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Schwer ist es, die magische Seite des Geistes zur klaren Anschauung zu bringen, da wir, im Tagleben stehend, das Nachtleben nicht gleichzeitig überblicken können. Gleichwohl", sagt der Ver„Gleichwohl“, sagt der Verfaffer, wird Jeder zugestehen, daß ihn oft Gedanken überkommen, von denen er nicht weiß, woher sie entstanden. Er kömmt nicht durch Anschauen dazu, nicht durch Nachdenken, nicht durch Lehre und Ueberlieferung. Diese Gedanken gleichen bald Lichtblizen in der Wissenschaft, bald einer poetischen Inspiration; fie treten hier als plögliche Sinnesänderung und Erweckung auf, dort als die überwältigende Ueberzeugung des Gelingens durch die Macht des Glaubens; sie kleiden sich hier in die Form einer göttlichen Erleuchtung und dort in die einer diabolischen Versuchung in der Raserei der Leidenschaft. Wie oft ist unser Denken und Thun doch das Resultat nicht der freien Ueberlegung, sondern eines unbewußten Treibens und Drängens! Wie schießen alle dunkelen Keime der Entschlüffe im Augenblicke zur That auf; wie tritt an die Stelle der Ueberlegung die Begeisterung, an die Stelle der Besonnenheit die Schwärmerei, an die Stelle der Klugheit die Raserei der Leidenschaft! Ja, wie oft vergißt man in dem Beherrschtsein durch Gefühle den Zusammenhang der Wirklich keit des Bestehenden uud Erreichbaren! Wer ertappte sich, vor sich selbst erschreckend, nicht auf Gedankenreihen, von denen er nicht wußte, woher sie ihn überkommen, und wer hat nicht an sich selbst erfahren, daß das, was er aus innerem Triebe, halb unbewußt, ergriffen, oft riesengroß in das Leben hineinwuchs und einen Wendepunkt für das ganze Dasein bildete? Wem ist nicht eine Verkettung von Umständen nahe getreten, die er sich vergebens durch ,,merkwürdigen Zufall", ,,Vorsehung", "Schußgeist",,,Anzeichen vom Jenseits" zu deuten. versuchte?"

Der Verfasser sucht demnächst einzelne krankhafte Erscheinungen im Geistesleben der Individuen, wie im Kulturleben der Völker durch die, unter Zurückdrängung der intelligenten Seite, vorherrschende Einwirkung der magischen Seite des Geistes zu erklären. Zu diesen krankhaften Erscheinungen gehören der magnetische Schlaf, der natürliche und der künstliche Somnambulismus, die Clairvoyance, die Visionen, das zweite Gesicht, die Ekstase, das Besessensein; ferner die Mantik (wobei auch die Psychographie und das Tischrücken besprochen werden), die religiose und die poetische Verzückung, die magische Heilkunst, die Zauber und Wunder bei älteren und neueren Völkern, die Heren, Geisterseher und Geisterbeschwörer. Sofern bei diesen Erscheinungen nicht vom Betruge und von der Charlatanerie, oder vom Aberglauben und vom Fanatismus, die Farben gemischt und die Bilder kolorirt waren, lag ihnen überall, wie der Verfasser nachweist, nichts Anderes zum Grunde, als die Geistesthätigkeit jener Hälfte unserer Seele, die er uns als den „innereu Sinn", als den Grund des Traumes, der Ahnung, der Prophetie, der Kunsttriebe, des Gewissens und des Glaubens nachgewiesen jene Thätigkeit, die er als Aeußerung des ,,magischen Seelenpoles" bezeichnet.

Wir haben hier nicht zn untersuchen, ob das vom Verfasser auf gestellte System in einzelnen Stücken mit den Theorieen der Physiker in Widerspruch sei; jedenfalls wirft es ein interessantes Licht auf ein anziehendes, aber bisher noch sehr dunkles Gebiet des Geisteslebens. Es wird durch dieses Buch ebenso dem Aberglauben, wie dem Materialismus, ein Paroli geboten, und darum haben wir dasselbe für werth gehalten, beim Beginn einer neuen Jahres-Uebersicht der Literatur, neben dem vierten Bande des „Kosmos“ genannt zu werden. Um des Verfassers eigene Worte zu unserer Rechtfertigung anzuführen, entlehnen wir nachfolgende Stellen dem Schlußkapitel des Buches:

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„Der Glaube an ein geistiges Dasein ist eine ebensolche Nothwendigkeit, als die Erkenntniß der äußeren materiellen Welt. Beide lassen sich aber nicht trennen, und wo man die Trennung im Unterschiedenen festhält, da ist der Irrthum unvermeidlich, ein Irrthum, der sich endlich bis zum vollendeten Bruche heranbilden muß. Religion und Wissenschaft fordern beide die Wahrheit; da es aber nur Eine Wahrheit giebt, so müssen sie sich auch in ihren Endresultaten begegnen, so verschieden ihre Wege und Prinzipien auch sein mögen. Die Wissenschaft, welche alles reflektirende Erkennen der Wahr heit pflegt und repräsentirt, muß sich deshalb mit dem unmittelbaren Wissen, dem Glauben, versöhnen, denn beide Wissensweisen find hervorgegangen aus der Doppelnatur eines Geistes. der Doppelnatur eines Geistes. Jeder Versuch der einen, die andere sich botmäßig zu machen, ist ein Attentat auf das Recht und die Freiheit des menschlichen Geistes selbst und jeder Uebergriff von der einen oder der anderen Seite muß der Entwickelung und der Wohlfahrt der Menschheit empfindliche Wunden schlagen. Naturforschung und Theologie müssen sich versöhnen, und sie werden es, da die Offenbarung Gottes im Menschengeiste keine andere sein kann, als in der Natur, die Gotteserkenntniß mit den Fortschritten in der Entwickelung des Menschengeschlechts an Inhalt und Form gewinnt und das Wissen von der Natur mit dem des göttlichen Wirkens zusammenfällt. Zwischen dem alten, kritiklofen,

gen, unerbittlichen Hölle gemacht; jenem Mysticismus, welcher kein Vertrauen zu den Menschen, keine Liebe für die Natur, keine Hoffnung für die Entwickelung des Menschengeistes hat, in seinem Hochmuthe sich einbildet, allein der Fülle göttlicher Offenbarnng theilhaftig zu sein, und mit Entäußerung seines göttlichen Funkens das Gefälschte an die Stelle des ewig Wahren feßt, und jener atheistischen Weltanschauung, welche, stolz auf ihr eraktes Wissen, alles Geistige leugnet und im Nomen der Seele, die sie verwirft, des Gottes, den sie verlacht, des Jenseits, das sie leugnet, ihren Maßstab des Greifbaren, Zerseßbaren, Zergliederbaren auch an das anlegt, was nicht zu wägen, nicht zu zersehen und nicht zu zerlegen ist: giebt es eine Versöhnung, so unwahrscheinlich dies auch scheint. Man prohibire auf der einen Seite nicht die Vernunft, man leugne auf der anderen nicht, daß etwas Geistiges, mit der Materie Gleichberechtigtes existire, und die Brücke zum Verständniß ist geschlagen. Wir dürfen nur dem von Lessing und Herder betretenen Wege folgen.

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,,Haben wir somit der einen Hälfte unseres Geistes nachgespürt in ihren geheimen Tiefen; hat sich vor unseren Blicken ein vollkommenes Gemälde aufgerollt, indem wir uns bemüht haben, den inneren Zusammenhang einer Menge bisher einzeln stehender, oft unerklärlicher Erscheinungen zu zeigen; haben wir gesehen, daß vom Traum bis zur Offenbarung, vom Instinkte bis zum Schaffen des Kunstwerks, vom Ahnen bis zur Zuversicht des Gottesglaubens, von dem liebenden Blicke der Mutter bis zur Wunderheilung und von der Bewegung der Wünschelruthe bis zum Wunder ein in einander greifendes, empfangendes und wirkendes Geistesleben verfolgt werden kann: so tritt so Manches, dem man sich bisher nur mit Scheu nahen durfte, in den Kreis einer wissenschaftlichen Bearbeitung. In Mythe und Geschichte, in der religiösen Entwickelung aller Völker, in ihrem Glauben und Aberglauben spielt das magische Leben des Geistes eine so wichtige Rolle, daß, so lange es eine Geschichte gießt, das tiefste Innere der Menschheit davon ergriffen und bewegt wird, ja, daß es zweifelhaft bleibt, ob mehr der Verstand, ob mehr das magische Gemüthsleben auf die Entwickelung der Menschheit gewirkt.

"Soll jenes magische Leben des menschlichen Geistes, wie wir es in empfangender und handelnder Richtung verfolgt haben, schon hier auf der Erde in der Fortentwickelung des Geschlechts eine weitere Ausbildung gewinnen? Soll der Mensch in der Folge, wie er im Verstande Alles ergründet, gleichzeitig Vergangenheit und Zukunft mit klarem Blicke umfassen, und, wie er in dem Beherrschen der Naturgeseze auf physikalischem Wege die höchsten Triumphe noch feiern wird, auch jene moralische Herrschaft über die Natur erlangen, daß er sich die Erde zum Paradiese umgestaltet, indem sein Wirken dem göttlichen Willen, sein Wollen dem göttlichen Schöpfungswerke gleichen wird? Oder ist Alles, was uns das magische Geistesleben ahnen läßt, nur Andeutung einer höheren Entwickelungsstufe, die der Menschheit dereinst werden soll, wie jede Entwickelungsstufe schon den Typus höherer Bildung in sich trägt? Wir möchten es glauben, möchten glauben, daß jene Fittige, die sich hier kaum zu regen wagen, sich in anderen Regionen zu entfalten bestimmt sind, und daß, wie das Erdenleben von dem Verstande beherrscht wird, erst ein späteres Leben die Herrschaft jener Geisteshälfte zur Entwickelung bringen wird, die nur als Traum und Ahnung zweifelhafte Streiflichter in unser Leben hineinwirft."

Afrika.

J. L.

Dr. Livingstone's „Reisen und Forschungen in Süd- Afrika“. *)

Nachdem uns Richardson, Overweg, Barth und deren Vorgänger Central-Afrika mit Flüssen, Seen, Völkern, Königreichen, reicher Fauna und Flora ziemlich ausgefüllt haben, so daß die älteren Karten Afrika's mit ihrer öden Leere in der Mitte verschwunden sind oder verschwinden müssen, giebt uns nun Livingstone eine dicht bevölkerte und dicht mit Namen bedruckte Karte von Süd-Afrika, das er sechzehn Jahre lang bewohnte und von drei ganz entgegengeseßten Punkten der Küste nach dem Innern zu durchreiste. Seine drei Haupttouren bilden, gradlinig genommen, drei Dreiecke mit einem gemeinschaftlichen Mittelpunkte im Lande der Makololo's unter dem achtzehnten Breiten- und dem fünfundzwanzigsten Längengrade, mit einem kleineren Dreiecke der Reise von Kap-Stadt und der Algoa Bay nach dem Jnnern der Kap-Kolonie bis jenseits des Orangeflusses, einer unregel

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*) Missionary Travels and Researches in South Africa; including a Sketch of Sixteen Years Residence in the Interior of Africa, and a Journey from the Cape of Good Hope to Loanda on the West-Coast; thence across the Continent down the river Zambesi, to the Eastern Ocean. By David Livingstone, L. L. D., D. C. L., Fellow of the Faculty of Physicians of Glasgow; Corresponding Member of the Geographical and Statistical Society of New-York; Gold Medallist and Corresponding Member of the Royal Geographical Societies of London and Paris &c. With portrait, maps and Dumerous illustrations. Loudon: John Mur

mäßigen Runde unter dem fünfundzwanzigsten Breiten und fünfund zwanzigsten bis dreißigsten Längengrade, vielen Zickzacks und Doppelwegen. Die zweite große Haupttour und eigentliche Heroenthat ist die Reise nach dem portugiesischen Angola mit der Hauptstadt Loanda vom Kap aus und dann über den ganzen afrikanischen Kontinent hindurch bis an die Mündungen des Zambesi zwischen dem achtzehnten und neunzehnten Breitengrade an der Ostküste. 3m Ganzen legte er auf seinen Haupttouren über tausend geographische Meilen zurück und zwar auf Wegen, die unter einer glühenden Sonne oft durch weichen Saud, Sümpfe, undurchdringliche Schilfmassen, Urwaldsdickicht, durch Heerden von Löwen, Elephanten, tückischen Flußpferden, Buffaloos, giftigen Insekten u. f. w. führten und niemals Wege waren.

Diese tausend geographischen Meilen mußten größtentheils mit Wagen und Ochsen, die zuweilen aus Mangel an Wasser niederstürzten, zurückgelegt werden, mit Wochen und Monate langen Hindernissen und im besten Falle mit der Geschwindigkeit, die schwerziehenden Ochsen im Sande möglich ist. Lange Touren auf dem Waffer hatten ebenfalls stets mit Hindernissen und Gefahren zu kämpfen, mit Alligatoren und Flußpferden, Dickicht von Wassergewächsen und jeden Abend mit der Sorge um Nahrung und Obdach, jeden Abend mit der Nothwendigkeit, eine Schlafstelle zu bauen, um sie am Morgen wieder abzureißen, aufzuladen und damit weiter zu ziehen.

Dabei können diese ausgedehnten, heroischen Forschungsreisen bei einem Manne, der ununterbrochen sechzehn Jahre im Innern Afrika's lebte, nicht die Hauptsache sein. So fällt denn allerdings der Schwer punkt seines 687 Seiten füllenden Buches unter das in viele Nebenstämme zerfallende Volk der Bechuana's, im Norden der Buschmänner und Grigua's, hinter der Kap-Kolonie und den transvaalen,,Boers“. Unter diesen friedlichen, gutmüthigen Bechuana's lebte, lehrte und arbeitete er denn auch die meiste Zeit dieser sechzehn Jahre als Missionar, weniger durch aufdringliches Belehren und Bekehren, als durch gutes Beispiel in praktischer Civilisation, wie man gräbt, pflanzt, Gärten anlegt und Früchte zieht, zimmert, tischlert, kocht und bratet, näht und strickt, zu einem guten, freundlichen Haushalt kommt und ihn erhält.

Civilisation, Handel und Gewerbe, Bedürfniß nach höheren Bequemlichkeiten und Freuden des Lebens ist ihm auch so sehr GrundLage und Bedingung der Bekehrung zum Christenthume, daß er durch weg diese Bedingungen zuerst fordert und sie zuleht als den eigentlichsten Werth aller seiner Forschungen und des ganzen von ihm entdeckten füdafrikanischen Kontinentes hervorhebt.

Es kommt hier blos darauf an, auf die schnellste und kürzeste Weise eine Gesammt-Vorstellung von dem großen, verwirrend reichen Buche zu geben, daß in tausenderlei Beobachtungen und Bemerkungen über eine unzählige Maffe von Völkern, Stämmen und Horden, über physische Geographie, geologische Beschaffenheit, besonders aber über Vegetation und die Thierwelt den Leser auch beim aufmerksamen Durchlesen zuerst mehr verwirrt, als aufklärt. Erst wiederholtes Lefen und Zusammenstellen der aus Tagebüchern unklassifizirt an einander gereihten Beobachtungen kann zu bestimmten, charakteristischen Bildern und Vorstellungen führen. Auch soll dies Buch, wie der Verfaffer sagt, nur die Maffen von Materialien eben blos zugänglich machen; er hat sich vorbehalten, für die exakte Wissenschaft dieselben einzeln und strikt zu bearbeiten.

Was Livingstone als praktische Nuganwendung seiner Forschungen vorschlägt, läuft darauf hinaus:

„Die Völker und Länder, die ich im Innern Süd-Afrika's kennen lernte, find größtentheils reich an natürlichen Anlagen und fähig, durch Kultur und Handel ergiebige, civilisirte Länder und Menschen zu werden. Die Hochlande an den Gränzen des Central-Bassins find gesund; das Erste sollte sein, einen guten, dauernden Weg dahin zu bahnen, damit Europäer so schnell als möglich durch die ungesunden Regionen an der Küste hingelangen mögen. Der Fluß Zambesi ist noch nicht näher untersucht worden, aber als ich auf ihm hinabfuhr, gab's hinreichend Wasser für große Schiffe, wie jedes Jahr fünf bis sechs Monate lang. Die übrigen Monate niedrigen Wasserstandes können noch Dampfschiffe, wie sie auf der Themse fahren, tragen. Während der Monate Mai, Jüni und Juli würde man auf keine Hindernisse unterhalb Tete stoßen (Tete, eine portugiesische Ortschaft am Zambesi, über 300 engl. Meilen von den Mündungen). Etwa 30 Meilen oberhalb dieses Punktes ist eine Stromschnelle. Aber unterhalb haben wir über 300 Meilen schiffbares Wasser. Oberhalb der Stromschnelle wieder 300 Meilen Fluß mit sandigen Ufern, aber ohne Sümpfe und Sandbänke. Dies bringt uns bis an den Fuß der östlichen Höhen. Man muß sich aber nicht einbilden, daß Schiffe hier ohne Weiteres Elfenbein und Goldstaub laden können. Die Portugiesen von Tete lesen Alles zusammen, was sie an verwerthbaren Handelsartikeln von benachbarten Stämmen kriegen können. Die Portugiesen haben mit diesen Nachbarn öfters Krieg geführt und sie demoralisirt, so daß es nicht für Jeden, wie für mich, sicher

fein mag, durch sie unbelästigt hindurchzukommen. Jenseits dieser feindseligen Raçen kommen wir unter eine ganz andere Art von Menschen, auf die ich meine besonderen Hoffnungen baue. Sie alle find sehr begierig, sich zu zivilisiren und Gewerbe und Handel zu treiben. Aber bis jezt ist noch keine Spur von Ermuthigung, ihre Rohmaterialien für den Handel zu kultiviren, bis zu ihnen gedrungen. Diese Länder eignen sich besonders für Baumwollen-Kultur. Besserer Saame unter ihnen vertheilt und mit der Gewißheit des Absages dies wird sie sofort zu unseren Freunden machen. Ich habe zwei Zwecke im Auge, die Wohlfahrt dieser Heiden für unsere eigene Wohlfahrt. (Daran, obgleich es so einfach und elementar ist, wie, daß 2 mal 2 Vier macht, hat man in Indien, China u. s. w. nicht gedacht und ärndtet jezt die Folgen.) Ich brachte sieben Jahre in Koboleny®) zu, meine Freunde zu unterrichten; aber das Land fand keine Veranlassung, Rohmaterialien über Bedarf zu gewinnen, zumal sie von den Boers mörderisch angefallen, ausgeplündert und als Sklaven weggetrieben wurden. Hätten die Bewohner von Koboleny für den englischen Markt gearbeitet, würde man die Schandthat in England gefühlt haben; noch mehr, die Leute würden sich selbst durch Handel und Gewerbe kultivirt und Schießwaffen angeschafft haben, wie die Basuto's in Moschisch und die Bewohner von Kuruman, die sich so gegen die Boers zu schüßen wissen. Wir müssen die Afrikaner ermuthigen, für unsere Märkte zu arbeiten. Das ist das wirksamste Mittel, neben dem Evangelium, sie zu erheben.

Eine Kette von Stationen jenseits des portugiesischen Territoriums am Zambesi entlang, in Verbindung mit dem Meere, anknüpfend an die von der Londoner Missionsgesellschaft beschossenen Missionsstationen unter den Makololo's am nördlichen, und unter den Matebele's am südlichen Ufer, das sind die Verbindungen zur Erreichung des angedeuteten Zweckes. Livingstone ladet alle Arten von Sekten, Wesleyaner, Baptisten, Freikirchliche u. s. w. ein, da sie allein unter den Batoka's Terrain genug finden würden, zu predigen und zu propagandiren, ohne einander zu stören. Im Innern ist es gesund, und Leben und Eigenthum sind sicher unter Menschen, die gern hören und nicht nur Vernunft haben, sondern auch annehmen.

Im Innern hatte Mr. Moffat, Livingstone's Schwiegervater, mit Hülfe des bekehrten, eifrigen Bechuana-Fürsten Sibituone die überseßte Bibel jenseits der Bechuana-Länder über eine Strecke, größer wie Frankreich, verbreitet und wilde Kannibalen, die ihre Hütten mit Schädeln schmückten, ganz ausgerottet. Sibituone hatte für Livingston den Weg bereitet, so daß er fast überall auf seinen Zügen freundlich aufgenommen ward. Spezielle Freunde, die er sich erworben hatte, dienten ihm treu und mit Liebe und erklärten, lieber sterben, als ihn verlassen zu wollen.

,,Die Eröffnung dieser neuen Länder für europäische Kultur wird nach den verschiedensten Seiten ein Vortheil und Segen sein. Sie wird die Sklaverei, den Zucker und die Baumwolle, von unferer eigenen Rage aus den Schwarzen gepreßt, abschaffen und dafür Produkte freier Arbeit liefern. Wir verlangen jest mehr Baumwolle, mehr Zucker, und tadeln dann die Mittel, welche die Amerikaner anwenden, um unserer Nachfrage zu genügen. Wir machen Anspruch auf das Recht, über das Uebel unsere Meinung zu sagen und für Abschaffung desselben etwas zu thun. Nun ist es aber doch gewiß sehr schmerzlich, zu sehen, daß ein Theil dieser Raçe, der Anglo-Amerikanischen, „von der die Welt gern Fortschritt und Freiheit abhängig macht" (ich suche ein Verdienst darin, Deutschland besonders auf den besseren Gedanken zu bringen, daß Deutschlands Fortschritt und Freiheit nicht von Engländern und Amerikanern, sondern von Deutschland besorgt werden muß und wirklich auch von jeher besorgt ward und werden wird), dieses gigantische Uebel der Sklaverei praktizirt und der andere Theil jenen durch größere Nachfrage nach den Produkten der Sklavenarbeit unterstüßt.

(Schluß folgt.) Schweden.

Ein Blick auf die literarischen Zustände Schwedens.

Die Literatur hat in dem Jahre 1856-1857, bei der Ruhe und dem Gedeihen des Landes, ihre Rechnung gefunden. Durch zahlreiche Schriften sind namentlich die historischen Wissenschaften vertreten. Die,,biographische Encyklopädie berühmter Schweden" ist mit dem dreiundzwanzigsten Bande zum Abschluß gekommen. Afzelius hat den achten Band seiner,,Jahrbücher der Legendenschreiber des schwedischen Volkes", und Fryrell den vierundzwanzigsten Band seiner Erzählungen aus der schwedischen Geschichte“, die Regierung Karl's XII. umfassend, erscheinen lassen. Beides sind ausgezeichnete Werke, worin die Geschichte nicht trocken und abstoßend vorgetragen wird, sondern

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fünfundzwanzigsten und se bundzwanzigste. Längengrade, nördlich von den eigent= *) Zwischen dem vierundzwanzigsten und fünfundzwanzigsten Breiten- und lichen Bechuana's und der räuberischen Beer-Transvaal - Republik.

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im Schmucke bald der Legenden, bald der mündlichen Tradition, bald einer Fülle geistvoller und wissenswürdiger Gelehrsamkeit auftritt. Der zweite Band der Geschichte Schwedens unter den Königen aus dem Hause Zweibrücken“, von Profeffor Carlson, ist die Fortsegung eines wichtigen Werkes, das Schweden Ehre machen wird. Er umfaßt die Regierung Karl's XI. bis 1680. Mit Hülfe authenti fcher Schriftstücke aus den schwedischen Archiven abgefaßt, hat dieses Buch nicht nur für die Nationalgeschichte, sondern auch für die allgemeine Geschichte des siebzehnten Jahrhunderts, namentlich Frank reichs, dessen auswärtige Politik in dieser Epoche so thätig war, ein hohes Interesse.

An akademischen Schriften wurden ausgegeben: der einund zwanzigste Band der,,Denkschriften der Akademie der schönen Wissen schaften, der Geschichte und Alterthumskunde"; die Fortseßung der „Denkschriften der Akademie der Achtzehn“, und die der „Akademie der Wissenschaften", die fiebenunddreizigste Abtheilung der ,,Akten, betreffend die Geschichte von Skandinavien“ u. a. m.

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Auch einige neue historische Werke find angelegt; so sind z. B. die ersten beiden Bände der Memoiren von Baron Gudmund Joeran Adlerbeth über die Regierung Gustav's III. erschienen; sie sind vorzugs weise politischen Inhalts und auf glaubwürdige Urkunden gegründet. Die Herren Gronholm und Mellin haben eine Geschichte Gustav Adolph's" angefangen. In Norwegen ebenfalls erscheinen die Fortfegungen der früher begonnenen historischen Werke in rascher Folge: in erster Reihe nennen wir die Geschichte des norwegischen Volkes" (die siebente Abtheilung des vierten Bandes bis zum Jahre 1242) von Munch; dann einen Theil des zweiten Bandes der vortrefflichen "Geschichte der norwegischen Kirche“, von Keyser, und den zweiten Theil der nicht minder wissenschaftlichen,, Geschichte der norwegischen Klöster", von Christian Lange.

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Nächst der Geschichte haben die sozialen Fragen sehr viele Federn in Bewegung gefeßt. Herr Borg hat die Herausgabe einer „Geschichte des Weibes" vom sozialen Standpunkte, begonnen. Durch gewisse Schriften der Bremer und durch einen Gesezentwurf, der für die Mündigsprechung der Frauen das Alter von fünfundzwanzig Jahren in Vorschlag brachte, ist der Gegenstand zum Modethema geworden. — Herr Naumann hat über „das verfassungsmäßige Recht Schwedens" einen Band gebracht, der als nüßlicher Kommentar zu seiner vorangegangenen Sammlung der „konstitutiven Gefeße“ seines Vaterlandes anzusehen ist. — Arrhenius schrieb über den Landbau. Zahlreiche Schriften erschienen über den öffentlichen Unterricht; fie besprechen theils den Verfall der klassischen Studien infolge des neu eingeführten dualistischen Systems (Real- neben Gymnasial-Unterricht), theils die Angemessenheit, die seit uralter Zeit in Upsala befindliche Universität nach Stockholm zu verlegen, oder mindestens die medizinische Fakultät der Upsalaer Hochschule mit dem Karolinischen Institut in Stockholm zu vereinigen, da sich diesem besonderen Fach hier mehr Hülfsquellen bieten und der Unterricht auf dem gedachten Institut thätiger und fruchtbarer getrieben wird, als auf der Univerfität. In Bezug auf religiöse Fragen vergeffen wir nicht die Werke Trottet's, deffen Zeitschrift eine bemerkenswerthe Abhandlung über den inneren Zustand der schwedischen Kirche gebracht hat. Auch an allerlei Flugschriften in diesem Gebiete ist kein Mangel. Weit spär licher ist das Feld der Dichtung oder der eigentlichen, schönen Literatur angebaut.

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Schweden hat in diesem Jahre einige Dichter verloren; ihre Namen waren aber nicht klangvoll genug, um über die Gränzen ihres Vaterlandes hinaus vernommen zu werden. Einen empfindlichen Verluft hat Schweden an Herrn von Hartmansdorf erlitten, der, als politischer Schriffteller wie als Staatsmann, innerhalb und außerhalb Schwedens ein geachteter Name war. Mitglied des Adelstandes, konservirte er bis zur leßten Stunde seine Ueberzeugungen, die allen Neuerungen sehr schwer Eingang gestatteten. Würde des Charakters und Sicherheit des Urtheils machten ihn zu einem großherzigen und nüglichen Bürger; zugleich war er strenger Protestant und in jedem Betracht ein Mann, deffen Hintritt zu bedauern ist.

Mannigfaltiges.

Was für Sprachen sind orientalische? In der Vorrede zu seiner unlängst von uns besprochenen praktischen Grammatik des Ungarischen für Deutsche sagt Herr Kovács unter Anderem, daß feine (ungarische) Muttersprache, als eine orientalische, von den abendländischen sehr abweichend sei. Die Bezeichnung,, orientalisch" kann nur entweder auf orientalische (also asiatische) Heimat oder

auf Abstammung aus Asien deuten. Nun aber hat die zur Wissenschaft entwickelte Sprachvergleichung uns darüber belehrt, daß beinahe alle Sprachen Europa's, selbst die urältesten nicht ausgenommen, in letter Instanz dem Welttheile entstammen, von welchem unser Europa nur den nordwestlichsten Ausläufer bildet. Alle, mit einziger Ausnahme des Baskischen, reihen sich an eines zweier weitgreifenden Geschlechter, die man das arisch-indische und das altai-uralische nennt.") Was die Sprache der Ungarn (Magya= ren) betrifft, so ist diese zwar erst seit ungefähr zehn Jahrhunderten in Europa eingebürgert, aber mehrere, ihr am meisten analoge und befreundete Idiome im hohen und höchsten Norden Europa's find es schon seit undenklicher, weit über die Geschichte hinausreichender Zeit. Die Lappen, Eften und ein Theil der Finnen haben denselben Anspruch, alteuropäische Völker zu heißen, wie die Germanen, Slaven und Littauer. Dazu kommt noch, daß die meisten in Europa heimisch gewordenen Idiome von anderem als arisch-indischem Stamme erst unter europäischen Einflüssen zu dem, was sie heutzutage find, wenn auch sonst auf selbständiger Bahn, sich entwickelt haben, und daß der Charakter ihrer Literaturen wesentlich europäisch ist. Was gar keine europäisirte Schwestern oder Töchter in unserem Abendlande befigt, wie die semitische Sprachenklasse, die tamulische, malajische und einfilbige, das ist wenigstens unter einander von sehr verschiedenem Charakter, und also die allgemeine Bezeichnung selbst dieser SprachenKlaffen, nach dem Welttheile dem sie angehören, viel zu unbestimmt. Man lasse demnach die Qualification orientalisch" oder „asiatisch“ entweder ganz fahren, oder wende sie nur da an, wo eine in Europa angesiedelte Sprache dem europäischen Geiste wesentlich fremd geblieben, wie das altai-uralische Idiom der freilich erst seit vier Jahrhunderten in einem Winkel Europa's angesiedelten Osmanischen Türken.

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Deutsch-amerikanisches Theater. Als Probe deutschamerikanischer Theater-Reklamen theilen wir folgende, dem,,Gradaus", einem in Milwaukee erscheinenden deutschen Blatte, entlehnte Notiz mit.,,Dem Publikum Milwaukee's, das einen wirklichen Kunftgenuß den faden Kinderspielen eines Puppentheaters vorzieht, bieten. sich morgen und übermorgen zwei Gelegenbeiten dar, dies zu bethätigen. Morgen, Sonntags,°) giebt Herr Deutsch, der durch seine komischen Leistungen den Milwaukeern viele heitere Stunden verschafft, zu seinem Benefiz Müller und Miller“ und „Eine möblirte Wohnung", wovon das erste Stück schon vortheilhaft bekannt, das zweite aber, obgleich weniger bekannt, doch wegen seiner drastischen Wirkung auf die Lachmuskeln der Zuschauer besonders hervorgehoben zu werden verdient. Hoffentlich wird Herr Deutsch nicht das Schicksal der anderen Benefizianten theilen, welche bei ihrer Vorstellung kaum auf die Kosten gekommen sind. Er würde dies um so weniger verdienen, als mit Gewißheit anzunehmen ist, daß die Vorstellung gut über die Bühne gehen wird. Nächsten Montag wird Milwaukee das Glück haben, mehrere berühmte deutsch-amerikanische Theatergrößen in seinen Mauern zu sehen. Herr und Frau Hoym, Direktoren und Ober-Regisseure vom New Yorker Stadttheater, Herr Worret, Regiffeur des Chicagoer Männer - Gesangvereins - Theaters, und Herr Kreß, der erst kürzlich uns durch sein komisches Talent erfreute, werden unterstüßt von Herrn Herzberg, dem besten Souffleur Amerika's, eine Vorstellung geben - eine außerordentliche, extra zum Vergnügen der Milwaukeer veranstaltete — die nicht verfehlen wird, das non plus ultra aller bisher dagewesenen Theatervorstellungen (!) zu sein. Gegeben wird:,,Der Graf Jrun“, ein Stück, worin das edle Künstlerpaar Hoym bekanntlich unübertrefflich ist.“ — Zu Dubuque, Staat Jowa, wurde die Sommersaison des deutschen Theaters mit Schiller's,,Wilhelm Tell" gefchloffen. Den Schluß der Vorstellung bildeten Tableaux, beleuchtet mit griechischem Feuer und arrangirt vom Turner Schill: 1) Kampf der Turner mit den Rowdies in Columbus (Ohio); 2) Siegesfeier; 3) Robert Blum auf den Barrikaden in Wien.

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Wochentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlt. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 gr., wofür das Blatt im In'ande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

@ 2.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Dänemark.

Nachlese aus Dersted's Schriften.

Berlin, Dienstag den 5. Januar.

Wir haben in diesen Blättern schon einmal (1852 Nr. 153) eine kleine Nachlese aus den unüberseßt gebliebenen, fragmentarischen Aufzeichnungen des berühmten Naturforschers, welche den neunten Band der dänischen Original-Ausgabe zum Theil füllen, deutschen Lesern dargeboten. Wir sehen heut diese Nachlese fort und gedenken auch später dies bisweilen zu thun, indem wir auf den Dank der vielen Verehrer Dersted's rechnen zu können glauben. Das Nachfolgende hat die Ueberschrift: „Bruchstücke aus einer Rede über die Art, wie die Menschen neue Kenntnisse und Meinungen aufnehmen". Die Freunde einer ruhigen, besonnenen Forschung im Gebiete der geistigen Interessen der Menschheit werden gewiß, wie in vielen anderen Ansichten Der sted's, so auch hier der Darstellung mit Theilnahme folgen und einer freudigen inneren Zustimmung sich nicht erwehren können. Sie werden unwillkürlich an die Angriffe erinnert werden, welche die Reaction gegen die Wissenschaft auch auf manche Ansichten des Verfaffers vom Geist in der Natur zu machen sich nicht entblödete.

Es ist zu einem Sprüchwort geworden, sagt Oersted, daß Meinungen die Welt regieren, und Jedermann sieht leicht ein, daß dies auf eine große Wahrheit deutet; denn so stark auch die Triebfedern sind, welche in der thierischen Natur des Menschen liegen, so empfan gen doch alle ihre Richtung und nähere Bestimmung durch unser den kendes Wesen, und zwar theils durch unsere Einsicht and unser Wissen, theils durch die Meinungen, welche wir uns angeeignet haben. Wie einzelne Menschen sich durch Meinungen, bald wahre, bald falsche, leiten lassen, so auch ganze Gesellschaften, ja zu einer gewiffen Zeit sogar das ganze Menschengeschlecht. Dies Alles ist bekannt genug. Wenn wir nun aber im Hinblick hierauf bedenken, wie wenig Menschen es giebt, welche selbständig die Meinungen prüfen können, durch die sie sich bestimmen lassen, ja wie gering selbst die Zahl Derer ist, welche mit Verstand ihre Führer und Rathgeber wählen können, so möchte man leicht von einem schwindelnden Schrecken über alle die Verwirrung, die hieraus entspringen muß, befallen werden.

Dieser Schreck muß allerdings durch die Betrachtung gemäßigt werden, daß das Vernünftige so innerlich eins ist mit dem Wesen der Wirklichkeit, daß es endlich siegreich aus allen Kämpfen hervor gehen muß, wogegen die falschen Meinungen in ihrem Streit mit der Wirklichkeit vernichtet werden. Aber die sichere Siegesbahn der Vernunft ist für uns doch langsam; zu jeder Zeit seufzt dag Menschengeschlecht unter dem Joche mannigfaltiger Irrthümer, die erst in späteren Kämpfen untergehen werden. Wir nehmen Alle daran Theil, wir mögen nun auf der rechten oder unrechten Seite stehen, wir mögen das Gute zunächst fördern oder hindern. Kann nun diese Theilnahme nicht überall von klarer Einsicht geleitet werden, so ist es wohl der Mühe werth, den Gesezen nachzuspüren, nach welchen sich die Menschen Wahrheiten aneignen können, deren Gründe sie nicht zu durchschauen vermögen, und wie sie wohl am besten den schimmernden Täuschungen entgehen, die für den ungeübten Blick nicht felten größere Verlockungen haben, als das reine Licht der Wahrheit. Im ersten Augenblick könnte es scheinen, daß der, welcher nicht selbst im Stande ist, eine Wahrheit zu untersuchen, von aller Gewiß heit darüber ausgeschlossen sei und sich darauf beschränken müsse, sie nur auf Grund seines Vertrauens zu der höheren Einsicht Anderer anzunehmen. Wäre dies so, dann würden die allermeisten Menschen zu einer elenden Knechtschaft im Reiche der Geister verurtheilt sein; aber eine nähere Betrachtung wird diese Furcht beseitigen.

Nicht blos der Laie in den Wissenschaften ist in dem Falle, Meinungen annehmen zu müssen, die er einer unmittelbaren Untersuchung nicht hat unterwerfen können. Der Gelehrte selbst muß sich gleichfalls oft mit den Untersuchungen Anderer begnügen. Man wird vielleicht glauben, es werde dies wohl um so weniger der Fall sein, je begabter er ist und je mehr er seine Fähigkeiten zu gebrauchen strebt;

1858.

dies ist auch insofern wahr, als der Kreis von Kenntnissen, worin er Anderer Hülfe nicht bedarf, größer ist; aber in dem Maße, als er diesen Kreis von Kenntnissen erweitert, kommen seine Gränzen in Berührung mit neuen Gegenden im Reiche des Wissens, und er ist mit dem zu vergleichen, welcher einen großen Staat beherrscht: Je größer dieser ist, desto mehr Dinge giebt es, die er Anderen anvertrauen muß. Nur der, welcher sich auf ein engeres Wissen beschränkt, kann sich leichter an das halten, was er selbst untersucht hat, und er kann hinsichts dessen, was innerhalb der gesteckten Gränzen liegt, eine ehrenwerthe Zuverlässigkeit erreichen; aber er würde sehr irren, wenn er sich darum hochmüthig über den erheben wollte, dessen geistiger Blick in alle Richtungen hinausstrebt, um eine große Weltanschauung zu gewinnen.

Aber wie erhält denn der Gelehrte Gewißheit über die Wahrheiten, deren Gründe er nicht selbst untersucht hat? Und wenn man selbst sich denken wollte, daß er Gewißheit erhalten hätte, wie könnte er sich doch diese Wahrheiten als wirklich geistiges Eigenthum an eignen? Hierauf ist zu erwiedern, daß er bereits in dem sicheren Wiffen, in dessen Befige er ist, eine Summe von Mitteln zu Prüfung anderer Gegenstände des Wissens, hat. Kennt er die Art und Weise, wie gewisse Kenntnisse erlangt werden, so kann er oft die vollkommenste Gewißheit haben, wenn er auch nicht die Sache so bearbeitet hat, wie es diejenigen haben thun müssen, denen man die Kenntniß verdankt. Derjenige, welcher weiß, wie eine Logarithmentafel, eine Sonnentafel u. s. w. berechnet worden und welchen Prüfungen sie unterworfen worden sind, hat nicht allein dieselbe Gewißheit, als ob er selbst sie berechnet hätte, sondern er hat auch dasselbe klare Wissen davon, als ob er selbst die Arbeit ausgeführt hätte. So kann sich der Chemiker eine gewisse Klasse chemischer Analysen, der Physiker viele experimentale Untersuchungen, der Geschichtsforscher eine große Menge von Quellenstudien u. f. w. aneignen. In den hier angeführten Beispielen ist die Aneignung von demselben Werthe, wie die, welche durch eigenes eindringendes Bearbeiten des Gegenstandes geschieht.

Aber oft, und besonders, wenn es andere Wissenschaften betrifft, als die, welchen er sein Leben gewidmet hat, muß er sich an Resultaten genügen lassen, bei denen er nicht so vollkommen beurtheilen kann, wie sie gewonnen worden sind. Wenn er jedoch eine allgemeine Uebersicht über den Entwickelungsgang der Wissenschaften hat, und die Kämpfe kennt, nach welchen die Sachkundigen über gewisse Lehren einig geworden sind, so kann er oft eine große Gewißheit und einen der Einsicht sehr nahestehenden Einblick in die Sache haben. Je mehr er sich mit etwas Geringerem begnügen muß, desto eher kommt er in daffelbe Verhältniß zu der fremden Kenntniß, wie die Menge, und kann von dem Empfangenen nicht leicht wissenschaftlichen Gebrauch machen. Indessen wird der wahre Gelehrte selten in diese Lage verseht. Sein mit genauer Einsicht erfaßtes Wissen seht ihn in den Stand, bald eine Bestätigung fremder Meinungen zu finden, insofern sie mit seinem eigenen sicheren und klaren Wissen übereinstim men, bald sie zu verwerfen, insofern sie denselben widerstreiten.

Noch habe ich unterlassen, ein wichtiges Mittel anzuführen, das den Gelehrten in der Beurtheilung fremder Meinungen, welche er nicht prüfen kann, unterstüßt; ich meine das ausgebildete Wahrheitsgefühl, womit er ohne langes Suchen das Rechte trifft. derjenige, welcher einen durch Einsicht und Uebung geschärften Sinn für den Versban hat, ohne zu Regeln seine Zuflucht zu nehmen, häufig Fehler oder Schönheiten in Versen entdeckt, welche er nur still sich selbst vorliest, und wie wir bei der Beurtheilung der Sittlichkeit von Handlungen oft durch unmittelbares Urtheil dem vorgreifen, was eine scharfsinnige Untersuchung später davon aussagt, so nimmt auch an oder verwirft die durch Wissenschaft gebildete Vernunft, ohne sich irgend einer Untersuchung oder Schlußfolgerung bewußt zu werden. Der innere Sinn ist, wenn ich so sagen darf, vernünftiger geworden, so daß er ihn sicherer leitet und warnt, als der unangebaute Sinn.

Es könnte scheinen, als gäbe es einige Wissenschaften, worin Jedermann Alles auf eigene Untersuchung gründen muß, und daß

dies namentlich in der eigentlichen Philosophie geschehen müsse. Je doch erwarte ich nicht diese Einwendung vom Philosophen, denn er weiß nur allzuwohl, daß er sich nicht mit Abstractionen begnügen kann, sondern daß er von dem bearbeiteten Wissen des ganzen Menschengeschlechts Gebrauch machen muß. Uebrigens versteht es sich, daß, wenn es auch eine Wissenschaft gäbe, worin Einer ohne alle fremde Hülfe bestehen könnte, das hier beschriebene Verhältniß doch nicht in den übrigen aufhören würde.

Es versteht sich, daß ein Mensch desto weniger Selbständigkeit hat, je mehr er die Meinungen Anderer auf sich einwirken läßt, ohne entweder ihren inneren Werth oder die äußeren Gründe abzuwägen, welche ihre Gewißheit darthun können, sobald man sie nicht nach in neren Gründen zu beurtheilen vermochte. Annahme von Meinungen, ohne innere Prüfung, blos auf Grund des Ansehens Anderer, ist Autoritätsglaube. Streng genommen sollte man kaum diesen Ausdruck brauchen, außer von dem, welcher sich zur Annahme einer Meinung durch die Berühmtheit der Männer oder andere äußere Vorzüge, von welchen sie unterstüßt wird, bestimmen läßt. Dieser Grundsaß braucht heutzutage blos ausgesprochen zu werden, um als schlecht erkannt und verworfen zu werden. In der Gestalt, worin er sich vor einigen Jahrhunderten äußerte, wagt er kaum mehr aufzutreten; jeder Gebildete glaubt sich in unseren Zeiten hoch erhaben über den Autoritätsglauben; aber dieselben menschlichen Schwachheiten, welche einst eine große Herrschaft über die Menschen ausgeübt, kommen wieder unter neuen Gestalten zum Vorschein. Giebt es in unseren Zeiten nur eine verhältnißmäßig geringe Anzahl, welche eine Meinung hat, die auf altes Ansehen, alte Berühmtheiten gestüßt ist, so giebt es um so mehr Menschen, die sich von neuen leiten lassen. In dieser Geistesrichtung liegt sicher nicht so viel Vertrauen auf gewiffe Männer, als auf die fortschreitende Aufklärung des Zeitalters. Aber Vertrauen ohne Einsicht, es gelte nun die fortschreitende Aufklärung øder die weise Prüfung vergangener Jahrhunderte, steht auf derselben Stufe im Reiche der Wahrheit. Es ist ein rein äußerlicher und zugleich unzuverlässiger Grund zur Annahme irgend einer Meinung. Es giebt viele andere Umstände desselben Ranges im Reiche der Geister, welche doch zu allen Zeiten eine große Macht, ausgeübt haben. Hierher gehören starke Ausdrücke. Diese sind ein äußerliches Zeichen einer starken Ueberzeugung und flößen als solche Vertrauen ein; aber diese Art Zeichen wird dadurch sehr mißlich, daß Viele sich diese starken Ausdrücke blos durch Nachahmung oder aus leerem Uebermuth, oder sogar nur mit der Absicht, zu imponiren, aneignen. So erwecken dann die Ausdrücke des Hohnes, womit sie Andersdenkende bezeichnen, bei Vielen eine geheime Scheu. Dieses literarische Goliath wesen macht einen großen Eindruck auf schwache Seelen, bis es sich einmal zeigt, daß man einen aufgeblasenen Philister für einen Heros gehalten hat. Man sieht in jedem Zeitalter eine Menge solcher Berühmtheiten, welche im nächstfolgenden spurlos verschwinden. Ich habe selbst in meiner Jugend verschiedene Männer gekannt, welche durch solche Künste einen großen Namen und zahlreiche Anhänger erworben haben, die aber jezt nicht mehr genannt werden.

Eine bloße Spielart der marktschreienden Weise, seinen Meinungen Eingang zu verschaffen, ist die vornehme. Sie redet in einem feineren Tone, giebt aber zu verstehen, daß man mehr weiß, als man für gut findet zu sagen, und redet mit einer gewissen Herablaffung von Andersdenkenden, so daß Viele glauben, es sei nur eine Schonung, wenn man diese nicht widerlegen wolle.

So unglaublich es scheinen könnte, so ist es doch gewiß, daß Viele blos darum gewisse Meinungen annehmen, weil sie über ihren Verstand gehen. Sie haben eine Art Geringachtung für das, was sie begreifen können. Sie denken, vielleicht gerade nicht mit Unrecht, daß das, was sie nicht begreifen können, weit mehr werth sei, als das, was sie begreifen können; aber sie verblenden sich selbst auf das merkwürdigste, indem sie das dürftige sichere Eigenthum, welches sie haben, verschmähen und sich eines großen Reichthums zu bemächtigen glauben, dessen Besizer sie nur in der Einbildung werden können. Sie merken es selbst nicht, wie sehr sie dem armen Manne gleichen, der seine geringe, aber nahrhafte Kost fortwerfen wollte, um den Duft von den kostbaren Gerichten eines Reichen zu genießen.

Hiermit nahe verwandt ist die Leichtigkeit, womit Viele durch glänzende Resultate sich bestechen lassen, und nicht große Ansprüche an Gewißheit machen, wenn sie sich nur einbilden dürfen, daß sie ein großes geistiges Eigenthum haben.

Es würde schwierig sein, alle die Arten aufzuzählen, wonach die Menschen ohne Prüfung Alles für Wahrheit gelten lassen, was ihren Neigungen schmeichelt, und zwar bald ihrer Bequemlichkeit, bald ihrer Lust zu Veränderungen, bald ihrer Eitelkeit. Daher bleibt der Eine oft bei seinen alten Meinungen, weil er die Mühe der Untersuchung scheut, ein Anderer verwirft sie, weil er es überdrüssig wird, dasselbe

zu hören, ein Dritter hält am Alten, weil es ihm ehrwürdiger scheint, ein Vierter verwirft es, weil er originell sein will.

Zu den Aeußerungen der Eitelkeit, welche oft die Meinungen der Menschen bestimmen, gehört auch der Nationalstolz. Bei den Geschicht schreibern hat er nach der Natur der Dinge häufig einen großen Einfluß gehabt; aber auch in Sachen, die sich nur durch die reine Wissen schaft entscheiden lassen, hat man nicht selten seinen Patriotismus geltend machen wollen, gerade als ob etwas für einen Engländer wahrer würde, weil es zuerst von einem Engländer gesehen worden war, für einen Dänen, weil ein Däne es gefunden hatte.

Auch die Furcht kann den entgegengeseßten Einfluß auf die Mei. nungen der Menschen haben. Einige bleiben beim Alten aus Furcht, Andere gehen zum Neuen über aus Furcht. Bei jeder beliebigen Partei verdankt man der Furcht viele Anhänger.

Diese und alle anderen Gründe, welche die Menschen bestimmen, Meinungen ohne Prüfung anzunehmen, haben das mit dem AutoritätsGlauben gemein, daß sie eine Aengstlichkeit gegen alle Versuche einer Widerlegung derselben haben. Sie sind ein unsicheres Besißthum, welches man mit einer besonderen Sorgsamkeit behüten zu müssen glaubt, ohne zu bedenken, daß man mit Recht fordern darf, daß Derjenige, welcher uns eines Besißthums dieser Art berauben will, uns dafür ein besseres geben werde. Man befestigt sich dann darin mit einem gewissen Eigensinn und hält zulegt seine halbverstandenen und unbegründeten Meinungen für so zu sagen natürliche Wahrheiten, welche nur ein Mensch von bösem Willen oder Unverstand bestreiten könne. So vergißt man dann, daß, wenn auch die ohne hinreichende Prüfung angenommenen Meinungen endlich richtig befunden würden, derjenige, welcher sie nicht durch Einsicht besaß, keinen Beruf hatte, sie zu behaupten, sondern sie höchstens nur zu eigenem Hausbedarf zu gebrauchen.

So häufig alle hier aufgezeigten Irrthümer sind, so sieht man doch leicht ein, daß man sie selbst verschuldet, und daß man sie in demselben Grade vermeiden kann, als man seine schlechten Neigungen besser behütet und eifriger ein Vernunftleben zu führen strebt. Dieses Vernunftleben würde man mehr oder weniger verunstalten, indem man sich absondert. Wir haben gesehen, daß der Mensch, um sich mit Wahrheit zu bereichern, der Hülfe des ganzen Geschlechts bedarf, des vergangenen wie des gegenwärtigen. Er muß danach streben, seine rechte Stelle in der Geistesgemeinschaft des Menschengeschlechts zu finden. Nur als Bürger dieser Gemeinschaft, als Mitglied dieser unsichtbaren Kirche, empfängt er einen so großen Theil der Wahrheit, als er fassen kann. Wir werden von ihr getragen, und es liegt in unserem Loose als Menschen, so Viele wie wir sind, unbewußt Theil zu nehmen an vielen ihrer Zrrthümer, so wie es uns zusteht, Theil zu nehmen an ihrem Wissen und an ihrem Aufschwung.

Es giebt einen unsichtbaren Staat, beherrscht von den großen Geistern der Welt, unaufhörlich wachsend an Reichthum und Macht, mit immer neuen Forderungen an seine Bürger, aber auch mit immer neuen Wohlthaten.

Afrika.

Dr. Livingstone's „Reisen und Forschungen in Süd - Afrika“. (Schluß.)

,,Mauritius (fo fährt Herr Livingstone fort), ein bloßes Fleckchen auf dem Oceane, liefert Zucker, aber nur mit Hülfe von Guano, vollkommener Maschinerie und freier Arbeit zu dem Betrage eines Viertels des ganzen großbritannischen Bedarfs. Auf dieser Insel ist der Boden enorm theuer und dabei nichts weniger als reich, Man kann nur mit Hülfe von Menschenhänden Guano ärndten und die Arbeit muß von dem fernen Indien importirt werden. In Afrika dagegen ist der Grund und Boden billig, gut und reich und freie Arbeit an Ort. und Stelle. Unsere größten Hoffnungen bauen wir auf die Eingebornen selbst; und wenn der Punkt, den ich als den wichtigsten hervorgehoben, die Errichtung gesunder, innerer Stationen für kommerzielle Zwecke, ausgeführt wird, ist am Gelingen nicht zu zweifeln. In den Stationen können alle Produkte der umliegenden Gegenden gesammelt werden. Einige Jahre – und die Sklaverei unter unseren Verwandten jenseits des Atlantischen Meeres hat aufgehört, die Form oder den Vorwand einer Nothwendigkeit anzunehmen, und zwar unter den Sklavenhaltern selbst. (?) Eingeborne allein können die Produkte aus den entlegeneren Ortschaften sammeln und sie zu den Nationen bringen.

,,So macht man es mit dem besten Erfolge in Angola (an der von Livingstone vom Kap aus durch das Innere erreichten Westküste). Hätte England längst so gehandelt, statt seine Kap-Kolonisten durch Kaffernkriege" zu bereichern, würden wir von einer Million Pfund Erport reden, statt von 100,000. (Hätte es in anderen Kolonieen so gehandelt, würde das Resultat noch ganz anders klingen. Durch Erpressung wird Niemand bereichert, Niemand reich.) Jest freilich braucht man

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