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eingetroffene Dampfer,, Star of the West" neue Nachrichten von
borther gebracht. Die Journale sind mit so langen Berichten darüber
angefüllt, daß ich nicht wagen würde, einen dergleichen beizufügen,
wenn ich nicht in der ,,New-Yorker Abend-Zeitung" vom 15. Juli
einen kürzeren gefunden, der gleichwohl das Wesentliche enthält und
den ich mittheile wie folgt:

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Städte Gras wachsen wird. In Sacramento und Stockton herrscht gar kein Leben mehr, außer an den Stationen der Landkutschen und der Dampfboote. Bauerngüter und Vorräthe werden zu Schlauderpreisen ausgeboten, dagegen steigen die Arbeitspreise. Die ZimmerLeute haben ihren Tagelohn von 4 auf 5 bis 6 Doll. geschraubt, die Maurer von 6 Doll. auf 7 Doll., die Ablader von 5 auf 6, BauhandDie Zeitungen, welche der ,,Star of the West" aus Kaliforni en langer von 3 auf 4, Heizer auf Dampfbooten von 60 auf 80 Doll. Monatslohn. Beim Bau der Sacramento-Eisenbahn beschäftigt man bringt, find voll von den handgreiflichsten Symptomen des dort herrnun Chinesen, da weiße Erdarbeiter gar nicht mehr zu haben sind. schenden Goldfiebers. Vom 5. bis zum 20. Juni waren in San Francisco vier oder fünf Schiffe von der Mündung des Fraser River Viele von den Quarzmühlen haben ihren Betrieb einstellen müsseu, und wenn die Auswanderung noch kurze Zeit so fortgeht, müssen auch angekommen und jedes derselben hatte eine Unmasse verworrener Details über die Goldfünde an jenem Flusse mitgebracht Mit diesen Details die übrigen feiern - Wo man geht und steht, hört man das Wort find nun alle kalifornischen Zeitungen bis an den Rand vollgestopft.,,Fraser River." Jeder Bekannte fragt Dich, nicht mehr ob, Von zahllosen einzelnen Abenteurern, die nach dem Goldlande gegangen, sondern wann Du dahin gehst, oder theilt Dir mit, daß er nächstens wird erzählt, wo und wie viel Gold sie „gemacht“ haben, mit der abreise, oder daß er abreisen würde, wenn er könnte. Alle an den umständlichsten Genauigkeit wird über die Reiseroute, über die Schiff Läden zur Schau ausgestellten Waaren sind mit dem Zauberworte fahrt auf dem Fraser River, über das Klima, die Bodenbeschaffenheit, bezeichnet; da giebt es:,,Wollene Decken für Fraser River";,,Hemden die Gommunicationswege, die Indianerbevölkerung, die dort bestehenden für Fraser River";,,Schaufeln für Fraser River";,,Bohnen für gefeßlichen Vorschriften, die Preise der Lebensmittel, die muthmaßliche Fraser River"; "Pork für Fraser River" c.; dann wieder: „AusAusdehnung der Goldregion c. berichtet. Nach der Masse dieser verkauf unter dem Kostenpreise, weil der Eigenthümer des Geschäftes Materialien zu urtheilen, hätte man jeßt binnen 2 oder 3 Monaten nach dem Fraser River geht", und Aehnliches. Hier stolpert man mehr und genauere Kenntniß von dem früher kaum dem Namen nach über einen Zeitungsjungen, der mit aller Kraft seiner Lungen schreit: ,,Extrablatt der Alta! Neuigkeiten vom Fraser River! Gold beim bekannten Neu-Kaledonien erlangt, als ohne die Entdeckung des Goldes in hundert Jahren. Eine Sichtung und Kondensirung dieser massen Scheffel!" Dort wieder stößt man auf eine Schaar verwilderter Gestalten, die, Arm in Arm einhertaumelnud, nach der Melodie von Oh Susannah" fingen: baften Notizen ist kaum möglich, da es an Anhaltspunkten zur Beurtheilung ihrer Glaubwürdigkeit gebricht

Als ausgemacht ist wohl das Vorhandensein außerordentlich reicher Goldlager am Fraser River zu betrachten. Wenigstens hat von den Vielen, die bereits von dort zurückgekehrt sind, um sich mit Lebensmitteln, Geräthschaften u. s. w. zu versorgen, kein Einziger die Sache in Abrede gestellt. Fast Alle ohne Ausnahme versichern, daß ein geübter Goldwäscher auch mit den einfachsten und rohesten Geräthen an 10 Doll. den Tag gewinnen könne. Dabei ist aber das Gold so fein, wie Staub, so daß bei dem urthümlichen Verfahren mit Pfanne und Wiege ein großer, wo nicht der größte Theil desselben verloren geht. Mit Quecksilber behandelt, würde die goldhaltige Maffe der gleichen Arbeitskraft einen doppelt so großen Ertrag gewähren. Das Gold findet sich am Flusse etwa 90 englische Meilen von seiner Mündung stromaufwärts. Auch an dem, in den Fraser River mündenden Thompsonflusse und an den Ufern des von ihm gebildeten ShushwapSees, will man es gefunden haben. Soweit der verbürgte Sachverhalt.

Von der Wirkung, welche diese Nachrichten in Kalifornien hervor. gebracht haben, kann man sich hier wohl kaum einen Begriff machen. Ein förmlicher Wahnsinn scheint sich eines großen Theiles der Bevölkerung bemächtigt zu haben, vor dem selbst die eindringlichsten Warnungen der Besonneneren ungehört verhallen. San Francisco hat wieder ganz das Aussehen, wie vor neun Jahren. Eine Menge wilder und kräftiger Gestalten mit wettergebräunten Gesichtern und vollen Bärten, in groben wollenen Hemden und nichts weniger als modernen Kleidern, mit Radehacken, Erdpfannen und wollenen Decken unter den Armen, beleben die Straßen und drängen sich in die Läden, wo Geräthe für Goldwäscher und Waffen verkauft werden. Ganze Minen Pläße in Kalifornien stehen verlassen, oder werden nur noch von den faltblütigeren und genügsameren Chinesen bearbeitet. Die Arbeiter wollen nicht mehr zu dem früheren Lohne arbeiten, da sie von den Goldschäßen des neuen Dorado träumen. Bis zum 19. Juni waren bereits 9216 eingeschriebene und beim Zollamt deklarirte Passagiere auf Dampf- und Segelschiffen nach Neu-Kaledonien abgereist, und da diese Declarationen selten mehr als drei Viertel der Passagiere angeben, Fo kann man die Gesammtzahl ohne Uebertreibung auf 12,000 schäßen. Man rechnete darauf, daß bis Ende Augusts sich die Gesammt Auswanderung aus Kalifornien auf nicht weniger als 40,000 Köpfe belaufen würde. Durch einen von dem Dampfboot,,Surprise" angestellten Versuch hat sich ergeben, daß der Fraser River bis auf 150 Meilen von seiner Mündung für Dampfboote fahrbar ist und diese Nachricht wird Tausende, welche sich vor der langwierigen und gefährlichen Bergfahrt in leichten Indianerkähnen scheuten, zur Abreise bestimmen.

Der Korrespondent eines hiesigen Blattes schreibt:

"Jedes Goldgräberlager stellt ein Kontingent zu der Hedschira nach Neu-Kaledonien; manche nur ein Zehntel, manche die Hälfte. Der Handelsverkehr nach dem Innern stockt gänzlich; den Krämern, Gastwirthen, Gärtnern und Bauern in den Goldbezirken laufen ihre Kunden und Schuldner davon, und so wie sie leiden, werden es auch ihre Gläubiger müssen. Die Zeitungen im Innern liegen fast in Krämpfen wegen dieses Goldfiebers; fie argumentiren dagegen, sie bitten und betteln dagegen, sie machen es lächerlich, ja sie möchten es auf gut Kalifornisch beim Kragen nehmen und todtschlagen, wenn es sich nur greifen ließe. Der Druck auf den Geschäften im Innern ist sehr schwer. Das Eigenthum sinkt im Werthe und Schwarzseher Dafim vächten Jahre in den Straßen der größten Minen

دو

I'm gwine (b. i. going) to Fraser River with the washbowl on my knee. Wir hatten hier einen Anfang von religiösen Revivals, aber das Goldfieber hat ihnen rasch ein Ende gemacht. Wer hätte jezt Zeit und Lust, sich um sein Seelenheil zu kümmern? Gold ist die Losung. Der Coroner klagt darüber, daß gar keine Selbstmorde mehr vorkommen. Sogar einige sentimentale Literaten haben darauf verzichtet, mit Mignon nach dem Lande zu feufzen, wo die Citronen blühen und sich auf den Weg nach Neu-Kaledonien gemacht. Kurz, Kalifornien ist oberst zu unterst gekehrt und weiß nicht mehr, wo ihm der Kopf steht."

Im neuen Goldlande selbst entwickelt sich rasch jenes wilde und tolle Treiben, unter welchem in Amerika plöglich neue Staaten zu entstehen pflegen. So außer Rand und Band, wie in Kalifornien, wird es freilich nicht dort zugehen können, denn die Hudsonsbay-Compagnie führt ein strenges Regiment und mit England ist nicht gut Kirschen essen, wenn man ihm sein gutes Recht kränkt. Den in den Köpfen kalifornischer Abenteurer auftauchenden Gelüften nach Errichtung eines Yankeestaates auf englischem Gebiete hat der Gouverneur rasch einen Dämpfer aufgesezt und durch strenge Eintreibung der vorschriftsmäßigen Abgaben den Kaliforniern gezeigt, daß man mit England nicht so wie mit Mexiko oder Nicaragua umgehen kann. Auch die Indianer in Neu-Kaledonien lassen sich nicht so brevi manu vertilgen", wie die in den Vereinigten Staaten. Daß es zwischen ihnen und den Goldsuchern, vielleicht auch zwischen diesen und den englischen Behörden, bald zu Konflikten kommen wird, ist mehr als wahrscheinlich. Daß das kalifornische Goldfieber eine ansteckende Wirkung auf die östlichen Staaten, oder Europa haben werde, fürchten wir nicht. Die Goldgräberei hat seit den Erfahrungen in Kalifornien und Australien viel von ihrem Reiz verloren; außerdem repräsentiren es sich seit der Krisis nicht mehr in den Händen vieler sonst zu die Kosten der Reise nach Neu-Kaledonien ein kleines Kapital, wie Abenteuern geneigten Leute befindet.

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Aus der Korrespondenz des New-York Tribune vom 15. Juli füge ich noch bei, daß der erste Weiße, der dort Gold gegraben, Charles Adams, auch schon von seinem Partner, einem gewissen Mc Donald, soll erschossen worden sein. Adams wollte nämlich mit — In Kalifornien dem gemeinschaftlich gegrabenen Golde entweichen und ward deshalb von Mc Donald mit einer Kugel niedergestreckt. ist man sehr besorgt, daß diese neuen Minen nachtheilig auf KaliA. Böhme. fornien einwirken und dort die Geschäfte herabbringen könnten, VerNew-York. muthungen, die vorläufig dahingestellt bleiben müffen.

Estland.

Zur Estnischen Sage.

Unter den in neuerer Zeit bekannt gewordenen Sagen der Eften hat keine so allgemeinen Anklang gefunden, wie „Koit und Ämärik“, welche die gegenseitige Zuneigung des Morgen- und Abendroths feiert.) Aber bald ließen sich Stimmen vernehmen, welche die ganze Sage für eine Schöpfung des würdigen Erzählers (Fählmann's) erklärten. Einigermaßen entschuldigen konnte die Zweifler der unleug

*) S.,,Magazin" vom Jahre 1844, Nr. 43, wo die Sage so wiedergegeben ist, wie Fählmann sie angeblich dem Volke nacherzählt hat. Frau Minna v. Mädler zu Dorpat, die Gattin des berühmten Astronomen, hat Koit und Ämärik" in schöne deutsche Verse gekleidet, welche im Jahrgang 1845 der Dorpater Zeitschrift „Inland“ (Nr. 43) zu finden.

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bare Umstand, daß Fählmann dem von ihm entdeckten Edelstein etwas zu modern-romantische Fassung gegeben. Erst im Jahre 1854 wurden alle Zweifel niedergeschlagen, als ein Feldmesser, Namens Lagos, die Sage aus dem Munde eines Esten in der Ursprache niederschrieb. Die Aufzeichnung dieses Herrn Lagos und die Fählmannsche unterscheiden sich nur in der Einkleidung und darin, daß erstere zwei von einander verschiedene Sagen einander angekittet zeigt, ein Prozeß, bei welchem Koit und Ämärik" vielleicht etwas Einbuße erlitten haben. In Ahlqvist's,,Estnischer Literatur-Geschichte" finden wir das zusammengewachsene Sagen-Zwillingspaar estnisch und finnisch mitgetheilt;) es lautet also:

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,,Eine Mutter hatte zwei Töchter, Widewik und Ämärik. Beide waren schön, schmuck und niedlich, und wie ihr Aeußeres, so waren auch ihre Sitten. Sie hatten, wie es im Liede heißt, weißes Antlig, rothe Wangen und kohlschwarze Augenbrauen.**)

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Als die Sonne zum Schöpfer einging (unterging), kam die ältere Tochter mit zwei Stieren vom Pflügen, und führte sie, wie der verständige Mensch immer thut, an den Fluß zur Tränke. Wie aber bis auf den heutigen Tag die Schönheit der Mädchen erstes Gebot ist, und niedliche Dirnen oft in den Spiegel schauen, so war dies auch Sitte und Glaube der schönen Widewik. Sie ließ die Stiere Stiere sein, ging ans Ufer des Flusses, und siehe! der Silberspiegel des Wassers strahlte die kohlschwarzen Brauen und die goldfarbigen Wangen so lieblich zurück, daß es eine Herzensfreude war. Der Mond, welcher, nach Gottes Befehl und Verordnung, an Stelle der beim Schöpfer zur Ruhe eingegangenen Sonne die Erde beleuchten sollte, vergaß der gewissenhaften Verwaltung seines Amtes, ließ sich vor Liebe schnell wie ein Pfeil hinab in den tiefen Busen der Erde – auf den Grund des Flusses und mit einem Male war der eine Mund dicht beim — anderen und die Lippe des Einen an der des Anderen. Der Mond freite mit einem Kusse um Widewik als um seine Braut, vergaß aber dabei sein ganzes Geschäft — und fiche! dichte Finsterniß bedeckte die Erde, so lange der Mond an Widewik's Busen verweilte! Da ereig nete sich ein großes Unglück. Der Würger, der Wolf, in dessen Händen unterdessen alle Macht war, zerriß, weil Niemand ihn sehen konnte, den einen Stier der Widewik, welcher aus eigenem Antriebe in den Wald gegangen war, um Futter zu suchen, und nahm ihn zum Fraße mit sich fort. Obgleich der zärtlichen Nachtigall helle Stimme das Dunkel durchdrang: laisk tüdruk, laisk tüdruk, ööpik! kiri-küüt, waule, waule, too piits, too piits! tsäch, tsäch, tsäch!" (säumiges Mägdlein, fäumiges Mägdlein, die Nacht wird zu lang! bunter Rückenstreif, ***) an die Furche! an die Furche! hol die Peitsche, hol die Peitsche! tsäch, tsäch, tsäch!) — doch hörte Widewik nicht auf ihren Zuruf, sondern vergaß Alles, was nicht Liebe war. Aber die Liebe ist tauh, blind und ohne Verstand; von allen fünf Sinnen hat sie nur das Gefühl. Als Widewik endlich, aus ihrer Liebesvergessenheit er wachend, bemerkte, was der Wolf Böses gethan, weinte sie so herzlich, daß aus den Thränen ein vollkommener See entstand. Aber diese schuldlosen Thränen blieben von Altvater nicht ungesehen oder vor ihm verborgen. Er kam von seinem goldenen Himmel herab, die Uebelthat zu bestrafen, und solchen, die wider seine Befehle gehandelt, einen Zwingherrscher zu bestellen. Den gierigen Wolf spannte er zu seiner Strafe auf ewige Zeiten an die Seite des Stieres ins Joch, damit er, vom Eisenstecken des Nordsterns gelenkt, Waffer schöpfe; der Mond aber bekam Widewik zum Weibe. Noch heutiges Tages schimmert Widewik's mildes Antlig an des Mondes Seite, und blickt schmachtend aus dem Wasserspiegel, in welchem sie küssend des Freiers Liebe zum ersten Male geschmeckt.

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Darauf sprach Altvater:,,Damit solche Sorglosigkeit in Betreff des Lichtes ferner nicht vorkomme, und das Dunkel nicht obsiege, will ich ihnen Vorgesezte bestellen, auf deren Geheiß jedes seine Pflicht thue. Mond und Widewik sollen abwechselnd für Beleuchtung der Nächte forgen; euerer Leitung aber, Koit und Ämärik, vertraue ich das Tageslicht; macht eueren Aemtern Ehre. Deiner Sorge, meine Lochter Ämärik, sei die niedergehende Sonne übergeben; lösche sie jeden Abend bis auf den lehten Funken aus, damit kein Schaden entstehe, und lasse sie zum Schöpfer eingehen. Und dein Geschäft, mein Söhnlein Koit, bestehe darin, daß du am neuen Tag das neue Licht entzündest, damit es niemals an Helle_gebreche.“

Beide Sonnendiener thaten redlich ihre Pflicht, so daß die Sonne keinen Tag am Himmel fehlte. Jezt nahcten die kurzen Sommer

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nächte, in welchen Koit und Ämärif einander Mund und Hand bieten, wo die ganze Welt sich freuet, die Vögelein des Waldes hellklingente Lieder singen, die Blumen blühen und schön emporsprießen. Da ver ließ Altvater seinen goldenen Sig und kam auf die Erde, um Lijoni's Freudenfest zu feiern.) Er fand Alles wohl besorgt und geordne und freute sich sehr seiner Schöpfung. Dann sprach er zu Koit und Ämärik: „Ich bin auch mit euerer Verwaltung zufrieden und wünsche euch dauerndes Glück; so werdet denn Weib und Mann." Aber Beide sprachen wie aus einem Munde: Vater! störe uns nicht; wir wollen Braut und Bräutigam bleiben; denn in diesem Verhält nisse haben wir ein Glück gefunden, das immer neu, immer jung bleibt." Und Altvater erfüllte ihren Wunsch und kehrte in seinen goldenen Himmel zurück.

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Mannigfaltiges.

- Die British Association. Die diesjährige Versammlung der britischen Association zur Beförderung der Wissenschaften wurte am 22. d. M. in Leeds unter dem Präsidium des berühmten Anatomer Richard Owen eröffnet. Als Secretair fungirt der General Sa bine, und in den verschiedenen Sectionen führen nachstehende Gelehrt den Vorsig: 1) Mathematische und physikalische Wissenschaften Dr. Whewell; 2) chemische Wissenschaft: Sir John Herschel; 3) Gec logie: Dr. Hopkins; 4) Zoologie, Botanik und Physiologie: Charles Darwin; 5) Geographie und Ethnologie: Sir R. J. Murchison; 6) ökonomische und statistische Wissenschaften: E. Baines; 7) Mechanik: W. Fairbairn. Die gelehrten und literarischen Institute und Handwerker - Vereine von Leeds haben ihre sämmtlichen Näume den Mitgliedern der Association zu Gebote gestellt. Am 29. d. M. finder die lezte Sigung statt, und wird dann zugleich der Ort bestimmt wer den, an welchem man im künftigen Jahre zusammentrifft.

Die

- Der Taback und die italiänische Freiheit. Signor Antonio Gallenga, ein in England lebender Italiäner, von dem bereits mehrere Schriften über die Zustände seines Vaterlandes in englischer Sprache erschienen sind, ist vor kurzem wieder mit einem Buche hervorgetreten, welches das Leben in Piemont zum Gegenstande hat.) Die Schilderung, die er davon entwirft, ist keinesweges geschmeichelt. Herr Gallenga gehört offenbar zu den Malcontenten; weder das Volk, noch die Regierung findet Gnade vor seinen Augen; überall sieht er Entartung, Corruption, geistigen Stillstand und fi liche Erschlaffung. Seine bète noire aber ist das immer mehr übe hand nehmende Laster des Tabackrauchens, in welchem er die Haus Ursache aller unerfreulichen Erscheinungen zu erkennen glaubt, di das moralische und physische Bild feines Geburtslandes trüben. Piemontesen, und die Italiäner überhaupt", sagte er,,,rauchen heat zutage wie die Deutschen und speien wie die Yankees. Der Tabad hat die europäische Civilisation um drei Jahrhunderte zurückgedrängt, und diese abscheuliche Gewohnheit gewinnt, wenigstens südlich von den Alpen, immer größere Verbreitung. Ein Raucher ist nothwendiger Weise ein unreines Thier, und unsere Raucher find sogar noch schmutziger, als sie es bei dieser schmußigen Praxis ohnehin fein müssen.“ Der Taback hebt allen Unterschied der Stände auf; Minister und Senatoren kommen in den Café's mit Valerio, Brofferio und anderen Mitgliedern der wuthschnaubenden (rabid) Opposition oder gar mit sanscülotten Eckenstehern und Tagelöhnern zusammen, um Cigarren zu schmauchen und Eislimonade zu schlürfen. Die schwe ren Wolfen des Tabacks umnebeln das Gehirn, der Geist verfümmer in seiner dumpfigen Atmosphäre und von dem italiänischen Fer bleibt am Ende nur Rauch übrig. Zum Trofte der Tabacksfreun müssen wir jedoch hinzufügen, daß dieses unheilvolle Kraut nicht ganz allein an dem Uebel schuld ist; es theilt dafür die Verantwortlichkeit mit der conftitutionellen Freiheit, welche die leßten Bande des Familienlebens zerriffen und den Italiäner belehrt hat, daß seine Pflicht als freier Mann es ihm gebietet, den ganzen Tag entweder in peripatetischen Diskussionen unter den Säulenhallen zu verbringen, oder in endlosem Geschwäß über seine inhaltslosen Zeitungen, an den Marmortischen seines lärmenden, unfläthigen Café."

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Wöchentlich erscheinen 3 Nuramern. Dreis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und viertel jährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 117.

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Literatur des Auslandes.

Nord-Amerika.

Berlin, Donnerstag den 30. September.

Autobiographie der Lola Montez.

in der dritten Person spricht, uns ihren ganzen Lebenslauf mit allen seinen seltsamen und romantischen Wechselfällen, ihren zahlreichen (übrigens mit großer Decenz erzählten) Liebesgeschichten und wunderlichen Ehestands-Fatalitäten vorführt.°) Ob diese fünfundzwanzigste Lebensbeschreibung wirklich authentischer ist, als die ersten vierundzwanzig, oder ob sie dem spekulativen Geist eines unternehmenden Yankee ihre Entstehung verdankt, wollen wir nicht näher untersuchen; jedenfalls enthält sie, neben einiger Wahrheit, auch eine gute Portion Dichtung, die vielleicht nöthig war, um fie für den verwöhnten Gaumen des transatlantischen Publikums genießbar zu machen.

1858.

Diese schönen Mädchen waren alle cirkassische und georgische Sklavinnen des Fürsten. Die Zahl derselben entsprach der der anwesenden britischen Offiziere und jede von ihnen trug an ihrer Person einen Schaß von Juwelen und kostbaren Steinen. Am Schluffe des Tanzes präsentirte der Fürst jedem einzelnen Offizier eines von diesen reich beladenen Mädchen als Geschenk, indem er genau die verschiedenen Abstufungen des Ranges beobachtete, so daß der Vornehmste unter den Engländern auch die schönste und reichste Sklavin erhielt. Ich werde nicht versuchen, den Ausdruck zu beschreiben, den die Gesichter der englischen Offiziere bei dieser Scene annahmen; aber man wird sich leicht denken können, mit wie trübseliger Miene der alte Lord Auckland dem Fürsten zu verstehen gab, daß englische Geseze und englische Civilisation den Offizieren Ihrer Majestät den Empfang so eigenthümlicher Geschenke nicht erlaubten.“

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Wer ist Lola Montez? Diese Frage ist nicht so leicht zu beant. worten. Es sollen nicht weniger als vierundzwanzig Lebensbeschreibungen dieser schönen Bajadere erschienen sein, die einst im gelobten Lande des Bieres einen so merkwürdigen Wirrwarr anrichtete, und von diesen giebt ihr jede einen anderen Ursprung und erzählt ihre Abenteuer auf eine andere Weise. Einer von ihren Biographen läßt sie in Spanien zur Welt kommen, ein zweiter in Genf, ein dritter auf der Insel Cuba, ein vierter in Indien, ein fünfter in der Türkei; bald ist sie das Kind einer Zigeunerin, bald die Tochter Lord Byron's, bald ist ein indischer Radschah ihr Vater, und man hat sogar das verleumderische Gerücht ausgesprengt, daß eine schottische Waschfrau Von Indien wird die Scene bald wieder nach Europa verlegt. ihre Mutter sei. Jezt endlich kömmt aus Amerika, wo die Dame seit Lola ist von ihrem Gatten in Stich gelaffen worden und sieht sich einigen Jahren ihre Residenz aufgeschlagen hat, ein Buch zu uns her- durch die Noth gezwungen, als Tänzerin aufzutreten. Es beginnt für über, das sich als ihre echten, eigenhändig niedergeschriebenen Memoiren sie ein Leben voll Abenteuer und Triumphe; sie durchzieht den ganzen präsentirt ein Buch, in welchem Lola, die, wie Cäsar, stets von sich` _Kontinent und kommt überall mit gekrönten Häuptern in die allerintimste Verbindung. Wie ihr Landsmann, der hiberno-spanische Kardinal Wiseman, erzählt sie von ihnen Anekdoten, welche grämlichen Geschichtsforschern vielleicht etwas apokryph erscheinen werden — so z. B. folgendes Histörchen, das in der russischen Hauptstadt spielt: Ein ergöglicher Vorfall ereignete sich eines Tages, als sie mit dem Kaiser und dem Grafen Benkendorf, Minister des Innern, in vertraulichem Geplauder über gewisse verdrießliche Angelegenheiten begriffen war, die sich auf Kaukasien bezogen. Plöglich kam die Meldung, daß die höheren Offiziere der kaukasischen Armee im Vorzimmer feien und eine Audienz verlangten. Nun machte der Gegenstand des bisherigen Gespräches es höchst wünschenswerth, daß Lola Montez nicht in einer Konferenz mit dem Kaiser und dem Minister des Innern gesehen würde; um sie daher für den Augenblick unsichtbar zu machen, schob man sie eiligst in ein Kabinet und verschloß die Thür. Die Unterhaltung zwischen den Offizieren und dem Kaiser war kurz, aber äußerst stürmisch. Nikolaus gerieth in leidenschaftlichen Zorn. Es schien der gefangenen Lola, als ob draußen ein Orkan wüthe, und ein klein Bischen weiblicher Neugierde, das sie anspornte zu horchen, um was es sich handle, machte, in Verbindung mit der Mühe, die sie hatte, sich des Hustens zu enthalten, ihre Lage zu einer höchst schwierigen. Das schlimmste aber war, daß mitten im stärksten Wortwechsel die Betheiligten alle mit einander das Zimmer verließen und Lola Montez vergaßen, die im Kabinet eingesperrt war. Eine ganze Stunde lang blieb sie in schmählicher Haft, Betrachtungen anstellend über die etwas drückenden und bedrängenden Ehren, die ihr von hoher Hand zu Theil wurden, als der Kaiser, der, wie es scheint, vor dem Grafen Benkendorf zur Besinnung gekommen war, athemlos zurückeilte, die Thür aufschloß und nicht allein wegen seiner Vergeßlichkeit in einer Weise um Entschuldigung bat, wie es nur einem Mann von seiner vollendeten Courteoisie möglich war, sondern auch dem Opfer 1000 Rubel (750 Dollars) überreichte, indem er lachend hinzufügte: „Ich habe mir das Wort gegeben, wenn ich irgend einen meiner Unterthanen ohne gerechten Grund verhaften laffe, ihn für seine Zeit und seine Leiden zu bezahlen." Worauf Lola Montez ihm entgegnete: „Ach, Sire, ich fürchte, daß dieser Entschluß Sie zu einem armen Manne machen wird.“ Er lachte herzlich und erwiederte:,,Nun, ich freue mich, daß ich es wenigstens mit Ihnen so halten kann.""

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Geboren wurde Lola Montez, wenn wir dieser Autobiographie Glauben schenken sollen, zu Limerick in Irland im Jahre 1824. Dieses Datum stimmt zwar nicht ganz mit dem überein, was man sonst von ihrer früheren Laufbahn in Erfahrung gebracht, indessen darf man es bei Damen mit der Chronologie so genau nicht nehmen. Ihr Vater war ein Sohn Sir Edward Gilbert's, dessen Mutter, Lady Gilbert, für eine der schönsten Frauen ihrer Zeit galt. Die Mutter Lola's war eine Oliver auf Castle-Oliver und sie stammte von der edlen spanischen Familie der Grafen Montalvo, die einst unermeßliche Güter in Spanien besaßen, welche sie alle in den Kriegen mit den Franzosen und anderen Nationen verloren hatten. Die Montalvo's waren ursprünglich von maurischem Blut und kamen unter der Regierung Ferdinand's und Isabella's der Katholischen nach Spanien. Der Urquell des Blutes, das in den Adern der erratischen Lola Montez fließt, ist also irisch und mauro-hispanisch; allerdings ein Amalgam von ziemlich feuerfangenden Ingredienzien. Bei der Taufe erhielt sie die Namen Marie Dolores Elisa Rosanne Gilbert, aber sie wurde immer Dolores genannt, wovon Lola das Diminutiv ist.“

Vater und Mutter gehen nach Indien, wo der Vater stirbt und die Mutter sich wieder verheiratet oder einfach heiratet, denn die böse Welt will wiffen, obgleich unsere schöne Memoiren-Schreiberin nichts davon wissen will, daß das Verhältniß zwischen den Aeltern Lola's ein ganz primitives gewesen sei, an welchem die conventionellen Formen des Ehestandes keinen Theil hatten. Die kleine Lola wurde zu ihrer Erziehung nach England geschickt und sollte, erst vierzehn Jahre alt, an einen steinalten indischen Richter verkuppelt werden, welchem Schicksal sie dadurch entging, daß sie mit einem hübschen Taugenichts von Offizier davonlief. Capitain James führte seine junge Frau nach Indien zurück, wo sich Beide dem Gefolge des General-Gouverneurs Lord Auckland anschloffen und der Zusammenkunft deffelben mit dem Maharadschah Rundschit-Singh in Lahore bei wohnten, über welche wir merkwürdige Dinge hören. „Am Abend gab Rundschit-Singh den britischen Offizieren einen glänzenden Ball, wobei er ihnen die schönsten Tänzerinnen seines Harems vorstellte.

*),, Lectures of Lola Montez (Countess of Landsfeld), including her Autobiography". New York: Rudd & Carleton.

Kehren wir jedoch von Rußland nach dem Westen zurück, und zwar nach Bayern, wo die schöne Abenteurerin in der That eine historische Rolle gespielt hat. Ihrer Darstellung zufolge, hätte fie sich dort als eine wahre Aspasia gezeigt, und sie bemüht sich nach Kräften, das amerikanische Publikum über den von der ultramontanen Preffe angeschwärzten Charakter ihres Perikles aufzuklären. „Richt allein war er einer der gelehrtesten, erleuchtetsten und geistvollsten Monarchen, die Europa seit einem Jahrhundert gesehen, sondern er

liebte auch sein Volk und war im besten Sinne des Wortes ein Vater feines Landes. Während seiner Regierung wurde München von einer Hauptstadt dritten Ranges zu einer der ersten Stellen unter den Residenzen Europa's erhoben. Seit einem Jahrhundert hat kein Monarch soviel für die Sache der Religion und der menschlichen Freiheit gethan, als er. Man sehe jene prachtvollen Gebäude, welche von ihm errichtet worden und welche die Bewunderung ganz Europa's Find: die St. Ludwigskirche, die Allerheiligen-Kapelle, die Theatiner kirche, die Aukirche, das neue Schloß, die Glyptothek mit ihren herrlichen Statuen, die Pinakothek mit ihren Gemälden, das Odeon, die öffentliche Bibliothek, die Universität, die geiftliche Schule, die Schule für adelige Mädchen, die von Bildsäulen prangende Feldherrnhalle, den Triumphbogen, die Ruhmeshalle, den Bazar und die Walhalla. Fast alle diese grandiosen Bauten wurden, nebst den in denselben befindlichen Statuen, von dem König auf seine eigenen Kosten errichtet. Und außer diesen staunenswürdigen Kunstwerken ließ er die großartigsten Arbeiten zur Hebung des inneren Wohlstandes ausführen. Der Kanal, der den Main mit der Donau verbindet und eine ununterbrochene Stromschiffahrt von Rotterdam bis zum Schwarzen Meere herstellt, verdankt ihm seinen Ursprung. Er war es, der den Plan zu den National Eisenbahnen in Bayern faßte, und der die Gesellschaft ins Leben rief, welche Dampfböte von dem höchsten schiffbaren Punkte der Donau oberhalb Donauwerth bis nach Rensburg (Regensburg?) hinabfahren läßt. Endlich gab er seinem Volke das Landrathsystem, welches dem Ackerbauer eine verhältnißmäßige Unabhängigkeit sichert, während er in anderen Theilen Deutschlands ein zitternder Sklave (!) ist."

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Daß Aspasia an allen diesen Schöpfungen und Reformen theilgenommen habe, wird zwar nicht ausdrücklich gesagt und würde sich auch noch weniger mit unseren bisherigen chronologischen Ideen vereinigen lassen, als andere Punkte ihrer Lebensbeschreibung. So viel ist jedoch gewiß, daß die kecke kleine Irländerin ein ganzes Jahr hindurch an den Ufern der Isar allmächtig war. Sie warf ein Minifterium über den Haufen, vertrieb den Ultramontanismus aus seinen ftärksten Bollwerken und seßte ein Regime an dessen Stelle, in welchem sich französische Leichtfertigkeit mit englicher Freiheitsliebe verschwisterte. An ihrem Wiße, ihrer Dreistigkeit ihrer Unverschämtheit, wenn man will — scheiterten alle Ränke der Jesuiten und der öster, reichischen Diplomatie. Erstaunt und erheitert betrachtete Europa dieses wunderliche Schauspiel. Die Priester verkündeten öffentlich, daß es in München nicht mehr eine Jungfrau Maria gebe, und daß Venus ihren Plaß eingenommen habe. Zuerst versuchten die Gegner, fie zu ihrer Partei herüberzuziehen. Es wurde ein Edelmann ge= funden, der ihr das Opfer seiner Hand bringen wollte; dann probirte man österreichisches Gold der alte Metternich hätte eine Million gegeben, wenn sie sich dazu verstände, Bayern zu verlassen; aber Alles war umsonst. Dann kamen Drohungen und Komplotte, ihr den Untergang zu bereiten. Zweimal wurde nach ihr geschoffen, einmal wurde fie vergiftet, und nur der Umstand, daß man ihr zufällig eine zu starke Dosis gab, hat ihr das Leben gerettet. Man wollte ganz sicher gehen und verfehlte gerade dadurch die Wirkung. Und als die Revo. lution ausbrach, welche Lola Montez aus dem Lande trieb, war es nicht die Ueberlegenheit ihrer Feinde an Takt und Einsicht, sondern die brutale Gewalt, erzeugt durch österreichisches Gold, welche diese hervorrief. Gold wurde in den Straßen Münchens ausgestreut, und der Pöbel ich meine hiermit nicht das Volk, sondern die gemeinere Klasse von Müßiggängern und feilen Miethlingen wurde das Werkzeug der österreichischen Partei. Sie kamen mit Kanonen und Gewehren und Schwertern, mit dem Geheul von zehntausend Teufeln, und umringten ihr kleines Schloß. Den Bitten der Freunde zum Troß, die bei ihr waren, trat sie zu dem ergrimmten Haufen heraus, der ihr Leben verlangte. Dies hatte für einen Augenblick den Dies hatte für einen Augenblick den Erfolg, den Tumult zu beruhigen und mußte den Leuten wie ein Akt des Wahnsinnes vorkommen. Tausende Gewehrläufe wurden nach ihr gezielt und Hunderte von fetten und apoplektischen Stimmen forderten sie wüthend auf, den Widerruf alles deffen zu bewirken, was fie gethan hatte. Mit großer Milde - es war keine Zeit zum Schelten erwiederte sie, daß es ihr unmöglich sei, einem solchen Verlangen zu willfahren. Sie habe redlich für das Wohl des Volkes und die Ehre Bayerns gehandelt; man könne ihr Leben nehmen, aber das würde an der Sache nichts ändern, denn ihr Blut werde nimmer beweisen, daß die Gegenpartei Recht habe. Mitten in dieser Rede wurde sie von ihren Freunden in das Haus zurückgeschleppt, und bald nachher, als sie bemerkte, daß man sich anschicke, es niederzubrennen, gab sie den flehentlichen Bitten der Freunde nach und flüchtete sich, als Bauermädchen verkleidet, zu Fuß, durch den Schnee (es war im Februar), etwa sieben Meilen weit in das Junere des Landes. Die Führer der liberalen Partei mußten sich gleichfalls mit ihren Familien auf das Land zurückziehen.“

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sche Intermezzo unserer ernsten und prosaischen Zeitgeschichte, zu Ende gespielt. Aber mit seiner Aspasia sollte auch Perikles von der Bühne scheiden. Ehe Lola Montez Bayern auf immer verließ, kehrte sie, in Knabentracht vermummt, zurück des Nachts reitend und bei Tage klüglich stille liegend und erlangte um Mitternacht eine lezte Audienz beim König. Sie nahm ihm das Versprechen ab, dem Throne zu entsagen; sie konnte den Gedanken nicht ertragen, daß er mit eigener Hand die Reformen zerstören sollte, die er auf ihren Antrieb unternommen hatte. Sie machte ihm die Unmöglichkeit klar, die Regierung beizubehalten, ohne daß er sich zu der schmählichen Herabwürdigung verstände, die großen Thaten zu widerrufen, welche er auf Grund seines eigenen Rechtsgefühls verrichtet zu haben erklärt hatte. Sie überzeugte ihn, daß es für seinen Ruhm zuträglicher sei, wenn dieser Rückschritt durch seinen Sohn geschehe, der ihm doch binnen kurzem auf dem Throne folgen müffe. Die Richtigkeit dieser Ansicht leuchtete dem Könige sogleich ein; er versprach zu abdiziren und hielt getreulich sein Versprechen. Und unter den Sternen des mitternächtlichen Him. mels ging Lola Montez hinaus, um einen legten Blick auf die Thürme und Kuppeln Münchens zu werfen. Sie wußte es, daß, wenn man sie entdeckte, sie eines schmachvollen Todes sterben würde, aber solche Gedanken kümmerten sie wenig. Sie dachte nur an die Vergangen heit; mit der Zukunft hat sie sich, zum mindesten was diese Welt be trifft, nie allzuviel beschäftigt."

Diese Schilderung mag in ihren Hauptzügen ziemlich treu sein, obgleich wir freilich die Details nicht garantiren wollen. Daß König Ludwig die Krone niederlegte, ist hinlänglich bekannt; glücklicher ohne fie, lebt er seitdem als König der Künstler eine friedliche Herrschaft, die ihm Jeder von Herzen noch auf viele Jahre gönnen wird. Die abenteuerliche Gräfin Landsfeld aber verschwand aus Europa, und wir wollen es unseren Lesern nicht zumuthen, sie auf ihren transatlantischen Kreuz- und Querfahrten zu begleiten.

England.

Ein englisches Gymnasium. (Fortsehung.)

Diese saronische Lustbarkeit muß natürlich eine koloffale Eßluft erzeugen; in der That wird sie mit einem Mahl beschlossen, das noch faronischer ist, als der Kampf. Welch ein Effen! Man glaubt sich an den Tisch junger Bauern der Grafschaft verseßt, so sehr ist Alles, was hier gethan und gesprochen wird, volksthümlich, naturwüchsig, grob, brutal, offen, und nur gewisse Nachahmungen der verfeinerter Sitten erinnern an eine beffere Erziehung. Nach einer Eßarbeit, de sei es in Hinsicht der Stoffe, sei es in Hinsicht des Umfanges, nur englische Magen gewachsen sind, kommen die Lieder. Jeder Schüler muß eins fingen, bei Strafe, ein großes Glas Salzwasser austrinken zu müssen. zu müssen. An die Lieder schließen sich die Toaste an. Es ist năm lich Brauch, die Gesundheit der Schüler auszubringen, die am Ende des Semesters die Schule verlassen. Zur Zeit sollte einer der Schulhäupter, der oberste Spielordner und Sittenrichter, also Censor und Aedil in Einer Person, der junge Brooke, von seinen bisherigen Genoffen scheiden, die ihm aus Achtung den Namen Pater gegeben. Dieser Vater des Volkes zu Rugby empfängt mit Dank den ihm zu Ehren ausgebrachten Toast und erwiedert ihn nach englischem Brauch mit einer Rede, in welcher er alle die Schule betreffenden politischen und sozialen Fragen, die unter der Regierung des Doktor Arnold, des Schuldirektors, eingeführten Reformen, die neulich eingetretenen Vorfälle in Ernst und Scherz bespricht. Hören wir ihn:

,,Gentlemen der Schule, ich bin sehr stolz auf die Art, wie Sie meinen Namen gefeiert, und ich wünschte, Ihnen sagen zu könner wie dankbar ich Ihnen dafür bin; aber ich fühle, daß es mir unmöglich ist. Ich werde indeß mein Bestes thun, um Ihnen die Gefühle eines Kameraden auszudrücken, der auf dem Punkte ist, Sie zu verlaffen und der ein gutes Stück®) seines Lebens hier verlebt hat: acht Jahre, die ich nicht hoffen kann, wiederzusehen! Ich will gern glauben, daß Sie mich anhören werden, denn ich werde ein ernstes Wort sprechen. Sie sind verbunden, mich zu hören; denn was frommte es Ihnen, mich Pater zu nennen, wenn sie meine Rathschläge nicht be folgen wollen?... Ich bin wie Einer stolz auf diese Schule; dennoch ist sie weit entfernt, da zu sein, wo ich sie haben möchte. Zuvörderf giebt es unter uns viel zu viel Großprahler. Ich bin nicht für das Spioniren und Einschreiten, weil es zu nichts weiter führt, als die Niederträchtigen noch scheinheiliger und tückischer zu machen, und weil es die Kleinen aufmuntert, uns mit heimlichen Winken zu berichten, was den Stand der Dinge noch verschlimmert. Glauben Sie mit, nichts zerreißt die Bande der Schule so sehr, wie die Brutalitāt Ein brutaler Mensch ist niederträchtig, und Ein Niederträchtiger is genug, um mehrere zu machen; daher ist es mit den Sitten einer

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Hule aus, wenn die Brutalität darin herrscht." (Cheers vonseiten ☛ Kleinen mit anzüglichen Augenwinken auf Flashman und andere hüler). Dann sind es die Besuche in den Kneipen, das Punsch- und Canntweintrinken, und andere schlechte Dinge. Diese Gewohnheiten rden Sie, ich stehe Ihnen dafür, zu keinen guten Ballschlägern d Läufern machen. Sie haben gutes Bier in Ueberfluß, und das für Sie genug; denn das Trinken ist weder anständig, noch mannft, wie auch Einige unter Ihnen darüber denken mögen."

„Noch ein Wort über einen anderen Gegenstand. Einige unter nen denken und sagen: „„Da haben wir den neuen Doktor"), der ch nicht so lange in der Schule ist, wie wir, und läßt sichs doch bei. umen, unsere Bräuche zu ändern! halten wir fest an den Bräuchen d nieder mit dem Doktor!"" Nun liebe ich, wie Irgendeiner unter hnen, die alten Bräuche von Rugby, denn ich bin hier länger, als ie; ich will Ihnen aber einen guten Rath geben, denn ich möchte Sie nicht gern in einen bösen Handel verwickelt sehen. Nieder mit m Doktor! ist leichter gesagt, als gethan. Der fist zu fest auf inem Zweig, den kriegen Sie nicht herunter; ich sage es Ihnen zur achricht. Ueberdies, welche Bräuche hat er denn abgeschafft? Da ar z. B. ein Brauch, die Vorstecknägel an den Wagenrädern herausziehen, und das war ein niederträchtiger und strafbarer Brauch. Bir Alle wissen, was für Unglücksfälle dieser Spaß nach sich gezogen, nd es ist daher nicht zu verwundern, daß der Doktor ihn untersagt at. Laffen Sie uns weiter sehen, weiß Jemand unter Ihnen noch inen Brauch, den er abgeschafft hat?"

,,Die Hunde!" rief ein Quintaner in grünem Rock mit Netallknöpfen und leinenen Hosen, Haupt des sporting interest, ein refflicher Reiter und überhaupt in allen Uebungen sehr geschickt. ,,Sehr gut. Ich gebe gern zu, daß wir fünf oder sechs schlechte Windhunde Jahre lang hielten und daß sie der Doktor beseitigt hat; Llein, was hatten wir davon? Nichts als Zank mit allen Forsthütern er Umgegend. Giebt es noch was?"

Tom brauchte nicht lange zu warten, um gewahr zu werden, daß ie Erinnerungen des jungen Brooke in Bezug auf die vorkommenen Rohheiten nicht eben aus der Luft gegriffen waren. Als der Dokor die Schüler am Abend namentlich aufrief und sie in ihre Schlafammern gehen sollten, flüsterte East Tom in's Ohr: „Bist du schon inmal von der Schlafdecke aufgeschnellt worden?"-,,Nein; thut das „Nein; thut das Deh?" ,,Nicht im geringsten, wenn man nur auf den Fußboden ällt. Viele wollen es sich nicht gefallen lassen. Sollte aber zufällig >iese Nacht die Reihe an dich kommen, leiste keinen Widerstand, versalte dich nur ruhig, so daß du gerade auf die Decke zurückschlägst." Tom hatte Gelegenheit von dieser Anleitung Gebrauch zu machen; enn kaum lagen sie in den Betten, als ein Trupp, angeführt von ›em brutalen Flashman, dem größten Prahlhans der Schule, in ihre Schlafkammer drang. East und Tom ertrugen geduldig die Operaion, ohne sich zu sperren, ohne einen Schrei auszustoßen, so daß sie inverleßt das gefährliche Spiel überkamen, zu großem Mißvergnügen ›es Quälgeistes Flashman, der es beiweitem lieber mit den Opfern u thun hatte, die sich sträubten, heulten und aus Mangel an kaltem Blut auf den harten Boden aufschlugen. Seine Mühe war verloren ind er wollte sich entschädigen. Wir wollen Beide auf einmal srellen!" sagte er.—,,Pfui, Flashman, wie bösartig!" rief ein Kollege son ihm. Hast du nicht gehört, was uns Pater Brooke diesen Abend zesagt hat?" Der Despot mußte der öffentlichen Meinung weichen und sich mit einer sehr gewöhnlichen Luft, ohne Seufzer, ohne Krämpfe, ohne gebrochene Glieder, zufrieden geben. Das begegnet >en Despoten in allen sehr civilifirten Staaten.

,,Aber“, hören wir manches ängstliche Gemüth sagen,,,muß ein olches System unbedingter Freiheit nicht schädlich auf die Moralität ser Kinder einwirken? Unüberwacht, sich selbst überlassen, Herren ihrer Handlungen, müssen die Kinder ja einander gegenseitig verderben." Alter Irrthum, der auf der falschen sozialen Vorausseßung beruht, welche die Kinder mit den Erwachsenen verwechselt. Diese, die das ganze Gepäck der Uebereinkünftlichkeiten, der Vorurtheile, der gesellschaftlichen Unbille hinter sich her schleppen die verderben einander wechselseitig. So ist es aber nicht bei den Kindern: sie stehen dem Instinkt weit näher; sie regieren sich viel mehr, als wir, durch angeborne Wahlverwandtschaften und die natürwüchsigen Gefeße der Sympathie und Antipathie. Das beste Mittel für die Kinder, der sittlichen Ansteckung zu entgehen, ist die Freiheit. Zwei Kinder von edlem, zartem Gemüthe, welchem Stande sie auch angehören, erkennen und nähern sich einander sofort. Zwei Kinder von verderbten Seelen-Anlagen errathen einander auf der Stelle und gehen als Lastergenossen Hand in Hand zum Bösen und zur Verdammniß. Die Gefahr existirt nur für schwächliche Kinder, von gemischten, schwankenden Trieben; nach Umständen würden sie sich dem Guten, oder dem Bösen zuneigen. Geht ihnen Raum, und es sind zwanzig Chancen gegen Eine, daß sie

*) Doktor Arnold hatte erst vor kurzem sein Amt angetreten.

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der Gefahr entgehen: durch die Wahl und den Beistand ihrer Gespielen, durch die öffentliche Meinung, an die fie appelliren können und die bei den Kindern unbestechlicher ist, als bei den Erwachsenen. Eine zu despotische Ueberwachung, die diese natürlichen Bündnisse und Vereine zerstört, giebt die Kinder gerade den Gefahren preis, denen sie vorbeugen wollte.

Die Regierung ist stets den Sitten angepaßt, und folglich ist die Regierung einer englischen öffentlichen Schule wesentlich liberal. Die oberste Gewalt, durch den Direktor vertreten, herrscht und regiert so wenig wie möglich. Sie steigt selten aus ihrer geheimnißvollen Höhe herab, schreitet nur bei bedeutenden Anlässen ein, und stellt ihre Würde nicht bloß, indem sie sich in kleinliche Schüler-Zänkereien mischt und auf läppische Vergehen hin ihre Donner erdröhnen läßt. Genau genommen, giebt es in einer englischen öffentlichen Schule gar keine Regierung, es giebt nur eine Polizei, welche die praeposters, die Schüler der obersten Klasse, ausüben. Sie haben darauf zu sehen, daß die Schulgefeße beobachtet werden, das Betragen der untersten Klassen zu überwachen, Thätlichkeiten vorzubeugen, Niederträchtigkeiten zu bestrafen. -,,Aber das muß ja eine sehr nachsichtige PolizeiVerwaltung sein; denn was läßt sich von einer Behörde erwarten, die selbst der Ueberwachung bedarf?" - Allerdings üben diese Beamten mehr Nachsicht, als besoldete Wächter, da sie ihre eigenen Genoffen zu regieren und zu richten haben; allein ihre Duldsamkeit, wie dehnbar auch, hat ihre Gränzen, die sie ohne persönliche Gefahr nicht überschreiten dürfen., Ihre Macht ist ihnen übertragen worden und sie verwalten sie auf eigene Verantwortlichkeit. Für Ausschweifungen, die fie geduldet, für Ungefeßlichkeit, gegen die sie ein Auge zugethan, müssen sie Rechenschaft geben. Eines Uebermaßes von unzeitigem Eifer hat man sich bei ihnen freilich nicht zu versehen, da sie gerade dazu da sind, der Schule eine kigliche und despotische Ueberwachung zu ersparen; nur eine moralische und freundliche Obhut ist man von ihnen zu fordern berechtigt. Diese jugendliche Obrigkeit beruht auf dem vortrefflichen Grundsaß, daß Kinder und Jünglinge, wie Männer, ihre Handlungen durch eine Polizei aus ihrer Mitte am besten kontroliren. Die Motive des Betragens in einem Kinde können nur seine Gespielen würdigen. Der Erwachsene, der die Kinder zu beauffichtigen hat, beurtheilt nur die erscheinende, massive That und hält sich pharisäisch an den Buchstaben des Reglements; das Kind dagegen beurtheilt die Handlungen nach ihren Ursachen, und faßt sie nach ihrem Geifte auf.

In den Sitten irgendwelcher Lebensstufe giebt es zarte Schattirungen, die demjenigen unbemerkt entgehen, der über diese Stufe bereits hinaus ist. Hier einige Beispiele. Tom hatte eines Tages Streit mit einem viel stärkeren und etwas älteren Knaben. Tom war in den Kampf hineingezogen worden aus einem rein ritterlichen Beweggrund: er wollte ein schwaches, zartes und schüchternes Kind, das der Tyrannei keinen Widerstand entgegenzusehen hatte, vor brutaler Behandlung schüßen. Die Schlacht dauerte etwa eine halbe Stunde, als der praeposter dazu kam. Obgleich die Raufereien verboten sind und dem praeposter obliegt, sie zu verhindern, so ließ dieser dennoch, als er sich über die Veranlassung unterrichtet hatte, dem Dinge seinen Lauf. Als Alles vorbei war, erschien der Direktor plöglich.,,Brooke", redete er den praeposter unmittelbar an, ohne sich um die beiden Helden zu kümmern,,,ich erstaune, Sie hier zu sehen. Wissen Sie nicht, daß ich auf die Schüler der Serta®) zähle, Schlägereien zu verhindern?" —,,Ja, Sir; aber wenn Sie uns auch diese Macht ertheilt haben, so dürfen wir doch nur bescheidenen Gebrauch davon machen." — „Aber sie haben sich ja über eine halbe Stunde geschlagen!",Richtig, Sir; aber Keiner ist verwundet. Ueberdies ist ihr Charakter der Art, daß sie von nun an für die Dauer ihres Aufenthaltes in der Schule gute Freunde bleiben werden; was wohl nicht der Fall gewesen wäre, wenn ich den Kampf jählings unterbrochen hätte. Die Gegner waren außerdem einander völlig gewachsen." Der Direktor schwieg; der junge Brooke hatte Recht. Ward der Streit unterbrochen, so hätten die Gegner ihren wechselseitigen Groll behalten und die ungestrafte Brutalität an Unverschämtheit zugenommen. Die Schulgeseße, nach dem strengen Buchstaben ausgelegt, würden demnach den Strafbaren beschüßen und den Schuldlosen seiner Willkür preisgeben. Alle diese feinen moralischen Züge, die Brooke so richtig auffaßte, wären dem reiferen Alter gewiß entgangen. (Fortseßung folgt.)

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