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zurück auf die ihnen gebührende Stelle, fie merken ihren Herrn und Meister, und selbst die geringfügigsten müssen ihm dienen/

So schreibt und ein solcher Herr und Meister ist der Amerikaner Ralph Waldo Emerson. Ein Volk, welches aus seiner Mitte einen solchen geistreichen Forscher und Denker hervorgehen sah, ist glücklich zu preisen, zumal wenn es seiner Rede Gehör schenkt, seine Schriften zu würdigen weiß. Daß dies der Fall ist, das beweisen feine zahlreich besuchten Vorträge, das beweißt die Verbreitung, welche feine Schriften in ihrer Heimat finden.

Die beschränkten Urtheile flüchtiger Touristen über Amerika verdienen durchaus keine Beachtung, ebensowenig der gemeine Klatsch, den Eduard Pelz und Konsorten über das Atlantische Meer uns zu senden. Wir stimmen dem, was in Nr. 87 und 88 dieser Zeitschrift über die Yankees gesagt ist, vollkommen bei, denn wir wissen z. B. sehr wohl, daß wir die Rowdies unserer großen Städte wegen unserer fogenannten Civilisation nicht auf den Straßen, sondern in eleganten Salons zu suchen haben. Wir werden unser Urtheil über amerikanische Zustände demnächst gleichfalls näher begründen; heute wollen wir nur unser Bedauern darüber ausdrücken, daß Emerson's Schriften, die vornehmlich für uns Deutsche von der größten Bedeutung sind, bis jezt nur Einen ausgezeichneten Ueberseßer, nämlich Herman Grimm, gefunden haben. Grimm allein war befähigt, uns die reichen Schäße Emerson's zu übereignen. Allein kaum bemerkten spekulirende Tagelöhner den Beifall, den Grimm's Uebersehung von Emerson's:,,Englischen Charakteristiken" fanden, als sie sich beeilten, auch andere Schriften des großen Amerikaners den Deutschen zugänglich zu machen. Eine solche Tagelöhner-Arbeit liegt uns in folgender Schrift vor: ,,Ralph Waldo Emerson's Versuche (Essays). Aus dem Englischen von G. Fabricius.“

Da ich das Original der Sirtinischen Madonna nicht selbst besigen kann, so begnüge ich mich mit einem vortrefflichen Kupferftich nach dem Bilde; aber ich will keine schlechte Lithographie, keinen versudelten Holzschnitt. Fabricius hat sich der Arbeit des forgfältigen Kupferstechers überhoben. Die Motto's und Belegstellen aus englischen Schriftstellern, welche Emerson bei seinen Abhandlungen benußte, hat Fabricius größtentheils unüberseßt gelaffen. Verlangt er, daß der Leser diese Stellen versteht, weshalb überseßte er da erst die Abhandlungen? Er erklärt, was Stonehenge, was Gong, was ein Sachem, was der amerikanische Kongreß ist und was das Theeren und Federn auf sich hat; er seht also Leser voraus, die von diesen Dingen nichts wiffen. Werden nun solche Leser etwas von Burke, Sidney, von Marmaduke Robinson, vom Antinomianismus 2c. wiffen? weshalb fehlt bei diesen eine kurze Notiz?

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In der Vorrede sagt Fabricius: „Der Ueberseßer glaubte am besten zu thun, wenn er sich ganz wortgetreu an seine Sache hielt und nicht durch ein falsches Surrogat den Schwung, die Anmuth und die Schönheit von (?) Emerson's Sprache zu erseßen suchte." Diesem Glauben verdankt die deutsche Literatur folgende Säße:

,,Was ist Guido Rospigliosi's,,Aurora" anderes als ein Frühgedanke?" (S. 12)

,,Sie (die Griechen) machten Vasen, Tragödieen und Statuen, „Sie sowie die gesunde Vernunft fie immer produziren sollte — das heißt geschmackvoll. Dinge dieser Art find zu allen Zeiten gemacht worden und find jest überall, wo eine gesunde Physik existirt (hört! hört!), aber als eine besondere Klasse haben sie durch ihre vorzügliche Organisation Alles übertroffen." (S. 19).

,,Es ist immer ein gleichmachender Umstand da, der den Uebertreffenden, den Starken, den Reichen, den Glücklichen substantivisch mit allen Anderen auf eine Grundlage feßt." (S. 74).

„Wenn du das Kriminal-Gesetzbuch zu einem grausamen machst, so werden dich die Gerichte nicht überzeugen.“ (S. 76).

Doch wozu noch mehr solcher Verkehrtheiten anführen. Wird denn dies Penny-a-liner-Unwesen nicht endlich bei uns verschwinden? August Geyder.

England.

Korrespondenz-Berichte aus London.

Die Hochlands- und Hebriden-Tour.
(Schluß.)

95 In Bezug auf die Kosten einer Schottlands- und Hebriden-Tour läßt sich kaum etwas Anderes sagen, als daß sie im Allgemeinen nach kontinentalen Begriffen ziemlich kostspielig ist, wenn man Alles erster Klaffe und in offiziell englischer Weise abmachen will. Man frühstückt auf den Hutchesonschen Dampfern für zwei Shillinge und speist zu Mittag für eine halbe Krone. Aber då man anständiger Weise dazu trinken muß, ist das Effen oft das Wenigste. Nachtquartiere in elegan ten Hotels sind jeßt billiger, als früher, wo Schottland als ein wahres Hotelraußnest verschrieen war. Die Hutchesonschen Hotels, besonders das neue in Benavir mit 80 Betteń, werden sehr gerühmt als elegant,

freundlich und menschlich in ihren Rechnungen. Die direkte Tou im Fluge mit den Hutchesonschen Dampfern ist nicht theuer und kann bequem und erster Klasse mit 80 bis 100 Thalern bestritten werden. Aber dabei verliert man viele Schönheiten und Sehenswürdigkeiten die man durch längeren Aufenthalt an einzelnen Stationen, Ausflüge zu Fuß und per Wagen, zu Wasser und zu Lande, in versteckten "Lochs" und Thälern, in schwer zugänglichen Häfen und zwischen Abgründen und seltsamen geologischen Gebilden aufsuchen muß. Darüber und einige andere interessante Nebensachen noch ein Wort.

Eine kleine Stadt von weißen Häusern, sich im Halbzirkel um die Bucht schließend, im Hintergrunde irreguläre Knollen statt der Hügel, im Westen mit waldigen Höhen und der malerischen SchloßRuine Dunally, links zerrissenes Gewirre von Schlucht und Berg und Villa's und heiterem Grün hervorleuchtend, im Vordergrunde vor der Stadt ein paftoraler grüner Abhang das ist Oban, die künftige Hauptstadt des nordwestlichen Schottland und der Hebriden ein schönes, ruhiges, heiteres Civilisationsbild mitten in wilder, er habener, oft wehmüthig trauriger Scenerie.

In der Nähe bilden zwei Schloß-Ruinen, Dunally und Dunstaffnage, übliche Wallfahrtsorte für Touristen. Ersteres, seinen Verfall und seine Dede ganz in saftig grünem Epheu verbergend, bildet auf einem starren, steilen Felsenkegel mit weiter Aussicht auf das Meer ein Landschaftsbild und eine Aussicht, die des expreffen Weges werth ist.

Dunstaffnage, grau, massiv und von größerem historischen Intereffe, spielte eine bedeutende Rolle in der alten schottischen Geschichte, von der uns der Aufseher und Fremdenführer Manches zu erzählen weiß. Die Scenerie umher aus Felsen, Höhlen, Thälern, Meer und Inseln gemischt, ist eine der kräftigendften und wohlthuendsten. Von Oban jagt der ,,Mountaineer" hinunter in den Sund von Kerrera und hält vor Jona, der berühmten Insel, einst der Stern der dunklen kaledonischen Regionen, von der wilde Clans und umherstreifende Seeräuber das erste Licht der Lehre des Erlösers empfingen.

"

Auf dem nämlichen Wege um Mull herum wird der Passagier durch furchtbare Felseninselgebilde, zum Theil 3000 Fuß hoch, bis dicht vor die in jedem Kinderfreunde beschriebenen Wunder der Insel Staffa, vor die Fingalshöhle, geführt, von welcher wir deshalb auch kein Rühmens weiter machen wollen, da es uns hier blos gilt, auf unbekanntere, neu entdeckte Schönheiten dieser alten Kelten-Inseln aufmerksam zu machen. Zu diesen gehört die Insel Jona oder Columba, ein blaffer, grüner Kegel, aus dem Meere hervorsteigend. In einem Boote hinübergebracht, bemerken wir zuerst an dem sanften Abhange eine Reihe von Strohdächern ohne Mauern, von Stroh geflochtene Zelte, die von Steinen an Strohfeilen dem Winde streitig gemacht werden. Vierzig solcher Strohhütten heißen in der Sprache der Bewohner, dem echten alten Gaelisch, Bails More, oder die große Stadt". Sie enthält nur ein für Menschen gebautes, mit Schiefer gedecktes Haus, eine Art Gasthaus oder Schenke, worin aber weder Biere noch Spirituosen, oder Thee, oder Kaffee zu haben sind, nichts als Rohprodukte der Hühner, Gänse, Kühe und Schafe der Insel. Weiterhin stehen zwei bescheidene Kirchen und Pfarrhäuser für die ganze Insel. Hinter der großen Stadt“ verstecken sich drei Gruppen von Ruinen: eines Nonnenklosters mit Spuren schöner Skulptur aus dem dreizehnten Jahrhundert, einer Kapelle mit dem Kirchhofe alter irischer, schottischer, norwegischer Könige und anderer Großen, die hier mehrere Jahrhunderte lang ihre monopolifirte leßte Ruheftätte fanden, und der Kathedral-Ruinen mit einem weithinleuchtenden Thurme und einem Schiffe mit alten gothischen, späteren normännischen und noch späteren Bauftil-Ueberbleibseln. Was die zweite Ruine betrifft mit dem berühmten Kirchhofe, so finden wir in Shakespeare Bezüge, wie z. B.

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Rosse.
Where is Duncan's body?
Macduff.

Carried to Colme's-Kill,

The sacred store house of his predecessors,
And guardian of their bones.

Colme" ist für Columba, wofür der Name Jona gebräuchlicher geworden ist. Der ursprüngliche und eigentliche Name besteht aus einem einzigen Buchstaben 1, zuweilen auch Y, nicht Englisch Ei, sondern wie das deutsche I ausgesprochen. Colme's-Kill, auch Icolme's kill, heißt Colme's cell, Colme's, des heiligen Columba's Zelle oder Hütte. Colme war der Führer irischer Missionare, die von 563 an das Christenthum von hier aus unter den Gaelen verbreiteten. Colme ward mittelalterlich in Columba latinisirt und der alte gaelische Name I euphonisirt in Jona. So kommen die verschiedenen Namen dieser Insel, die sonst den Touristen leicht in Verlegenheit seßen, zusammen.

Der „Mountaineer" schießt aus dem Jona-Sunde auf Staffa los, vor den Inseln Ulva und Gomekra und der Mullküste vorbei. Ulva besteht, wie Staffa, aus basaltischen Formationen, ebenso die meisten

Inselchen dieses Miniatur-Archipelagus, aus denen Naturforscher, Maler und Landschafts-Aesthetiker noch viele Schäße holen können. Sie sind noch neu oder sind es wieder. Waren doch selbst Staffa und die Fingalshöhle bis vor 86 Jahren in England selbst und in der Welt überhaupt gänzlich unbekannt. Erst Sir Joseph Banks entdeckte dieses Naturwunder im Jahre 1772. Johnson und sein Schatten Boswell hatten vorher die Hebriden-Expedition gemacht, ohne nur ein Wort von Staffa zu hören.

Für Besucher oder Kandidaten einer Hebriden-Expedition die Be merkung, daß Boote vom Dampfschiffe aus nach Staffa und rasch in die Fingalshöhle führen. Bei ruhiger See kann man in den großartigsten Dom der Natur, die Fingalshöhle, hineinfahren, 230 Fuß tief hinein unter 70 Fuß hohen Gewölben. Vom Lande aus fann mán mit Talent und starken Nerven an Tauen ziemlich tief hinein. und hinunterklettern. Schwächere müssen mit Außen- und partiellen Einsichten fürlieb nehmen. Uebrigens entschädigt das Basaltstück der Insel selbst mit einer Schlucht in der Mitte und als Wohnung von Myriaden kreischender Seevögel für die mangelhafte Einsicht in die Fingalshöhle. Wer einen recht erhabenen Kontrast zu der dichtbevölkerten Alltags-Civilisation des festen Landes genießen will, der könnte nichts Besseres thun, als sich auf dieser von Menschen unbewohnten, meerumtoften, von kreischenden Seevögeln umrauschten Felsen-Einöde von einem Damfschiffe bis zum anderen niederzulassen und einige Tage und Nächte hier allein zwischen Himmel und Erde über die unergründlichen Geheimnisse beider nachzudenken. Christus brachte vierzig Tage in der Wüste zu, ehe er Heiland ward. Ich glaube, man müßte jezt um so mehr lange in Einsamkeit und nur in Gesellschaft mit einen großen Gedanken zubringen, um etwas Großes, heilandliches in dieser Welt der Actien, Renten und Coupons durchzusehen.

Die phantastischen Basalt- Phänomene von Staffa wiederholen sich in verschiedenen Formationen an Ulva, Skye und Eig, wie an den Küften von Mull. Sie sind meines Wissens nach von keinem Geologen näher studirt worden.

Die Straße von Staffa bis in das Nachtquartier von Eillan Dronsay im Loch-na-dell läuft zwischen den grandiosesten Jufelformationen von Tiree und Coll, Ardnamurchan, Muck und Eig, Rum 2. Die kühnen Felsendistrikte von Meidart, Morrer und Knoydart, vor tiefen, engen Meeresbuchten (Lochs) und der Sleat-Spiße der Insel Skye vorbei. In der Nähe lezterer erhebt sich stolz das Armadale Schloß des Lord Macdonald, des Hauptgrundherrn der ganzen Insel, auf beiden Seiten an den Hügelabhängen mit den miserabelsten Hundehütten für Menschen beklebt, für die „Crofters", ein elendes, langsam verhungerndes und bis zu ihrem lezten Athemzuge von den Grundherren ausgebeutetes Ueberbleibsel der alten Autochthonen. Jede Strohhütte ist elendiglich eingezäunt. Dies kleine jämmerliche Grundftück heißt die croft, und der halbnackende, verkrüppelte Pächter deffels ben crofter. Wir besuchten einige dieser crofter, sagt unser Gewährs. mann, und unterhielten uns mit den Bewohnern mit Hülfe eines Dolmetschers. Solche Scenen von Misere, Schmuß und Elend hätte ich nicht für möglich gehalten. Niedrige Steinwände, verschimmelt, das Strohdach oben dick mit Ruß bedeckt, in der Mitte ein Loch, durch welches der Rauch des Feuers in der Mitte unten allein entweichen kann, in den Winkeln Schmuß und Lumpenhaufen, die als Betten dienen. Draußen eine Wüste voll Unkraut um die Hütte herum, mit einigen Kartoffeln und Getraidehalmen, die, außer Fischen, alle Rahrung für je eine ganze Familie geben müssen. In einer solchen Hütte kauerte ein vertrocknetes, verkrüppeltes, altes Individuum, das nicht mehr gehen und stehen konnte, der Familienvater. Daneben spann die Mutter Wolle, neben ihr kauerte die Tochter, die, obwohl noch jung, schon seit zehn Jahren nicht mehr vor Rheumatismus und Gicht hatte gehen können. Dies sind die Folgen des „Croft-Systems“, durch welches Mitglieder des Oberhauses und kleine Könige von Grundbesiß ihre Schlöffer bauen und ihren Glanz nähren. Man sagt, aus diesen alten Resten der zum Untergange bestimmten gaelischen Raçe sei doch nichts mehr zu machen. Früher war einmal der Plan im Werke, das ganze noch lebende Geschlecht auf Schiffe zu packen, nach Amerika oder sonst wohin zu schaffen und die Hebriden, besonders Skye, mit Schafen zu bevölkern. Aber man scheint ihn wieder aufgegeben zu haben und ruhig zu warten, bis sie ausgestorben sein werden. Das neue Scoto-Anglo-Sächsische Leben, welches sich im Nordwesten von Schottland und über die Hebriden verbreitet, wird diesen Prozeß noch beschleunigen. Durch den neuen Personen- und Güterverkehr entstehen Häuser, Gasthöfe, Dörfer und Städte zwischen den erhabenen und lieblichen Einöden, deren Grund und Boden steigt, die,, crofters" können nicht mehr bezahlen, die Hütte wird ihnen über dem Kopfe weggerissen und so neuer Baugrund, neue Viehweide ze.

gewonnen. In dieser Manier verbreitet sich namentlich die anglosächsische Civilisation über das keltische Irland. Es ist so Stil und wird auch auf den Hebriden gelten. Man muß deshalb eilen, wenn man in leicht erreichbarer Ferne noch einmal der Natur felbst in ihren erhabensten und schönsten Gebilden in's Angesicht sehen will. Ueber ein Kleines schon werden sich vielleicht auch die Hebriden mit Vatermördern, Backenbärten, gebürsteten Kastorhüten, verschloffenen Privat häusern, mit Civilisation, der man so oft gern entfliehen möchte, be deckt haben.

Mannigfaltiges.

Lafaye's franzöfifche Synonymit. Das französische „Institut“ hat in seiner Gesammtsißung der fünf Akademieen den von Volney gestifteten Preis für das beste linguistische Werk dem ,,Dictionnaire des synonymes de la langue française" von Lafaye zuerkannt. Was die französische Sprache bisher an synonymischen Wörterbüchern besaß, entsprach den Anforderungen, welche man vom philofophischen, wie vom sprachwissenschaftlichen Standpunkte an ein solches Werk zu machen berechtigt ist, durchaus nicht. Herr Lafaye hat in seiner Arbeit die höchste Eleganz mit umfassender Gelehrsam keit zu verbinden gewußt. Es wird dieses Buch auch dem Auslande eine willkommene Gelegenheit darbieten, sich mit den feinen Unterscheidungen der französischen Sprache gründlich bekannt zu machen.

Rudolph von Habsburg. In der obengedachten vereinig ten Sißung der fünf Akademieen des französischen Institut" trug Herr Charles Giraud, als Vertreter der Akademie der moralischen und politischen Wissenschaften, eine Episode aus der Geschichte Rudolph's von Habsburg vor, und zwar aus der Zeit, wo Rudolph, ein Ritter im Aargau, einer von den Wenigen war, die dem Hohenstaufischen Hause ihre Treue bewahrten und das Recht des jungen Konradin mit aller Hingebung vertheidigten, namentlich in Sizilien gegen die Usurpation Karl's von Anjou. Zwar sei es die Sache eines Verlorenen gewesen, der sich Rudolph hingegeben, aber das Blut Kouradin's sei für seinen Besieger ein unvertilgbarer Schandfleck und für seinen Vertheidiger ein Quell des Ruhmes geworden. Herr Giraud sprach bei dieser Gelegenheit mit eben soviel Takt als Gründlichkeit über die Kämpfe der kaiserlichen und der päpstlichen Gewalt und zeigte sich seiner Aufgabe als Geschichtschreiber würdig, welcher ein über den Parteien stehender Richter und nicht Advokat einer derselben sein soll.

- Die Schriften des Hippokrates, nach Ch. Daremberg.) In der Einleitung seines in der Anmerkung genannten Buches behandelt der Verfaffer die Frage über die Echtheit der unter dem Namen des Hippokrates kursirenden Schriften. Das Resultat ist, daß die von den Alexandrinischen Bibliothekaren aufgenommene Sammlung Schriften enthalten habe, die theils den Vorgängern des Hippokrates, theils ihm selbst, theils seinen Zeitgenossen, theils seinen Gegnern und theils endlich seinen unmittelbaren Nachfolgern angehören. Die Gesammtheit dieser Schriften bildete zeitig eine Art von Hippokratischer Bibliothek, deren einzelne Bücher nach und nach von Periodeuten oder wandernden Aerzten verbreitet worden sind. Schon die Alten wußten, daß die Hippokratische Sammlung verschiedenen Autoren angehöre. Der Rezensent rühmt an dem Herausgeber außer seiner verständigen und selbständigen Kritik, daß er den todten Buchstaben des alten Tertes durch eine geistreiche Interpretation belebt habe, indem er angemessen die Wissenschaft der Vergangenheit mit dem Stande der heutigen Wissenschaft in Beziehung bringe.

Aus der Pariser Akademie der Wissenschaften. In einer der leßten Sigungen der Académie des inscriptions et belles lettres machte der Präsident, der Versammlung die Anzeige von dem Tode des Professor Dr. Theodor Panofka in Berlin, auswärtigen korrespondirenden Mitgliedes der Akademie. Der Herausgeber der Revue de l'instruction publique verspricht, in einer der nächsten Nummern einen Bericht über das Leben und die Werke des Herrn Panofka zu geben. In derselben Sigung las Herr Lenormant feine Abhandlung:,,Des représentations scéniques dans les mystères d'Eleusis." Er beweist und erklärt die Darstellungen aus Vasengemälden, aus der baulichen Beschaffenheit des Tempels zu Eleusis, wie man sie noch aus den Ruinen entnehmen kann, und endlich aus einer Rede des Rhetors Sopater.

scrits et imprimés", par le docteur Ch. Daremberg. Deuxième édition. *), Oeuvres choisies d'Hippocrate, traduites sur les textes manu1 vol. 8..

Wöchentlich ersteinen 3 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., balbjibrlic 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 107.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Riederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Post-Uemteen, angenommen.»

Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Dienstag den 7. September.

Frankreich unter der Restauration, nach Guizot.

Das Ministerium Villèle.")

Im Dezember 1821 kam Villèle auf der breiten, natürlichen Straße ans Ruder; er kam dazu, berufen durch die Eigenschaften, die er in den Kammern entfaltet, durch das Gewicht, das er darin erworben hatte; er kam dazu an der Spige seiner Partei, die er mit einführte. Nach einem fünfjährigen Kampfe erreichte er so das Ziel, das Vitrolles 1815 fich verfrüht gesteckt hatte: das Haupt der parlamentarischen Mehrheit wurde das Haupt der Regierung. Die Ereignisse spielen mitunter unerwartete Streiche; die Charte hob einen Mann zur Macht, der sie bei ihrer Einführung bekämpft hatte.

Unter den Staatsmännern unserer Zeit kennzeichnet Herrn von Villele der Zug, daß er als Parteimann zur Regierung kam und in der Regierung Parteimann blieb, während er dahin wirkte, unter den Seinigen den Parteigeist dem Regierungsgeiste unterzuordnen. Dieser Lenker der Rechten ist ihr stets treu geblieben. Sehr oft den Ideen, den Leidenschaften, den Plänen seiner Partei fremd, bekämpfte er sie, aber unter der Hand, ohne sie zu verleugnen, entschloffen, sich niemals von seinen Freunden zu trennen, selbst wenn es ihm nicht gelang, sie zu leiten. Aus einem richtigen, praktischen Instinkt hatte er schnell begriffen, daß der Führer fest an seinem Heere halten muß, wenn das Heer fest an seinem Führer halten soll. Er hat diese Beharrlichkeit theuer bezahlt; denn sie gerade hat ihn verurtheilt, eine Laft von Fehlern zu tragen, die er, bei freierer Bewegung, wahrscheinlich nicht begangen hätte; allein, um diesen Preis behielt er sechs Jahre die Macht und bewahrte sechs Jahre seine Partei vor Extremen, die nach ihm ihren Sturz herbeiführten. Als Minister des constitutionellen Königthums gab Villèle unter uns das erste Beispiel jenes Festhaltens an politischen Parteiverbindungen, das, trøg ernsten Uebelständen und löblichen Ausnahmen, den großen und heilsamen Wirkungen der Repräsentativ-Regierung wesentlich ist.

Im Augenblick der Bildung seines Kabinets fand Villèle Land und Regierung in einer gewaltsamen Lage. Abgesehen von den Stürmen in den Kammern und den Tumulten auf der Straße, arbeiteten die Geheimgesellschaften, die Verschwörungen, die Aufstände, die leidenschaftlichen Bestrebungen, die festgestellte Ordnung umzuftürzen: an allen Ecken und Enden, in den Departements des Oftens, Westens und Südens, zu Béfort, Colmar, Toulon, Saumur, Nantes, La Rochelle, ja, zu Paris, unter den Augen der Minister, in der Armee, wie in der Bürgerschaft, in der Garde, wie in der Linie. In nicht vollen drei Jahren war die Restauration von acht ernsten Verfchwörungen lebensgefährlich bedroht.

Heute, nach einem Abstande von mehr denn dreißig Jahren, nach so vielen und weit größeren Ereignissen, wenn ein verständiger Mann fich ehrlich fragt: Woher jener glühende Zorn? Weshalb jene tolltühnen Unternehmungen? Er findet kaum einen genügenden, einen berechtigten Grund. Weder die Handlungen der Staatsgewalt, noch die Wahrscheinlichkeiten der Zukunft verlegten oder bedrohten die Rechte und Interessen des Landes in dem Grade, um ein solches Arbeiten am Uniskurz zu rechtfertigen. Das Wahlsystem war allerdings schlau umgeändert worden, die Macht war in die Hände einer heraus fordernden und verdächtigen Partei übergegangen allein die großen allein die großen Inftitutionen ftanden unerschüttert; die öffentlichen Freiheiten, obgleich angefochten, entwickelten sich kräftig; die gefeßliche Ordnung erlitt feine ernste Störung; das Land blühte und gedieh im regelmäßigen Gange; die neue Gesellschaft war nicht entwaffnet, fie stand gerüstet zur Abwehr. Wohl waren gerechte Motive vorhanden zu öffentlicher

*) Vergl.,,Magazin" Nr. 56 und 57. Wir empfehlen bei dieser Gelegenheit den Lejern, denen es um das Original zu thun ist, die bei Brockhaus in Leipzig erschienene Ausgabe der mon temps". Mémoires pour servir à l'histoire de

دو

D. R.

1858.

und lebhafter Opposition, aber keine gerechten Gründe zu Verschwörung und Umwälzung.

"

Die Völker, die frei zu sein streben, laufen eine große Gefahr: die Gefahr, sich über den Begriff Tyrannei" zu täuschen. Sie find bald fertig, diesen Namen jedem Regiment zu geben, das ihnen miß. fällt oder fie beunruhigt, oder ihnen nicht Alles gewährt, was sie wünschen. Dieses kindische Schmollen bleibt nicht ungestraft. Die Gewalt muß das Land durch große Rechtsverlegungen, durch bittere und andauernde Leiden heimgesucht haben, wenn Revolutionen in der Vernunft gegründet sein und, troß ihrer eigenen Fehler, gelingen sollen. Fehlen diese Gründe den revolutionairen Versuchen, so scheitern sie entweder kläglich, oder führen rasch zu ihrer Züchtigung einen Rückschlag herbei.

Allein von 1820 bis 1823 fiel es den Verschwörern gar nicht ein, sich zu fragen, ob ihr Unterfangen gerechtfertigt sei; sie hatten darüber nicht den geringsten Zweifel. Unter sich sehr abweichende, aber im Zwecke einstimmende Leidenschaften, alter Groll und junge Hoffnung, Besorgnisse aus der Vergangenheit und Verlockungen für die Zukunft beherrschten ihre Seele, wie ihr Gebahren. Alter Groll und alte Besorgniß knüpften sich an die Worte: Emigration, Feudalwesen, ancien régime, Aristokratie, Gegenrevolution; allein dieser alte Groll und diese alte Besorgniß waren in vielen Gemüthern so ehrlich und so heiß, als hätten sie einen leibhaften und mächtigen Feind vor sich. Gegen diese Schreckbilder, durch die Thorheit der äußersten Rechten heraufbeschworen, schien jeder Krieg erlaubt, dringend, patriotisch; man glaubte, der Freiheit zu dienen, sie zu retten, wenn man gegen die Restauration alle Gluthen der Revolution wieder anfachte. Man schmeichelte sich zugleich mit einer neuen Revolution, die nicht nur der Restauration, sondern der Monarchie den Garaus machen und durch Gründung der Republik den Volksrechten und Volksinteressen den Sieg erringen werde. Bei den meisten dieser jugendlichen Enthusiasten aus altrevolutionairen Familien paarten sich die Träume der Zukunft mit den Ueberlieferungen des häuslichen Heerdes; indem sie die Kämpfe ihrer Väter aufnahmen, verfolgten sie ihre eigenen utopischen Pläne.

Mit den Verschwörern aus revolutionairem Haß oder aus repu blikanischer Hoffnung verbanden sich Andere, die von bestimmteren, aber nicht minder leidenschaftlichen Anschauungen geleitet wurden. Es ist ein oft verführerisches Vorrecht großer Männer, Liebe und Hingebung einzuflößen, ohne sie zu empfinden. Kein Mensch hat in dem Grade dieses Vorrecht beseffen, wie der Kaiser Napoleon. Er starb gerade in jenem Moment auf St. Helena; er konnte nichts für seine Anhänger thun, und doch fand er im Volke, wie im Heere, Herzen und Arme, bereit, Alles für seinen Namen zu thun und zu wagen. Soll man sich, um der Menschheit willen, über diese großherzige Verblendung betrüben? Oder soll man darauf stolz sein?

Alle diese Leidenschaften, alle diese Verbrüderungen wären vielleicht im Dunkeln und ohnmächtig geblieben, hätten sie nicht in den höheren politischen Schichten, im Schooße der größen Staatskörperschaften ihre Dolmetscher und Führer gefunden. Die Volksmassen sind sich selber nie genug; ihre Wünsche und Pläne müssen sich verkörpern in den großen, sichtbaren Gestalten, ja, diese müssen vorangehen, die Verantwortlichkeit für Ziel und Weg übernehmen. Das wußten die Verschwörer von 1820-1823 recht gut; auf den verschiedensten Punkten, zu Béfort, wie zu Saumur, erklärten sie daher auch, sie würden nicht handeln, wenn ihnen gewisse staatsmännische Persönlichkeiten, wohlberufene Deputirte nicht die Hand böten. Es ist heutzutage kein Geheimniß, daß es ihnen an dem verlangten Patronat nicht fehlte.

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In der Deputirten-Kammer bildeten um diese Zeit die Opposition gegen die regierende Rechte drei Gruppen, einig in dem Vorfag, ihr zu widerstehen, aber sehr verschieden in ihren Absichten und Wider standsmitteln. Nur die hervorragenden Männer und die, welche felbft ihre Stellung deutlich gezeichnet haben, feien hier genannt: La Fayette, 'Argenson und Manuel genehmigten und leiteten die Verschwörungen; General Foy, Benjamin Constant, Cafimir Périer, wußten davon,

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mißbilligten sie aber und schlossen sich nicht an; Royer Collard und seine Freunde waren ihnen schlechterdings fremd.

(Schluß folgt.)

Nord-Amerika.

Bis in die Wildniß“, von Armand.
(Schluß.)

Armand hatte seine Toilette beendigt, als des Tam Tam's Klang durch das ganze ungeheure Gebäude dröhnte und den Bewohnern desselben anzeigte, daß das Mittagseffen auf sie warte.

Er trat in den Saal ein, in dem wohl dreihundert Personen bei Tische Plaz haben konnten, fand aber nur eine Tafel für einige dreißig Gäste gedeckt. Zu beiden Seiten derselben prangten auf ebenso langen Tischen die Speisen, welche die Dienerschaft zu vertheilen hatte, während auf der Tafel Berge von Wein- und Fruchtgelée, Thürme von Kuchen und unter ungeheuren Metallglocken Zwischenspeisen verschiedenster Art von einem Ende bis zum anderen derselben standen. Die Armseffel um die Tafel herum waren bald beseßt, und zwar größtentheils von Bewohnern der Stadt, die ihren Tisch hier hatten. Hinter je zwei Seffeln stand ein Neger in blendend weißem Leinenanzug, ein ebenso weißes Tuch um den Kopf gebunden, während am oberen Ende der Tafel der Oberkellner seinen Stand einnahm. Auf ein Zeichen von ihm stellten sich die Neger in Reihen, legten zu gleicher Zeit die rechte Hand auf die Brust, ergriffen dann im vollsten Takt die Metallglocken, hoben fie a tempo in die Höhe und sprangen dann ebenso gleichmäßig mit ihnen zurück in ihre erste Stellung. Nun stellten sie die Glocken unter die Tische, rannten mit den Tellern der Gäste zu den Negern hin, welche auf den Seiten tischen die Braten zerschnittten, die Fische vertheilten und überhaupt die unzähligen dort aufgestellten Speisen ausgaben, und füllten diefelben nach Auftrag.

Man bemerkte an dem Appetit der Gäste nicht, daß ein grimmiger Feind das Haus umschlich, und daß er den üppigen Genuß an diesem Tische leicht mit dem Tode bestrafen konnte. Es mundete Allen sehr gut; Eis, Dessert und Früchte wurden noch zum Schluß genoffen, und dann gingen die feinsten Cigarren mit dem kostbarsten Kaffee herum. Während der ganzen Zeit flogen ungeheure Fächer, die an eisernen Stangen in Haken an der Decke des Saales befestigt hingen, über dem Tische hin und her und wurden durch einen Negerknaben vermittelst eines Seiles, welches von einem Fächer zum anderen lief, in dieser Bewegung erhalten, um den Gästen Kühlung zu zuwehen.

Bald aber, nachdem der Kaffee herumgereicht war, zogen die Gäste nach der kühleren Rotunde, wo sie in den Armseffeln um die Tische herum niedersanken und sich schweigend einer behaglichen Ruhe überließen, welche die Bewohner des heißen Südens so sehr charakterifirt. Es war so kühl, so angenehm in dieser steinernen Halle und der Gedanke an die schwüle Hize draußen in den Straßen so abschreckend, daß man gar nicht weiter dachte, als an die wohlthuende Gegenwart, die alle Umhersizenden oder, besser gesagt, in den bequemen Seffeln Liegenden in so vollem Maße zu genießen schienen. Mit weit von den Schultern auseinandergeschlagenen leichten Röcken aus dem dünnsten Gewebe, mit an den Armlehnen herunterhängenden Armen, mit ausgestreckten, ausgespreizten oder über einander geschlage nen Beinen genossen diese schweigsamen Gesättigten ihre Nachmittags. ruhe und bliesen den wohlriechenden Dampf ihrer Cigarren, ihm nach sehend, in aufsteigend sich erweiternden Ringen gegen die Kuppel über ihnen oder sogen den lieblichen Saft des Honigthaues (ein sehr beliebter Kautaback), ihn von Zeit zu Zeit auf unglaubliche Entfernung in einen der zahlreich umstehenden blechernen Spuckkasten entladend und die Quelle des Genuffes von einer Seite des Mundes zur anderen schiebend.

Armand war dieser Genuß noch fremd, und er begnügte sich mit der Cigarre; auch war sein Geist noch nicht daran gewöhnt, sich in wachendem Zustande einer so gänzlich todten Ruhe hinzugeben, weshalb er eine Zeitung aufgegriffen hatte und die Dampfschiff- und Eisenbahn-Unglücke durchfah, welche stets in denselben einen Plaz einnehmen und welche nur mit dem Worte „Zufall" (accident) an gezeigt werden, während sie leider größtentheils die unvermeidliche Folge von unverantwortlicher Nachlässigkeit oder gar von wohlüber legter Geld-Speculation find."

Die Quadronen von Neu- Orleans. ,,Das Tam-Tam dröhnte wieder durch das St. Charles-Hotel, als Armand in dasselbe eintrat.) Er brachte schnell die Karte auf sein Zimmer und eilte dann nach dem ihm bekannten Speisesaal, der jegt eine

*) Seit der vorher geschilderten Scene, zur Zeit des gelben Fiebers, waren

von dreihundert Personen beseßte Tafel enthielt. Der Lurus und der Ueberfluß, der bei diesem Essen herrschte, übertraf Alles, was Armand bis jest erblickt hatte, und an dem vielen Champagner und anderen theuren Weinen, welche vor den Speisenden standen, konnte man sehen, daß jest gute Zeiten in Neu-Orleans sein mußten. Gäfte gingen und kamen fortwährend, und die Stühle wechselten oft ihre Besizer, doch um diesen Vorrath von Speisen zu verbrauchen, würde die dreifache Zahl dieser Konsumenten nöthig gewesen sein.

Armand erhob sich frühzeitig und beorderte, daß ihm der Kaffee auf sein Zimmer gebracht würde, weil er so schnell als möglich die Kopie der Karte anfertigen wollte. Diese Arbeit nahm beinahe eine Woche in Anspruch, während welcher Zeit er nur selten das Gasthaus verließ. Endlich hatte er den legten Strich daran gethan, als ein Neger mit dem Kaffee zu ihm in das Zimmer trat und sagte:

,,Master, heute Abend Quadronenball, Gentlemen hingehen; ich Master ein Billet holen? Viel schöne Mädchen tanzen.“ ,,Ja, gehe hin und hole mir eine Eintrittskarte; um wieviel Uhr fängt der Ball an?“

,,Neun Uhr, thut nichts, wenn Master später kommen.“

Armand gab dem Neger Geld zum Ankauf des Billets, und es war dunkel geworden, als er hinunter in die Rotunde ging, um sich durch ein Glas Eislimonade zu erfrischen. Von dem Büffet aus sah er, wie der Pächter des Hotels, Herr Colburn, dessen er bis jezt noch nicht ansichtig geworden, in das Comtoir getreten war und mit den Schreibern sprach. Armand schritt zu der Oeffnung, welche in die Rotunde führte, und machte dem Wirth sein Kompliment.

„Ach, wir haben Sie in einer schlimmeren Zeit bei uns gesehen, als die jeßige ist", sagte dieser.,,Damals bangte mir um Sie, Sie kamen gerade von Europa, und es war ein Wunder, daß Sie so glücklich davongekommen sind."

[I Sie erinnern sich, ich kam mit einer Familie Brillot über See; was ist aus ihr geworden?"

,,Ach ja, die unglücklichen Leute! Herr Brillot, der brave Mann, er ertrank kurze Zeit nachher auf dem Wege von Billori nach seinem Landfiß, und seine Familie ist von einem abscheulichen Menschen, einem Pfarrer Raillier, ruinirt worden. Die alte Frau ist darüber vor einiger Zeit gestorben, die zweite Tochter lebt gänzlich von der Welt zurückgezogen im Lande, und die älteste hat sich mit einem Herrn Wells verheiratet und ist mit ihm nach dem westlichen Theile von Texas gezogen, die übrigen Kinder sind in Pensionen untergebracht und das bedeutende Vermögen, wovon ein großer Theil zu der Kirche übergegangen ist, wird für die Kinder verwaltet. Ihr Palais ist vermiethet, sowie auch ihr Landsiz an dem See."

,,Wissen Sie, in welcher Gegend sich Herr Wells niedergelassen hat?"

,,Wie ich höre, westlich von den Fällen des Brazos an einem Nebenstrom von diesem, an der Bosque. Es war ein großer Entschluß für das Mädchen, in solche Wildniß zu ziehen, denn es sollen dort noch wenig Menschen wohnen. Da fällt mir ein, Sie müssen heute Abend auf den Quadronenball gehen; diese Bälle gehören zu den Merkwürdigkeiten unserer Stadt und find für einen Fremden sehr überraschend.“

"Ich habe mir schon eine Karte besorgen lassen."-,,Nehmen Sie aber keine Waffen mit, man möchte Sie beim Eintreten untersuchen; es ist ausdrücklich untersagt.“

Der Mond war aufgegangen, und der kühlende Abendwind strich durch die Straßen, die immer noch von schwerbeladenen Güterwagen erschüttert wurden, und auf deren Seitenwegen der Strom von geschäftigen. Menschen auf und ab wogte. Die mit kostbaren, blizenden und glänzenden Stoffen gefüllten Läden warfen ihr helles Gaslicht durch die ungeheuren Fensterscheiben, und große transparente, erleuchtete Schilder zeigten rothglühende Buchstaben über den Thüren. Lustwandelnde Damen in reichster Toilette zogen an den Armen ihrer Begleiter den Eiscrême-Salons zu, aus deren laubumrankten Säuler gängen schwellende Melodieen hervorströmten, und an deren Eingängen schöne farbige Mädchen die wundervollsten Blumen zum Verkauf boten. Armand wandelte langsam durch die Straßen hin, um den Strand zu erreichen, auf deffen mit kleinen Muscheln bedeckter Fläche an der Seite nach den Häusern zu, welche stets von Gütern frei gehalten wird, die elegante Welt von Neu-Orleans spazierend sich der kühlen Abendluft erfreute, während an der anderen Seite, vom Fluffe her, noch immer der monotone Gesang arbeitender Matrosen erscholl und schnaubende Dampfer dort liegende Schiffe mit fortnahmen, um sie dem Golf zuzuführen und anderen aus See gebrachten an den Werften einen Play anwiesen. Diese unabsehbare, fich bis über Carrolton hinaufziehende Uferfläche, welche den Tag über der Sammelplaß des Geschäftsgewühls ist, war jest mit endlosen Zügen von Spaziergängern bedeckt, deren hellfarbige Kleidung in dem hellen Mondschein dem Auge bis in die weite Ferne erkennbar war.

Strohhüten, Damen, in helle Stoffe von Seide und Gaze gekleidet, mit weiß leinenen Hüten, die ihr Gesicht beschatteten, um ihre Augen vor der Heftigkeit des Mondlichtes zu schüßen, so rauschte die Menge in ruhigem Schritt über den glatten weißen Boden hin, und häufig zogen die bläulichen Blize kostbarer Diamanten das Auge auf den schneeigen Arm, auf den alabastergleichen Nacken einer reizenden Kreolin.

Armand, schwer gedrückt von den Erinnerungen an vergangene felige Zeiten, schritt zwischen den glücklichen Gruppen hin, als wolle er diesen Freuden der Kultur sein leztes Lebewohl sagen, und suchte sich das einsame Paradies, dem er bald zuzueilen entschloffen war, mit schöneren Farben auszumalen, als die Umgebung augenblicklich in seiner Nähe bot.

Er war zu der Place d'armes gekommen, in deren eiserner Einzäunung die krummen Wege an ihren beiden Seiten mit den herrlichften Pflanzen der Tropenländer bedeckt waren, welche bei dem Schein der vielen Gaslichter, die aus ihrem saftigen Grün hervorleuchteten, und bei dem des hellen Mondlichtes die Ueppigkeit ihrer Riesenblätter und die Farbenpracht ihrer zauberisch schönen Blumen entfalteten. In leichten luftigen Gewändern zogen unzählige Gestalten der weißen schönen Welt von Neu-Orleans bei ihnen vorüber; aber auch manche dunklere, reizende, weibliche Figur schwebte an diesen südlichen Gewächsen vorüber und begrüßte fie, wie wenn Kinder einer und der felben fernen Zone sich im Auslande begegnen.

Armand fah mehrere festlich geschmückte Quadronen vorübergleiten und folgte ihnen, da er glaubte, daß sie den Ball mit ihrer Gegen wart schmücken würden. Ihnen in kurzer Entfernung nachgehend, vernahm er: „Un étranger, il vient du nord", und holte sie an dem Eingange des Ballpalastes ein.

,,Warte nur, Angeline", sagte eine der vier dunklen Schönheiten und hielt mit ihrer kleinen, mit blißenden Steinen beringten Hand ihre Freundin an dem durchsichtigen, dunkelrothen Gazekleid zurück, ,,die Blumen hier sind zu schön, ich muß mir ein Bouquet davon mitnehmen."

,,Wollen Sie einen Fremden so glücklich machen und es von seiner Hand annehmen?" fragte Armand das reizende Mädchen, indem er einen sehr schönen Blumenstrauß der Mulattin, welche solche hier feil hielt, aus dem Korbe nahm und ihn der Quadrone reichte; zu gleich hielt er Angeline ein ähnliches Bouquet hin und bat sie, es nicht von sich zu weisen. Die Quadronen nahmen die Blumen, dankten dem Geber freundlich, und die weißen Batisttücher von ihren schwerumlockten Köpfen nehmend, grüßten sie ihn nochmals und sprangen vergnügt nach dem Eingange des Ballsaales.

Zahlreich drängten sich Quadronen und junge Männer aller Stände bei Armand vorüber, während er der Mulattin das Geld für die Blumen einhändigte, und als er nun auch die Saalthür erreicht hatte, wo ihm seine Eintrittskarte abgefordert wurde, fagte ein dort stehender Konstabler zu ihm: „No arms, Sir?" (keine Waffen, Herr?) welche Anrede er mit: Nein, Herr!" beantwortete und in deu Saal eintrat.

"

Das Schauspiel, welches sich ihm hier darbot, war überraschend und feltsam schön, und obgleich er schon einzeln viele Quadronen gesehen und bewundert hatte, blendete ihn doch im ersten Augenblick der Glanz einer so großen Anzahl von Schönheiten. Wie auf die blinkenden Sterne des dunklen nächtlichen Himmels schauend, glaubte er im ersten Moment nur Augen zu sehen, feurige, glühende, dunkle Augen mit Perlenweiß, unter dem Gewinde und Wogen von rabenschwarzen Locken; dann sah er hochrothe Lippen lachen und blendend weiße Zähne zwischen ihnen glänzen, sah die buntesten, brennendsten Farben in Bändern und Stoffen durch einander wogen, und nun erst unterschied er die graziösen Gestalten, welche dieselben trugen. Die Hautfarbe war hier in allen Schattirungen, von dem leichtesten Paille bis zu einem dunklen Goldbraun vertreten, und bald neigte sie sich mehr in das Orange, das Schwefelgelbe oder Goldige, bald ging sie mehr in die matteren Töne der Olivenfarbe über. Ebenso zeigte sich eine große Verschiedenheit in der Färbung der mehr oder weniger vollen Lippen, bald war sie rein wie Karmin, bald frisches Kirschroth, bald brennender Zinnober; dann aber auch wieder mattroth, mehr sich zu dem glänzend feuchten Braun der Kastanie hinneigend. Die Tinten der Augen wechselten weniger; die meisten waren ganz schwarz, andere hatten einen seltsamen, rothbraunen Ton, doch viel weniger sah man in ihnen die blaue Farbe. Die des Haares jedoch war beinahe ausschließlich die schwärzeste, und nur einzeln sah man eine hellere Schattirung, aber die Fülle, der Reichthum desselben schien durchgängig kaum natürlich zu sein. Meist lockig, war alle Mühe angewandt, es so glatt und schlicht zu flechten wie möglich, da die Locken zu sehr an die Wolle der Vorfahren dieser gemischten MenschenRaçe erinnert, welche sie mehr haßt, mehr verabscheut, als die Weißen es thun. Doch troß aller Mühe, aller Kunst machten sich die natürlichen Wellenformen der Haare Luft und quollen üppig und

wild hervor, wie sie auch zu der ganzen Erscheinung der Eigenthümerinnen besser paßten. Einzeln sah man wohl ganz schlichtes Haar, dann aber mehr bei einer olivenfarbenen, matten Hautfärbung. Bei vielen dieser schönen Wesen drängte sich das Blut in die Haut ihrer Wangen und zeigte sich nach der Schattirung derselben in matteren oder mehr feurigen Tönen; namentlich zauberisch schön und lieblich waren die gelblichen Teints, von einem dunkelen Ponceau durchdrungen, ähnlich einer reifen Pfirsich.

Die Gestalten dieser dunklen Bacchantinnen, obgleich auch sehr verschieden, zeigten die edelsten, üppigsten und reizendsten Formen. Meist waren sie groß und schlank, mit kleinem Kopf, langem Hals, gewölbter, voller Brust, unglaublich schmaler Taille, breiten Hüften und auffallend kleinen, zierlichen Füßen und Händen; doch sah man auch sehr kleine ebenso proportionirte Gestalten, wie auch wieder einzelne, die sich zu einer zu großen Fülle hinneigten.

In einer Hinsicht schienen sie sämmtlich gleich zu sein, nämlich in der Laune; denn man sah auf allen Gesichtern dieselbe festliche Aufregung, wenn sie sich auch bei der Einen durch liebliche, große. Beweglichkeit und freundliches Lächeln und bei der Andern durch einen erhöhten feurigen Glanz der Augen und leichteren majestätischen Schritt kund that.

Die Quadronen, welche diese Bälle besuchen, find meist von freien farbigen Müttern geboren, und ihre Väter größentheils wohlhabende Leute, die bei der Erziehung ihrer Kinder nichts fehlen lassen; doch den Fluch, der auf dem Schatten ihrer Haut, der bläulichen Farbe ihrer Nägel liegt, können sie mit allem Golde nicht wegkaufen. Die jezt hier Versammelten waren gekommen, um sich einmal wieder öffentlich als Ladies zu zeigen, was die selbstsüchtigen Weißen diesen armen Geschöpfen nur darum gestatten, damit sie sich selbst den Genuß verschaffen, sich ihrer Schönheit, ihrer Liebenswürdigkeit zu erfreuen.

Mit ungewöhnlichen körperlichen Reizen, mit allen geistigen Fähigkeiten auf das reichste begabt, meist frei und unabhängig, zum großen Theil wohlhabend, einzeln außerordentlich reich, drängt sie das Vorurtheil zurück vom gefeßlichen Familienleben, und es bleibt den Unglücklichen keine andere Wahl, als sich mit einem ihres Gleichen zu vereinigen oder unverheiratet mit einem Weißen zu leben und in ihren Kindern erst mit deren Vater auf gleiche Stufe gestellt zu werden. Sich einem Farbigen hinzugeben, sehen sie als die größte Erniedrigung an, und von Kindheit daran gewöhnt, öffentlich aus der Gesellschaft der Weißen verstoßen zu sein, scheinen sie sich dadurch an ihnen zu rächen, daß sie ihre geistigen und körperlichen Vorzüge benußen, um ungesehen von der Welt ihre Unterdrücker durch die Bande der Liebe um so fester in Fesseln zu schmieden. Wie viele junge Männer der ersten, angesehensten Familien von Louisiana beugen sich unter dem füßen Joche einer bezaubernden Quadrone, entsagen den matten Reizen der weißen Schönheiten und stürzen, troß aller Bitten, aller Wünsche ihrer Familie, ihrer Freunde, troß der ihnen Rache drohenden öffentlichen Meinung, wie der Abendschmetter ling in die verzehrende Gluth der Flamme, trunken von Seligkeit, in die geöffneten Arme eines solchen heißliebenden Engels des Südens.

Mit dem Schmettern der Trompete, den dumpfen Gewalttönen der Posaune, den klagenden Liebeslauten des Violoncells und der Violine, den übermüthigen, lustigen Weisen der Klarinette und dem wirren, betäubenden Rasen der Cymbeln und des Schellenbaums erfcholl jezt die Musik. Die jungen Männer, meist französische Kreolen, drangen in die im Saale auf- und abwogenden bunten Gruppen der Wonne strahlenden Quadronen, und Jeder griff nach der weichen Hand einer dieser dunklen Schönheiten, um ihrem Zauber, ihren elastischen Bewegungen im Tanze zu folgen."

Amerikanische Miscellen.

1. Kansas und seine Colonisation.

Kürzlich enthielt die ,,New-Yorker Abend - Zeitung" vom 3. Juli aus einer Korrespondenz des Cinc. Volksblattes Notizen über Kansas, die ich hier mittheilen will, da fie den Berichten entsprechen, die ich auch von Reisenden über jene Gegenden vernommen habe.

„Was Kansas ist", schreibt der Korrespondent, „,ist es weniger durch die Fruchtbarkeit seines Bodens, seine gute Bewässerung, fein gesundes Klima, kurz durch seine Vorzüge vor anderen, von der Einwanderung weniger begünstigten Gebieten, als durch seine politische Leidensgeschichte geworden. Die nächste Folge der maffenhaften Einwanderung war eine gesteigerte Nachfrage nach Land und Lots. Von dem Sirenenrufe der Speculation verlockt, dichtete man dem Lande einen Werth an, den es nicht besaß; von der Furcht gepeinigt, zu spät zu kommen, überbot man sich selbst. Land und Lots, in diesen zwei Worten konzentrirten sich alle Wünsche der Emigration. Sie zu be=

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