Basin) bezeich net und deren Höhe auf 7700 Fuß über dem Meeresspiegel angegeben wird, soll von ungewöhnlicher Schönheit sein.

Noch bevor General Johnston die erste Abtheilung am 14. Juni am Bärenflusse einholte, kam Nachmittags, ungefähr um 3 Uhr, ihm ein Expreffer sowie der (nicht mormonische) Postmeister Morell aus der Salzfeeftadt entgegen. Sie waren dort mit den vom Präsidenten

1858.

abgeschickten und den Truppen vorausgegangenen Friedens-Kommisfären eingetroffen und überreichten dem General ein Schreiben der Lesteren mit der Nachricht, daß die Mormonen die Proclamation und Amnestie des Präsidenten angenommen, der Bundesregierung Gehorsam gelobt, die Beamten des Territoriums empfangen und dem Vorrücken der Truppen keinen Widerstand entgegenseßen würden. — Gleichzeitig erhielt indeß Richter Echels einen Brief von dem IndianerAgenten Dr. Forney, worin die Stimmung der Mormonen als keinesweges so fügsam bezeichnet ward, wie sie nach jener Friedensnachricht verbrennen und nach Süden abzuziehen, bis sie durch einen Eilboten scheinen möchte. Sie hätten, schrieb Dr. Forney, gedroht, Alles zu von General Johnston's ernstlicher Marsch-Ordre benachrichtig worden, und sich dann erst beeilt hätten, Gehorsam gegen die Bundesregierung zu geloben.

Am 15. Juni traf auch die zweite Abtheilung am Bärenflusse ein, welcher dort eine Breite von 10 bis 30 Yards hat und ungefähr ten am anderen Ufer und wollten die dritte Abtheilung und die Nach2 bis 4 Fuß tief ist. Beide Abtheilungen überschritten denselben, lagerhut am folgenden Tage erwarten, worauf die Truppen in schnellem Marsche nach der Salzfeestadt vorrücken follten. Die Post, die eilten aber dem schwerfälligen Zuge der Truppen bereits am 15. Juni Korrespondenten der New-Yorker Blätter und einige andere Civilisten Der Korrespondent des New-York Tribune fann kaum voraus. Worte finden, um die Schönheit und Großartigkeit der Landschaft hinter dem Bärenflusse zu bezeichnen. Selbst unter der Vermuthung schen Lesern nicht vorenthalten. Ich habe, schreibt er, Tyrol und die amerikanischer Uebertreibung will ich doch seine Schilderung den deutSchweiz durchreist, bin mit deutschen Studenten durch die Berge der Pfalz zu Fuße gewandert, habe ein halb Dußend mal die Alleghanies überschritten und die Forellenbäche des nördlichen New-Hampshire den Seen Umbagog und Connecticut bekannt ist, aber niemals habe manchen Sommer durchwatet, so daß mir jede Landschaft zwischen ich ein so mannigfaltiges Panorama von Bergfcenerie gesehen, als auf unserem Ritte vom Bärenflusse nach dem Thale des großen See's. Meilen lang windet sich in den engen Schluchten der Weg durch unter der Last der Blätter und Blüthen oft so tief herabhingen, daß Dickichte von Weiden, Erlen und Hagedornbüschen, deren Zweige kleinen indianischen Ponies beugten. Durch die Zwischenräume des sie unseren Rücken streiften, wenn wir uns auf die Hälse unserer Laubwerkes konnten wir hin und wieder einen Blick auf Bergwände erhaschen, die mit grobem Sand gestreift, von Sandsteinmassen gekrönt und von Schwärmen zwitschernder Vögel umgeben waren, welche ihre Nester in die Spalten der Felsen gebaut hatten. Die Bergwaren üppig mit Gras und Blumen bedeckt. Von diesen Höhen kann rücken, die wir zwischen den verschiedenen Schluchten überschritten, man bei hellem Himmel die gezackten Kämme des Wahsatch-Gebirges sehen; indeß waren durch den Morgennebel nur die äußersten Umrisse seiner schneebedeckten Spißen sichtbar und unsere Augen strengten sich vergebens an, mehr davon zu unterscheiden.

Die Reisenden, welche sich der Post angeschlossen und den Truppen vorausgegangen waren, übernachteten schon in der Nacht vom 15. zum 16. Juni in Echo-Cannon, der in den Berichten über die Mormonen so oft genannt worden, und worin dieselben ihre Vertheidigungswerke angelegt hatten. Sie fanden nicht, wie man sich im Often gemeinhin vorgestellt hatte, eine enge Bergschlucht, sondern ein Thal, das ungefähr eine (englische) Viertelmeile breit und zweiundzwanzig Meilen lang sein mag. Indeß ist es an der engsten Stelle nur 150 Yards breit und immerhin so beschaffen, daß es große natürliche Vortheile zur Vertheidigung gegen einen vordringenden Feind darbietet. Die Mormonen und ihre Vertheidigungswerke scheinen aber nicht so be schaffen zu sein, um nur einigermaßen disziplinirten Truppen da Vordringen zu verwehren. Ein kleines Flüßchen fließt durch das Tha bessen Boden ganz eben ist, dessen Wände aber verschieden sind. Di nördliche Thalwand besteht aus schroffen Felsen und mag an einige Stellen tausend, an anderen dreihundert Fuß hoch sein. Die füdlic Thalwand fällt bei weitem nicht so jähe ab und ist größtentheils m

Gras bedeckt, indem dort das Gestein an wenigeren Stellen zu Tage
tritt. Das Gras in dem Thale ist vortrefflich, das Wasser gut und
im Ueberfluß, aber Holz giebt es nur wenig. Nur spärlich zerstreute
Cedern sieht man an den nördlichen Felsen, während an dem Flüßchen
fich Weiden hinziehen.
(Schluß folgt.)

England.

Ein englisches Gymnasium.
(Schluß.)

er sich nicht ändert, muß ich ihn nachhause schicken, so ungern ich es auch thate; denn es ist im Grunde ein wackerer Junge; allein er hat kein Gefühl für Pflicht und ich weiß nicht, wie man es ihm geben soll." "Ich glaube", antwortete der Lehrer,,,es würde feinen Ungestüm mägi. mäßigen, wenn man einen kleineren Knaben seinem Schuß übergäbe.,,Ja", fagte der Doktor,,,ich will es mir überlegen.“

In der That übergab man ihm einen kleinen Knaben als Schuß. befohlenen. Hier stoßen wir nun auf den einzigen Einwurf, der mit einigem scheinbaren Grund gegen die englische öffentliche Erziehung gemacht werden könnte. Für die Mehrzahl der Kinder ist diese Me thode unbestritten vortrefflich; was soll aber bei dieser schrankenwvien Freiheit und den heftigen Sitten aus den Kindern von schüchternen Gemüth und beschaulichem Geiste werden? Diese empfindlichen Wesen, die beim leisesten Stich zucken, die vor jeder Gewalt zurückschrecken, werden der Spielball ihrer Genossen sein, von der brutalen Stärke zermalmt werden, so daß dieses System die edelsten und kostbarsten Naturen den rohesten und gemeinsten opfert. Und doch giebt es auch dagegen ein Mittel. An der obersten Autorität, an dem Direktor der Anstalt, liegt es, dem Uebel vorzubeugen, und er kann es leicht. Die freie Schul-Erziehung gestattet allen Energieen der Kindheit, sich zu entfalten; am Direktor ist es, diese Energie zum Gewinn des Guten auszubeuten. Und das gerade war das System Doktor Arnold's, und daran scheitern alle ziemlich hohlen Vorwürfe, die man ihm gemacht hat.

-

Die Scenen der Sitten sind ebenso mannigfaltig wie die Charaktere, und Alle treten uns mit scharf ausgeprägten englischen Zügen vor die Augen; sie sind roh, diese Sitten, aber offen und legal. So ist z. B. ein Kampf keine ungeregelte Balgerei, wie sie in den Gymnasien anderer Länder vorkommt, worin die Gegner alle Mittel zu Wehr und Angriff gebrauchen, die ihnen die Wuth eingiebt; die ganze Schule schreitet ein, wenn nicht nach den Regeln eines loyalen Kampfes verfahren wird. Fair play (ehrlich Spiel) ist die erste Bedingung, welche die Engländer ihren Gegnern in den Lebenskämpfen stellen, und fair play ist ebenfalls die erste Bedingung, die wesentliche Grundlage der Schulkämpfe. Die Schule bildet einen Kreis um die Kämpfer, die ihre Zeugen, wie zu einem Duell wählen. Der Kampf dauert so lange, bis Einer von Beiden unterliegt; er wird aber häufig unterbrochen, um die gleichen Chancen auf beiden Seiten Eines Tages also, nach den Ferien, als Tom aus dem Vaterhause zu bewahren und um zu verhüten, daß ein Part einen für den Gegen zur Schule zurückkehrte, wurde er eine große Auszeichnung! part nachtheiligen Umstand unloyal benuße. Ein Schüler wird zum beim Doktor zum Thee geladen. Hier traf er einen fremden Knatimekeeper (Zeitwart) gewählt: er hat den Moment zu merken, wo ben von winzigem und schwächlichem Aeußeren, mit einem Gesichte, der Kampf unterbrochen oder wiederum begonnen werden soll. In in dem sich ein scheues, träumerisches Wesen aussprach. Er war der den Zwischenpausen bereiten die Zeugen den Streiter zum Wieder- Sohn eines Geistlichen, der aus zu großer Pflichttreue von einer beginn des Kampfes vor: schlagen ihm die Aermel zurück, ziehen ihm Epidemie hingerafft worden war. Das Kind war nie aus dem älterdie Schnallen fest, wischen ihm den Schweiß, der ihm über das Ge-_lichen Hause gekommen, hatte unter dem Flügel der Mutter gelebt sicht rinnt, und den Blutschaum, der ihm aus dem Munde dringt, mit und keine anderen Spielgenoffen als seine Schwestern gekannt. Er feuchtem Schwamm ab. Indeß werden, wie beim Boren und Pferde- war also ein sehr verzärteltes und, wenn man will, ein verzogenes rennen, Wetten angestellt: „Zwei Halbkronen gegen eine für den Kind; das sah man an dem sauberen Müßchen, daß ihm die Schwestera Großen!",,Angenommen!"- Vier Halbkronen gegen eine für den gestickt, an den schönen Geräthschaften, womit die Mutter das StübKleinen!",,Angenommen!" Der Kampf ist zu Ende, die Wetter Der Kampf ist zu Ende, die Wetter chen, das er mit Tom theilen sollte, ausgeschmückt hatte. „Das ist zahlen ihre Verluste oder streichen ihre Gewinne ein und die Gegner Ihr künftiger Stubengenoffe, Tom. Er sieht nicht ganz so gut aus, gehen ab, um sich ihre zerschlagenen Kinnladen und verrenkten Arme wie wir wünschten; er braucht frische Luft und einige Ballpartieen. verbinden zu lassen. Der Verfaffer schließt diese Schilderung mit Sie werden ihn auf unsere schönen Promenaden führen und unsere anmuthigen Landschaften in der Nähe zeigen." Tom war anfangs nichts weniger als erbaut von seinem künftigen Gefährten; er, der muskelstarke, unbändige Knabe und dieses zarte, schüchterne Kind, dieses Jüngferchen, das die Schule nicht säumen wird, mit dem Namen Jenny oder Molly zu taufen. Indeß nahm er es mit seiner Rolle ernst, um so mehr, als weibliche Einflüsse ihr Bestes thaten, sein Heŋ zu rühren und den wilden Tom zu Gunsten Arthur's zu stimmen. Nicht der Doktor allein, auch seine Frau und die Schaffnerin der Schule interessirten sich für das trübsinnige Kind. Wie mochte er so vielen vereinten Einflüssen widerstehen!

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einer echt englischen Moral:

,,Die Kinder werden sich zanken und sich mitunter prügeln. Der Faustkampf ist für die englischen Kinder die natürliche und nationale Methode, ihre Streitigkeiten auszumachen. Was könnte man an deffen Stelle einführen, was hat man jemals gefunden, an deffen Stelle einzuführen? Jhr tadelt das Kämpfen, wißt ihr etwas Besseres? Ich sage euch, junge Leute, lernt boren, wie ihr Ball schlagen lernt. Ihr werdet darum nicht übler daran sein, und solltet ihr auch von dieser Kunst gar keinen Gebrauch machen; wisset, daß keine Körperübung so geeignet ist, kaltes Blut zu geben und die Rücken- und Schenkelmuskeln zu kräftigen."

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Luft verspürt, meinen anderen Halbftiefel an den Kopf zu fühlen, dann weiß er, was er zu thun hat." Troß aber all seinem guten Willer brauchte Tom lange Zeit, ehe er die Schüchternheit Arthur's überwinden konnte. Lange war dieser nicht dahin zu bringen, den Mund aufzuthun, wenn Tom nicht das Wort zuerst an ihn richtete. Die schwächliche Gesundheit des Kindes war ein anderes Hinderniß, das sich ihrem vertrauten Umgang in den Weg schob. Arthur war wohl der Studiengefährte Tom's, aber sein Spielgenosse konnte er nicht sein. Wie mochten auch seine weiblichen Nerven die langen Wettläufe, die unendlichen Ballspiele aushalten? Sollte er aber stets einsam leben und gab es kein Heilmittel gegen diesen Trübfinn?

Der Doktor hätte schon denselben Abend bemerken können, daß Der Erfolg macht den Menschen eitel und tollkühn. Tom hatte Tom sich feine Aufgabe zu Herzen nehmen und seine Pflichten treu fast allein über die Despotie der Quinta gefiegt, er ward allgemein erfüllen würde. Vor Schlafengehen knieete das Kind, halbentkleidet, als Held begrüßt. In seinem kleinen Kreise hatte er Großes voll- am Fuße seines Bettes nieder, um nach dem Brauch seines väterlichen bracht. Aller Augen hafteten an seinen geringsten Bewegungen und Hauses sein Nachtgebet zu verrichten. Ein Pantoffel, von einem fahen auf ihn mit der Ehrfürcht, welche das Volk stets Siegern und Schüler geschleudert, unterbrach die fromme Handlung gerade im Moglücklichen Heerführern zollt. Auf so hoher Stelle bekommt man leicht ment, wo Tom sich umdrehte und seinen ausgezogenen Halbftiefel auf den Schwindel und glaubt sich über dem Gefeße. Auch Tom erlaubte den Boden sezte, der aber sofort dem Pantoffelwerfer an den Kopf fich von jener Zeit an zahlreiche Uebertretungen der ohnehin nicht flog.,,hol dich der Teufel, Brown! Was kommt dich an?" einschränkenden Schulzucht. So war es z. B. verboten, nach Thor-,,Kümmere dich nicht um das, was mich ankommt; wenn aber Einer schluß aus dem Schulgebäude zu bleiben. Eines Tages jedoch ließen fich Tom und seine Genossen durch den Eifer im Spiele bare and hounds (Has und Hunde) hinreißen und kehrten erst tief in der Nacht heim. Hier wurden sie mit kothbedeckten, zerfeßten Kleidern sofort vor den Doktor geführt, der für dieses Mal ein Auge zudrückte und anstatt sie auszuschelten, sie mit wahrhaft väterlicher Heiterkeit empfing:,,Na, meine Kinderchen, warum so spät heimgekehrt? Und wie ihr ausfeht? Ihr habt doch keinen Schaden genommen? will ich hoffen. Gut, kleidet euch um, und laßt euch was zu effen geben. Ihr seid für solche Fußpartieen zu jung. Sagt Warner, daß ich euch gesehen habe. Gute Nacht, meine Kinder!" Die zahlreichen Besuche, die Tom in der Folge beim Direktor zu machen hatte, waren nicht gerade von derselben freundlichen Färbung. Einmal wurde er beim Angeln an verbotener Stelle ertappt und von Flurschüßen im Triumph vor den Doktor geführt. Ein andermal wurde er vorgeladen, weil er die Zeiger an der Schuluhr verrückt hatte. Endlich hatte er, gegen das ausdrückliche Verbot des Direktors, den großen Jahrmarkt in der nahen Stadt besucht. Er hatte für diese verschiedenen Missethaten die Peitsche bekommen, ohne durch die strenge Strafe gebessert zu werden. Gott weiß, wohin es mit ihm gekommen wäre, wenn er nicht eines Tages ein Gespräch belauscht hätte, worin sich der Doktor gegen einen Lehrer über das Betragen Tom's lebhaft beklagte: „Wenn

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Da äußerte Arthur eines Tages den Wunsch, mit dem Naturforscher Martin, deffen Physiognomie ihm gefallen hatte, Bekanntschaft zu machen. Tom, als praktischer Knabe, beeiferte sich, diesen Wunsch zu befriedigen; hier bot sich die Gelegenheit, die Zurückhaltung Arthur's zu überwinden und ihn der Einsamkeit zu entreißen. Arthur wurde in kurzem von Martin unzertrennlich, so daß Tom gesteht, er sei darüber fast eifersüchtig geworden. Die Wanderungen über Feld zur Aufsuchung der Eidechsen und Vogelnester geben ein so reizendes Bild, daß Einem die Lust anwandelt, wieder Kind zu werden. Die kindlichen und so verschieden gezeichneten Physiognomieen von Tom, dem Streiter, Arthur, dem Trübsinnigen, Martin, dem Naturforscher,

Eaft, dem Spottvogel, bilden eine Gruppe, die dem Pinsel eines Lawrence Ehre machen würde.

Nach einigen Jahren wissenschaftlicher Spaziergänge war mit Arthur eine vollständige Umwandlung vorgegangen. Sein Charakter, ohne etwas von seiner Bescheidenheit eingebüßt zu haben, hatte sich der Heiterkeit aufgethan, feine Nerven waren erstarkt und er fühlte fich nun fräftig genug, an den gefährlichsten Kämpfen, wie an den angestrengtesten Uebungen der Schule theilzunehmen. Das war das Ergebniß der Rathschläge und des Schußes von Tom Brown. Aber Aber auch dieser hatte in der Gesellschaft Arthur's viel gewonnen. Der Umgang mit dem zartsinnigen Kinde hatte sein Gefühl verfeinert, und die sittlichen Saiten in seinem Herzen angeschlagen. Er schämte sich seines rohen Ungestüms, seines Unfleißes, seiner geringen Neigung für Lektüre und Arbeit. Mit Einem Worte, er fand, daß er ein prosaischer Mensch sei und fühlte sich von dieser Entdeckung gedemüthigt. Er, der nur Körperstärke und Gliedergewandtheit schäßte, war von einem linkischen und schwächlichen Kinde überwunden worden. Arthur hatte auch in seinem Gemüthe die religiösen Empfindungen geweckt, 1 die niemals dort erstorben, sondern nur lange eingeschlafen waren. Unter dem Einfluß einer zwanglosen Sympathie hatten die beiden Kinder wechselseitig auf einander wohlthätig eingewirkt.

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Mit der Freundschaft Tom's und Arthur's schließt das feelenvolle, dramatisch lebendige Buch, zu welchem dem unbekannten Verfaffer Glück zu wünschen ist. Es ist mehr als eine moralische, es ist eine politische Lehre daraus zu ziehen. Es ist unnüß, über den rela» tiven Werth der verschiedenen Erziehungsysteme a priori zu streiten. Ein Erziehungssystem, das die Freiheit zur Grundlage hat, deffen natürliche und unumgängliche Bedingungen die Derbheit, die Bru talität, die lockerste Schulzucht sind, würde außerhalb England großes Widerstreben finden und manchen Skrupel erregen. Die zärtlichen 1 Mütter würden für die Gesundheit ihrer Kinder zittern und die Väter 1 vor der Zuchtlosigkeit erschrecken. Unsere Auffassungsart der Erziehung sieht einigermaßen der Anschauungsweise der Natur im fieb zehnten Jahrhundert ähnlich. Wir erziehen die Kinder mit dem Gefühl einer egoistischen Zärtlichkeit; wir erziehen sie nicht für sich und für die Gesellschaft, in der sie leben sollen, sondern für uns, ‘zum Schmuck unseres Heerdes und zu unserer Augenweide. Die dem Kinde so natürliche Rohheit mißfällt und ängstigt uns, und wir haben keine Ruhe, bis wir die rauhe Raupe in einen hinfälligen aber anmuthigen Schmetterling verwandelt sehen. Wir können den Knaben nicht früh genug civilisiren und unterrichten ihn in allen conventionellen Lugenden, in allen erkünftelten geselligen Formen. Den stracksten Gegensah dazu bildet, wie wir gesehen, die englische Methode; nicht zum Ver1gnügen der Aeltern, sondern für das Kind selber und für die Gesellschaft, von der es einst ein Glied sein soll, wird das Kind erzogen. Sich überlassen; genöthigt, in sich selber die Mittel zu Wehr und Schuß zu suchen, lernt es früh die große Wahrheit, daß das Leben eine Reihe Widerstände sei, die es zu überwinden wissen muß. Da das englische College ein Staat im Kleinen ist, worin die verschiedenften Charaktere fich frei entwickeln, so macht das Kind die Lebens: erfahrung im verjüngten Maßstabe und erwirbt früh das Bewußtsein der wirklichen Welt. Er wird später nicht nöthig haben, einen moral philosophischen Kursus zu machen, um die Menschennatur kennen zu lernen; er wird herzlich lachen über die Theoretiker und Träumer, die ihm die Lehren Hobbes' und die Sophismen Rousseau's auftischen. Er wird wissen, daß die menschliche Natur, je nach den Individuen, unendliche Variationen hat. Im praktischen Leben werden ihn niemals die Träume der Empörung und der Tyrannei durch den Kopf gehen; denn er hat im College all diese kindischen Passionen erschöpft und aus Erfahrung die Ueberzeugung gewonnen, daß die Empörungen bei weitem nicht so gefährlich sind, wie sie scheinen, und die Tyrannen bei weitem nicht so unüberwindlich sind, wie sie aussehen. Er hat die naturgemäßen Gränzen der Dinge erkannt; denn so oft er vergeffen Chat, wo sein Recht aufhört, ist er durch Strafen daran erinnert worden. Er hat mehr denn einmal in seinen begeisterten Stunden Opfer gebracht, ohne dafür belohnt worden zu sein. Beim Austritt aus dem College nimmt der junge Engländer nicht nur eine geistige, sondern auch eine praktische Erziehung mit; er trägt die Fähigkeit in sich, nicht blos ein scholar (Gelehrter) sondern auch zumal ein Bürger zu werden. Fragt man, wie so die höheren Klassen Englands, troß der demokratisch überwiegenden Bewegung, noch immer das Steuerruder der Gesellschaft in Händen behalten haben? so ist die Antwort: dieses Vorrecht verdanken sie ihrer Erziehung, die, aus ihrem Geiste die Schüchternheit, die Unentschlossenheit, die chimärischen Träume bannend, fie gelehrt hat, über nichts zu erstaunen, nichts zu fürchten, nichts zu verachten und Alles zu schonen.

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erinnern wollen, ist in seiner wahrhaft nationalen Originalität ein Typus der heutigen russischen Kultur-Idee, der gesammten modernen, geistigen Strömung Rußlands geworden. Seit Puschkin und Lermontov, vor welchen es keinen russischen Dichter gab, und deren Werke dem Nationalgefühl den ersten und mächtigsten Impuls gegeben, war in Rußland Niemand, deffen Geistesrichtung mit der Gestaltung des Riesenreiches so in symbolischer Harmonie gestanden, wie das dichterische Vermögen Tjutschev's. Gleichwie sein Vaterland mit dem einen ehernen Fuß gegen das westliche Europa herantritt, mit dem anderen an den äußersten Ostküsten des Orients steht, und so die Mittelmacht der Erde zu werden strebt, so umschlingen sich in seiner Anschauung die Nachklänge abendländischer Lyrik mit dem parabolischen Reichthum östlicher Phantasie, dem überall durchblinkenden Glauben an den Parallelismus und die gegenseitige Durchdringung von Natur und Geist, an die übersinnliche Bedeutung der Schöpfung, ja, mit einer Art von philosophischem Quietismus, der uns häufig an der Person, dem Erdtheile und dem Jahrhundert des Dichters irre werden ließe, wenn unmittelbar daneben uns nicht seine innigste Liebe zu Rußland und der feste Glaube an seine weltumfassende Zukunft den Kopf zurechtseßen würden.

Fedor Tjutschev, in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts geboren, entwickelte, soweit uns wenigstens bis jegt die Resultate seines Schaffens vorliegen, seine hauptsächlichste Thätigkeit gegen das Ende des leßten und am Anfange dieses Dezenniums. Gründliche, liebevolle Beschäftignug mit der Poesie der europäischen Völker, namentlich der deutschen Dichter, von denen in der St. Petersburger Ausgabe seiner Gedichte von 1854 viele höchst gelungene Uebersehungen mit aufgeführt sind, vielfache Reisen nach Italien, Deutschland und Frankreich waren die weckenden und pflegenden Momente seiner unbestreitbar nicht geringen dichterischen Ader. Wenn wir ihn oben als einen echten Träger des heutigen russischen Geistes kennen lernten, werden wir uns über die vielfachen passiven Seiten seines Genius nicht wundern. Fremdes anziehen, aufnehmen, verarbeiten, in nationalem Gewande von nationalem Geiste getragen wiedergeben, ist ja nicht blos auf dem Felde russischer Literatur die Parole des Tages. Eben das vielfältige und allseitige Aneignen aus Oft und West, aus Süd und Nord, das in Deutschland seiner staatlichen Beschränktheit und Machtlosigkeit wegen nur in der blaffen Schemen- und Ideenwelt den todtgebornen (?) Gedanken einer Weltliteratur erzeugt hat, ist die eigentlichste Aufgabe der Slaven, deren anschmiegende, biegbare, finnliche, noch in der Urkraft reicher grammatischer Formen, uneingeschränkter Wortstellung und unabgeschliffener Naturwüchsigkeit strohende, in alle fremden Formen viel leichter als selbst das bewegliche Deutsch umgießbare Sprache, schon den Dichter durch ihre unergründliche Bereicherungsfähigkeit in seinem Schaffen unvergleichlich unterstüßt, während seine Gedanken von dem Bewußtsein einer Nationalität getragen werden, die ein Viertel der bewohnten Erde überzieht und deren Stämme in das landschaftliche Kaleidoskop nordischer Eismassen und ewig schweigender Schneewüsten, asiatischer Prunkpaläfte, deutscher Elbgefilde, ukrainischer Steppen und chinesischer Mauern sehen.

Wir wollen hier den troßigen Muth, mit dem der Panflavismus auf die Zukunftsgestaltung der Dinge blickt, nicht adoptiren; es genüge, den Glauben an das dereinstige Allumfaffen des slavischen Geistes, auch in Bezug auf das Reich der Poesie, der als Grundgedanke alles Schaffen der heutigen Slaven durchzieht, zu konstatiren. Wir werden bei Tjutschev das Regen des Geistes der Weltbildung gewahr, die durch die angeborne, nationale Empfänglichkeit, Studien und den Verkehr mit der großen Welt bedingt, dennoch bei Tjutschev ebenso wenig, wie bei anderen Dichtern seines Volkes, den widerlichen Eindruck der allgemeinen Verflachung und Zerfahrenheit hervorruft, den wir leider bei so vielen deutschen,, kosmopolitischen" Dichtern wahr. nehmen. Er ist Kosmopolit, aber nur im russischen Weltreich, seine Wünsche rufen die Adler des großen Slavenkaisers bis an die fernsten Küsten der Erde; durch die abgeschliffenen, verfeinerten Melodieen seiner den westlichen Völkern abgelauschten Lyrik zittern jene eigen thümlichen echt slavischen, wehmüthigen Molltöne hervor, wie sie in unendlicher Fülle seinen vaterländischen Volksliedern entquellen. in seinem:

An der Newa.

Ich stand und schaut' am Newastrom,
Hier feuchte Nebel auf ihn sinken
Und matt zu mir herüberblinken
Die Kuppeln dort vom Isaaksdom.
Dort oben dunkle Wolken geh'n,
Von rauhen Stürmen wild getragen,
Und bei der Dämm'rung grauem Lagen
Im Eis die grünen Wellen steh’n.

Da, bei der wilden Flocken Flucht, Dacht ich an's reine Land der Sonne, Hin, wo gewiegt in Schönheitswonne, Ju Strahlen flammt Neapels Bucht

So

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Gern schau ich, Freund, das Feuerblinken Der flüff'gen Gluth des Purpurweins, Schau' gern mir zwischen Blättern winken Im Herbst die dunkle Frucht des Hains.

Ich schaue gern, wie ganz versunken

Die Welt in Lenzes Lust und Pracht, Wie in ihm schlummernd düftetrunken

Sie wonnevoll im Schlafe lacht: Wie Frühlingsduft an holde Wangen, Sie höher röthend, lüstern fliegt, Wie durch die Locken voll Verlangen

Er weht, und um den Mund sich schmiegt. Doch, was dem Auge Cypris böte,

Und Weinesglanz und Rosengluth,
Was ist es gegen Thränenfluth,
Den Thau von Gottes Morgenröthe!
Der Himmelsstrahl, der hier sich bricht
In helle Funken aufgesogen
Wirst glückverheißend Regenbogen
Auf dunkle Lebenswolkenschicht.
Wirst an des Sterblichen Zenith,

Du Thränenengel, tröstend ziehen,

Fühlt er der Leiden Schatten fliehen,

Und freundlich soll ein Trostgebiet

Von Himmelsstimmen in ihm blühen.

Seine didaktische Poesie ist allegorisch, echt orientalische Gnosis. Dschelalledin Rumi hätte Gedichte wie folgende nicht zu verleugnen: Eisgang.

Auf einer Welle nach der andern,

Die nun des Frühlings Weh'n belebt, Schwimmt, wie zum Ocean fie wandern, Nun eine Scholl' und sinkt und schwebt.

Db sonnbeglänzt in Regenbogen

Sie spielt, ob sie im Dunkeln zieht,
Sie werden alle gleich gezogen

Zu einem Ziel, dem nichts entflieht.
Die großen all', sowie die kleinen,
Verlieren ihre Urgestalt,
Im Element sich zu vereinen

Zwingt sie des Meeresgrabs Gewalt.
Land des eiteln Menschenlebens!
Wie thōricht bist du, fterblich Ich!
Ist dieß die Deutung deines Strebens?

Trifft einstens auch dies Schicksal dich?

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Auch deine Wasser, Menschengeist,
Treibt jener dunkle Zwang zum Fallen,
Der bald voll Kraft emporzuwallen
Sie heißt, und dann zur Tiefe reißt!

Wie strebt zum Himmel kühn dein Lauf!
Doch eine Macht, verborgen waltend,

Bricht dich, den Strahl zu Staub gestaltend,

Und löst in dünnen Rauch dich auf.

Eine bedeutende Anzahl seiner Dichtungen verherrlicht „Den Fels im Meere", d. h. Rußland. Wir wählen eine, der Stimmung unserer vorher mitgetheilten, in seiner Stimmung näher liegende:

Tagesanbruch bei Stambul.

Der Hahn ruft nicht zum ersten Mal

In wilden Schreien, lauten, hellen Schon bleicht des Halbmonds matter Stahl, Es röthen sich des Bospors Wellen

Dem Gold, das dort im Osten lacht,

Tönt noch kein Gruß von Glockenzungen,

Doch ist vorbei die bange Nacht,

Und froh der Tag bald durchgedrungen.

Auf, Rußland, auf! die Stunde naht!
Erheb' dich, unter Chrifti Fahnen
Mit Glocken in der Zarenstadt*)

Zur Wiedertaufe zu ermahnen.

So nimm denn deinen Freudenlauf,

Du Glockensang hin durch den Often,

So lock' ihn an, so ruf' ihn auf:

„Laßt euer christlich Schwert nicht roften!"

Mit Gett, in dem dein Hoffen lag,

Kannst, Rußland, deiner Kraft du trauen:

Bald wird ein großer Zukunftstag

Des gläub'gen Ostens Einheit schauen.

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-Neues Gedicht von Longfellow. Den Freunden und Verehrern Longfellow's, deren es auch in Deutschland nicht wenig giebt, wird die Nachricht willkommen sein, daß der liebenswürdige amerikanische Dichter vor kurzem wieder mit einem Bändchen Poe fieen hervorgetreten ist.") Der Held des längsten und anziehendsten von diesen Gedichten, Miles Standish, ist eine historische Person, der Sprößling eines altenglischen Geschlechts, das noch jezt existirt. Wie viele seiner Landsleute im Zeitalter Elisabeth's, versuchte er sein jugendliches Schwert zuerst auf den Schlachtfeldern der Niederlande, wo die große Sache der politischen und religiösen Freiheit ausgefochten wurde. Nachdem er den Holländern in ihrem Unabhängigkeitskampfe beigeftanden, schiffte er sich in Leyden nach Ameríka ein und war der tapfere Verfechter und Beschüßer der kleinen Schaar von Auswanderern, die im Jahr 1620 an den Küsten Neu-Englands landeten, um dort, vor religionspolizeilicher Verfolgung sicher, Gott in ihrer eigenen Weise zu dienen. Miles wurde durch seine militärische Erfahrung und feinen weltmännischen Takt in den Stand gefeßt, die Indianer zu besiegen oder mit ihnen vortheilhafte Verträge ab, zuschließen, und er leistete so den,,Pilger-Vätern“ wichtige Dienste indem er bei einer Gelegenheit die Kolonie New-Weymouth vor Untergang rettete. Ueber sein Privatleben erzählt die Tradition, dah er sich der freundschaftlichen Dazwischenkunft eines gewissen John Alden bediente, um einem hübschen Puritanermädchen den Hof zu machen, daß aber die Schöne sich zum Unglück in den jugendlichen Abgesandten verliebte, den der alte Haudegen so unvorsichtigerweise zu seinem Brautwerber erwählt hatte.

,... As he warmed and glowed, in his simple aud eloquent language, ,,Quite forgetful of self, and the full praise of his rival, ,,Archly the maiden smiled, and, with eyes overrunning with laughter, „Said, in a tremulous voice,,,Why don't you speak for yourself, John?” Diefe Liebesverhandlung und ihr Erfolg ist das Thema des neuen uns von Longfellow dargebotenen Gedichts, in welchem er, wie in feiner,,Evangeline", es versucht, dem Hexameter das Bürgerrecht in der englischen Poesie zu verschaffen.

*) Zarenstadt (Zarigrad) = Konstantinopel.

**),,The Courtship of Miles Standish, and other Poems". By Henry Wadsworth Longfellow.

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No 120.

für die

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Literatur des des Auslandes.

England.

Berlin, Donnerstag den 7. Oktober.

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Wer doch jezt Nuffisch verstände! Die Ruffen sind nach meinem neuesten, autoptischen Studium der Völker-Physiognomieen, das einzige glückliche Volt in der Welt. Sie allein find jung, hoffnungsvoll und haben Inhalt und Zukunft. Welch ein männlich-bräunliches, elastisches, feueräugiges, lachendes, lustiges Völkchen zwischen den Hamletschen, zänkischen, kritischen, vorsichtigen, leutescheuen Deutschen, den steifvatermörderlichen, wachsfigurlichen, bewhiskerten, stets penibel rafirten, jungen Engländern ohne Schultern, ohne Rundung und Schönheitslinien auf dem Rücken, ohne Waden und auf beiden Händen links, wie Heine sehr richtig sagte schon vor beinahe einem halben Jahrhundert, den noch mehr verwässerten und dann ausgetrockneten jungen Amerikanern, den gedankenlos schwaßhaften, zudringlich höflichen Franzosen, den doch dies waren etwa die Völker, die ich in der Londoner Arche Noah während einiger Augusttage etwas näher kennen lernte. Diese Arche war – und ist noch jest die felfenund fluft- und waldgesäumte, inwendig in Hügel und Thal, Feld und Wald, malerischen Dörfchen und Städtchen, schlingpflanzen- und blumenversteckten Villa's, Cottages und strohgedeckten, idyllischen Hütten, noch durch Stage-coaches kommunizirenden Ortschaften malerisch geschmückte und beinahe tropisch überüppige Insel Wight im rauschenden, wogenden, stets mit frischen, weichen Winden und unzähligen Farbentinten spielenden Meere draußen im Süden vor Portsmouth, Southampton und Spithead. Es hatten sich im August Repräsentanten aller Nationen hierher geflüchtet. Die Postmeisterin von Shanklin, die mit spottschlechten Cigarren, Thonpfeifen, Zuckerwerk für Kinder, geräucherten Fischen, Zwirn und Nadeln und angekommenen Briefen handelt, winkte eines Morgens einen langen, bärtigen Doktor von meiner Seite und behauptete ihm dreift in's Gesicht, daß er der Count Cavour sei, an welchen ein Brief angekommen war, daß er ihn annehmen solle und sie ganz vorzügliche Cigarren habe. Ich will damit uur sagen, daß auch berühmte Italiäner (außer berüchtigten) da waren. Beiläufig gesagt, wird der erwähnte Doktor, der sich Equipage hält und die nobelste Praxis in den höchften englischen Kreisen hat, welche er sich durch leidenschaftliches Studium, glücklichste Diagnose und berühmte Kuren erwarb, der nie eine politische Zeitung liest und sich seit Jahren jedes Gespräch über Politik verbittet, von der jezt hier schwärmenden französischen Polizei Tag und Nacht zehnfach, zwanzigfach überwacht und auf Schritt und Tritt begleitet, weil er juft für Denjenigen gilt, der die nächsten Handgranaten in Paris schleudern werde.

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Ich Unglücklicher bin schuldlos Schuld daran. Ich allein! Ich habe ihm eines Abends im schrecklichsten Wetter eine folche Granate gebracht. Ich traf ihn nicht zuhause und ließ die Granate wahr scheinlich das Modell für die übrigen - nebst ein paar Zeilen auf dem Tische, wo sie ein Dienstbote (die englischen Dienstboten stehen jezt alle in dem Verdachte, daß sie sich auch als Aufpasser und geheime Polizei ein paar Groschen klein Geld nebenbei verdienen abgesehen von anderen Sporteln, z. B. 50 Pfund jährlich neben dem Lohne durch alle mögliche, Sitte und Gebrauch gewordene Unterschlagungen eine Patientin des Doktors, die fünf weibliche und vier männliche Dienstboten hat, versicherte ihn in meiner Gegenwart, daß, wenn die erste Köchin mit 50 Pfund Betrug im Jahre zufrieden sei, fie sich auch für fehr zufrieden halten müsse →) wo also ein Dienstbote sie entdeckte, examinirte, furchtbar mysteriös fand und gehört gen Ortes in den entseßlichsten Farben schilderte, mit dem Poststriptum, daß der Doktor sie gleich am folgenden Morgen geheimnißvoll ein • gepackt und selber auf die Post gebracht habe. In Folge davon tras ten ihm die mouchards thatsächlich auf die Hacken und gingen Tag und Nacht vor seiner Thür auf und ab. Dies wurde so arg, daß er

1858.

sich an den englischen Polizei-Chef wandte und ihn um Schuß gegen die Polizei bat, mit dem Bemerken, daß, wenn irgend etwas gegen ihn vorliege, man direkt herausrücken, ihn anklagen, ihn wohl gar arretiren und vor Gericht stellen solle, eher Alles, als dieses Schleichen, Hackentreten und Horchen. Die Folge war, daß die Wächter der Sicherheit in Paris, nun in London, weitere Kreise um das Haus des Doktors beschreiben und ihm die Hacken nicht mehr abtreten dürfen. Meine Eingabe mit einer genauen Beschreibung der unglück lichen Taschengranate hat nichts geholfen. Meine unglückliche Taschengranate besteht aus einem sehr netten, glatten, plastischen Balle von Thier- und Pflanzenkohle gebrannt. In dem Kohlenballe ist ein Loch, in welchem eine Röhre von Glas befestigt ist. Ueber das hervorstehende Ende der Glasröhre ist ein Schlauch von vulkanisirtem Gummi gezogen, der in eine Knochenspiße, wie eine Pfeifenspiße, endet. Der Ball steckt in einer Kapsel von Zink mit Desen, an welchen „rothe“ Schnüre befestigt sind. Man kann das Ganze in die Hand nehmen, wie eine Reinette, und es thut Einem nichts. Aber wenn die Taschen-Höllenmaschine losgeht? Sie sprengt ein halb Schock Menschen in die Luft,,,und finden allda ihre Gruft". Die Schildwach reißt es auch mit fort, sie steht an einem andern Ort", wie es in dem berühmten Liede vom Münchener Pulverthurm heißt (das man von Löwenstein in Berlin fingen hören muß). Vielleicht ist meine Taschen-Höllenmaschine noch schlimmer, wie der Münchener Pulverthurm, wenn sie losgeht. Und wenn sie zu Tausenden losgehen? Da sind sie schon zu Laufenden und werden noch alle Tage offen und massenweise fabrizirt. In Fleetstreet, nicht weit von der Punch-Office, ist sogar ein offener Laden, wo sie öffentlich verkauft

Die Fabrik ist ganz in meiner Nähe, gestüßt auf ein CompagnieKapital von 10,000 Pfund. Die Fabrication ist patentirt, so daß die Engländer, oder vielmehr der deutsche Erfinder, ein förmliches Monopol auf diese infernale Taschen - Höllenmaschinen - Fabrication genießen. Der Teufel trat zu mir und sagte: Mache Geld mit diesen Geheimnissen. Du kannst dir die Zwanzig-Frankenstücke tonnenweise zukollern lassen, wenn du es recht pfiffig und geheimnißvoll anfängst, und nach Art der Spione von Profession Berichte schmiedest, die der Phantasie ungeheure Perspektiven eröffnen, in welchen die Verschwornen, Verurtheilten und Gefangenen schaarenweise baumeln. Aber von der anderen Seite kam die Tugend und sagte: Verachte den schnöden Gewinn, schreib's fürs Publikum an das „Magazin für die Literatur des Auslandes“ und begnüge dich mit dem stets pünktlich eintreffenden Honorar: ist doch was Gewisses. Was wollte ich machen? Als siebenjähriger Londoner wär' ich lieber zum Teufel gegangen, um endlich einmal Geld zu machen, aber die Tugend siegte sie ist eine alte Flamme von mir, und man weiß nicht, was sie einem noch mal nüßen kann troß dieser Zeitverhältnisse. Und so steht's in meinem Briefe für das,, Magazin", dem ich nun auch die Enthüllung, die Pointe nicht schuldig bleiben darf.

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Die Fabrik, der Laden, die Compagnie (ich bin auch Actionair und habe meine Actien in einem feuerfesten Pulte, so daß man mich nicht mehr so über die Achsel anzusehen braucht, wenn ich einmal auf die Börse fomme), die von mir gebrachte und von dem Doktor abgesandte Taschen-Höllenmaschine, die Polizei hinterher — das Alles sind nüchterne Thatsachen. Auch meine Eingabe. Nur daß man ihr keinen Glauben zu schenken schien. Es würde das Brod der „,detectives" und mouchards verderben. Aber auch sie enthielt schon die ganze Auflösung. ganze Auflösung. Diese Hand-Granaten sind nämlich von Herrn Bühring aus Mecklenburg erfundene und patentirte „Taschenfilter“, ein Theil der neuen, vielfältigen Verwendung der plastischen Kohle, wofür sich eine Compagnie mit 10,000 Pfund etablirt hat. Sie macht alle Arten von Filters aus plastischer Kohle, und das Parlament ließ sich etwas Themse-Waffer damit filtriren, um die ganze Kloake dieses Flusses auf diese Weise im Großen reinigen zu laffen. (Aber nach der Hige und des Auslandes wegen scheint auch diese inländische Reform wieder an den Nagel gehangen worden zu sein.) Die Taschenfilter, wie ich einen als Höllenmaschine beschrieben habe, kann man in jeder Pfüße und in jedem Wasser anwenden. Man wirft deu

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