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"Jeder lebende Mensch hat (oder hat gehabt) eine Mamma, die es ihm unmöglich gemacht hat, in religiösen Glaubenssachen neutral zu sein. Und es ist sonderbar, wenn man sieht, wie schwach starke Geister sind, indem sie sich einbilden, es zu können. Als Calvin freundlichst beschäftigt war, den Servet zu Tode zu heßen und täglich Briefe an seine Freunde schrieb, worin er seine Hoffnung ausdrückt, die ausübende Gewalt werde nicht daran denken, den armen Mann zu verbrennen, da der Gerechtigkeit völlig Genüge geschehe, wenn man ihm nur den Kopf abhaue, trifft er auf einige Korrespondenten, welche meinen (die Dummköpfe!), daß selbst diese geringfügige Amputation nicht unumgänglich nothwendig sei. Aber Calvin weist bald ihre Bedenken zurecht. Ihr begreift nicht, sagt er, was dieser Mann zu thun im Begriffe war. Wenn ein Schriftsteller das Papstthum an greift, so ist es ein großes Unrecht von den Papisten, ihm den Kopf abzuschlagen. Warum? er hat ja nur den Irrthum angegriffen. Aber hier liegt der Unterschied in der Sache; Servet hat die Wahrheit angegriffen. Der Unterschied liegt am Tage, meine Freunde! Zieht dieses in Erwägung, und ich bin sicher, Ihr werdet einsehen, wie sehr dies die Sache ändert. Es ist beleidigend im höchsten Grade, es ist vollständig lächerlich, daß der Bischof von Rom Jemanden ein Haar anrühren sollte, weil er ihm widersprochen; und warum? weil er im Unrechte ist. Andererseits ist es vollständig vernunftgemäß und mit der Philosophie vereinbar, wenn ich, Johann Calvin, Jedem, der es wagt, mir zu widersprechen, das Haar- oder den Kopf selbst wegpuze, wie ich herzlich hoffe, daß es im vorliegenden Falle geschehen wird. Und warum denn? Aus einem Grunde, der den ganzen Unterschied in der Welt macht, und den, sollte man denken, der Blödfinn selbst anerkennen müßte — nämlich, daß ich, Johann Calvin, recht habe - recht durch alle drei Vergleichungsstufen recht, rechter, oder mehr recht, rechtest oder am rechtesten."

Der Opiumesser hat den Fundamentalsaß, auf dem die Logik, des Fanatismus beruht, recht hübsch formulirt!

Auf unseren Schloffer und seine Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts ist der Verfasser nicht gut zu sprechen; er kämpft gegen die Bewunderung der „bier- und tabackbegeisterten Kritik" Deutschlands. Die Gründe sind zu errathen daß der censorisch ernste Cato daß der censorisch ernste Cato Schloffer und der Opiumesser ziemlich zwei polare Größen find, läßt sich unschwer begreifen; dann ist es jedenfalls den Engländern, die sich so gern für etwas ganz Besonderes ansehen, nicht angenehm, wenn fie im erwähnten Buche mit allen Uebrigen über ein und denselben Kamm geschoren werden, und nicht eben gut wegkommen. Schloffer findet,,Gulliver's Reisen" von Swift - dumm! Das muß natür lich einen Engländer ärgern, und selbst der Deutsche dürfte dieses Urtheil nicht sofort unterschreiben wollen.

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Die Reisen Gulliver's nach Laputa, zu den Pferden u. s. w. sind dem allgemeinen Eindruck nach häufig widrig bis zum Ekel, und unnatürlich bis zum Schauer dagegen wüßte ich nicht, was es humo. ristischeres gäbe, als die Fahrten nach Liliput und Brobdignag! Der Humor und der Reiz liegt darin, daß eine Fabelgeschichte mit all der gravitätischen Nüchternheit, Umständlichkeit und anscheinendem Sachverständniß erzählt wird, die dem wirklichen englischen Reisen den und Reisebeschreiber eigen zu sein pflegen! Allerdings ist das eine Dummheit, wenn man will aber eine Dummheit, die vollständig berechtigt ist, die dem Swift Niemand so leicht wieder nach macht. Nichts wirkt unwiderstehlicher, nichts reiztstärker zum Lachen, als wenn z. B. ein wirklich geistreicher und gefcheidter Mann ein recht einfältiges Gesicht zu machen und im Tone des Bornirten und Simpels zu sprechen weiß. Freilich gehört ein eigenes Organ dazu, diese Art von Wiß genießbar zu finden. Die Engländer haben es zum großen Theile bei uns in Deutschland ist es nicht besonders entwickelt. Mit Schlosser's Urtheilen über Addison und die ganze zimperliche Rokokoschule, welche die französische Zahmheit und Eleganz einzuführen suchte, ift Herr de Duincey ganz einverstanden.

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Der Auffah über Judas Ischarioth gehört zu jener Art BibelExegese, die in neuerer Zeit, wenigstens bei uns in Deutschland, sehr außer Cours gekommen der Opiumesser hat nach englischer Ansicht hier deutsche Gedanken adoptirt. Judas wird dabei zu einem erträglichen Biedermanne ausstaffirt. Er hat es mit seinem Verrathe nicht ernst gemeint, er wollte dem zögernden Meister einen Impuls geben, er wollte ihn zwingen, sich zu erklären und als das ans Licht zu treten, was er war. Er hatte ein Wunder erwartet, und als das ausblieb, überließ er sich der Reue und Verzweiflung.

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Diese

Erklärungen sind nach englischer Weise auf das langweiligste breit. getreten, und Folgerungen werden aus Prämissen gezogen, die and Unglaubliche streifen. Daraus, daß Judas mit dem Säckel betraut war, wird geschlossen, daß er an menschlicher Weisheit über die Anderen hervorragte, daß er am besten mit dem Zeitgeiste und den Wünschen und geheimen Plänen der Bevölkerung von Jerusalem ver traut gewesen sein müsse! Folgt das wirklich daraus?

So viel über den Opiumeffer. Unsere Aufgabe konnte nur sein, ein allgemeines Bild von seinem Humore und seiner Lebensauffaffung zu stizziren; auf weitere Einzelnheiten können wir hier nicht eingehen. Mannigfaltiges.

- Das Riefengebirge, von Mosch. Weber's,,Illuftritte Reisebibliothek" brachte uns kürzlich leider etwas zu spät für dies jährige Ausflüge Mosch's Reiseführer durch das Riesengebirge.") Herr Professor Mosch ist ein Mann der Wissenschaft, der sich seit längerer Zeit in das Hirschberger Thal zurückgezogen hat und der hier mit voller Seele der großartigen Natur-, wie seiner eigener künstlerischen Umgebung lebt. Sein Buch ist nicht auf Bestellung geschrieben, sondern ein Ergebniß Jahre langer, stiller Beobachtung auf den Gebieten der Oryktognosie, der Botanik und der damit verwandten Naturwissenschaften. Mit seinem Buche in der Hand, wird man nicht blos die Höhen, Thäler und Gewäffer des Riesengebirges besser, als mit Hülfe irgend eines anderen Führers, sondern auch die Gebirgs- Formationen, die Flora und Fauna dieser Gegenden, erschöpfend studiren können. Daß das schlesische und böhmische Riesengebirge mit seinem nordwestlichen Ausläufer, dem Jfergebirge, eine der schönsten, imposantesten und sagenreichsten Landschaften unseres schönen und großen Deutschlands ist, mag wohl überall in und außer dem Vaterlande genügend bekannt sein; gekannt, aufgesucht und gewürdigt mit seiner gefunden Bergluft und seinen heilkräftigen Quellen ist es jedoch lange noch nicht genug und bei weitem weniger, als viele minder schöne und des Aufsuchens werthe Landschaften. Seine erzentrische Lage in einer östlichen Ecke Deutschlands trägt daran nicht allein die Schuld, sondern auch der Mangel an Eisenbahnen, die direkt in das Gebirge führen, das man jezt immer noch auf unbequemen Landstraßen in langsamen Fuhrwerken aufsuchen muß. Während sich das ganze Flachland mit einem Neße von Eisen bedeckt hat; während man nach allen Bädern des Taunus, nach den meisten Bädern Böhmens, nach der sächsischen und in die helvetische Schweiz, nach dem südöstlichen wie nach dem nordwestlichen Deutschland auf den Flügeln der Lokomotive getragen werden kann; während die Produkte des Gewerbefleißes und des Bergbaues von Westfalen und Oberschlesien, von der Donau und vom Rhein pfeilgeschwind und zu verkehrerleichternden Frachtsägen an die entgegengeseßten Gränzen des Landes befördert werden, wartet die alte Leinen-Industrie und Glas-Fabrication des Riefengebirges vergebens darauf, daß ihr in ähnlicher Weise beigestanden werde. Vergebens ist in Warmbrunn diesem lieblichen Mittelpunkte des Hirschberger Thales, in den beiden altberühmten Heilquellen des großen und kleinen Bassins in neuerer Zeit durch artesische Bohrungen ein noch viel wärmerer, gasreicherer und heilkräftigerer Quell gekommen, der sich in seinen Wirkunge nur mit Gastein und Teplig vergleichen läßt — die Zahl der Hülfe suchenden wächst hier nicht mit den dargebotenen Heilmitteln, we sich die meisten Leidenden scheuen, einen außerhalb des Eisenbahr Nerus gelegenen Badeort aufzusuchen. Und warum macht man wch die schlesische Gebirgsbahn" abhängig von dem Zustandekommer einer neuen Linie nach Görlig, das schon durch ältere Eisenbahne so bevorzugt ist und das immer nur seine eigenen, von denen d schlesischen Gebirges gänzlich verschiedenen Interessen im Auge ha Warum wird nicht eine Linie von Hirschberg nach dem nächsten Pan! der Niederschlesisch- Märkischen Eisenbahn, nach Bunzlau oder Koł furt gebaut, welcher lettere Ort, wie kein anderer, dazu geeign wäre, den Knotenpunkt zwischen dem Gebirge einerseite, und Sachsen, dem Obergebiete, Niederschlesiens und dem Großherzogthum Posen andererseits zu bilden? Im Gebirge meint man, die Eifersucht der Stadt Görlig würde nie dulden, daß eines ihrer Kämmereidörfer einem so wichtigen Knotenpunkte erhoben werde; aber sollte denn nicht jener schöne große Landestheil mit seinen gewerbfleißigen Einwohnern, deffen stille Thäler erst kürzlich wieder durch Wasserfluthen so hart heimgesucht wurden, ebenso viel Gewicht in die Waagschale der Ent scheidungen werfen können, als die auf ihre Lokalintereffen eifersüchtig Stadt Görlig? Wir haben uns diesen und ähnlichen Betrachtungen nicht entziehen können, als wir auf die reiche, großartige Natur des Riesengebirges durch das Buch des Herrn Profeffor Mosch hingewiesen wurden, das gewiß auch viele Andere mit Vergnügen als einen wissen schaftlichen Reiseführer durch dasselbe benußen werden.

"

*),,Das Riesengebirge, seine Thäler, Vorberge und das Isergebirge" Reiseführer von Karl Friedrich Mosa. Mit 40 Abbildungen und einer Kark Leipzig, J. J. Weber..

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Aber es giebt Literatur und Literaten in Amerika, wenigstens in Boston,,,dem transatlantischen Athen", in New-York und einigen anderen großen Städten. Es giebt sogar eine sehr reiche, eine doppelte Literatur in Amerika: die englische und deutsche. Beide werden nach gedruckt und spottbillig verkauft, im besten Falle nachgeahmt und im noch besseren wird die deutsche überseßt. Es ließe sich viel über diese Amerikanisirung der deutschen und englischen Poesie und Literatur und über den Mangel einer eigenen sagen. Hier diene die Thatsache blos als Einleitung zu einer Skizze Heiye's in Amerika und des ame rikanischen Heine. Wir denken dabei nicht an den nachgedruckten, ganzen deutschen Heine von J. Weik, der für fünf Dollar feil ist, während derselbe Heine von Campe nur für etwa 50 Thaler bezogen werden kann, sondern wir meinen den meisterhaften Uebersetzer der Heineschen,,Reisebilder“ und Schriftsteller in Heinescher Manier, Charles G. Leland. Vielleicht lacht Mancher in Deutschland, wenn er diesen originellen und lustigen Kauz und überaus polyglotten Philologen, den er in früheren Jahren auf deutschen Universitäten und in deutschen Gasthöfen als anständigen Deutschen kennen gelernt haben mag, hier als den Heinrich Heine Amerika's wiederfindet. Nun, die Sache ist, daß er sich als Amerikaner persönlich in Deutschland holte, was andere amerikanische Literaten nur unserer Literatur verdanken, und daß Leland außerdem ein ganz besonders volubiles Talent ist, welches sich durch genaues Studium sehr vieler Sprachen und Litera turen, besonders der deutschen und ganz vorzüglich Heine's, zu einer eigenen literarischen Größe erhob und erweiterte. Wie genau er die deutsche Literatur kennt, geht aus einem Beispiel hervor, das manchen deutschen Literaturkenner beschämen wird. Leland hat bestimmt nachgewiesen, daß,,Consuelo" von G. Sand ein Plagiat aus dem Deutschen sei, eines Romans von Herloßsohn, den ich für meinen Theil nicht einmal dem Namen nach kannte und dessen Namen ich auch glück lich wieder vergessen habe.

Leland hat fast aus allen alten und neuen Sprachen Gesänge, Balladen und sonstige kleinere Dichtungen überseßt, aus dem Deutschen verschiedener Mundarten und Zeiten, Patois, Langue d'Oc und Langue d'Oil aus dem Französischen, aus dem Dänischen, Holländischen, Schwedischen, Spanischen, Russischen, Böhmischen, Kroatischen; Loskanisch, Venetianisch und Neapolitanisch aus dem Italiänischen, aus Horaz, lateinischen Märchen und Macaronischen Poeten u. f. w. Ich habe nicht Proben von allen diesen Leistungen gesehen, aber im ,,New York Knickerbocker Magazine" wurde es behauptet, außerdem beweisen es Hunderte und aber Hunderte von Citaten in seinem Meister Karl's Sketch Book", das vor mir liegt, zur Genüge.

Um von Leland zuerst als dem Ueberseßer der Heineschen Reisebilder zu reden, so beweisen sie eine erstaunliche Gewandtheit und Genialität in Uebertragung des sprudelnden, prickelnden, unsäglichen Heineschen Genius in's Englische. Die Gewandtheit und Genialität besteht hier darin, daß immer mit möglichster Wörtlichkeit und Treue die größte Frische und Freiheit des überseßten Textes Hand in Hand geht. Um sogleich ein Beispiel zu geben:

Sei mir gegrüßt, du große Geheimnißvolle Stadt, Die einst in ihrem Schooße Mein Liebchen umschloffen hat.

Sagt an, ihr Thürme und Thore, Wo ist die Liebste mein? Euch hab' ich sie anvertrauet, Ihr solltet mir Bürge sein.

Unschuldig sind die Thürme, Sie konnten nicht von der Stell', Als sie mit Koffern und Schachteln Die Stadt verlassen so schnell.

Die Thore jedoch, sie ließen Mein Liebchen entwischen gar still; Ein Thor it immer willig, Wenn eine Thörin will.

1858.

Say on, ye gates and tower,
Doth she I loved remain?
I gave her to your power
Give me my love again!

Blame not the trusty tower!
No word his walls could say,
As a pair, with their trunks and
baggage,

So silently travelled away.

But the wicket-gate was faithless Through which she escaped so still. Ob, a wicket is always ready To ope when a wicked one will.

Freilich, dies ist nicht gerade das glücklichste Beispiel in Treue, wie dies aus mehreren Wörtern und Wendungen, die Wort und Sinn umgehen oder ändern, genugsam.hervorgeht; aber es beweist, wie es dem Ueberseger öfter gelang, selbst die verwegensten Heineschen Wortspiele, wenn nicht zu überseßen, so doch durch ähnliche Sinnes- und Wortklänge wiederzugeben. Daß ein Paar“ entflieht in der Uebersehung, ist sogar eine sehr wesentliche Vervollkommnung des Tertes und macht den „Thor- und Thörin-Schluß“, das wicketgate, durch welche die wicked one" entflieht, deutlicher und prägnanter.

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Der Sturm spielt auf zum Tanze, Er pfeift und saust und brüllt; Heisa, wie springt das Schiflein, Die Nacht ist lustig und wilt.

Ein lebendiges Wassergebirge
Bildet die tosende Sec;

Hier gähnt ein schwarzer Abgrund,
Dort thürmt es sich weiß in die Höh'.
Ein Fluchen, Erbrechen und Beten
Schallt aus der Kajüte heraus;
Ich halte mich fest an den Mastbaum
und wünsche: wär' ich zuhaus.

The wind pipes up for dancing, The waves in white are clad; Hurrah! how the ship is leaping! And the night is merry and mad.

And living bills of water Sweep up as the stormwind calls; Here a black gulph is gaping, And there a white tower falls. And sounds of sickness and swearing From the depths of the cabin come, I keep a firm hold on the bulwarks And wish that I now were at home.

Man sieht hier besonders an der zweiten Strophe, wie glücklich das kurze Sturmgemälde wiedergegeben ist. Abweichungen durch einzelne Worte und Bilder müssen dem Uebersezer solcher gebundenen Poesie, namentlich der Heineschen, welche das Gebundene so wenig merken läßt, gestattet sein, wenn er nur Rhythmus und Bewegung der Worte, das musikalische Element der Verse gehörig wiedergiebt. Und Lesteres ist Mr. Leland im Vergleiche zu anderen Ueberseßern in England und Amerika, die sich an Heine versucht haben, im Durch schnitt meisterhaft gelungen.

In der Prosa verlangt man billiger Weise die Wörtlichkeit wörtlicher. Hier ist es denn auch besonders, wo wir die doppelte Sprachgewandtheit des Uebersegers, das Verständniß der Heineschen Sprünge und Kapriolen, die Anspielungen und zweischneidigen, hier und da burschikosen Ausdrücke, deren geniale Uebertragung und respektive Erklärung in besonderen Anmerkungen zu bewundern Gelegenheit haben.

1

,,Es ist heute eine scheene Witterung -"

,,Hättest Du, lieber Leser, den Ton gehört, den unübertrefflichen Fistelbaß, womit diese Worte gesprochen wurden, und fähest Du gar den Sprecher selbst, das erzprosaische Witwenkaffengesicht, die stockgefcheidten Aeuglein, die aufgestülpt pfiffige Forschungsnase: so erkanntest Du gleich, diese Blume ist keinem gewöhnlichen Sande entsproffen und diese Töne find die Sprache Charlottenburgs, wo man das Berlinische noch beffer spricht, als in Berlin felbst.“

, Foine weyther to-day "

,,Oh, reader, if you could only have heard the tone, the incom parable treble-base in which these words were uttered, and could have seen the speaker himself, the bronze,") prosaic, widow's savingbank countenance, the stupid, 'cute eyelets, the cocked up, cunning, *) Hiernach scheint der Ueberseßer doch das deutsche „erz“ mißverstanden

Once more in solemn ditty I greet thee, as I melt In tears, thou wondrons city Where once my true love dwelt.

zu haben.

D. R.

investigating nose, you would have at once said: This flower grew on no common sand, and these tones are in the dialect of Charlottenburg, where the tongue of Berlin is spoken even better than in Berlin itself."

Doch um die Lelandsche Uebérsegung durch Beispiele aus den prosaischen Theilen anschaulich zu machen, bedürfte es gar vielen Raumes. Wir begnügen uns deshalb mit diesen Andeutungen und bemerken nur noch, daß, was wir „, Wörtlichkeit“ nennen, sehr häufig durchaus nicht im lerikalen Sinne genommen werden darf. Der todte Buchstabe giebt nur todte Buchstaben wieder. Aber ein Wort, das in einer anderen Sprache so und so heißt, wird sehr häufig gar nicht in dem Sinne und Zusammenhange gebraucht, in welchem das erstere im gemeinen oder frischen Leben, im komischen, hänselnden, übermüthigen Sprachgebrauch als geprägte Münze fungirt. So mußte auch Leland, um wörtlich sachgemäß zu übersehen, namentlich wenn es galt, übermüthige Heinesche Pointen und burschikose Ausdrücke wiederzugeben, aus dem englischen und amerikanischen Sprachgebrauche oft lerikalisch gar nicht vorhandene oder ganz anders übersezte Worte heraussuchen, um in seiner Sprache etwa dasselbe zu sagen, was Heine in der deutschen. Manchmal war dies nicht ohne vermittelnde Anmerkungen möglich, die dann den deutschen Wort- und Sachsinn ganz spezifisch deutlich machen. Dies konnte nur ein Leland, der sich mit dem deutschen Leben, der deutschen Literatur, Denk- und Anschauungsweise persönlich durch vielfaches Umbertreiben und Studium in Deutschland vertraut gemacht hatte. Und dies giebt seiner Uebertragung für die Engländer und Amerikaner noch einen ganz spezifischen Werth.

Was würde z. B. ein nicht mit deutschen Universitäten bekannter Uebersezer aus Heine's „Kameelen“ und „Philistern“ gemacht haben? Leland behält das „Kameel“, bei und giebt in einer Anmerkung die zwölf Bedeutungen desselben nach dem „,,Burschikofen Wörterbuche" des Dr. Vollmann. Ein Kameel ist zwölftens:,,One who neither drinks, smokes, fights duels, cares for girls, nor renowns it. To renown (renommiren) is equivalent to the American phrases: 'spreads himself'".

Man sieht an diesen Beispielen, was mit der von Worten ab, weichenden Wörtlichkeit gemeint ist. Der Ueberseher, wie Leland es am glücklichsten verstanden zu haben scheint, überseht wortgetreu, indem er aus der Sprache, in welche er übersezt, möglichst genau den Ausdruck herausfindet, der für dieselben Sachen und Situationen sich in letterer ausgeprägt hat. Das ist die Wörtlichkeit der Sache. (Schluß folgt.)

Amerikanische Miscellen. *)

11. Strafe wegen Besizes eines verbotenen Buches in Maryland.

Nach dem,,New-York Tribune" vom 28. Juni ward kürzlich dem achtbaren (Honourable) T. H. Hicks, Gouverneur von Maryland, eine von 114 Geistlichen der methodistisch bischöflichen Kirche unterzeichnete Bittschrift überreicht, worin um Begnadigung des Geistlichen Samuel Green, eines farbigen Predigers, gebeten ward, der sich jezt im Zuchthause befindet und zu zehnjähriger Einsperrung verurtheilt ward, weil er ein Eremplar von,, Uncle Tom's Cabin" besaß. Ob jene Bittschrift von Erfolg war, hat nicht verlautet. - In Sklavenstaaten ist allerdings große Strenge gegen die ganze farbige Rage eine nothwendige Folge des ganzen Systemes, indeß mag dieser harten Strafe eine kürzlich in Kansas vorgekommene

Freisprechung im amerikanischen Stile gegenüberstehen. Das Thatsächliche wird man aus folgendem Artikel des,,New-Yorker Demokrat" vom 12. Juli ersehen.

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General J. H. Lane, der wegen Tödtung seines Nachbars, des Obersten Jenkins, prozessirt wurde, ist nach einer vierzehn Tage dauernden Untersuchung durch ein einstimmiges Verdikt freigesprochen worden. Lane und Jenkins, beide angesehene und einflußreiche Frei Staat-Leute, hatten einen Streit wegen des Besizes eines werthvollen Stück Landes, welches zwischen ihren Häusern lag. Auf diesem Lande befindet sich ein Brunnen, aus welchem die Mitglieder beider Familien Wasser geholt hatten. Lane zäunte, als Eigenthümer des Landes. was er zu sein behauptete, — den Brunnen ein und kündigte Jenkins an, er dürfe kein Wasser mehr holen, oder er seße sich der Gefahr aus, daß er erschoffen werde. Jenkins begab sich hierauf mit einer Anzahl seiner Freunde, welche bawaffnet waren, auf den Plaz, hieb mit einer Art den Zaun nieder, und ging an den Brunnen, um Wasser zu holen. Auf dem Wege dahin schoß Lane ihn nieder. Einer von

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,,Die Entscheidung des Gerichtes lautete: Um eine Anklage gegen den Angeschuldigten zu begründen, muß zuerst bewiesen werden, daß ein Mord begangen, und zweitens, daß dieser Mord vom General Lane verübt wurde. Der Anklage gelang es nicht, den ersten Punkt herzustellen. Das Gericht ist einstimmig der Meinung, daß kein Mord begangen wurde, und da das Territorium diese Hauptsache nicht nachgewiesen hat, die einzige in dem Affidavit enthaltene Ursache, so wurde demgemäß General Lane entlassen."

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Nach dieser Freisprechung ersuchte General Lane die Richter, von ihm eine Bürgschaft für sein richtiges Erscheinen auf irgend eine Klage, die gegen ihn erhoben werden würde, anzunehmen. Die Richte: erklärten aber, sie hätten keine Befugniß, dieses zu thun.

,,Das Freisprechungs-Verdict verhindert nicht die Grand Jury, wenn sie will, ein Indictment gegen Lane zu finden, denn der Clerk der District Court muß derselben die ganzen Untersuchungs- Akten vorlegen. Da aber von dieser Court die Untersuchung außerordentlich vollständig geführt wurde, so ist es nicht wahrscheinlich, daß die Grand Jury einen neuen Prozeß beginnen wird.

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Sonderbar ist und bleibt die Entscheidung jedenfalls, und es ist kein Wunder, wenn die Prosklaverei-Leute darüber sonderbare Gloffen machen. Die That des General Lane mußte entweder Mord oder entschuldbare Nothwehrhandlung sein. Die Court erklärt, der Mord sei nicht eruirt, schweigt aber von der Nothwehr. General Lane hatte indeffen so viel Takt, dieses selbst einzusehen, und um nicht zu scheinen, er wolle aus dieser Entscheidung Vortheil ziehen, bot er sogleich Bürgschaft an."

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Nun sind allerdings Lane und Jenkins von derselben Partei, allein Lane, scheint es, konnte doch einen überwiegenden Einfluß geltend machen. In dem kleinen Kriege, der zwischen den Freistaatund Prosklaverei-Leuten in Kansas geführt ward, stand er Spige eines Corps der Ersteren, Natürlich haben sich Profklavereis Blätter wegen dieses Falles in verschiedenen Anklagen gegen die Freistaatleute ergangen, allein derselbe steht nichts weniger als isolirt und dergleichen Willkür in der Rechtspflege sowie schamlose Motivirung des Urtheiles kommt in allen Parteien vor und gehört zu den charakteristischen Zügen amerikanischer Zustände.

Ohne sonderliche Mühe könnte man noch eine gute Anzahl -folcher Beispiele amerikanischer Justiz anführen, indeß mag doch nicht unerwähnt bleiben, daß ein gewisser M' Kan, der während des in diesem Jahre in Pittsburg gehaltenen deutschen Sängerfestes den deutschen Musiklehrer Bähr von Baltimore erweislich ermordete, kürz lich in Pittsburg freigesprochen ward. M' Kan ward sofort in Freis heit gesezt und von seinen Rowdygenossen im Triumph fortgeführt. Der.,, Pittsburger Wahrheitsfreund" vom 12. Juli beklagt sich bitter über dieses Verfahren, worin zugleich ein Hohn gegen die Deutschen liegt. liegt. Hilft aber Alles nichts, in solchen Angelegenheiten ist die Presse ohnmächtig und macht wenig oder keinen Eindruck. Gleichwohl fühlen die Deutschen, welche oft so viel und ungereimt von der „neuen Heimat" sprechen, bei dergleichen Fällen, daß sie doch nicht ganz Heimatlich in Amerika stehen, daß oft ein eingeborener Rowdy sie ungestraft beleidigen oder ermorden kann, eine Behandlung, die sich freilich auch mancher Amerikaner muß gefallen lassen, wenn die Jury gegen die Rowdies Rücksichten zu nehmen hat.

Es ist wohl vorgekommen, wenn auch selten, daß man sich in Deutschland beklagt hat, wie sich eine hochgestellte oder hochprotegirte Person gegen die Kriminalgeseze etwas habe zu Schulden kommen laffen, ohne nach Gebühr bestraft zu sein. Wenn dergleichen hin und wieder vorkommen sollte, so geschieht es nie mit der Schamlosigkeit, mit welcher man hier zu Lande gemeine Taugenichtse und bekannte Verbrecher straflos ausgehen läßt. Auf jede in Deutschland von der Kriminaljustiz etwa nicht ganz zu erreichende Person giebt es in Amerika wenigstens Tausend, und zwar der schlimmsten Qualität.

Finnland.

Bayard Taylor, über den Charakter der Finnen. *)

Die Finnen sind ein weit pittoreskeres Volk, als die Schweden, mit stärkeren Licht- und Schattenseiten in dem Charakter, einem heißeren Lemperament und einem tiefer gewurzelten Rationalgefühl. Sie scheinen ziemlich exklusiv zu sein und ein lebhaftes Klanggefühl zu besigen; es ist eine Thatsache, daß sie die Schweden und Russen

*) Nach: „Eine Winterreise durch Lappland", von Bayard Taylor (vgl. Nr. 103 des Magazin “). Leipzig, C. B. Lord, 1858. (Lord's Eisenbahn

nicht lieben und sich selten mit denselben verheiraten. Die scharf beftimmten Gränzen der Sprache und der Race an der Spiße des Bothnischen Meerbusens sind dafür ein sprechender Beweis. Gleich ihren entfernten Verwandten, den ungarischen Magparen, haben sie manche deutliche Spuren ihres asiatischen Ursprunges beibehalten. Theils ist es dieser Thatsache zuzuschreiben, und theils der eigenthümlichen Annäherung der Extreme, die wir in der Natur nicht weniger als bei der Menschheit bemerken, daß alle an eine Verwandtschaft erinnernden Züge der Aehnlichkeit in diesen Gegenden weit mehr auf den Orient als auf Europa hinweisen.

Der Typus bleibt sich überall gleich, selbst unter den Quänen von gemischtem Blute in Kauto Keino: hohe Backenknochen, eckige, starke Kinnladen, volle, doch feste Lippen, eine niedrige, breite Stirn, dunkle Augen und Haare und ein tieferes, wärmeres Roth auf den Wangen als auf denen der rosenrothen Schweden. Die durchschnitt liche Größe kommt vielleicht nicht ganz der der Leßteren gleich, jedoch stehen die Finnen den Schweden an physischer Kraft nicht nach, und es finden sich unter ihnen gar viele Männer von einer herrlichen Statur, Kraft und Proportion. Leopold v. Buch schreibt den auffallenden Unterschied der Statur zwischen den Finnen und Lappen, die beide ganz genau unter denselben klimatischen Einflüssen leben, der größeren Reinlichkeit der Ersteren und dem beständigen Gebrauch der Dampfbäder zu; ich aber habe stets gefunden, daß das Blut und die Abstammung, selbst wo die Verschiedenheit von dem ursprünglichen Schlag nur gering ist, weit mächtiger sind, als das Klima und die Gewohnheit. Die Finnen sind seit so langer Zeit zum Christenthum bekehrt und civilisirt (nach der europäischen Idee von Civilisation), daß man hinsichtlich der besonderen charakteristischen Zeichen, die sie beibehalten haben, vorzüglich auf die Gewohnheiten blicken muß, aus denen sich ihre geistige und sittliche Natur erkennen läßt. In ihrem häuslichen Leben unterscheiden sie sich kaum von den Schweden derselben Klaffe.

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Sie sind leidenschaftlich und deshalb zu Erzessen geneigt, haben eine lebhafte Einbildungskraft und sind daher in Folge ihrer dürftigen Erziehung abergläubisch. So hat das religiöse Element, besonders die phantastischen Verirrungen, die von Lästadius und anderen Missionaren hervorgerufen worden sind, allerdings viel dazu beigetragen, das Laster seltener zu machen, in demselben Verhältniß aber auch die Schwäche vergrößert. Trunkenheit, die früher so vorherrschend und Lapplands größter Fluch war, ist jest außerordentlich selten, und ebenso die Laster, für welche die Trunkenheit verantwortlich ist. Der Fall, der seit einigen Jahren in diesen Gegenden vorgekommen ist, war der einer Frau, welche versuchte, ihren Schwiegervater mit Phosphor von Zündhölzchen in seinem Kaffee zu vergiften, um dadurch die Last seiner Ernährung loszuwerden. Obschon die Thatsache ziemlich erwiesen war, so wurde die Sache doch vertuscht, um einen Skandal für die Kirche zu vermeiden, da die Frau sich zu den Frommen zählte. Was die Trunkenheit betrifft, so wurde mir erzählt, es sei früher gar nichts Ungewöhnliches gewesen, daß betrunkene Finnen erfroren feien, während dies bei einem Lappen nie vorkam, und zwar habe der selbe dies seiner mechanischen Gewohnheit zu verdanken, seine Arme und Füße in beständiger Bewegung zu halten welche Gewohnheit welche Gewohnheit er auch beibehalte, wenn er ganz betäubt sei.

Vor drei bis vier Jahren herrschte im nördlichen Finnland eine besondere geistige Epidemie®), ganz zu derselben Zeit mit der religiösen Aufregung im norwegischen Lappland und theilweise von den selben gedankenlosen Menschen veranlaßt. Sie bestand in Schluchzen, heftigem Nervenkrampf und gelegentlichen Anfällen jenes Zustandes von Halbbewußtsein, Exstase oder Verzückung genannt, und man glaubte, die von ihnen befallenen Personen seien von dem Geiste besessen und würden in eine andere Welt versezt, wo ihnen Visionen, wie die des Evangelisten Johannes auf Patmos, offenbart würden. Die Missionare, welche billigerweise diesen Selbstbetrug hätten unterdrücken sollen, ermuthigten ihn weit eher und gingen sogar so weit, die sinnlosen Faseleien dieser armen, betrogenen Leute als übernatürliche Offenbarungen zu veröffentlichen. Die Epidemie griff so um fich, daß es kaum eine Familie gab, in der nicht einige Mitglieder von derselben befallen gewesen wären, und selbst jest ist sie noch nicht ganz beseitigt. Der Anfall kam über die davon ergriffenen Pers. sonen zu jeder beliebigen Zeit, gleichviel, an welchem Orte sie sich befanden, oder wie sie beschäftigt waren. Gewöhnlich begann derselbe mit einem krampfhaften Athemholen, das an Heftigkeit zunahm, von Schluchzen und zuweilen von Geschrei oder Gestöhn begleitet war, bis das, Opfer sich erschöpft fühlte oder in eine Verzückung fiel, die eine Stunde lang dauerte. Die davon ergriffenen Personen wurden während des Anfalles stets mit der größten Achtung behandelt; Niemand wagte, über sie zu lächeln, gleichviel, welche abgeschmackte Form die

Die sogenannte Läserie, deren Hauptlehre ist, daß ein reines Leben nicht nothwendig sei, um die Seligkeit zu erlangen, sondern daß der Glaube Alles thue.

Heimsuchung annehmen mochte. Der Grundsah, sich der starken Getränke zu enthalten, wurde zu derselben Zeit verbreitet und die gegenwärtige Mäßigkeit der Finnen und Lappen ist unbezweifelt größtentheils dem Eindrucke zu verdanken, den diese Erscheinungen auf ihre Naturen machten.

Dieselbe Epidemie hat öfters in den Vereinigten Staaten, in England und auch in Deutschland geherrscht. Die Manie des Bellens und Tanzens, von der Kentucky vor 30-40 Jahren befallen war und die Verzückungen der ,,Holy Rollers" waren sogar noch lächerlicher und unnatürlicher. Solche Erscheinungen sezten die Phyfiologen ebensowohl wie die Philosophen in Verlegenheit; ihr häufiges Vorkommen zeigt, daß sie auf irgend einen schwachen Punkt in der menschlichen Natur gegründet sind, und in demselben Verhältniß, wie wir die Opfer beklagen, haben wir ein Recht, diejenigen zu verurtheilen, welche den Samen dieser Pestilenz aussäen. Wahre Religion ist nie spasmodisch; sie ist ruhig, wie die Existenz Gottes. Ich kenne nichts Anstößigeres, als solche Versuche, dem ewigen Sonnenschein des Himmels Raketen und gefärbte Lichter unterzuschieben.

Was nun ihren moralischen Charakter anbelangt, so bieten die Finnen nicht mehr Ursache zu Vorwürfen dar, als irgend ein anderes Volk. Wir finden sie im Verkehr im Allgemeinen so ehrlich und ehrenhaft wie die nördlichen Schweden, die in dieser Rücksicht in der Welt unübertroffen sind. Ihre Gesichter drücken indessen mehr List und Zurückhaltung aus, und diese Tugend mag theilweise eine negative sein, die aus der Indolenz entspringt, welche ein Kennzeichen der kalten und heißen Zone ist. So sind sie auch, ungeachtet der physischen Zeichen, welche heißere sinnliche Leidenschaften als bei ihren Nachbarn bekunden, ebenso keusch wie diese, ja die Keuschheit steht bei ihnen in sehr hohem Werthe. Uneheliche Geburten sind sehr selten und man betrachtet dieselben für beide Theile als eine dauernde Beschämung und Schande. Der Gebrauch des Bundling" (mit diesem Worte bezeichnet man in Amerika das Zusammenschlafen von Personen verschiedenen Geschlechts, was früher der Mangel an Betten in Amerika zur Sitte machte), der bis in die neueste Zeit unter den finnischen Liebenden sehr gemein war, führte fehr selten zu einem solchen Resultate, und die Ehe entfernte die Schande geschwind. Ihre geselligen Gebräuche weisen in dieser Hinsicht die seltsamsten Widersprüche auf. So wird z. B., während beide Geschlechter im natürlichen Zustande in ein und dasselbe Bad steigen, während die Frauen ihre Männer, Brüder oder männlichen Freunde ohne Bedenken scheuern, reiben und abtrocknen, während die Begrüßung beider Geschlechter eine Umarmung mit dem rechten Arme ist, ein Kuß als etwas höchst Schamloses und Unanständiges betrachtet. Eine finnländische Frau drückte das größte Erstaunen und ihren Abscheu aus, als sie hörte, in England sei es etwas sehr Gewöhnliches, daß Mann und Frau einander füßten.,,Wenn mein Mann das versuchen wollte", sagte sie, so wollte ich ihn so hinter die Ohren schlagen, daß er es eine ganze Woche fühlen sollte." Dennoch sind sie in der Unterhaltung sehr offen und rückhaltslos, obwohl durchaus nicht unanständig.

Ungeachtet ihres Aberglaubens, ihrer Liebe zur Dichtkunst und des milden, reichen, musikalischen Charakters ihrer Sprache, findet sich in diesem Theile Finnlands ein auffallender Mangel an alten Sagen. Vielleicht hat das seinen Grund darin, daß ihre Vorfahren, besonders während der letzten zwei Jahrhunderte, aus der früheren Heimat der Rage, Tavastland, von den Ufern des Pajana-Sees und dem finnis schen Meerbusen, hierher ausgewandert sind. Es ist schwierig, unter ihnen Familien-Traditionen oder selbst irgend eine weit zurückgehende genealogische Erinnerung lebendig zu erhalten, und zwar deswegen, weil ein Finnländer seinen Namen nicht allein von seines Vaters Zunamen, sondern von seinem Wohnorte nimmt. So führt ein mit seinem eigentlichen Namen Isaki genannter Finne den Namen.,,An= derinpoika", von seinem Vater Anderi, und fügt,,Niemi“, den Lokalnamen seiner Wohnung, hinzu. Sein Sohn Nils wird Nils Jsakipoika, mit Hinzufügung des Namens seiner Wohnung, wo dieselbe auch sein mag, genannt und sein Familienname ebenso oft wie sein Haus verändert werden. So kann es in dem Laufe einer einzigen Generation ein Dußend verschiedene Namen geben und für ein ungeübtes Gedächtniß wird das Verzeichniß derselben zu verwickelt und verwirrt. Es ist deshalb kein Wunder, daß die Finnen sehr wenig wiffen, das ausgenommen, was sich während ihres eigenen Lebens, oder höchstens während des Lebens ihres Vaters ereignet hat. Ich habe nie von der,,Kalewala" sprechen hören und bezweifle sehr, ob sie den Einwohnern dieser Gegend bekannt ist. Die einzigen Gesänge, die wir nördlich von Haparanda gehört haben, waren Kirchenlieder - mög licher Weise andächtig, aber schlecht. Es muß noch Balladen und gesellige Lieder geben, doch das neuerliche geistige Fieber hat sie für jest zum Schweigen gebracht.

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Zuerst war ich ein wenig erstaunt, die Eingebornen im Norden so langsam, gleichgültig und sorglos zu finden. Wir sind geneigt, zu glauben, ein faltes Klima sei anregend und aufreizend ergo, je

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weiter nach Norden man geht, desto thätiger und energischer wird man das Volk finden. Die Berührung des Eises ist jedoch der des. Feuers ähnlich. Die heiße Zone erschlafft, die kalte erstarrt und das · praktische Resultat ist in beiden Fällen dasselbe. In dem langen, langen Winter, wenn es nur eine vierstündige Dämmerung und eine zwanzigstündige Dunkelheit giebt, wenn die Rennthierkühe zu Hause gebracht sind, das Holz gehauen, das Heu eingesammelt ist, die Gerstenkleie und die Tannenrinde zum Brod bereit liegen, und die im Sommer gefangenen Fische eingesalzen sind — was kann dann ein Mann thun, wenn Holz und Heu zu Hause geschleppt find, als essen, plaudern und schlafen? Um neun Uhr zu Bette, und Morgens acht Uhr aus dem selben, zwischen der langsamen Verrichtung seiner wenigen täglichen Geschäfte Tabak rauchend und schlummernd, wird er zuleßt so unthätig und träge, wie der in seinen Winterschlaf versunkene Bär. In dem Sommer hat er ununterbrochen Tageslicht, und er bedarf keiner Eile. Weshalb sollte er sich überdies besonders anstrengen, um sich einen ungewöhnlich reichen Vorrath von Flachs oder Gerste zu verschaffen, wenn eine einzige Nacht ihm den Gewinn aller seiner Arbeiten rauben kann? Selbst mitten im Sommer kann sich der verderbliche Frost einstellen. Die Natur scheint ein grausames Vergnügen darin zu finden, seine Pläne zu durchkreuzen; nur durch Zufall ist er glücklich, und so nimmt eine Art von arabischem Fatalismus und Ergebung in Alles, was sich auch ereignen mag, Besig von ihm. Seine Sorg losigkeit ist derselben Ursache zuzuschreiben. Eine solche schreckliche Hungersnoth und ein Elend, wie sie im vergangenen Winter in Lappland und Finnland herrschten, hätten ohne Zweifel theilweise verhindert werden, doch keine menschliche Macht hätte ihnen ganz vorbeugen

können.

Die kalte Zone war nie für den Aufenthalt von Menschen bestimmt. In den voradamitischen Zeiten, als England mit Palmen wäldern bedeckt war und in Sibirien Elephanten sich herumtrieben, mag die Sachlage eine sehr verschiedene gewesen sein und das mensch liche Geschlecht mag damals (wenn es bereits vorhanden war) auf diesen jest fest gefrorenen Hügeln Weinberge gepflanzt und in Bambus hütten gewohnt haben. Doch seitdem die geologischen Emeuten und Revolutionen das jezt auf unserer Erde geltende Regime hergestellt haben, kann ich durchaus nicht begreifen, was mit menschlicher Vernunft begabte Wesen veranlassen konnte, sich hierher zu verpflanzen und hier Wurzel zu fassen, während in Ländern mit einem weit freundlicheren Klima große Landstrecken wüste und nuglos daliegen. Man kann es dem Menschen vergeben, wenn er an dem Orte bleibt, wohin ihn die Vorsehung durch Geburt und Erziehung geworfen hat; dagegen kann ich keine Entschuldigung für die ersten Ansiedler auffinden, die ihre Nachkommen zu einer solchen Heimat verdammten. Man vergleiche selbst ihr physisches Leben das rein thierische Be hagen am eigenen Dasein, — das durchaus keine Kleinigkeit ist mit dem der Nubier, der Malaien oder der Polynesier! Es ist der Uuterschied zwischen einem armen Hasen, der sich Jahr für Jahr von Hunden und Träumen von Hunden gejagt und geplagt sieht, und dem vertraulichen und vertrauenden Zaunkönig, dem glücklichsten aller Geschöpfe, weil er überall des Schuges gewiß ist. O, möchte doch der Kreis der Ekliptik mit dem des Aequators zusammenfallen! Möchte doch die Sonne für immer von Pol zu Pol scheinen und jedes Land bewohnbar und gaftlich machen; möchten die Sandwüsten der Sahara wie Fourier es prophezeite in die Gärten der Hesperiden und das bittere Salz des Meerwassers (nach demselben Autor) in köstlichen Champagner, in dem zu ertrinken eine wahre Luft sein müßte, verwandelt werden! Ich befürchte aber sehr, daß die Menschheit für ein solches Millenium noch nicht reif ist.

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Es ist indessen wahrhaft tröstend, zu finden, daß selbst hier, wo die Menschen unter solchen entmuthigenden Umständen leben, welche für gar manches Laster ihnen zur Entschuldigung dienen könnten, fie dem Maße ihrer Einsicht nach vollkommen so wahrhaft, rechtschaffen und rein sind, wie die Einwohner der begünstigtsten Länder auf der Erde. Liebe unter sich, Vertrauen zu einander, Glaube an Gott find unter ihnen lebendig, und ihrer Mängel sind so wenige, und sie sind so leicht zu erklären, daß man sie schonend betrachten und fühlen muß, daß der Glaube an die Menschheit nichts verliert, wenn man ihre Bekanntschaft macht. Derjenige, welcher sein Leben zuhause verbringt, kann nie wissen, wieviel Gutes es in der Welt giebt. Bei rohen, ungebildeten Völkern läßt sich das Uebel natürlich auf der Oberfläche erkennen und man kann den Charakter des Stromes un ter seinem Schaum unterscheiden. Nur bei der höchsten Civilisation ist die Außenseite für das Auge gut, während die innere Fäulniß des Martes sich nur allzu oft verbirgt. Ich habe übrigens keine Zeit· über diese Gegenstände zu moralisiren. Meine Pflicht ist die eines.

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Berichterstatters und wenn ich diese gewissenhaft erfülle, so brauchen die Lehren, zu welchen meine Beobachtungen die Veranlassung geben nicht weiter hervorgehoben zu werden.

Mannigfaltiges.

Seit

Brunet's Handbuch für Buchhändler und Bücherfreunde. Von den Herren Firmin Didot Frères in Paris geht uns der Prospektus einer neuen (der fünften) Auflage von Brunet's „Manuel du libraire et de l'amateur de livres" zu, welche in sechs Bänden zum Gesammtpreise von hundert France für Subskribenten angekündigt wird und deren erster Band im Monat Juli 1859 erscheinen soll. Jacques Charles Brunet, deffen „Manuel" in seiner ersten Ausgabe gerade ein halbes Jahrhundert vor der angekündigten fünften Auflage erschien (1809), ist noch immer selbst thätig bei der Ergänzung und Verbesserung seines Werkes. funfzehn Jahren soll er mit den Vorbereitungen dieser neuen Ausgabe beschäftigt sein, zu welchem Zwecke er sich unter Anderem, was die russische Literatur betrifft, mit dem Direktor der kaiserlichen Bibliothek in St. Petersburg, Staatssecretair Baron v. Korff, in Verbindung gefeßt, der die Bibliothekare Bytschkov und Minzloff beauftragt hat, dem Herrn Brunet alle für sein „Manuel" erforderlichen Mittheilungen zu machen. Die neue Ausgabe wird aus zwei Abtheilungen bestehen: 1) dem bibliographischen Wörterbuche und 2) einer Table méthodique; welche den lezten Band des Werkes bilden und in alphabetischer Ordnung auch alle diejenigen Schriftsteller umfaffen wird, deren Schriften zwar nicht zu den seltenen und geschäßteren Büchern gehören, die im Wörterbuche ausführlich behandelt sind, die jedoch immer noch ein Interesse für den Bücherfreund haben. Der Vollständigkeit wegen, soll jedoch unter jeder Seite des Wörterbuches selbst auch eine kurze Hinweisung auf die Namen der Schriftsteller sich finden, welche in die Table méthodique verwiesen worden. Dem Prospektus zufolge, wird die neue Ausgabe um mindestens ein Viertel stärker, als die vierte Auflage sein, welche aus fünf Bänden bestand, die zur Zeit ihres Erscheinens 90 Francs kosteten, seitdem jedoch, da sie im Buchhandel gänzlich vergriffen sind, mit 115-180 Francs bezahlt werden. Jeder der neuen sechs Bände wird, der Ankündigung zufolge, 800 bis 900 Seiten im Lerikonformat umfassen und nur 163 Francs kosten. „, Célérité d'exécution et modicité de prix" wird, wie Herr Ambroise Firmin Didot versichert, der Wahlspruch des neuen Unternehmens sein.

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- Das Erdbeben in der Provinz Basilicata. Wir ent lehnen dem Juliheft der Zeitschrift für allgemeine Erdkunde" einige Angaben über den ungeheuren Verlust an Menschenleben, der durch das Erdbeben vom 16. Dezember 1857 in der neapolitanischen Provinz Basilicata verursacht wurde. Dieselben sind einer von Raffaele Battista, beständigem Secretair der königlichen ökonomischen Gesellschaft in Basilicata, herausgegebenen Schrift (,,Il terremoto di Basilicata", Potenza, 1858) entnommen und können daher als offiziell betrachtet werden, wobei indeß zu bemerken ist, daß gerade für die Kommunen, die am meisten gelitten haben, die Zahlen nur auf ungefährer Schäßung beruhen. „Von den vier Distrikten der Provinz ist der von Potenza als der eigentliche Schauplah des Erdbebens zu betrachten; während im Distrikt von Matera, dem, östlichsten der Provinz, bei einer Bevölkerung von 33,464 Seelen, 61 Todte und 42 Verwundete, im Distrikt Melfi bei einer Bevölkerung von 14,179 Seelen, 3 Todte und 1 Verwundeter, im Lagonegro bei einer Bevölkerung von 35,713 Seelen, 402 Todte und 237 Verwundete gezählt werden, hat der Distrikt Potenza bei einer Bevölkerung von 123,414 Seelen einen Verlust von 9123 Tødten, erlitten und 1063 Verwundete gezählt. Und dieser Verlust vertheilt sich sehr ungleich auf die einzelnen Kommunen; am unglücklichsten sind die Kommunen Montemurro und Saponara an der Westgränze weggekommen, dort schäßte man die Zahl der Todten auf 5000, die der Verwundeten auf 500, bei einer Bevölkerung von nur 7002 Seelen; in dem Lehteren wird die Zahl der Todten auf 2100, die der Verwundeten auf 70 angegeben, bei einer Bevölkerung von nur 4010 Seelen! Dieser kolossale Verlust an Menschenleben ist wohl hauptsächlich dem Umstande zuzuschreiben, daß das Erdbeben in der Nacht eintrat, wo sich die ganze Bevölkerung in den Häusern befand, unter deren Trümmern sie begraben wurde. Auch folgte die zweite heftigere:: Erschütterung so schnell auf die erste, daß die, durch den ersten Stoß aus dem Schlaf gerüttelten Einwohner nicht Zeit gewannen, sich ins Freie zu retten.“

!! Herausgegeben und redigirt von J. Lehmann. Im Berlage von Veit & Comp.

Berlin, gedruckt bei A. W. Hayu.

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