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friedigen, zahlte man Preise, die wirklich fabelhaft find. Zu spät erkannte man den Irrthum. Weil selbst betrogen, betrog man nun wieder, d. h. man machte den Schwindel stabil. Erst als, theilweis eine Folge der Bankkrisis, die Herbst-Einwanderung von 1857 auszubleiben begann, als das Angebot die Nachfrage um mehr als das Doppelte überstieg, als die Frühjahrs-Einwanderung von 1858 wohl viel Arbeitskraft, aber kein Kapital mitbrachte, als Mangel an Geld und Mangel an Arbeit eine eigene Auswanderungs- Statistik schufen, da erst begann die gegenwärtige Krifis und mit ihr ein Rückgang aller Preise.

,,Lots in Leavenworth, voriges Jahr noch mit 6-7000 Doll. be rechnet, sind jezt für 4000 Doll. und weniger verkäuflich; Stores in Wyandott, legten Herbst noch mit 1500 Doll. notirt, finden jest nicht einmal für 900 Doll. Käufer; Stores in Sumner haben noch den alten Preis von 200 Doll. behauptet, dagegen find Lots in Atchison um mehr als ein Drittel gefallen. Gute Busineß Lots in Topeka wurden Ende April zu 3-400 Doll., in Lawrence zu 1000 Doll., in Palermo und Delaware, Ofawkee und Indianola für Nichts angeboten. Am hartnäckigsten halten sich noch die Preise des Landes; so fordert man immer noch für Land, zwei Meilen von Leavenworth, 80-100 Doll. per Acre, für holz- und wafferarme Claims, auf der Shawnee Reserve 800-1000 Doll., wenn 2-4 Meilen vom Kaw River, 4-800, wenn weiter entfernt, für theilweis kultivirtes Farmland mit Holzbestand am Rock Creek, also nahe 100 Meilen vom Missouri im Innern, 2000 Doll. per Acre, für Land, 3-4 Meilen vom Missouri, wenn bewaldet, 20 bis 30 Doll. per Acre. Da fast keine Verkäufe gemacht werden, so find und bleiben die Preise selbstverständlich nur nominell, so lange bis die kommerziellen Zustände der Territorien auf solideres Fundament, als das bloßer imaginärer Werthe, zurückgeführt sind. So lange Arbeitsmangel Tausende von Ankömmlingen wieder in die alten Staaten zurücktreibt, so lange bleibt die lebenskräftige Entwickelung der Territorien eine bloße Fiction.

Um Kongreßland zu erhalten, muß man in Kansas, begnügt man sich mit Prärie, bereits 40-60, reflektirt man aber auch auf Holz, 80 und mehr Meilen in das Innere. Alles östlicher gelegene Land, ganz besonders alles bewaldete, sowie alles Land in der Nähe der Flüffe, befindet sich bereis in zweiter Hand. Was man dafür fordert, habe ich oben erwähnt.

,,Ob die weite Entfernung vom Markte, der Mangel an Holz und guten Communicationswegen gegenüber der leichten und weniger kostbaren Bebauung des Bodens und der reichen Bewässerung, keiner Beachtung, ob der Besit einer Claim ein Leben voll Mühe und Entbehrungen werth ist, ist eine Frage für den Farmer, nicht für mich. Nicht die leichte Bebauung des Bodens allein, sondern mehr noch die geographische Lage des Staates hat die Prärie von Illinois in blühende Felder verwandelt.

,,Unter den Städten des Territoriums nimmt Leavenworth den ersten Rang ein. Es verdankt ihn nicht sowohl seiner topographischen Lage, als vielmehr seiner politischen Leidensgeschichte und dem beständigen Verkehr mit dem Fort Leavenworth. Wenn das Ende des Utah - Krieges für Leavenworth gleichbedeutend mit dem Verluste des Handels nach dem Fort ist, wenn Fort Riley das Hauptfort des Westens, Fort Leavenworth dagegen ein bloßes Depot für die westlicher gelegenen Forts wird, ehe noch die Stadt durch einen tüchtigen Farmerstand gekräftigt ist, dann wird auch in der Entwickelungsgeschichte Leavenworth's ein unvermeidlicher Stillstand eintreten. Die Preise des Grundeigenthums dort sind bereits jest schon um mehr als 30 Prozent gefallen, ohne daß noch die Nachfrage dem Angebote entspräche. Einwohnerzahl 6—7000, darunter ein Drittel Deutsche.

,,Von den Uferstädten oberhalb Leavenworth ist nur noch Atchison mit 1800–2000 Einwohnern, worunter ca. 200 Deutsche, und ober, halb Leavenworth nur noch Wyandott mit ca. 1500 Einwohnern, worunter kaum ein Fünftel Deutsche, erwähnenswerth; Atchison der dort noch immer dominirenden Gränzstrolchgesinnungen, Wyandott seiner romantischen Lage wegen. - Von den übrigen Uferstädten sind das 4 Meilen unterhalb Atchison gelegene Sumner mit 300 bis 400 Einwohnern und das 18 Meilen oberhalb Wyandott gelegene Weimar mit 50-60 Häusern spezifisch deutsch, jenes noch ausgezeich net durch eine halsbrecherische Lage, dieses durch sein rasches Wachsthum. Wenn eine von den kleineren Städten Beachtung verdient, so ist es Weimar, weniger der Freilots wegen, die der dortige Kolonist nach eignem Belieben sich auswählen darf, sondern mehr noch, weil die Lage der Stadt am Missouri, auf einem im Halbkreis von Bluffs begränzten Plateau, in einer gut bewaldeten Gegend und nur 18 Meilen von Lawrence entfernt, sie zu einem freundlichen Landstädtchen macht; Quindaro, als Temperenznest bekannt, Delaware-City mit

80-90 Häusern, Kickapoo, oft erwähnt als Hauptquartier der Gränzstrolche, Doniphan, Palermo, Elbwood, Gery-City, Petersburg mit seinen vier, das 5 Jahr alte Port Williams mit seinen sechs Häusern, Jowa Point und Columbus Jowa Point und Columbus — das wäre der Rest der Kanfasstädte am Missouri. Wenn eine von ihnen noch der Betrachtung werth it, so ist es Doniphan.

Von den Städten im Innern des Territoriums sind Lawrenc mit ca. 3000 Einwohnern, Topeka mit ca. 2000 und Manhattan mit 60–70 Häusern die bedeutendsten. Busineß-Lots in Lawrence wurden zu 1000-1200 Doll., in Topeka, das, nebenbei gesagt, ein Temperenznest ist, zu 4-600 Doll. ausgeboten. Bedeutung erhalten diefe Städte erst durch eine Eisenbahnverbindung mit dem Often, ente weder längs des Kaw-Thales von Kansas-City oder aber von Fen Riley über Topeka nach Leavenworth, Atchison oder St. Joe. Beide Bahnen haben Topeka, das die einzige Brücke über den Kaw - River befißt, zum Mittelpunkte; unter allen Eisenbahn-Projekten stehen sie der Verwirklichung am nächsten. der Verwirklichung am nächsten. Zu den Städten zweiten Ranges gehören Lecompton und Tecumseh mit 4-6000 und Indianola und Osawkee mit 2-300 Einwohnern. Alle anderen Städte gehören z Klasse der Papierstädte, deren kleinste es nicht über zwei, deren gri es nicht über 10 Häuser gebracht haben."

Mannigfaltiges.

Lewes über Goethe. Kürzlich ist auch der zweite Band der in Deutschland gedruckten zweiten Ausgabe des Lewesschen Buches über Goethe in englischer Sprache erschienen.) Was diese überaus korrekt und sauber gedruckte Ausgabe vor der deutschen Ueberseßung des Werkes auszeichnet, ist der angehängte alphabetische Index, der das Buch über Goethe zugleich zu einem „book of reference”, zu einem Nachschlagewerke, wie es die Engländer zu lieben pflegen, für die Literatur-Geschichte im Zeitalter Goethe's macht. Und wir bekennen ganz offen, daß wir, bei der Objektivität und Hingebung an den Gegenstand, welche die Lewessche Darstellung charakterisirt, lieber darin nachschlagen, als in den prätenfionsvollen Literaturgeschichte Büchern unserer deutschen Zeitgenossen, in denen meistens der Herren eigener Geist Parade macht, der Geist der Schriftsteller dagegen, deren Geschichte sie geben wollen, unter der subjektiven Auffassung völlig entstellt wird. Je näher wir das Lewessche Buch kennen lernen, um so mehr gewinnen wir es lieb und um so mehr dürfen wir es den Freunden der englischen wie der deutschen Literatur empfehlen.

Leipzig, der Weltmarkt der Literatur. Der inter nationale, buchhändlerische Verkehr zwischen Dentschland, Frankreis und England hat einen neuen, großen Fortschritt gemacht. Auf der Antrag der Verlagshandlungen Firmin Didot Frères, Hachette & Comp., V. Masson, A. Franck, Fr. Klincksieck und einiger anderen Firmen in Paris hat nämlich der Vorstand des Börsenvereins der deutschen Buchhändler den Beschluß gefaßt: im amtlichen Theile des Leipziger Börsenblattes die in englischer und französischer Sprache erscheinenden Neuigkeiten des ausländischen Buchhandels regelmäßig, gleich denen des deutschen Buchhandels, zu veröffentlichen. Zur Aufnahmè in dieses Verzeichniß find jedoch nur die in französischer und englischer Sprache erschienenen Artikel derjenigen ausländischen Verleger berechtigt, die mit dem deutschen Buchhandel in direkter Verbindung stehen und ihr Geschäft nach den in Deutschland üblichen Gebräuchen führen, wozu namentlich gehört, daß sie Jahresrechnung gewähren, ihren Verlag,,à Condition" geben, in Leipzig, wo sie ausliefern lassen, einen Commissionair halten und mit Deutschland in deutscher Währung rechnen. Leipzig wird nun auf diese Weise, wie es bisher der Cen tralmarkt des deutschen Buchhandels war, zum Centralmarkte des europäischen Buchhandels gemacht. Denn da nicht blos jene genannten Pariser Verleger, sondern auch einige der renommirtesten englischen, sowie die meisten Verlagshandlungen der skandinavischen Länder, Rußlands und Polens Mitglieder des deutschen Börsenvereines sind,< so wird man bald durch die Leipziger Commissionaire die Erzeugnisse aller europäischen Literaturen austauschen können. Nur Italien ist bis jezt noch zurückgeblieben (mit Ausnahme des italiänischen Verlages von Triest), obwohl gerade dieses Land mehr als ein anderes das Bedürfniß hat, seinen Antheil am Weltmarkte der Literatur zu erhalten.

*) The Life and Works of Goethe: with Sketches of his Age and H. Lewes. Second edition (Copyright) revised by the author. Vol. II. Contemporaries, from published and unpublished sources. By G. Leipzig, F. A. Brockhaus.

Wöchentlich erscheinen 3 Rummera. Breis jährlich 3 Tblr. 10 gr., dalbfährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 108.

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Literatur des Auslandes.

Spanien.

Berlin, Donnerstag den 9. September.

Baskische Sprachdenkmäler. *)

Neben den großen Völkern und Volksstämmen Europa's haben sich hier und da Bevölkerungen erhalten, welche Trümmer und Reste sonst verschollener großer Nationen sind. Wo sind die einst mächtigen Kelten hin, die den größten Theil des westlichen Europa's, Frankreich, die britischen Inseln und große Theile von Deutschland inne hatten? Nur Schottland, Irland, Wales und die Bretagne in Frankreich gehören noch zum Theil dieser Zunge und diesem Volksthum an, das sichtbar im Ersterben begriffen ist. Ebenso ist es mit dem litauisch-preußischen Stamme, der einst einen bei weitem größeren Umfang gehabt zu haben scheint, ebenso mit den Basten Spaniens und Süd-Frankreichs. Nachdem einmal der Kern des Volkes gebrochen, geht die Zersehung unaufhaltsam vor sich und es erliegt den großen Nationalitäten, welche das Schicksal mehr begünstigt hat..

Ein uralter Volksstamm, ebenso alt, und älter vielleicht, als die Phönizier, die zuerst mit ihm zusammentrafen, als Griechen und Römer und an räumlicher Ausbreitung vielleicht nicht hinter den Germanen und Kelten zurückstehend, waren die Jberer. Die pyrenäische Halbinsel war ihr Hauptsiz, doch, nahmen sie auch einen großen Theil Galliens, ja vielleicht Italiens und die Inseln des Mittelländischen Meeres im Westen ein. Man vermuthet aus mehreren Gründen, daß die Sikaner Siciliens Jberer gewesen; ebenso von den Ligurern Süd-Frankreichs und Nord-Italiens. Schon im Anfang, wo der erste Schimmer der Geschichte auf diesen Volksstamm fällt, scheint er im Zurückweichen, die Einwanderung der Kelten, die gleichfalls mit tiefer Nacht bedeckt ist und sich nur aus gewiffen Anzeichen schließen läßt, scheint auf die Iberer getroffen zu sein und sie zurückgedrängt zu haben; denn sogar in Spanien selbst finden wir das erstere Volk fäffig, der Name der Kelt-Jberer beweist, daß bereits lange vor der Eroberung Spaniens durch die Karthager beide Stämme eine Mischung eingegangen waren. Die Völker von Tarschisch oder Tartassus, mit denen die Phönizier von Sidon und Tyrus schon um 1200 v. Chr. und früher in Handelsverbindungen getreten waren, in deren Lande fie Gades und andere blühende Kolonieen stifteten, gehörten unzweifelhaft demselben Stamme an, mit dem später Karthager und Römer in denselben Gegenden zu thun hatten. Was man aus den ältesten Zeiten über Spanien und seine Bewohner weiß, sind kurze Andeutungen und unzusammenhängende Notizen; erst nach der Zeit des ersten punischen Krieges, nachdem Hamilkar Barkas Spanien erobert, bis es später den Römern anheimfiel, tritt es in die Geschichte ein; doch ist das, was wir bei dieser Gelegenheit erfahren, gleicher weise ungemein mangelhaft und es läßt sich danach kein auch nur annäherndes Bild von dem Volke und seinen Zuständen entwerfen.

Man sieht etwa im Allgemeinen, daß die damaligen iberischen Spanier, die seit langer Zeit mit Phöniziern, Karthagern und Griechen in Verkehr gestanden, eine gewiffe, nicht unbedeutende Bildungsstufe erreicht hatten, daß sie in eine Menge kleinerer Stämme zerfielen und vielfach in städtischen Gemeinwesen vereint waren, ähnlich wie die Gallier zu Cäsar's Zeiten. Auch die Art und Weise, wie die Römer von dem tapfern und freiheitsliebenden Volke reden, zeigt hinlänglich, daß es auf fie nicht den Eindruck roher und kulturloser Barbaren machte, daß hier eine alte Civilisation vorhanden war. Freilich ist fie untergegangen; von Sprache, Literatur, Gefeßgebung, Kultus u. f. w. erfahren wir so ziemlich nichts, und wir haben volle Freiheit, unsere Phantasie spielen zu lassen. Nachdem der Vertheidiger der spanischen Freiheit und Selbständigkeit, der tapfere Viriathus, gefallen, nachdem des Sertorius Aufstand verunglückt, vollendete die

*),, Denkmaeler der baskischen Sprache, mit einer Einleitung, welche von dem Studium der baskischen Sprache handelt und zugleich eine Beschreibung und Charakteristik derselben enthaelt". Herausgegeben Von C. A. F. Maho, Dr. Berlin, 1857. Ferd. Dümmler. (Paris: Franck & Klincksiek. London: Williams & Norgate.)

1858.

Romanisirung, der auch Gallien anheimfiel, den Untergang des iberischen Stammes; die Spanier gaben bis auf wenige Reste ihre alte Sprache auf, und aus der Mischung der Eingebornen mit zugewanderten Italiänern entwickelte sich das neue Volksthum der romanischen Spanier, das später abermals durch bedeutende Beimischung germanischen (der Vandalen und Westgothen), und arabisch- maurischen Blutes neue Färbung erhielt. Nichtsdestoweniger sind die heutigen Spanier wohl noch zum bedeutend größeren Theile Nachkommen der alten Jberer.

Ein Ueberreft dieses großen Stammes, der seine alte Sprache bis jest erhalten hat, sind die Basken im südlichen Frankreich und im nordöstlichen Spanien. Die baskische Sprache wurde ehemals, nachdem das Iberische durch die Römer im übrigen Spanien und in Aquitanien aufgehört hatte, im ganzen Umfange des jeßigen Bastenlandes gesprochen, hat aber auch ihrerseits allmählich immer mehr an Gebiet verloren, besonders in dem französischen Theile des Baskenlandes, in den südlichen und ebenen Theilen von Navarra und Alava. In Frankreich betrachten sich in mehreren Gemeinden der Soule und Labourts die Einwohner schon seit langer Zeit nicht mehr als Basken, und Bayonne z. B. gehört seiner Sprache nach nicht mehr zu dem eigentlichen Baskenlande. Nach ziemlich sicherer Berechnung darf man annehmen, daß in Frankreich etwa 100,000 und in Spanien ungefähr 500,000 also im Ganzen 600,000 Individuen von 810,000 des gesammten Landes diese Sprache reden. Sie ist so ziemlich zu einer bloßen Volksmundart herabgesunken; denn die Gebildeten sprechen seit langer Zeit Spanisch oder Französisch und Einige sogar nur eine von diesen beiden Sprachen ohne Baskisch. Die baskische Sprache zerfällt in mehrere Dialekte, deren hauptsächlichste der labourta nische im französischen Baskenlande, und nur wenig davon verschieden in Navarra und in der Soule, der Guipuzcoanische in Guipuzcoa und Alava und der Bizcaya im spanischen Theile sind. Obschon die Sprache im ganzen Lande ihrem Wortschaße und grammatischen Bau nach wesentlich dieselbe ist, so ist der Unterschied der einzelnen Dialekte, wenigstens in der Aussprache und für das Gehör, doch bedeutend, so daß z. B. der Guipuzcoaner feinen nächsten Nachbar, den Bizcayer, nur mit Mühe versteht. Noch schwerer verstehen sich die französischen Basken und die Vizcayer unter einander.

Die neuere iberische oder baskische Sprache wird von den Basken selbst Euskara, Escuara oder Eskera genannt; ihr Land heißt davon Euskal-ercia und sie selbst mit einheimischem Namen Euskaldunak, Eskualdunak oder Eskaldunak, d. i. die das Euskara Habenden. Die Wurzel dieses Begriffes hat sich noch in dem Worte eus, eusi, bellen, und in deffen Causativ e-ra-us, viel oder zu viel sprechen, eigentlich bellen machen, erausi, Gespräch, erhalten.

Was den Charakter der Sprache betrifft, so ist es bekannt, daß dieselbe nicht, wie die meisten anderen europäischen Sprachen, zum arischen oder indo-germanischen Stamme gehört, sondern ein besonderes, ganz abweichendes Gepräge zeigt ein großes Räthsel, wenn man den körperlichen Habitus des Volkes in Betracht zieht, der durchaus nichts von anderen Indogermanen Abweichendes bietet. Daß fie eine vielleicht nur sehr wenig veränderte Tochter des Altiberischen sei, beweisen die von Griechen und Römern angeführten Orts- und Perfonennamen, so wie einige Inschriften und Münzlegenden in schwer zu lesender iberischer Schrift. Ueber die Orts- und Personennamen hat W. von Humboldt in seinen Untersuchungen über die Urbewohner Hispaniens (Berlin, 1821) die besten und umfangreichsten Aufschlüffe gegeben; über die Münzen ist das neueste Werk das von P. A. Boudart:

Numismatique Ibérienne. Beziers, 1857." Auch Dr. Steinthal, der, wie seiner Zeit in diesen Blättern besprochen wurde, ein interessantes Werk über die Classification der Sprachen (1850) veröffentlichte, Harakterisirt das Baskische in Kürze als viel aubildend, Stoff und Form, Nomen und Verbum scheidend und räumt ihm in dreizehn Sprachklassen, die mit den hinterindischen, als den niedrigst organisirten Sprachen, anfangen, die zehnte Stelle ein, so daß nur das Aegyptische, Semitische und die Sanskritsprachen darüber zu stehen kommen; Herr

Dr. Mahn möchte sie in einzelnen Fällen noch über das Sanskrit ftellen. Was er in der Einleitung über die innere Verwandtschaft und den geringen Unterschied von Agglutination und Flexion sagt, unterschreiben wir gern; es ist seit lange unsere Meinung gewesen, daß die Flexion nichts als eine untrennbar verwachsene und verschliffene Agglutination ist; ja es ist uns zweifelhaft, ob Flerion so unbedingt den Vorzug vor der Agglutination verdiene, weil die erstere sich so leicht verstümmelt, verschleift und nach mechanischem Ersage suchen muß, während agglutinirte Formwörter eher ihren klaren, scharfen Sinn behalten. So legt denn auch Herr Dr. Mahni,,Die bastische Sprache fügt allerdings die Form im Nomen und Pronomen auch nur an; aber, ähnlich der finnischen, auf eine so vollkommene und angemessene Weise, daß sie hierin den anbildenden oder flektirenden Sprachen nicht blos gleichsteht, sondern sie in Hinsicht der Folgerichtigkeit, Bestimmtheit und Einfachheit sogar übertrifft." Im Baskischen fallen nicht, wie z. B. im Sanskrit, Latein u. s. w. zwei oder mehrere Casus lautlich zusammen, sondern werden klar und beftimmt aus einander gehalten; auch macht die Sprache feine Unterschiede, die andere nicht kennen. So hat sie z. B. einen doppelten Genitiv, der eine vorübergehenden und zufälligen, der andere immer währenden und eigentlichen Besit ausdrückend. So bedeutet z. B. etcheko nausia etwa unser Hausherr" im allgemeineren Sinne, etchearen nausia, Herr, Eigenthümer des Hauses.

(Schluß folgt.) Frankreich.

Frankreich unter der Restauration, nach Guizot.

Das Ministerium Villèle.
(Schluß.)

-

An La Fayette kann ich nicht ohne innige Betrübniß denken. Ich habe nie einen edelherzigeren Charakter gekannt: so wohlwollend, so gerecht gegen Alle, so opfermuthig für seinen Glauben und für seine Sache. Bei seiner Allerweltsfreundlichkeit besaß er nicht minder eine wahrhafte und tiefe Liebe für die Menschheit im Allgemeinen. Unter anmuthigen Formen barg er einen so probehaltigen Muth, eine so felfenfeste Standhaftigkeit der Gefühle und Ideen, eine so kraftvolle Entschlossenheit, die den treuesten Freunden der Ordnung Ehre machen würden. Im Jahre 1791 ließ er auf eine Meute schießen, die sich mit dem Namen des Volkes herauspußte; 1792 trat er persönlich vor die Nationalversammlung und verlangte im Namen des Heeres die Unterdrückung der Jakobiner; unter dem Kaiserreiche stand er beiseite mit ungebeugtem Haupte. Allein es fehlte ihm an politischem Urtheil, an Scharfblick, an der Würdigung der Umstände und der Menschen; er ließ sich in seiner befangenen Neigung gehen, ohne die wahrscheinlichen Ergebnisse voraus zu berechnen; er hatte ein anhaltendes, nicht eben wähliges Bedürfniß nach Volksgunst, das ihn weit über seine Absichten hinaus verleitete und ihn tief untergeordneten, oft sogar seiner Fittlichen Natur und seiner Stellung widersprechenden Einflüssen preisgab. Im ersten Moment, 1814, zeigte er sich der Restauration ziemlich geneigt; allein die Tendenzen der Gewalt, die starrsinnige Verbiffenheit der Royalisten, sein eigener Durst nach Popularität, warfen ihn bald in die Opposition. Nach den hundert Tagen schlug seine Opposition gegen das Haus Bourbon in erklärte und thätige Feindfeligkeit um; Republikaner im Herzen, ohne die Republik verkünden zu können, noch zu wagen, widerseßte er sich ebenso hartnäckig, wie vergeblich, der Rückkehr des Königthums, und trat gereizt, uneingeschüchtert in die Kammer. Im Jahre 1815 trat er in die Reihen der erbitters testen Feinde der Restauration, ohne sie jemals wieder zu verlassen. Von 1820-1823 war er nicht das wirkliche Haupt, aber das Werkzeug und Prunkstück aller Geheimbunde, aller Komplotte, aller Um Aturz-Entwürfe, selbst solcher, deren Resultate, wenn sie gelungen wären, er sicherlich verleugnet und bekämpft hätte.

Kein Mensch hatte weniger Aehnlichkeit mit La Fayette, als Manuel. So offen, kurzsichtig und verwegen der Eine in seiner Feindseligkeit, so verschloffen, berechnet und behutsam war der Andere, selbst in seiner Heftigkeit. La Fayette war, ich will nicht sagen, ein vornehmer Herr, das Wort paßt nicht für ihn, aber ein vornehmer Weltmann, freisinnig und populär; kein geborener Revolutionair, der aber, hingeriffen und verblendet, zu wiederholten, Revolutionen gedrängt werden und drängen konnte; Manuel war das gelehrige Kind und der gewandte Vertheidiger der Revolution von 1789; fähig, im Staatsdienste ein Mann der Regierung zu werden, einer freien Regierung, wenn es das Interesse der Revolution gestattet hätte, einer absoluten Regierung, wenn es nöthig gewesen wäre, die Revolution herrschend zu machen, aber entschloffen, diese unter allen Umständen, um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Ein Geist ohne Schwung, von geringer Fruchtbarkeit, übertrug er in das Leben und in die Parlaments-Debatten weder großartig politische Anschauungen, noch schöne

und anklingende Seelentöne; aber er wirkte mächtig durch seine feste Haltung und die lichtvolle Gediegenheit seiner Sprache. Er sprach, wie er handelte, als kalt entschloffener Parteimann, unbeweglich in den alten revolutionairen Schranken, unfähig, über das Parteiwesen sich zu erheben, oder sich auf Vermittelungen einzulassen, noch andere Wege einzuschlagen. Die Restauration war für ihn das ancien régime, die Gegenrevolution; innerhalb der Kammern machte er ihr alle die Opposition, die diese Bühne zuließ; außerhalb derselben ermunterte er alle Komplotte, alle Umsturzbestrebungen, nicht so haftig, wie La Fayette, sich an ihre Spiße zu schwingen, nicht so vertrauensvoll, wie dieser, in ihre Erfolge, aber entschlossen, dadurch den Haß und den Krieg gegen die Restauration zu pflegen und abzuwarten, bis fic -- günstige Gelegenheit böte, ihr entscheidende Streiche zu verseßen. D'Argenson war in der Partei nicht so bedeutend, obgleich leidenschaftlicher, als seine beiden Genossen. Es war ein ehrlicher, trübseliger Träumer, überzeugt, daß alle menschlichen Uebel von den menschlichen Geseßen herrühren; eifrig in dem Streben nach jeder Art Reform, obgleich ohne Vertrauen auf die Reformen. Seine ge sellschaftliche Stellung, der Adel seiner Gesinnung, der Ernst seiner Ueberzeugungen, die Schärfe und Feinheit des Verstandes, der aus einer schlechten Philosophie kühne Anschauungen schöpfte, räumten ihm in den einleitenden Anschlägen und Berathungen der verschworenen Opposition einen ziemlich hohen Plaß ein; zum Handeln aber war er untüchtig, leicht zu entmuthigen, obgleich stets bereit, wieder ans Werk zu gehen. Ein phantastischer, hoffnungsarmer Utopist ist nicht das rechte Holz, einen guten Verschwörer daraus zu zimmern.

Man kennt den Ausgang aller dieser ebenso eitlen, wie traurigen Verschwörungen. Ueberall von der Behörde auf Schritt und Tritt verfolgt, mitunter durch den selbstfüchtigen Diensteifer unwürdiger Agenten genährt, führten fie binnen zwei Jahren an verschiedenen Punkten Frankreichs neunzehn Lodesurtheile herbei, wovon elf vollstrect wurden. Versehen wir uns auf diese Schaupläge, dann steht uns der Verstand still und es zieht uns die Brust zusammen beim Anblick dieses Gegensaßes zwischen den Gesinnungen und den Handlungen, zwischen den Bestrebungen und den Ergebnissen; dieser zumal so ernsten und so läppischen Unternehmungen; dieser patriotischen Aufrichtigkeit bei solchem moralischen Leichtsinn; dieser Aufopferung bei kalter Berechnung; dieser Beharrlichkeit bei solcher Ohumacht in den Greisen, wie in den Jünglingen, in den Häuptern, wie in den Gliedern! Am 1. Januar 1822 kam La Fayette nach Béfort, um sich an die Spize des elsassischen Aufstandes zu stellen; er findet das Komplott entdeckt und mehrere Führer verhaftet; er findet aber auch Andere, wie Arg Scheffer, Joubert, Carrel, Guinard, die sich darum nicht stören laffen, ihm entgegen eilen, ihn und den ihn begleitenden Sohn auf Umwegen schleunigst zu retten. Neun Monate später, am 21. September desselben Jahres, sollten vier Unteroffiziere, Bories, Raoulr, Goubin und Pommier, wegen des Larocheller, Komplottes zum Tode verurtheilt, ihre Strafen erleiden; La Fayette und das oberste Comité der Carbonari hatten umsonst versucht, sie aus dem Gefängnisse heimlich zu befreien. Die Armen wußten, sie seien verloren und konnten glauben, man habe sie im Stiche gelaffen. Ein wohlwollender Nichter dringt in sie, durch einige Worte gegen die Urheber der unseligen Unternehmung ihr Leben zu retten. „Wir haben nichts zu entdecken“, antworten alle Vier und sterben mit ihrem Geheimniß. Der Opfermuth hätte vorsichtigere Häupter und großmüthigere Feinde verdient.

In Gegenwart solcher Thatsachen und mitten unter heißen Debatten, die sie in der Kammer hervorriefen, hatten die konspirirenden Abgeordneten eine mißliche Stellung: sie bekannten sich weder zu ihren Werken, noch vertraten sie ihre Freunde. Ihre heftigen Angriffe des Ministeriums und ihre bitteren Anspielungen auf die Restauration waren ein armseliger Erfaß für jene Opfer. Geheime Gesellschaften und Komplotte paffen schlecht zu einer freien Verfassung: Verschwörung und Freiheit des Wortes neben einander- darin ist wenig Sinn und wenig Würde. Umsonst versuchten es die nicht konspirirenden Abgeordneten, ihre bloßgestellten und verlegenen Kollegen zu decken; umsonst strengten sich General Foy, Casimir Périer, B. Constant, Laffitte an, über die wirklichen Verschwörer, die neben ihnen saßen, den Mantel ihrer persönlichen Unschuld zu werfen, indem sie die Anklage gegen ihre Partei, die doch eigentlich nicht auf sie zielte, leidenschaftlich abwehrten. Diese mehr lärmende, als kräftige Taktik täuschte weder die Regierung noch das Publikum, und dadurch, daß die Verschwörer in ihren eigenen Reihen zugleich verleugnet und vers theidigt wurden, verloren sie mehr an Achtung, als sie an Sicherheit gewannen. La Fayette verlor eines Tages die Geduld über diese unfreie und würdelose Stellung. In der Sigung am: 1. August 1822 hatte sich B. Constant darüber beschwert, daß der Ober- Staatsanwalt von Poitiers in seiner Anklageschrift gegen das Komplott des Gencrals Berton fünf Deputirte mit Namen bezeichnet habe, ohne daß diese vor der Kammer belangt worden wären. Laffitte verlangte, die Kammer solle eine Untersuchung der Thatsachen veranlassen, „Die“,

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sagte er, so weit sie mich betreffen, eine schändliche Lüge find". Cafimir Périer und General Foy unterstüßten ihn. Das Kabinet and die Rechte widersprachen, während sie troßdem den Staatsanwalt und seine Behauptungen vertheidigten. La Fayette verlangte das Wort und mit feltenem Auftand ironischen Stolzes sprach er: Wie gleichgültig ich auch gewöhnlich gegen Partei-Anschuldigungen und Gehäffigkeiten bin, glaube ich doch, einige Worte zu dem, was meine ehrenwerthen Freunde gesprochen, hinzufügen zu müssen. Im Verfolg einer Laufbahn, die ganz der Sache der Freiheit geweihet war, rech nete ich es mir stets zum Verdienst, die Zielscheibe für die Ungunft aller Gegner dieser Sache zu fein, mochten sie dieselbe unter der Geftalt der Defpotie, ber Aristokratie oder der Anarchie bekämpfen over entstellen wollen. Ich beklage mich also nicht, obgleich ich ein Recht hätte, das Wort erwiesen", deffen sich der Anwalt des Königs in Bezug auf mich bedient, etwas leichtfertig zu finden; aber ich schließe mich meinen Freunden an, soviel an uns ist, im Schoße dieser Kamgrote eet, mer, Angesichts der Nation, die möglichst große Deffentlichkeit zu verlangen. Da werden wir, meine Gegner und ich, auf welchem Plaze fie auch stehen, einander frei heraussagen können, was wir uns gegenseitig vorzurücken haben."

J

Das war eine ebenso durchsichtige, wie ftolze Herausforderung. Villèle fühlte ihre ganze Tragweite, die bis zum Könige selbst reichte. Er nahm sofort den hingeworfenen Handschuh mit einer Mäßigung auf, der es auch nicht an Stolz fehlte: Der Vorredner" sagte er, hat soeben die Frage dahin gestellt, wo sie in Wirklichkeit ist, wenn er, von der Kammer sprechend, gesagt hat,,,soviel an uns ist". Ja, es ist hochwichtig, zu wiffen, was an der beregten Frage wahr, was falsch ift; ergreift man aber das rechte Mittel, es zu wissen, wenn man eine Untersuchung verlangt? Das ist nicht meine Meinung; wär' es, ich würde nicht anstehen, für die Untersuchung zu stimmen. Das richtige Mittel scheint mir, der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen, den zu Hemmen in keines Menschen Macht steht... Mögen Mitglieder dieser Kammer in jener Anklageakte immerhin bloßgestellt sein: finden sie nicht ihre Rechtfertigung in der Thatsache selbst, daß man sie nicht bei der Kammer belangt hat, um auf die Liste der Angeklagten gefeßt zu werden? Denn, meine Herren, es ist zu widersprechend, einerseits zu sagen: Ihr habt unsere Namen in das Requifitorium seßen lassen, um uns anzuflagen - und andererseits zu behaupten: Das gegenwärtige Minifterium hat es nicht gewagt, uns in Anklagestand zu feßen. Sie sind nicht in Anklage, da Sie bei dieser Kammer nicht belangt worden; Sie sind aber nicht belangt worden, weil aus dem Verfahren die Nothwendigkeit, die Pflicht für das Ministerium nicht hervorging, Sie von der Kammer zu reklamiren. Ich erkläre es Angesichts Frankreichs: wir klagen Sie nicht an, weil in dem Verfahren die Pflicht, die Nothwendigkeit für uns nicht vorhanden ist, Sie anzuklagen. Wir hätten sonst um so eher diese Pflicht erfüllt, als Sie uns zuviel Kenntniß des menschlichen Herzens zutrauen, um vorauszuseßen, daß wir nicht wüßten, es sei weniger Gefahr dabei, Anklage gegen Sie zu erheben, als rein, schlicht und edel die Linie zu verfolgen, die in dem ordentlichen Wege der Gerechtigkeit vorgezeich net ift."

Als Villèle aus dieser Sißung ging, war er sicherlich, und mit Recht, mit seiner Stellung, wie mit sich selber zufrieden; er hatte sich zumal mit Festigkeit und Mäßigung benommen. Zudem er sich Streng an den geseßlichen Rechtsgang hielt, indem er jeden Gedanten an eine Verfolgung bis aufs Blut fernhielt, hatte er den Arm der Gewalt im Rückhalt durchblicken laffen, bereith sich aus zustrecken, wenn ihn die Nothwendigkeit herausforderte. Auf diese Weise hatte er die Schirmherren der Verschwörer ein wenig bedroht, ein wenig beunruhigt, und seiner eigenen Partei genuggethan, ohne ihre Leidenschaften anzufachen. Der Kammertaktiker handelte und sprach an jenem Tage als Regierungsmann. Damals stand er in der ersten und hellsten Phase seiner Macht: er vertheidigte die Monarchie und die Ordnung gegen die Verschwörungen und Aufstände; in der Deputirten-Kammer hatte er die hißigen Angriffe der Linken, in der Pairs-Kammer das gemäßigte, aber wachsame Uebelwollen der Freunde Richelieu's abzuwehren. Die Gefahr und der Kampf schaarten seine ganze Partei um ihn. Vor einer solchen Stellung nahmen die Neben buhlerschaften und Ränke der Kammer und des Hofes Anstand, hervorzutreten; die Zumuthungen hielten an sich; man sah die Noth wendigkeit der Treue und der Kriegeszucht ein; die Schaar wagte es nicht, ihren Führer weder ungeduldig zu überlaufen, noch im Stiche zu laffen.

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die Zumuthungen, die Gehäffigkeit, die Ränke brachen rings unt
ihn hervor. Bei den Fragen der auswärtigen Politik und sogar im
Schoße seines Kabinets verspürte er die ersten Angriffe.
Böhmen.

zur Geschichte von Prag,

Die böhmischen Stände haben sich in neuerer Zeit vor den be nachbarten schlesischen dadurch ausgezeichnet, daß fie die Bearbeitung der Geschichte ihres Landes auf das Erfolgreichste unterstüßten. Da durch ist der Sinn für Geschichte bei der Bevölkerung Böhmens geweckt worden und der Prager Profeffor Wenzel Wladiwoj Tomek konnte es selbst ohne derartige Beihülfe unternehmen, die Geschichte Prags in böhmischer Sprache zu schreiben, jener Stadt, die noch heute selbst den gewöhnlichsten Touristen ahnen läßt, daß die alterthümlichen Kirchen, die großartigen Schlösser und Paläste Zeugen denkwürdigster Ereignisse gewesen sind. Tomek theilte sein Werk in sechs Bücher.

,,Das erste Buch,,,Altslavisches Prag" überschrieben, enthält den ältesten Zeitraum, in welchem die Einwohnerschaft Prags noch unter keiner besonderen Gemeindeverfaffung vereinigt war, indem diese erst mit der Niederlassung deutscher Ansiedler sich zu bilden begann. Das zweite Buch handelt von den Zeiten der ersten städtischen Einrichtungen in den Prager Gemeinden während des größten Uebergewichts der neuen deutschen Bevölkerung über die ältere böhmische, von der Ummauerung der Altstadt Prag unter König Wenzel I. bis zur Gründung der Neustadt unter Karl IV. Durch dieses Werk Karl's, wie auch durch andere damalige Zeitumstände, erhielt die böhmische Einwohnerschaft Prags einen mächtigen Antrieb zur Anstrebung gleicher Theilnahme an den Rechten und Freiheiten des Bürgerstandes. Das Erstarken der böhmischen Volksthümlichkeit und der Kampf mit der deuts schen, der daraus entstand, wozu sich später der große kirchliche Streit gesellte, charakterisirt den Zeitraum von der Gründung der Prager Neustadt bis zum Ende des Huffitenkrieges, welcher Gegenstand des dritten Buches sein wird. Das vierte Buch wird von da bis zu der ständischen Bewegung unter Ferdinand I. im Jahre 1547 reichen. Es ist die Zeit der größten äußeren Macht der Prager Stadtgemeinde unter ausschließlicher Herrschaft des böhmischen Elementes in Folge der Auswanderung der Deutschen zu Anfange des Hussitenkrieges. Die Gemeindeverfassung artete aber im Laufe dieses Zeitraumes aus in allzugroße Ungebundenheit, der dann König Ferdinand I. durch Beslegung des erwähnten Aufstandes mittelst bedeutender Einschränkung der städtischen Freiheiten ein Ende machte. Das fünfte Buch soll von da an bis zur gänzlichen Aufhebung der ehemaligen städtischen Einrichtungen durch Kaiser Joseph II. gehen; das fechste bis zur jeßigen Zeit." Tomek hat sein böhmisches Werk selbst in's Deutsche überfeßt®) und wir lernen in ihm einen gründlichen, umsichtigen Geschichtsforscher kennen, der mit eisernem Fleiß die erforderlichen Nachrichten gefammelt, fie mit scharfer und besonnener Kritik gesichtet und sich durch seine Darstellung als Herr seiner Aufgabe glänzend bewährt hat.

Drei Burgen, Wyšehrad, Prag und Dewin, die leßtere jedoch bald wieder verlassen, lagen in altersgrauer Zeit inmitten dichter Waldungen. Boriwoj, 874 getauft, erbaute innerhalb solcher Burgen Kirchen. Außerdem befand sich, z. B. in der Prager Burg, der fürftliche Hof oder Palaft, der ehrwürdige Stuhl, auf welchem die Landesfürsten beim Antritt der Herrschaft feierlich eingesezt wurden, die ge meinsame Wohnung der bei der St. Veitskirche angestellten Geist lichen, sowie der bischöfliche Palast. Innerhalb der Ringmauern der Burg Wyšehrad war gleichfalls ein fürstlicher Palaft. Allmählich entstand der Burgflecken und somit die Stadt Prag; die Bewohner derselben hatten sich ursprünglich auf fürstlichem Gebiet angesiedelt, welches aber zum Theil an geistliche Corporationen, zum Theil an weltliche Herren überging. Eine Gemeindeverfassung gab es nicht. Die Beamten der geistlichen Corporationen, der weltlichen Herren und die auf der Burg residirenden landesfürstlichen Beamten besaßen die Administrativ- und Gerichtsgewalt über die gesammte Bewohnerschaft, welche außer verschiedenen Handwerken auch noch Ackerbau trieb. Bereits im zwölften Jahrhundert gab es in der Nähe Prags Obstgärten.

Die weltliche und die Klostergeistlichkeit sorgte für Verbreitung der Civilisation und der Landeskultur. Schwer hielt es, die Vielweiberei, die leichte Trennbarkeit der Ehen, die Ehebündnisse unter zu nahen Verwandten abzuschaffen und die Beobachtung der Fasten und der Sonn- und Feiertage durchzufeßen. Noch gegen das Ende des elften Jahrhunderts bestanden heidnische Gebräuche und Feste. Selbft Tomek, f. t. die eingeborene, böhmische Geistlichkeit bedurfte zum Theil strenger

Allein im Laufe des Jahres 1822 wurden die Verschwörungen überwunden; die Gefahren der Monarchie gingen vorüber; die parla mentarischen Kämpfe waren immer noch lebhaft genug, aber keine Lebensfragen mehr; die Herrschaft der Rechten im Lande wie in den Kammern schien fest gegründet. Da begannen für Billèle andere an der Schwierigkeiten, andere Gefahren: er hatte keine drohende Gegner in feine Kampfgenossen zusammenzuhalten; die Zwiftigkeiten,

außerordentl. Profeffor der österreichischen Geschichte Brager Universi

*) „Geschichte der Stadt Prag. Von

tat". 1. Band. Aus dem Böhmischen überfest vom Verfasser. Prag, 1856. Verlag der 3. G. Calveschen Buchhandlung.

Zucht, da es ihr an höherer Bildung mangelte, und dies war der Grund, daß man zu den wichtigeren Kirchenstellen Deutsche wählte, ,,obwohl gerade diejenigen Bischöfe, unter denen die größten Fortschritte zur Befestigung und fruchtbaren Ausbreitung der christlichen Einrichtungen geschehen sind, nämlich St. Adalbert, Severus und Cosmas Böhmen waren. Unter den 17 Bischöfen Prags bis zu Ende des zwölften Jahrhunderts waren sieben geborne Deutsche, die fieben geborne Deutsche, die sich wohl gleiche Verdienste wie die Ebengenannten erworben haben mögen, wenn es gleich den jeßigen Böhmen schwer fallen mag, dies unbedingt anzuerkennen.

Im Jahre 1143 erschien der Kardinal Guido in Prag, um mit Strenge den Cölibat und eine unnachsichtige Disziplin bei dem Clerus durchzuführen. „Die verheirateten Priester mußten entweder die Ehe verlassen (wenn nämlich ihre Gattinnen einwilligten) oder ihre geistlichen Benefizien aufgeben. Geistliche Würdenträger, welche als Laien einträgliche kirchliche Stellen erlangt hatten und nichtsdestoweniger sich weigerten, die Priesterweihen zu empfangen, wurden ohne Umstände der Präbenden entseßt. Von der höheren Geistlichkeit in Prag geschah dies vor Allen dem Dompropste Jurata, welcher bisher nicht zum Priester geweiht war und eine Ehefrau hatte, die in die Trennung nicht einwilligen wollte; ferner dem Domdechanten und Archidiakon Peter, welcher drei Weiber hatte und verschiedener Vergehen der Simonie angeklagt war." Im Jahre 1197 erschien wiederum ein päpstlicher Legat, der Kardinal Peter. Es war eben um die Fastenzeit, in welcher damals gewöhnlich die Priesterweihe ertheilt wurde. ,,Von den angehenden Priestern wurde diesmal vor der Weihe das eidliche Gelübde der Keuschheit verlangt. Darüber erhob sich jedoch in der Kirche selbst ein Sturm, in welchem der Legat bald ermordet worden wäre. Die Urheber dieser Empörung wurden zwar geziemend bestraft, die Ertheilung der Priesterweihe war aber für diesmal gehindert.“

Außer den Deutschen, die als Geistliche zu höheren und niederen Kirchenämtern gelangten, waren es besonders deutsche Kaufleute, welche in Prag eine neue Heimat fanden und bereits unter König Wratislaw II. (1061–1092) auf dem ihnen zu freiem erblichem Befig überlassenen, landesfürstlichen Grund und Boden unter einem von ihnen erwählten Nichter (judex Teutonicorum, richterius) und mit dem Recht, bei der St. Peterskirche einen Pfarrer zu ernennen, eine freie Gemeinde bildeten. Erimirt von der oft unbeschränkten Willkür der übrigen Beamten und in ihrem Hauswesen ordnungsliebend, nach außen betriebsam und rührig, gelangten sie in den Besiß erheblichen Reichthumes und dadurch zu immer größerem Ansehen. Soběslaw II. (1173-1178) erließ ein Privilegium,,,daß wer immer aus der Fremde käme und mit den Deutschen gemeinsam in Prag wohnen wollte, ebenfalls ihre Rechte und Gewohnheiten genießen solle."

Wohl sahen es die böhmischen wie die Fürsten anderer slavischen Länder, z. B. Schlesiens, ein, daß ein freier Bürgerstand ihnen geordnete Einnahmen gewährte und es ihnen dadurch möglich wurde, die steigende Macht des Adels zu brechen. Sie sahen es ferner ein, daß willkürliche Belastung die Unterthanen zugrunde richten mußte und daß der Ertrag solcher Willkür mehr ihren Beamten als ihnen selbst zugute kam. Tomek bemerkt hierbei:,,Nirgends achteten die Herr scher auf die Nachtheile, welche die ungeordnete Mischung der Nationalitäten herbeiführen mußte, sondern einzig nur auf die Vermehrung der Einkünfte ihrer Kammer. Die einheimische Bevölkerung hätte zu dem beabsichtigten Zwecke wohl auch herangezogen werden können; aber der Weg dazu wäre jedenfalls langsamer gewesen; man hätte die Früchte nicht gleich den Augenblick genoffen; darum wurden zu diesen Finanzoperationen meist nur Fremde herbeigezogen, ja die ein. heimische Bevölkerung wurde vielfach verkürzt an ihren bisherigen Rechten und Erwerbszweigen, indem Jenen große Vorrechte, namentlich monopolistischer Art, eingeräumt wurden."

Wir können es dem böhmischen Verfasser nicht verübeln, wenn sich sein Nationalgefühl gegen die Germanisirung des Landes fträubt, und wenn er anerkennen muß, daß es nicht seine Landsleute waren, die energisch Freiheit und Wohlstand zu gründen verstanden, so mag ihm dies schwer fallen. Wir sprechen aber offen unsere durch die Geschichte aller slavischen Länder genügend bewährte Ueberzeugung aus, daß den Slaven es durchaus unmöglich war, einen freien Bürgerund Bauernstand mit nachhaltigem Erfolg und in dem Umfange zu bilden, um dadurch eine mächtige Wehr gegen die so oft in die blutige ften Zwiste auflodernden Leidenschaften des Adels und der Fürsten zu gründen. In welchem Zustande befinden sich noch heut die Städte: und Dörfer mit überwiegend slavischer Bevölkerung? Wahrlich, sie hätten doch wohl Zeit gehabt, sich zu der Stufe emporzuschwingen, welche diejenigen mit überwiegend deutscher Bevölkerung bereits längst einnehmen. Tomek ist ein so umsichtiger und gewissenhafter Forscher,

daß wir es sehr bedauern würden, wenn er sich im Verfolg seines Werkes verleiten ließe, die unberechenbaren Vortheile, welche deutsche Kultur den Böhmen gebracht hat, nicht in gebührender Weise zu würdigen. So wenig wie die slavische Literatur fich eines Shat speare, eines Goethe rühmen kann, so wenig ist es den Völkern ge lungen, sich selbst ein Staatswesen zu gründen, welches vermocht hätte, jedem Stande die Stellung anzuweisen, auf welcher er sich im Verein mit den übrigen Ständen zu einer wohlgeordneten Freiheit hätte entwickeln können.

Das Werk Tomek's ist vor Allem bemüht, die inneren Verhält niffe Prags in ihrer Entwickelung treu und wahr darzustellen; wit sehen eben deshalb der Fortseßung mit Verlangen entgegen, da wir im voraus überzeugt sind, durch dieselbe eine Menge neuer Aufschlüffe zu erhalten. August Geyder.

Mannigfaltiges.

Die Philonische Philosophie. Aus Gothenburg a Schweden geht uns ein deutsch geschriebenes und vielfach von den Ideen deutscher Philosophie durchdrungenes Büchlein über die Philosophie Philo's, des Alexandrinischen Juden, zu.) Der Verfaffer hat sich bemüht, die in den Schriften Philo's zerstreuten, ihm eigenthüm lichen Gedanken zu einem systematischen Ganzen zusammen zu stellen und ihn zugleich gegen falsche Auffassungen und ungerechte Beurtheilun gen zu wahren, die nicht selten in neuerer Zeit, wie in älterer, über Philo zu Tage gekommen. Philo, der Repräsentant des Monotheismus unter den Epigonen des Hellenenthums in- Alexandrien, erkannte die Gottes-Idee als das lezte und höchste Resultat aller Philosophie, und da ihm die Gottes-Idee durch die mosaische Lehre in ihrer strengsten Reinheit überkommen war, so strebte er in allen seinen Schriften danach, diese Lehre als den Urquell darzustellen, aus welchem auch die Gottes - Ideen der griechischen Philosophen, namentlich Heraklit's, Plato's und Zeno's, gefloffen seien. Die Philosophie if ihm die Quelle alles wahrhaft Guten, doch das höchste Endziel aller menschlichen Bestrebungen ist ihm: Gott zu erkennen. Philo geht dabei von dem Grundgedanken aus, daß man nur durch Gott zu Gott gelangen könne.,,Denn“, sagt er, wie wir die Sonne nur durch die Sonne, die Gestirne nur durch die Gestirne, das Licht nur durch das Licht sehen können, so ist auch Gott nur durch sich selbst zu schauen." Und in der Konsequenz dieses Gedankens bezeichnet er Gott als das „Urlicht", gewissermaßen als die Centralsonne des Universums, aus welcher unzählige Strahlen ausströmen, die aber alle rein geistiger Natur sind. Im weiteren Verlaufe seiner Schrift geht Herr Dr. Wolff zur näheren Betrachtung des Göttlichen über, wie es Philo in dem absoluten, an sich seienden Gott und dem sich in der Welt offenbarenden unterscheidet, wobei oft ein merkwürdiges Zusammentreffen mit den Ideen deutscher Philosophen nicht zu verkennen, doch mit dem Unterschiede, daß Philo, weil er niemals von der Skepfis ausgeht, sondern stets die Gottes-Idee als das Gegebene vorausfeßt, auch nicht in die Gefahr geräth, sich in das Nichts zu verlieren, das seine höchste Vollendung in seinem Gegensaße, dem Menschengeist, gefunden hat. Wir können dem Herrn Dr. Wolff für diesen interessante, kleinen Beitrag zur Geschichte der Philosophie nur dankbar sein.

Ein Topas und kein Diamant. Der bekannte gelehrte Mineralog, Herr Haidinger in Wien, richtete an die französische Akademie der Wissenschaften ein in deren Sigung vom 16. Auguft zum Vortrag gekommenes Schreiben über eine in Wien von auswärtigen Spekulanten zum Verkauf angebotene Edelstein-Gemme von 819 Karat Gewicht. Dieser mit doppelter Refraction ausgestattete Edelstein ist mit Unrecht für einen Diamanten gehalten worden; er besigt vielmehr, nach Herrn Haidinger's Untersuchungen, alle Kennzeichen eines Topas. Statt eines Werthes von mehreren Millionen, hat er demnach nur einen von 50 bis 100 Gulden. In den „, Comptes rendus" der Akademie liest man in dieser Beziehung: „Der gedachte Stein ist auch den Mineralogen von Paris nicht unbekannt. Als ihnen derselbe vor etwa anderthalb Jahren vorgezeigt wurde, erklärten. diejenigen, die ihn hier gesehen, einstimmig, daß es kein Diamant, sondern ein Topas sei, was allerdings die Personen, die den Stein von Paris nach Wien gebracht, port wohlweislich verschwiegen haben.“.

*) ,,Die Philonische Philosophie, in ihren Hauptmomenten dargestellt von Dr. M. Wolff, Rabbiner der israelitischen Gemeinde zu Gothenburg". Zweite vermehrte und theilweise umgearbeitete Ausgabe. Gothenburg, D. F. Bonnier, 1858.

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