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No 99.

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Literatur des Auslandes.

Belgien.

Berlin, Donnerstag den 19. Auguft.

Die Gesellschaft für wallonische Literatur“ in Lüttich. *) Kein Zweifel, die Civilisation verschmilzt die Charaktere. Der geistige Wechselverkehr der Nationen trägt in die Persönlichkeit der einen die Züge der anderen hinein. Ueber alle Schranken hinweg strebt die Menschheit der Einheit zu. Sollen wir aber darum jenes Reichthums von Individualität beraubt werden, der unsere Freude ist in der Welt des Geistes wie in der Natur? Auch die Stände treten fich näher, und Allen eine gemeinsame Bildung; die Einzelnen führt der wachsende Vereinsgeist zusammen. Dennoch bedeutet die Einheit des Menschengeschlechts keine Einförmigkeit. Immer werden im Allgemeinen die Einzelbildungen sich von allem Fremden nur aneignen, was ihnen gemäß ist, und wenn sich auch die Idee in immer vielfeitigeren Gestalten verkörpert, so wird doch jede sie selbst sein. Wir haben Grund zu diesem Glauben. Die Gegenfäße der Stämme innerhalb der Völker hören allmählich auf, sich da, wo sie nicht sollten, auf politischem und sozialem Felde, feindlich zu bethätigen; zugleich entfalten fie fich energischer als je auf dem rechten Gebiet, in der Dichtung. Während die meisten Völker Europa's mehr als je nach politischer Einheit drängen, wird die Volksdichtung mehr als je ans Licht gebracht und verbreitet. Wir kennen jezt die Lieder der Dith marsen und die friesischen Erzählungen; die thüringische Mundart erhält ein Wörterbuch. In Belgien zeigt sich dieselbe Erscheinung.

Vor anderthalb Jahren trat in Lüttich eine Gesellschaft auf, welche die besten Namen der alten und berühmten Hauptstadt des kleinen Wallonengebietes vereinigte. Charles Grandgagnage präsidirt, der Verfasser des ,, Dictionnaire étymologique de la langue walonne"; Ehrenmitglied ist sein Vater, der Gerichts-Präfident J. Grandgagnage, der geistreiche Verfasser der liebenswürdig geistreichen,,Wallonades" und des „, Congrès de Spa", die er, wie alle seine Schriften, unter dem Pfeudonym Alfred Nicolas geschrieben hat. Die Stände, aus denen die Volks-Literatur immer von neuem geboren wird, sind nicht ausgeschlossen; es find Meister verschiedener Gewerke in dem Verein, mehrere selbst Dichter. Konkurse wurden eröffnet, Preise für Volkslieder und Lustspiele ertheilt; in diesem Jahre wird der Hauptpreis dem besten Werke über die Geschichte der Literatur und der Sprache gelten (Bullet. p. 133), und die Bewegung wird getragen durch die öffentliche Theilnahme. Gerade in neuester Zeit hat sich eine Fluth von wallonischen Liedern über die Schaufenster der Lütticher Buchhändler ergoffen. Im verflossenen Winter wurde auf beiden Theatern der Stadt das gekrönte Lustspiel des Konkurses von 1857: „Li Galant de l' Sièrvante" (Le galant de la servante), theilweise von Dilettanten, unter allgemeiner Theilnahme und großem Beifall aufgeführt. Der Stoff ist einer komischen Begebenheit entnommen, die fich vor einer Reihe von Jahren in zwei Häusern der Straße Feronstree, die man noch bezeichnet, zugetragen. Die Form ist nicht ge= mein, sondern der in Verse gebrachte wallonische Mutterwiß. Auch in Verviers machte die Darstellung Vergnügen. Ein wallonisches Wörterbuch reiht sich unterdeß an das andere. Von F. Hénaur giebt es:,,Études historiques et littéraires sur le wallon"; ein Pfarrer in der Nähe von Mons giebt jährlich einen Volkskalender im walloni schen Dialekt heraus (,,Armonac montois, Cuesmes près Mons"). Unter den Dichtungen nennen wir noch die Sammlung des Théâtre liégeois", von dem Advokat Bailleur, dem Secretair des Vereins.

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Die Sache hat ihre politische Bedeutung. Durch die Breite Belgiens kann fast eine scharfe Linie gezogen werden, die den Wallonen von dem Flamänder abgränzt; nur die Provinz Süd-Brabant vereint beide Stämme, sonst sind sie nach Provinzen geschieden. Dazu kommt, daß die bischöfliche Partei in der vlaemischen Hälfte (etwa drei Fünftel des Königreichs) ihre meisten Anhänger zählt; namentlich herrscht ein verdumpfender und entsittlichender Druck auf den Provin

*) Bulletin de la Société liégeoise de littérature walonne. Première année. Liége, Renard, 1858.

1858.

zen Oft- und West-Flandern. Flandern hat die meisten Verbrecher und besucht die Schule am wenigsten. Fast die Hälfte der Einwohner (nach dem leßten Ausweis 44 Prozent) können dort weder lesen noch schreiben. Mit Freuden sei bemerkt, das deutsch bewohnte Limburg steht unter allen belgischen Provinzen am besten, mit 22 Prozent, und für Flandern gilt doch nicht die Entschuldigung der FabrikDistrikte: die lockende Gelegenheit zu frühem Erwerbe. Denn ein anderer Gegensaz besteht zwischen den beiden Hauptstämmen Belgiens: die vlaemischen Distrikte sind ackerbauend, die wallonischen industriell. Jene nehmen den Norden und Westen ein, im Süden reihen sich die wallonischen Provinzen Hennegau, Namür und Lüttich an einander. Der Flamänder ist ein Niederdeutscher, ist ja doch die vlaemische Schriftsprache von dem Holländischen nur ganz unbedeutend, nur durch die Schreibart des ae statt aa, y statt ij und durch abweichende Idiotismen verschieden. Mehr noch als der handeltreibende Holländer, hängt sein südlicher Stammgenosse am Hergebrachten: durchweg ein Landmann, ist er noch vierschrötiger und stetiger. Der Wallone dagegen erkennt in dem romanisisten Kelten lieber, als in dem Germanen, seinen Vorfahren, und seine Sprache giebt ihm Recht. Er ist rührig und unternehmend, hat Esprit und Eitelkeit, wie ein Franzose; neben Fabriken und Minen liegt ihm die Musik am Herzen. Selbst die Natur ist im Norden und Süden, im vlaemischen und wallonischen Theil Belgiens, von Grund aus verschieden. Dort ziehen Kanäle gerade Linien in fettem, flachem Ackerboden; hier winden sich Flüffe durch ein hügeliges, anmuthiges Land.

Eine starke Abneigung mußte die natürliche Folge so vieler und verschiedener Gegenfäße sein. Beide Stämme fühlen, wo ihre Charaktere sich widerstreben. In den unteren Schichten ist das Gefühl stärker, schon weil ihnen meist das gemeine Französisch fehlt, oft als Sprache des Lebens, immer als vertraute Literatur. Dort wird die Nationalität nicht selten als Spottname gebraucht. Dienstboten beider Stämme in demselben Hause kommen nicht wohl mit einander aus. Dennoch scheint diese Antipathie allmählich dem wachsenden Gefühl der Zusammengehörigkeit zu weichen. Wie bei allen tüchtigen und günstig wohnenden Völkern, fiegt das Streben nach Einheit über das Sonderbewußtsein der Stämme, und wir gewahren mit Freude, wie die Volksdichtung die Versöhnung fördert.

In Mons, der Hauptstadt von Hennegau, lebt ein wackerer Waffenschmied, Antoine Cleffe; sein Gedicht: Wallonen und Flamänder", in dem er sie zur Eintracht mahnt, hat großen Beifall gefunden. König Leopold gab dem Arbeiter seinen Orden dafür. Die Dichtung ftirbt nicht aus in einem gefunden Volke. Ein Beamter, der den Mann kennt, sagt uns, es ist unmöglich, nicht ergriffen zu werden, wenn er mit überwallendem Herzen seine Verse rezitirt.

Daß das Volk noch immer dichtet, beweist auch Lüttich. Ein Waffenschmied, ein Juwelier und ein Bäckermeister sangen die PreisLieder, die auf dem legten Konkurs gekrönt wurden.

Die große Bedeutung, welche Pflege und Kenntniß der Dialekte immer haben müssen, ist nach ihren verschiedenen Seiten in den Reden, welche das „Bulletin" einleiten, klar auseinandergefeßt; auch die Gränzen, die Art ihrer Förderung scheint uns richtig verstanden. Da diese Bedeutung nicht allgemein so beherzigt wird, wie ihr gebührt, so möchte es nicht überflüssig sein, sie hier kurz zu begründen. Wir unsererseits halten das Volkslied im Dialekt sehr hoch; wir gestehen, daß wir z. B. die altwestfälische Ballade im Wunderhorn“, „De twe Künigeskinner", viel einfacher, inniger, bewegender finden, als Schiller's Darstellung desselben Gegenstandes in,,Hero und Leander".

Der allgemeinste Nugen des Studiums der Dialekte ist ein literarischer. Der Stil, jezt so oft verflacht, kann sich hier beleben; hier findet sich die Entschiedenheit markiger Ausdrücke, Bilder, unmittelbar der Natur entlehnt. An der Natur follen wir uns ja Alle erquicken, erfrischen und ihr nahetreten, wo wir können, besonders da viele Wege unserer Kultur jeßt so leicht von ihr wegführen. Kein Ausdruck des Geisteslebens aber enthält so viele Stimmen und Farben der Natur, als die Mundart des Volkes. Aus den Dialekten

verjüngte und bereicherte sich unsere Muttersprache, dort bildet sich das Sprüchwort, dort ist ein freies Entfalten der Triebe und der Ideen des Volkes, dort findet sich Gold in Idiotismen und Liedern, wenn auch nicht ohne Schlacken und taubes Erz.

Der gründliche Geschichtschreiber wird in diesen Quellen des Volkes ureigenstes Wesen erforschen, seine Sitten und Vorurtheile, die ursprüngliche Richtung seiner Ideen. Der Stamm tritt ihm entgegen in seiner ganzen Eigenthümlichkeit. Eine unendliche Ausbeute findet der Sprachforscher, und Jeder, der seine Sprache von Grund aus kennen will, muß diesen Weg gehen.

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preis erhielt, nach dem „, Bulletin", das neben jenen Reden das Luft-
spiel: „Li Galant de l' Sièrvante", und die übrigen gekrönten Lieder
enthält.
Li Contintemint.

Air de la Brabançonne.

Noss' pleg so l' terr', jî creûs, vint à hasârd;*)
Li sôrt nos fait grand sêgueûr ou sav'tî;**)
L'onk cosou d'aur, l'aut' sins um deûx patârs,***
L'onk malårdret, et l'aut sèret' haiti. †)
Mais l' bon Diu vout, qui chacenne à s' manîre,
Aie pârt égal' divins tot ses bontés.

Li bonn' consciinç' nos donn' l' houmeûr à rîre,
Et l' contint'mint nos wâd' foice et santé.ft)

Nicht nur der Gelehrte, Jeder, der nichts Menschliches für fremd hält, hat ein Interesse daran, daß, was Leben und Lebenskraft hat, nicht untergehe, sondern gepflegt werde; wahrlich, wenn es die Formen sind, in denen das ungekünftelte, frische Gefühl der Ungebildeten sich ausdrückt. Ferdinand Worthmann.

Italien.

Die Chronik des Giovanni Villani.
(Fortsehung.)

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Das Wallonische ist keine Schriftsprache, noch will die Lütticher Gesellschaft thöricht versuchen, dasselbe dazu zu machen, denn es ist zu wortarm.) Das hat diese Mundart mit jeder Sprache der Erde gemein, daß sie überall das Kind des Bodens ist und sich mehr noch, als seine. Pflanzen, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf verändert; nicht leicht freilich eine rascher, als diefe. Wir waren zu gegen, als sich zwei Bürger von Verviers in ihrem Dialekt unter hielten und ein Bewohner von Charleroi mit Mühe hier und da einige Worte verstand. Das Wort,,ia" heißt in Fontaine. l'Eveque, bei Mons, „ouei”, in Anderlües, eine Stunde von dort, „,ouaï”, in Marchiennes, etwa anderthalb Stunden von Mons, „, oïl" (gesprochen wie in seuil, nach der Pariser Aussprache, nämlich I mouillé, mit Unterdrückung des L am Ende), in anderen Gegenden des Hennegau lautet Man sieht schon aus dieser Vorrede, daß G. Villani auf die es oui". Diese Veränderung ist jedoch an sich nichts Eigenthüm- damals noch vorgeschichtliche“, d. h. halb mythische Geschichte nicht liches; aber während das Vlaemische eine gemeinsame Literatur in besonderen Werth legt und recht gut weiß, was ihr eigentlicher einer entwickelten Schriftsprache hat, giebt das Wallonische nur das Charakter ist; daher wird man es ihm nicht besonders zur Last legen, wahre Erzeugniß der Dialekte: die Volksdichtung. Das Vlaemi- wenn er dieselbe von Malaspini herüber genommen hat. Die Chronik sche will sich dem Französischen als ebenbürtig an die Seite stel- fängt also mit dem Thurmbaue von Babel und vom Niesen Nimrod len. Wir erkennen das Ziel der „vlaemischen Bewegung“, die fich (Nembrot il gigante) an und giebt dann in drei kurzen Kapiteln eine jezt eben wieder neu organisirt hat, in folgender Anekdote: Ein geographische Uebersicht der damals bekannten Länder, natürlich nach wohlhabender Vlamänder in der Vorstadt Brüssels, St. Josse-ten- den drei Söhnen Noah's. Unter den Nordländern macht er namhaft Noode, weigert sich, die Gemeindesteuer zu zahlen, weil ihm der die Normandie, Irland, die Pikardie, Flandern und das Königreich Gemeinderath die Aufforderung nicht in vlaemischer, sondern in fran- Frankreich, die Insel England und die Insel Schottland." Sodann zösischer Sprache zugeschickt hat. Der Prozeß schwebt. Für das ,,Ifilanda“ (das Isenland des Nibelungenliedes — an der Yssel, Wallonische denkt Niemand an dergleichen. Die Ziele der Lütticher Isala?), Holland, Frifinlanda, Danesmarche, Norvea, Pollonia, AlaGesellschaft find vielmehr diese: Es soll die Dichtung im Dialekt magna, Boemia, Ungaria, Sassogna (Sachsen), Gozia (Gothland) und durch jährlich veranstaltete Preisbewerbungen gefördert und dem Volke Svezia (Schweden), Roffia und Cumania. Es ist der am meisten züchtigere Lieder edleren Inhalts gegeben werden. Man wird die bevölkerte Theil der Welt, weil es an's Kalte stößt und deshalb geRegeln der Grammatik nicht machen, sondern erkennen und feststellen, mäßigter ist." - Europa wurde zuerst bevölkert von den Söhnen namentlich die Orthographie, deren bis jest jeder Schriftsteller eine Japhet's, des dritten Sohnes von Noah, ja, wie ein Meister der eigene hat. Der Wortschaß soll in ein Wörterbuch niedergelegt wer- Geschichte Escodia (oder Estodio) erzählt, kam nach der Sündfluth den; die Gesellschaft fördert Studien über das Wallonische und seine Noah selbst mit seinem Sohne Janus nach Italien und starb daselbst. Literatur, sucht alte gute Lieder zu erhalten und endlich durch Mit-,,Janus blieb dort, und von ihm gingen große Herren und Völker wirkung der anderen romanischen Stämme Belgiens und Frankreichs den Reichthum ihrer Dialekte in ein großes Wörterbuch zu sammeln. Zum Schluß zeichnen wir den Charakter der wallonischen Sprache nach Autoritäten, die ihn im Ganzen übereinstimmend geben. Sie ist ein Sprößling der lingua romana, und zwar ein Zweig der langue d'oil. Die Aehnlichkeit mit dem Französischen ist so stark, daß wir gleich anfangs zwanzig Seiten mit geringer Nachhülfe verstehen konn ten; die Aussprache weicht mehr ab. Ein Franzose aus einem Landftädtchen des Departements der Dise sagte uns, die Mundart zeige eine große Aehnlichkeit mit der picardischen. Das römische Element ist in den Ortsnamen des Landes unverkennbar. Nings um Spa war Stavelot Stabulum, Theur Tectis, Francorchamps Francorum campus, Remonchamps Romanorum campus, während der Meierhof Behrinsen (Bär) an die wilden Gäste alter germanischer Ansiedler erinnert; die Haiden aber, nach Malmedy hin, die fagnes, würden wieder besser von fagus als vom goth, fani, Koth, dalm. fanja, abgeleitet werden.) In der jezigen Sprache sind uns knob, wissen (to know) und loukî, fehen (to look, lugen) aufgefallen, als germanischen Ursprungs.

Der Geist des Wallonischen ist am meisten dem Französischen verwandt. Il pétille comme le vin généreux si cordialement fêté sur les bords de la Meuse" (derBurgunder). Schnelle und beißende Einfälle, ohne Bitterkeit; ein harmlos spottender Freimuth, der inni gere Gefühle keinesweges ausschließt; unnachahmliche Sprüchwörter und Idiotismen; einfache Wendungen, die mehr zum Herzen als zum Verstande sprechen; viel Onomatopoeen und eine bilderreiche Ausdrucksweise sind die Züge, mit denen die Landeskinder die ihnen werthe Sprache ihrer Kindheit zeichnen, denn wohl jeder Gebildete hat sie damals gesprochen, Viele sprechea sie noch im späteren Alter gern. Wir geben als Probe die erste Strophe des Liedes, das, von dem Juwelier Hook gedichtet, auf dem Konkurs von 1857 den ersten Lieder

*) Remarle : Dictionnaire wallon-français", préface. **). Alfred Nicolas' (J. Grandgagnage):,,Congrès de Spa", das einzeln gedruckte 30. Kapitel des uns versprochenen ,,Nouveau voyage de A. Nicolas au Royaume de Belgique". Die Probe läßt ein sehr unterhaltendes und belehrendes Buch erwarten, sie zeigt, wie ein lebhafter, klarer und liebenswürdiger Geist das anziehend macht, was so leicht trocken und ge

aus, und er that viele große Dinge in Italien.“

Von Noah im fünften Gliede stammte Attalante oder Attalo (der griechische Atlas), der Sohn Tagran's, oder Targoman, des Sohnes Tirras, des Sohnes Japhet, während Andere denselben von Cham, dem zweiten Sohne Noah's, ableiten durch Cus, Nimrot, Kres (dem Stammvater der Kreter), Coelus, Saturnus und Jupiter; denn es kommt natürlich nichts darauf an, wenn Jupiter und Atlas aus dem Geschlechte der Neger stammen und ein schwarzes Gesicht mit zur Welt bringen; es kommt hier darauf an, zu zeigen, wie die Stadt Fiesole von einem Noachiden gegründet ist, und dann den Atlas, jenen liby, schen Himmelsträger, zu einem solchen zu machen. Es hat damit folgende Bewandtniß: Atlas hatte nach alter Sage fieben Töchter, die Hyaden (das Regengestirn), und davon führt eine bei Hesiod den Namen Phäsyle. Nun versteht es sich von selbst, daß die Stadt Fiesole, lateinisch Fäsulä genannt, von Niemanden anders den Namen haben konnte, als von dieser Hyade Phäsyle, der Tochter des Atlas, oder umgekehrt. Dieser Attalante wohnte in Afrika tief im Westen, etwa Spanien gegenüber, und nach ihm benennen wir zuerst den großen Berg, der allda ist, den Berg Attalante, von dem man sagt, er sei so hoch, daß er schier an den Himmel stoße, woraus die Poeten in ihren Versen Fabeln gemacht haben, daß selbiger Attalante den Himmel trage, und das geschah deshalb, weil er ein großer Aftrologus war. Und seine fieben Töchter verwandelten sich in die sieben Sterne des Stieres, die wir gemeinhin Gäckelchen“ (gallulė) nennen. Die eine dieser seiner sieben Töchter war die obenerwähnte Elektra, die Gemahlin von Attalante (einem vom afrikanischen verschiedenen), König von Fiesole, welcher Attalante mit Elektra, seiner Frau, und Bielen, die ihm folgten, durch das Augurium und den Rath des Apollino, feines Astrologen und Meisters, nach Italien kam in's Land Toskana, das von Menschen ganz unbewohnt war. 20.“

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Es möge an diesem einem Beispiele genügen, um zu zeigen, welcher Art diese Vorgeschichte ist. Natürlich sind dergleichen

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Fabeln leichtsinnigfter Art fast allen Chroniken gemein und nicht erst in jener Zeit entstanden. → Natürlich spielten dann der trojanische Krieg und die Ankunft flüchtiger Trojaner, wie Antenor, Aeneas, die felbe Rolle, die sie bereits zu den Zeiten der Römer spielten. Der dann folgende Abriß der römischen Geschichte folgt wesentlich dem Livius. Auch in den späteren Erzählungen, z. B. über die Völker wanderung, über Karl den Großen u. f. w., erkennt man bekannte Autoren leicht heraus. Was sodann die Zeiten betrifft, wo der Verfaffer eigene Aufzeichnungen macht, so ist Vieles, was er z. B. über deutsche Kaiser und andere politische Verhältnisse, über die Zustände Italiens giebt, bereits aus den Werken bekannt, in welche Villani's Material hinein verarbeitet worden ist, denn er behandelt, wie gesagt, nicht blos die florentinische Geschichte, sondern berücksichtigt auch das übrige Italien und das Ausland im größten Maßstabe: die deutsche Kaisergeschichte, die Kämpfe zwischen Kaiser- und Papstthum, haben in ihm eine Hauptquelle. Ueber England, Frankreich, Ungarn u. s. w. werden wir gleichfalls vielfach unterrichtet.

Um eine Probe von der Erzählungsweise unseres Autors zu geben, laffen wir seinen Bericht über die Schlacht bei Crecy folgen, die zwei Jahre vor dem Tode Villani's geschlagen wurde und dadurch besonders merkwürdig ist, daß in ihr zum ersten Mal das neu erfundene (?) Schießpulver in Anwendung kam.

Von einer großen und unglücklichen Niederlage, welche der König Philipp von Frankreich mit seinem Volke von Eduard (Adoardo) dem Dritten, Könige von England, zu Creci in der Piccardie erlitt.

Der König Philipp von Valois, König von Frankreich, welcher mit seinem Heere den König von England und fein Volk verfolgte, bemerkend, daß er sich bei Creci gelagert hatte und die Schlacht er. wartete, ging frisch auf ihn los, im Glauben, daß er ihn vernichtet habe, entkräftet und überwältigt, wie er war durch das auf dem Marsche erlittene Ungemach und den Hunger. Und da er sah, daß er mehr als dreimal soviel an guten Waffenleuten und Pferden hätte, da der König von Frankreich gut seine zwölftausend Reiter hatte und an Fußknechten schier unzählige, während der König von England nur 4000 Reiter hatte, und an 30,000 englische Bogenschüßen und Walliser, auch einige mit Streitärten (dulundacche - jest unbekanntes Wort) und kurzen Lanzen; so ist er bis an das Lager der Engländer herangerückt, so weit eine Armbrust schießen kann, eines Samstages nach neun Uhr, den 26. August 1346. Der König von Frankreich ließ sein Volk drei Schaaren machen nach ihrer Weise, sogenannte Bataillen (bataillons). In der ersten hatte er wohl sechstausend genuesische Armbruftschüßen und andere Italiäner, welche Messer Carlo Grimaldi und Ottone Doria anführten, und bei gesagten Armbrustschüßen war der König Johann von Böhmen und Meffer Carlo, sein Sohn, erwählter König der Römer, mit vielen anderen Baronen und Rittern, in Zahl an Dreihundert zu Pferde. Die andere Schaar führte Carlo, Graf von Lanzona (Alençon), Bruder des Königs von Frankreich, mit vielen Grafen und Baronen, an Zahl 4000 Nitter und Fußknechte zur Genüge. Die dritte Schaar führte der König von Frankreich (felbst), und in seiner Gesellschaft die anderen erwähnten Könige, Grafen und Barone, mit dem ganzen übrigen Heere, das ein unzählbares Volk zu Pferde und zu Fuße war. Bevor die Schlacht noch begonnen hatte, erschienen über den besagten Heeren zwei große Raben, welche schrieen und krächzten, und dann regnete es ein klein wenig, und nach dem begann die Schlacht. Die erste Schaar der genuefischen Armbrustschüßen mit den anderen zu Pferde drangen vor auf die Wagenburg des Königs von England und begannen mit ihren Bolzen zu schießen; aber sie wurden bald zurückgeworfen, weil auf den Wagen und unter den Wagen im Schuße der Wagenplauen und Tücher, die fie vor den Bolzen schüßten, und in den Schlachthaufen des Königs von England, die innerhalb der Wagenburg in Schaaren geordnet mit den Reitern ftanden, sich an dreitausend Bogenschüßen befanden, wie weiter unten gesagt ist, bei den Engländern und Wallisern, welche, wenn die Genuesen Einen Armbruftbolzen abschoffen, ihrerseits drei Bogenpfeile schoffen, so daß in der Luft eine Wolke erschien und sie nicht vergeblich herabfielen ohne Leute und Pferde zu schädigen, ungerechnet die Bombardenschläge (i colpi delle bombarde), die so großes Erdbeben und Lärm verursachten, daß es schien, als ob Gott donnerte, mit großer Tödtung von Volk und Verderb von Pferden. Aber was dem Heere der Franzosen noch mehr Uebles that, war der Umstand, daß bei der Enge des Drtes, wo man den Eingang in die Wagen des Königs von England erstreiten wollte, und bei dem Nachdrängen und Stoßen der zweiten Bataille oder Schaar des Grafen von Lanzona die genuesischen Armbrustschüßen hart an die Wagen gedrängt wurden, so daß sie sich nicht rühren und mit ihrer Armbrust schießen konnten, weil sie hart an denen standen, die über ihnen auf den Wagen waren und von den Pfeilen der Bogenschüßen und von den Bombarden getroffen würden, wodurch viele verwundet und ge

tödtet würden. Da aus diesem Grunde die besagten Armbrustschüßen nicht Stand halten konnten, weil sie von den Soldaten und ihren Pferden so hart an die Wagenburg gedrückt wurden, daß sie Kehrt machten, so glaubten die französischen Ritter und ihre Knechte, wie sie dieselben fliehen sahen, sie hätten sie verrathen, und tödteten sie selbst, so daß wenige davonkamen.

Als Eduard der Vierte, Sohn des Königs von England und Prinz von Wales, welcher die erste Schaar seiner Ritter anführte, die an tausend Mann stark waren, und an sechstausend wälsche Bogenschüßen, die erste Schaar der Armbrustschüßen des Königs von Frankreich in die Flucht schlagen sah, so stiegen sie zu Pferde und kamen aus der Wagenburg hervor, und sie griffen die Reiterei des Königs von Frankreich an, wo der König von Böhmen und sein Sohn mit der ersten Schaar sich befand, ebenso der Graf von Lanzona, Bruder des Königs von Frankreich, der Graf von Flandern, der Graf von Brois (Blois), der Graf von Alicorte, Meffer Gianni d'Analdo und viele andere Grafen und große Barone; und da wurde die Schlacht grausam und hart. Denn hinter ihm folgte hart auf dem Fuße die zweite Bataille oder Schaar des Königs von England, welche der Graf von Rondello (Arundel) führte, und sie schlugen die erfte und zweite Bataille der Französischen gänzlich in die Flucht, und vornehmlich wegen der Flucht . der Genuesen. In dieser Schlacht blieben todt der König Johann von Böhmen und der Graf Carlo von Lanzona, der Bruder des Königs von Frankreich, mit viel Grafen, Baronen, Rittern und Knechten. Und als der König von Frankreich sein Volk Kehrt machen sah, drang er mit seiner dritten Bataille und mit dem ganzen Reste seines Volkes auf die Schaaren der Engländer ein, und für seine Person that er Wunder in den Waffen, so zwar, daß er die Engländer bewog, sich in die Wagenburg zurückzuziehen, und sie würden durchbrochen worden sein, wäre der Rückhalt des Königs Eduard mit seiner dritten Schaar nicht gewesen, die aus der Wagenburg durch ein anderes Thor hervordrang, das er für das Führwerk machen ließ, um den Feinden von hinten in den Rücken zu fallen und den Seinen zu Hülfe zu kommen, indem er die Feinde muthig angriff und sie in der Seite schädigte mit seinen Wallisern und Engländern zu Fuß, mit seiner Schüßenmannschaft und den walischen Lanzen, da er nur beabsichtigte, die Pferde zu töten. (Schluß folgt.)

England.

Leichenbestattungen bei verschiedenen Völkern.

,, God's Acre, or Historical Notices relating to Churchyards", by Mrs. Stone, so heißt ein Buch, das eine englische Dame zur Geschichte der Gottesäcker geschrieben und aus dem hier einige Auszüge Plaß finden mögen.

Was die Leichenbestattungsarten in alten Zeiten betrifft, so ist zu bemerken, daß manche noch heute bestehen, von manchen nur noch Spuren sich erhalten haben. Die Baktrier warfen ihre Todten Hunden vor, die eigens zu diesem Behufe unterhalten wurden. Ja, dieser Brauch, der immer noch dem vorzuziehen, die Todten, wie die Galater, selbst zu verzehren, besteht noch in Tibet. Bei der Beerdigung eines Vornehmen paradirt noch heute das Reitpferd des Verstorbenen in dem Teichenkondukt; ein Ueberrest aus den alten Zeiten, wo das Schlachtroß des Ritters an deffen Grabe getödtet und zu ihm gelegt wurde. Jedes Volk betrachtet seine Bestattungsweise als die heiligste, und einem Galater, der seine todten Aeltern verspeist, wie dem Balearen, der sie zu Wurst zerhackt und sie in Töpfen aufbewahrt, ist nichts widerwärtiger, als der Brauch der Leichenverbrennung bei den Römern. Auch unsere christlichen Vorfahren hatten ihre Schrullen. Keiner z. B., der in einem weltlichen Strauß das Leben verlor, durfte auf dem Kirchhofe begraben werden, außer wenn er beim Turnier gefallen war. Diese Ausnahme kam auf Rechnung seines Adels. So war in der Pfarrkirche von Clifton bei Bristol, noch im vorigen Jahrhundert, ein,,vornehmes Gewölbe" dem Porzellan der Gesellschaft vorbehalten; der gemeine Thon mußte mit einem gewöhnlichen Grabe zufrieden sein. Diesen Respekt vor den Leichen aus der Crême trieb man im alten Frankreich ins Lächerliche. Als der verstorbene Dauphin, der erste Sohn Ludwig's XVI., auf dem Paradebette lag, mußte ein Hofmann die Leiche jedem Eintretenden bei Namen und Titel anmelden. Welch einen schauerlichen Kontrast bildet dazu die Bestattung des zweiten Dauphins! Die Leiche wurde von der hölzernen Bettstelle in einen Sarg von ungehobelten Fichtenbrettern gelegt und nach dem Kirchhof von St. Margarethe gebracht.

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Die heidnische Sitte, Sklaven am Grabe zu opfern, war unter den ersten Christen des Abendlandes nicht ganz erloschen. Die Burgunder Königin Austrachilde, um das Ende des sechsten Jahrhunderts, versammelte in der Todesstunde ihre sechs Aerzte um ihr Lager und äußerte gegen ihren Gemahl, Guntram, sie hätte in Betreff dieser Männer eine Bitte an ihn. Die Herren errötheten natürlich, ob vor fröhlicher Erwartung, oder aus Bescheidenheit, bleibe dahingestellt;

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genug, der zärtliche Gatte versprach, die heiligen Wünsche seiner fterbenden Gemahlin zu erfüllen. Wenn ich todt bin", sagte die christlichfromme Auftrachilde,,,wollt Ihr mir den Gefallen thun, diese Männer zu mir ins Grab zu legen?" Dem König Guntram, der schon fürchten mochte, seine Gemahlin werde um Jahrgelder für ihre Doktoren bitten, fiel ein Stein vom Herzen, und er sagte frohen Herzens zu. Er hielt auch Wort — was sonst nicht immer seine Sache ja, that noch ein Uebriges: er ließ die unglücklichen Heilkünftler am Rande der Gruft erst foltern, bevor sie auf den Leichnam feiner Gemahlin hinabgestürzt wurden. Diese Art, sich beim Arzte abzufinden, mochte in dem Gebiete der Burgunder die Stelle eines königlichen Leibarztes nicht gerade zu einer solchen machen, um die man sich zu reißen Ursach hatte.

war

Feierlich war die Bestattung der byzantinischen Kaiser. In dem großen Staatszimmer,,,dem Saal der neun Betten", ruhte der todte Kaiser im kaiserlichen Anzuge, das Scepter in der Hand, das Schwert an der Seite, mit freiem Gesicht, auf prachtvollem Lager. Patriarchen und Priester, in eine Wolke duftenden Weihrauchs gehüllt, traten, eine Hymne fingend, ein, lasen die Todtenmesse und zollten dann dem Herrn das leßte Zeichen der Ehrfurcht und Liebe, indem sie die todeserftarrte Hand küßten. Der Ceremonienmeister trat jezt an die Leiche heran, berührte sie mit seinem Stabe und rief dreimal unter. athemloser Stille: „Zieh von dannen, o Kaiser! auf, und ziehe von dannen! der König der Könige und Herr der Herren hat dich abgerufen!" Hierauf wurde die Leiche unter einem ftattlichen Zuge von weltlichen und geistlichen Würdenträgern zu Grabe geleitet.

In England waren die Leichenbegängnisse der Könige mitunter sehr kostspielig. Bei dem Jakob's I. wurden nicht nur an die Armen aller Kirchsprengel Trauerkleider vertheilt, auch die reichsten und hochgestelltesten Beamten nahmen keinen Anstand, für sich und ihren Hausftand den Staatssäckel zu dem offiziellen Kostüm anzusprechen. Sehr logisch begründeten unter Anderem die Kanoniere Sr. Majestät ihr Gesuch an die Begräbniß-Kommission: Da man ihnen bei der Krönung ihres dahingeschiedenen Herrn rothe Röcke bewilligt habe, so sei es nur billig, daß ihnen bei seinem Leichenbegängniß schwarze Röcke bewilligt werden." Gleichen Anspruch machten die Wasserraben-Wärter Sr. Majestät; auch Henry Russell, geschworner außerordentlicher Trommelschläger", blieb nicht zurück. Kurz, an die 9000 Personen erschienen in Schwarz, so daß, mit Inbegriff der anderen Kosten, der Schaz, d. h. das Volk, mit 50,000 Pfund Sterling zu zahlen hatte. Kein Wunder, daß Jakob's Nachfolger, Karl I., in der Vorlage an das Haus der Gemeinen unter Anderem äußert:,,Der Staatshaushalt ist mit Schulden belastet und die Einkünfte durch des seligen Königs Leichenbegängniß und andere Ausgaben der Nothwendigkeit und der Ehre erschöpft"...

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Zum Schluffe noch einige Beispiele grillenhafter leztwilliger Verordnungen:

Ludovico Cortufius, ein ausgezeichneter Rechtsgelehrter, starb zu Padua den 15. Juli 1518, Auf dem Sterbebette verbot er seinen Angehörigen, bei seinem Leichenbegängniß Thränen zu vergießen; Mufikanten, Sänger, Pfeifer und Geiger sollen die Stelle des TrauerGeleites vertreten; zwölf in Grün gekleidete Mädchen, denen er ein ansehnliches Legat vermachte, sollen die Leiche tragen, und er legte den Erben, wenn sie seinen Bestimmungen zuwider handeln, eine schwere Buße auf. - 1733 starb John Underwood zu Whittlesen in Cambridgeshire. Sechs Herren, die ihn zu Grabe geleiteten, sangen aus Horaz die lehte Strophe der zwanzigsten Ode des zweiten Buches.") Keine Glocke läutete, kein Verwandter folgte der Bahre. Der Sarg war grün angestrichen. Ein Horaz lag unter seinem Kopfe, ein Milton unter seinen Füßen, ein griechisches Testament in der Rechten, eine Miniatur-Ausgabe des Horaz in seiner Linken. Die sechs Herren speisten zu Abend in seinem Hause, und nach aufgehobener Tafel fangen sie aus Horaz die einunddreißigste Ode des ersten Buches. **) Er vermachte 6000 Pfund Sterling seiner Schwester, unter der Bedingung ftrengster Befolgung dieses seines leßten Willens.

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wodurch der Historiographie von Großbritannien ein neues, fruchtbares Feld eröffnet wird.. Neuerdings wurden in diesen Tagen zwei Bände dieser Sammlung ausgegeben, die sich auf die Geschichte Schottlands von der Zeit des Königs Heinrich VIII. bis zu der der englischen Thron besteigung Jakob's I. beziehen.") Nicht weniger, als zweiundneunzig Akten-Hefte des Archives umfaffen diese beiden Bände, und zwar sind einundsiebzig derselben den gesandtschaftlichen Instructionen, Noten und anderen Korrespondenzen zwischen dem englischen und dem schottischen Hofe vom 29. Juni 1509 bis zur Vereinigung der beiden Kronen, nach dem Tode der Königin Elisabeth (23. März 1603) gewidmet, während einundzwanzig Hefte den gesammten Schrift wechsel in der Zeit der Gefangenschaft Maria Stuart's enthalten. Wir haben erst kürzlich (Nr. 79 des,,Magazin") eine in Frankreich erschienene, von A. Cheruel herausgegebene Schrift mit neuen Aktenstücken zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen des franzöfifchen Hofes zu dem der Stuart's während der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts zu erwähnen gehabt. Weder diese Schrift, noch alle seit einigen Jahren von Mignet, Fürft Labanov, Frazer Tytler u. A. an das Licht gebrachten Korrespondenzen zur Geschichte Maria Stuart's enthalten jedoch nur annäherungsweise etwas, das mit dem reichen In halt dieser unter offizieller Form publizirten State-Papers zu vergleichen wäre. Durch die hier vorliegenden Briefe werden sehr viele gäng und gäbe gewordene Ansichten in Bezug auf die persönlichen Verhältnisse einzelner historischer Personen berichtigt. So geht daraus unzweifelhaft hervor, daß Dudley, Graf von Leicester, wirklich der Königin Maria als Gemahl sich habe antragen lassen, daß Elisabeth diesen Antrag unterstüßte, und daß Erstere auch darauf eingegangen sein würde, wenn ihr nicht seine vornehme Abstammung und sein untadeliger Name etwas zweifelhaft erschienen wären. Sie hat die Königin Elisabeth, ihr doch einen Anderen als Gemahl vorzuschlagen, weil sie sonst am Ende genöthigt sein möchte, den Grafen Darnley zu ehelichen. Dies verminderte gleichwohl nicht das Interesse,, welches Leicester für die schottische Königin behielt, und er legt dies in den hier abgedruckten Briefen während ihrer Gefangenschaft in so warmer Weise dar, als wäre er in der That der romantische und schwache Leicester gewesen, wie ihn Schiller in seiner Maria Stuart" dargestellt hat. Auch Elisabeth gewinnt durch diese „Pièces justificatives" außerordentlich. Sie interesfirt sich auf das lebhaftefte für die Stuart in ihrem Kampfe mit dem schottischen Adel und dessen Gewaltthätigkeiten gegen sie. Als Maria in Lochleven gefangen gehalten wurde, athmeten die Briefe Elisabeth's die lebhafteste Theilnahme und Sorge für ihre königliche Schwester. Briefe von Leicester, in Elisabeth's Auftrag an Sir Nicholas Throgmorton geschrieben, verwenden sich in aller Weise für die Freilaffung Maria's. Es liegen hier Materialien vor zu einer gänzlich neuen Auffassung und Darstellung des persönlichen Verhältnisses und des Streites der beiden rivalisirenden Königinnen.

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- Die hohe Schule, von Maßmann. Zur Begrüßung seiner Jugendfreunde bei der dreihundertjährigen Jubelfeier der Universität Jena hat Herr Professor Maßmann in Berlin ein Schriftchen unter dem Titel: Die hohe Schule; ein Traum", "°) im Druck erscheinen lassen. Es ist eine Allegorie des deutschen Universitats, und Studentenlebens, die den Meisten, welche einst an diesem Leben Theil genommen und daran zu allen Zeiten mit fröhlichem Herzen zurückdenken, ein willkommenes Memento sein wird. Zwar sind hier mit sehr vielen alten, bekannten Scherzen und Wigen nur wenige neue Gedanken und noch weniger spezielle Erinnerungen an Jena verbunden, doch ist das Büchlein ja nicht zum Denken, sondern nur zur burschikosen Ergößung bestimmt. Aus dem Jahre 1450 theilt uns der Verfasser folgende Strophe eines deutschen Burschenliedes mit: „Ich weiß ein frisch geschlechte, Das sind die Bursenknechte, Ihr orden steht also: Sie leben ohne sorgen

Den abent und den morgen,

Sie find gar ståtklich fro. Du freies Burfenleben, Ich lob dich für den Gral; Got hat dir recht gegeben, Trauren zu widerstreben, Frisch wesen überal."

*) Calendars of State Papers relating to Scotland from the Reign (1509-1603). With the Correspondence relating to Mary Queen of of King Henry the Eighth to the Accession of King James the First Scots during her Detention in England. Edited by Markham J. Thorpe, Esq., under the direction of the Master of the Rolls. 2 vols. London: Longman. **) Berlin, Ferdinand Schneider.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjábelih 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 100.

für die

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Literatur des Auslandes.

Italien.

Berlin, Sonnabend den 21. August.

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Italien kann sich vieler Leute rühmen, die ihre ein bis zwei Dußend Sprachen genau kannten. Deutschland ist nicht im Rückstande; Schmid, ein Feldarbeiter, bemeisterte deren nicht weniger als ein halbes Hundert und Postel sagte, was man ihm indessen nicht glauben darf, er könne über die ganze bewohnte Erde gehen, ohne die Hülfe eines Dolmetschers nöthig zu haben. Ein Anderer, Müller, Ein Anderer, Müller, war vertraut mit mehr als zwanzig Sprachen und bewältigte in Zeit von sechs Monaten die schwerste von allen, die chinesische. Diefer Müller lebte theilweise in England und hatte eine so wunderbare Gleichgültigkeit in allen übrigen Dingen, Sprachen ausgenommen, daß er z. B. als König Karl II. mit ungeheurem Pompe in London seinen Einzug hielt, nicht den Blick von seinem Studirtische weg wandte, obwohl der Zug unter seinen Fenstern vorüberging. Auch den Engländern hat es nicht an großen Linguisten gefehlt, unter denen der Entzifferer der Hieroglyphen, Dr. Thomas Young, der in der That außer der Kenntniß seiner zwanzig und mehr Sprachen Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelte, die man bei einem so ernsten Gelehrten, und namentlich einem Engländer, nicht erwartet hätte; denn nicht genug, daß er zu gleicher Zeit auf zwei Pferden reiten konnte, nein, er verstand es auch, auf dem Seile zu tanzen und den Hanswurst zu spielen. Der spanische Linguist Fernando de Cordova war nebenbei ein geschickter Fechter, namentlich hatte er das Springen weg, so daß er beim Fechten oft Säge von zweimal zwölf Ellen machte. Man fieht hieraus, daß Sprachkenner durchaus nicht gelehrte Pedanten zu sein brauchen. Merkwürdig ist es hierbei, daß eine große Anzahl dieser Männer aus den niedersten Volksklassen hervorgegangen find, zu denen oft kaum eine Kenntniß von dem Vorhandensein der Sprachen, sollte man glauben, gelangen könnte; indessen ist es damit, wie mit anderen, z. B. mechanischen, Fertigkeiten. Das Genie wird geboren und bedarf nur eines leisen Anstoßes, um sich fortzuhelfen und mehr zu leisten, als die äußere künstliche Dreffur auf gelehrten Anstalten. Wie mancher gelehrte Profeffor und Notenkrämer hat sein Latein und Griechisch gelernt wie ein Holzhacker; warum sollte nicht umgekehrt ein Holzhacker Latein und Griechisch zu lernen im Stande sein wie ein Profeffor, zumal das Sprachenlernen wesentlich nur auf dem Gedächtniß und dem Sinne für Analogie beruht? Ich kenne einen gründlichen Mathematiker, der nebenbei ein geistreicher Mann ist,

*),,The Life of Cardinal Mezzofanti, with an Introductory Memoir of Eminent Linguists, Ancient and Modern". By C. W. Russell, D. D., President of St. Patrick's College, Maynooth. London: Longman. 1858.

1858.

welcher einst in meinem Beisein, als ein Nichtmathematiker die ungeheuren Vortheile der Mathematik auf die Entwickelung der Geisteskräfte pries, lächelnd den Ausspruch that:,,Lieber Freund, glauben Sie das doch um Gottes willen nicht; ein sehr dummer Mensch kann dabei ein ausgezeichneter Mathematiker sein.“ Das ist im Allgemeinen richtig, insofern eine hohe Entwickelung der reinen Mechanik des Geistes, denn das ist am Ende die Mathematik, durchaus nicht eine gleich hohe Entwickelung anderer Seiten, z. B. der Urtheilskraft, bedingt; auch wird man häufig genug die Erfahrung machen, daß Gelehrsamkeit und Anwendung der Gelehrsamkeit zwei sehr verschiedene Dinge sind. Aehnlich ist es mit dem Sprachenerlernen; es kommt lediglich darauf an, was man unter Sprachenlernen versteht. Auch die Sprachen haben ihre mechanische Seite, und die ist leichter zugänglich, als man meint. Solche bäuerische Sprachgenie's, deren ich selber ein paar gekannt habe, besigen etwas, was unseren Schulbüblein gleich im Anfange gründlich ausgetrieben wird: nämlich unbedingten Glauben an das gedruckte Wort und eiserne Ausdauer; d. h. fie lernen die erste beste Grammatik, die ihnen vorkommt, von Anfang bis Ende ebenso fest und sicher auswendig, als die alten Rhapsoden ihren Homer, die Druiden ihre Weisheit auswendig wußten. Wenn ihnen dabei endlich der Sinn für Regel und Analogie aufgeht, so ist er stärker, schärfer und solider, als bei unseren gelehrten Lutschbeuteleien, weil Selbstthätigkeit und stramme Arbeit zu Grunde liegt. dabei gerade das Verständniß dessen, was zusammengefeßteren Constructionen zu Grunde liegt, besonders tief sein könne, will ich nicht entscheiden, denn das ist eine andere Sache; in die Tifteleien der höheren Philologie dürfte sich ein solcher gelehrter Bauer nicht leicht verirren; wie alle Autodidakten, wird er es lieben, häufig den gordischen Knoten einer Schwierigkeit mitten durchzuhauen.

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Im Sprechen, wenn er es versucht, wird er Alles über den groben Leisten seiner heimischen Mundart schlagen und von Quantität, Accent u. dgl. wenig halten. Ein Talent der Art, das freilich aus der niederen Sphäre heraustrat, war der vor einigen Jahren verstorbene Profeffor Lee, Sohn eines Bauern aus Shropshire und Autodidakt. Troß seiner ungeheuren Gelehrsamkeit hatte er von Quantität und Accent keinen Begriff; auch bei ihm war es die starre, bäuerische Hartnäckigkeit, mit der er vorzüglich sich der Sache bemeisterte. Als er einst einen jungen Menschen, der sechs Jahr Unterricht gehabt, höchst elend auf der Flöte spielen hörte, erklärte er, in sechs Monaten würde er besser spielen und er hielt Wort. Der Mensch kann Alles, wenn er will, wenn er nur wollen kann, und wenn heute die gelehrte Sprachkenntniß in unserer Bildung so sehr verfällt, so rührt das daher, daß Faulheit und Gedankenlosigkeit in der Jugend immerzmehr einwurzeln, weil man es ihr zu bequem macht und ihr den weichen Brei gekaut in den Mund schiebt. Es scheint, als ob die Trefflichkeit der Hülfsmittel und die Anstrengung der Lehrer im umgekehrten Verhältnisse zu den Leistungen der Lernenden ständen.

Alle die Personen, die der Verfasser in der Einleitung namhaft macht, dienen indeß nur dem berühmten Mezzofanti zur Folie; denn in seiner Kenntniß nicht allein von Sprachen, sondern aller Arten von Dialekten, Kauderwälsch und Patois übertraf er vielleicht alle Linguisten, die jemals in der Welt waren; er soll mit mehr als hundert Sprachen in höherem oder geringerem Maße vertraut gewesen sein. Er lernte, begabt mit einer wunderbaren Auffassungsgabe, eifrig und schnell, jedoch nicht ohne Anstrengung, wie Manche glauben dürften, und nicht ohne System.

Mezzofanti war 1774 zu Bologna geboren, der Sohn eines Zimmermannes; schon als Kind zeigte er in der Schule eine wunderbar schnelle Fassungsgabe und trat zeitig in den geistlichen Stand ein. Die römische Kirche fand in ihm einen treuen Diener, selbft in den Tagen ihrer Noth; doch ob Triumphe oder Widerwärtigkeiten ihr Loos waren, Mezzofanti fuhr unausgeseßt fort, sich immer neue und neue Sprachen anzueignen. Lange Jahre hindurch blieb er in einer verhältnißmäßig niedrigen Stellung; er lehrte Sprachen, gab ReligionsUnterricht, studirte die schwierigsten Grammatiken, lernte Dialekte von

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