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bu, Beautru?",,", erwiedert er,,,wir grüßen uns, aber sprechen nicht mit einander." Der kleine jansenistische Streit verschlingt bald die Kühnsten. Es ist für einige Zeit vorbei mit der Komödie. Man bläft die Lichter aus, und die Poffe ist zu Ende. Die Zuschauer find glücklich, wenn man sie herausläßt. Sie gähnen und gehen zu Bette. Die lustige Person des Stückes, die Pamphletschreiber, Satiriker und befoldeten Lacher verdienen damit ihr Brod nicht mehr; fie wenden. sich dem weit einträglicheren Madrigal zu, seufzen in Versen und reimen für die Ballets des Königs. Dieser junge und gas lante König ist das Jbol des Friedens, der neue Kultus Frankreichs. Nur ein einziger Mensch lacht noch und hat den Geist der Fronde bewahrt. In einem traurigen Hotel des Marais, nicht fern von Marion Delorme und der jungen Rinon, schreibt Scarron, der gro-. teske. Homer und der verkrüppelte Virgil, seinen „,,komischen Roman". Ein hartnäckiger, unerschrockener Lacher, lacht er über sein eigenes Krankenlager, über seine und der Welt Hinfälligkeit. Es macht ihm Spaß, das abenteuerliche Leben einer Karnevals Gesellschaft zu erzählen, eine Schrift, die ebenso moralisch und anständig ist, wie die Verwaltung Mazarin's und Fouquet's. Die beste Poffe Scar ron's übrigens ist die, deren Bedeutung er selbst nicht geahnt hat, feine Vermählung mit der jungen Aubigné, der niedlichen kleinen Spröden, die er für sich auferzogen und gebildet hat. Wie würde er lachen, wenn er vorausfähe, daß er sie für den großen König präparirt!

Mazarin's Glück war nach der Zeit der Fronde im Steigen. Die glücklichen Erfolge der Waffen Turenne's erhoben ihn zu immer größerer Macht. Der Glanz der Waffen verdunkelte vor Europa die Schmach einer niederträchtigen Regierung und täuschte über die Geschicklichkeit Mazarin's, der die Sache Frankreichs seinen eigenen Intereffen unterordnete, der Verheiratung seiner sieben Nichten und der Vermehrung feines Vermögens. Was Richelieu gefäet hatte, das ärndtete Mazarin. Jener schuf die Verwaltung, die Armee, die. Marine, und starb unmittelbar vor dem Siege bei Rocroy; dieser verðarb Alles und hatte doch in Allem Glück. Groß durch Condé, größer noch durch Turenne, befestigt selbst durch den Sturm und das Scheitern der Fronde, wird ihm zuleht noch das Glück zu Theil, daß man seinem Genie die Ehre des pyrenäischen Friedens (1659) zufchreibt, der doch nur durch die allgemeine Erschöpfung erzwungen worden war. Auch nach seinem Tode trägt er noch die Maske eines Friedensengels. War dies in der That ein Friede? Spanien war todt und konnte nicht mehr die Vortheile des Friedens genießen, und Frankreich, das mit ihm einen funfzigjährigen Prozeß um die spanische Erbschaft übernahm, sollte in dem Frieden einen inneren finanziellen und einen äußeren blutigen Krieg finden. Der schöne König von 16 Jahren kommt von der Jagd zurück, in Reiterstiefeln und die Peitsche in der Hand, und verbietet dem Parlamente, jemals Ersparnisse zu verlangen. Er beginnt den Krieg gegen das Geld. Mit Fouquet, und später mit Louvois, tros: den Gegenbemühungen Colbert's, eröffnet er gegen. Frankreich den siegreichen Feldzug, der mit dem Verluste des öffentlichen Vermögens endet, und nimmt als Trophäe nach St. Denis den unsterblichen Bankerott von drei Milliarden mit.

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"Jede andere Nation würde nach diesen Mazarin, Fouquet, Lonvois, nach so vielen Kriegen, nach so vielem Ruhme, nach so vielen Helden, nach so vielen Schurken so heruntergekommen sein, daß sie sich nicht mehr erhoben hätte. Die französische Nation dauert dennoch fort. Wie erklärt man sich dieses Patent der Unsterblichkeit, diese nationale Jugendkraft? Die einzig richtige Erklärung findet sich bei einem englischen Schriftsteller des siebzehnten Jahrhunderts, der in. dieser Zeit Frankreich durchreifte und einmal eine große Schaar zer lumpter, abgezehrter Leute sah, eine Gesellschaft von 20 bis 30,000 Bettlern, die nach Herzensluft tanzten. Diese Gerippe hatten nichts gegeffen, aber, anstatt sich der Verzweiflung hinzugeben, veranstalteten fie Abends einen Ball. Es war ein Heer Ludwig's XIV. Vergeffen, über Alles lachen, leiden, ohne ein Heilmittel zu suchen, sich über sich selber lustig machen und lachend sterben, daß war das damalige Frankreich. Die Chanson dauert fort, und die Komödie kommt. Die großen Trößter sind die Komiker. Ihr Werkzeug, die neue frane zöfifche Sprache, entstanden aus den Mazarinaden, sprüht darin schon Funten. Sie findet sich in dem komischen Roman von Scarron, in den Memoiren von Reß, die er gewiß in Vincennes begann (1652). Sie wird sich bald: offenbaren in dem beißenden, mächtig wirkenden, fiegreichen Pamphlet der religiösen Fronde, den Lettres provinciales Pascal's (1657), und schon ist der Tartuffe vor der Thür (1664).

Darin liegt der Ernst der Fronde. Sie hinterläßt kein sicht bares, greifbares, materielles Resultat; sie hinterläßt einen Geißt, und dieser Geist wohnt in einem unbesigbaren Förderungsmittel und muß⠀

überall hinkommen und eindringen. Sie hat die neue französische Sprache geschaffen. Diese Sprache hat gleichsam eine chemische Ber wandlung erlitten. Sie war starr und wird flüffig. Wenig geeignet zur Verbreitung, schritt sie rauhen und kräftigen Ganges einher; aber jest, in Fluß gerathen, strömt sie leicht und schnell dahin, voll Wärme und in wunderbarer Klarheit. Wenn Einige nach ihrer Eigenthümkeit, wie Montesquieu und La Bruyère, sich besonders ihr sprühendes ! Feuer zu eigen gemacht haben, so fließt der große Strom, leicht und. rein, in ununterbrochenem Laufe von Reß zur Sévigné und von dieser zu Voltaire. Die Fronde ist Schöpferin dieser Sprache, die Sprache die Schöpferin Voltaire's, des gigantischen Journalisten, und Voltain der Schöpfer der Preffe und des modernen Journalismus. ,,Soll man nun sagen, daß diese Macht die einer Nationalsprache sei? Nein! Es ist die europäische Sprache, die durch die Diplomatie von allen Völkern angenommen worden ist; gestern Königin durch Voltaire und Rousseau, und heute eine so absolute Herrscherin, daß die anderen Sprachen besiegt sich allmählich ihrer Grammatik fügen. Dieser furchtbare Hebel der Analyse erhellt Alles, löft Alles auf, kann Alles in Staub verwandeln, jeden Formalismus, Gefeße, Dogmen und Throne zermalmen. Sein Name ist: die Vernunft in Worten (la raison parlée). Dieses Auflösemittel war so stark, daß ich fast glauben möchte, man habe selbst während des schönen und feierlichen Vortrages Bossuet's ins Fäustchen gelacht. Frankreich ließ sich tauschen und ließ sich nicht täuschen. Beides kann wahr sein und wohl neben einander bestehen. Das Kind meint es ernst, wenn es seine Puppe wiegt, fie küßt und herzt, und doch weiß es ganz wohl, daß sie nur von Holz ist. fie nur von Holz ist. — Verhängnißvolle Gabe der Aufklärung! Sie dringt immer weiter durch, diese unselige französische Sprache, die man nicht aufzuhalten vermag. Es giebt kein Asyl mehr für die Finsterniß, kein Mysterium, kein dunkeles Sanctuarium. Die gött, liche Nacht, von der Homer spricht, ist überwältigt. Eine solche Sprache ist der Krieg gegen die Götter!"

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Wir haben es im Obigen versucht, in kurzem Abriß, meist mit den Worten des Verfassers, anschaulich zu machen, welche Bedeutung Michelet der Zeit Richelieu's und der Frønde für die spätere historische Entwickelung Frankreichs und Europa's giebt. Mag man auch in diesem und jenem Punkte mit seiner Auffaffung nicht einverstanden sein: hierin wird man ihm vollkommen Recht geben, daß die künftige Revolution und die politischen und sozialen Zustände, die sich aus ihr bis auf unsere Tage entwickelt haben, in dieser merkwürdigen Zeit wurzeln. So bildet dieser Theil des großen Geschichtswerkes Michelet's gleichsam die Erposition zu der furchtbaren Tragödie, deren leßter Akt, auf deffen Katastrophe der Verfasser mit deutlichen Worten hinweist, noch zu erwarten ist. Hoffen wir, daß dann noch ein rettender Gott, die Erinnyen versöhnend, einen befriedigenden Schluß herbeiführen wird. Mm.

Mannigfaltiges.

Die Literary Gazette. Die alte Londoner Literary Ga-zette hat sich verjüngt. Seit dem 1. Juli d. J. ist dieses Journal, das vor etwa vierzig Jahren gegründet wurde, in andere Hände über, gegangen, und es erscheint seitdem in erweiterter Form (32 Quart-Seiten wöchentlich, statt der bisherigen 24) und mit reicherem Inhalt. Neben den Anzeigen und Kritiken neuerer Erscheinungen der Literatur bringt es nämlich auch Korrespondenzen aus den Hauptstädten des Auslandes und einen Briefwechsel mit den Lesern der Zeitschrift, wodurch diese selbst gewissermaßen zu Mitarbeitern gemacht werden. Dieses Mittel, sich Beiträge ohne Honorar und Abonnenten auf das Blatt, die lediglich ihre eigenen Artikel lesen wollen, zu verschaffen, ist nicht neu und schon vielfach - wiewohl selten mit dem berechne ten Erfolg in Anwendung gebracht worden. Die erste Nummer der neuen Serie" der Literary Gazette bringt bereits eine ganze Phalanx fölcher angeblich von Lefern eingesandten Gloffen, Bemerkun gen und Anfragen. Da aber nicht anzunehmen ist, daß so vieleProdukte schon da waren, bevor die Schöpfung überhaupt - begönnen, so ist diese Korrespondenz wohl größtentheils von der Red action selbst geschrieben. Deutschland ist in den Korrespondenzen des Auslandes in den beiden ersten Nummern nur durch ein Schreiben aus Dresden vertreten, in welchem der Kellersche Stich der „,Disputa” von Raphael besprochen wird.

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Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., Jalbfährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 98.

für die

Bestellungen werden in jeder deutscher Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Poft-Uemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Italien.

Berlin, Dienstag den 17. Auguft.

Die Chronik des Giovanni Villani.

Wie bei uns in Deutschland, so wendet man auch in neuerer Zeit in Italien der älteren vaterländischen Geschichte eine besondere Sorgfalt zu und macht die alten Geschichtswerke, die sonst nur in öffentlichen Bibliotheken vor Jahrhunderten gedruckt oder vielleicht gar nur handschriftlich zu erlangen waren, durch zweckmäßige Ausgaben einem größeren Publikum zugänglich gewiß ein löbliches Unternehmen, wofür man auch in Deutschland und allen civilisirten Ländern nicht undankbar sein wird. Das Unternehmen der „Biblioteca Classica Italiana"), dessen wir im „Magazin" bereits mehrfach gedachten, umfaßt auch die,,Chronik des Giovanni Villani", "") der mit feinen Namensbrüdern, den anderen beiden Chronisten Matteo und Filippo Villani, von Dr. Racheli kritisch bearbeitet und heraus gegeben ist.

Wir glauben, unseren Lesern einen Dienst zu erweisen, wenn wir diejenigen unter ihnen, die Interesse an Italien und seiner Geschichte nehmen, mit einem Schriftsteller etwas näher bekannt machen, den die Geschichtsforscher hinlänglich gewürdigt haben. Schon der Umstand, daß wir es mit einem Landsmann und Zeitgenossen Dante's zu thun haben, dürfte unser Unternehmen rechtfertigen.

Giovanni Villani wurde in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts in Florenz geboren, als der Sprößling einer jener reichen und mächtigen Kaufmannsfamilien, die Theil an der Regierung des Staates nahmen, wie z. B. noch späterhin die Medicäer. So war auch unser Giovanni Villani, den man, nach dem beigegebenen Portrait, ohne Zweifel für einen Geistlichen halten würde, zu gleicher Zeit Kaufmann, Gelehrter und Magistratsperson.

Im Jahre 1300, einer Unglückszeit, wo Florenz durch die Partei kämpfe der Weißen und Schwarzen zerrissen und mit Blut besudelt wurde, begab er sich als Pilger nach Nom, wo das ausgeschriebene Jubiläum Tausend und aber Tausend Wallfahrer versammelt hatte. Auch Dante Alighieri befand sich damals aus demselben frommen Grunde in der heiligen Stadt. Hier in Rom faßte Villani den Entschluß, die Geschichte von Florenz zu schreiben, wie gerade hundert Jahre früher, bei derselben Gelegenheit, sein Landsmann Ricordano Malaspini denselben Entschluß gefaßt hatte. Der Anblick der majestätischen Gebäude, das Lesen der glorreichen Thaten der Römer, wie sie Sallust, Livius, Valerius Marimus und andere Meister der Geschichte beschrieben, endlich die Betrachtung, daß die Stadt Florenz, eine Tochter und Schöpfung Roms, im Aufsteigen begriffen und nahe daran sei, große Dinge zu verfolgen, wie Rom in feinem Sinfen", erweckten in ihm, wie er sagt, den Gedanken, die Ereignisse feiner Vaterstadt zu beschreiben,,,um ein Andenken und Vorbild denen zu geben, die künftig sein werden."

Hierauf machte er Reifen in Frankreich und Flandern, zu einer Zeit, wo beide Länder gerade im heftigsten Kriegsfeuer ftanden. So fah er z. B. das Schlachtfeld Mons-en-Puelle (1304) wenige Tage nach dem Siege Philipp's des Schönen über die Vlaeminger.

In den Jahren 1316 und 1317 saß er unter den Ersten des Staates und betrieb eifrig den Frieden mit Pisa, den er auch durchsezte. Als Vorsteher der Münze fammelte er mit großem Eifer die Urkunden des florentinischen Münzwesens; als Verwalter des Gemeindefäckels war er, wie kein Anderer, umsichtig und unermüdet. Als er im Jahre 1321 abermals diesen höchsten Posten bekleidete, befestigte er Florenz mit neuen Thürmen und Basteien und kämpfte tapfer gegen Castruccio, den Gewalthaber von Lucca, theilte aber mit

*) Triest, Literarisch-artistische Abtheilung des österreichischen Lloyd, 1857 und 1858.

**) Chroniche di Giovanni, Matteo e Filippo Villani, secondo le migliore stampe e corredate di note filologiche e storiche. Testo di lingua. Trieste.

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1858.

den Seinen die Schaam und den Aerger, daß man diesen gefährlichen Feind, der schon geschlagen und beinahe gefangen war, durch Uneinigkeit der Häupter in Florenz entkommen ließ. In den drei Jahren 1328, 1329 und 1330, machte er sich, da die Bürger durch eine furchtbare Hungersnoth gedrückt wurden, als städtischer Proviantmeister verdient, wurde aber zum Danke dafür hinterdrein der Unterschlagung öffentlicher Gelder angeklagt. Er erhielt die Genugthuung einer glänzenden Freisprechung. - Späterhin hielt er sich, als von den Florentinern gestellte Kriegsgeißel, bei Mastino della Scala in Ferrara auf und wurde aus dieser Haft nur erlöst, um sein Vaterland aufs neue im Kriege entbrennen zu sehen, um zu erleben, wie thöricht es fich Gualtiero, dem Herzoge von Athen, in Vogtei gab, wie es später sich zu neuem Aufruhre erhob und ihn schimpflich verjagte, doch stets mit Blutvergießen. Zulezt wurde G. Villani in den Sturz seiner Partei verwickelt und ohne erweisliche Schuld ins Gefängniß ge= worfen. Er starb 1348 als eines der ersten Opfer jener fürchter lichen Pest, die unter dem Namen des schwarzen Todes bekannt ist..

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Seine Chronik, die in zwölf Büchern verläuft, erzählt die Geschichte von Florenz von ihrer Gründung an bis zum Jahre 1348 und zieht auch die Geschichte anderer italiänischer Staaten mit hinein. Natürlich fängt das Werk mit dem babylonischen Thurmbau an und giebt womöglich die ganze Weltgeschichte vor der Gründung von Florenz, d. h. jenes Gemisch von Fabeln, Entstellungen und unverstandenen Traditionen, das damals für Geschichte galt doch ist zu be merken, daß Villani diesen ganzen Abschnitt wörtlich aus seinem Vorgänger, dem oben genannten Ricordano Malaspini, abgeschrieben hat, ohne ihn indeffen je zu erwähnen eine Naivetät, die in jenen Zeiten und unter jenen Verhältnissen wohl erklärlich ist. Wahrscheinlich feßte er voraus, daß Malaspini's Chronik in Florenz bekannt genug sei, um nicht erst einer Erwähnung zu bedürfen, und hielt es für selbstverständlich, daß er sein Werk benußen und ohne Weiteres fortseßen könne. War es doch die Geschichte der Stadt Florenz, der beide Arbeiten gewidmet waren und der sie beide angehörten. Zudem behandelt Giovanni Villani jene alten Sagen offenbar nur als Nebensache: sein klarer, staatsmännischer Geist bewegt sich am liebsten in der geschichtlichen Wirklichkeit, in Verhältnissen, wo er praktische Bemerkungen machen, vergleichen, prüfen und urtheilen kann; denn er ist ein Historiker im wahren Sinne des Wortes. Als praktischer Geschäftsmann kümmert er sich nur um positive Dinge, wendet die ernsten Sentenzen der Alten auf das Leben an und forscht bei jedem Ereigniß nach dessen Ursachen. Ein glühender Anhänger der welfischen Partei, macht er sein politisches Denken und Fühlen auf jeder Seite kundbar, und bisweilen trübt eine unmäßige Vaterlandsliebe die Reinheit seines Urtheils; aber weder blind, noch ungerecht, sieht er fast immer das Gute auch auf der entgegengesezten Seite, und erwähnt es. Als Zeuge der Vertreibung Dante's, wagt er es, nicht blos mit Liebe und Achtung von ihm zu sprechen, sondern auch die Ungerechtigkeit seiner Verbannung laut anzuflagen.

G. Villani's Stil ist kunstlos, wie ihm das Wort in die Feder kommt, einfach und naiv; die Sprache, bis auf einige Gallizismen, die ihm von seinem Aufenthalte in Frankreich anhafteten, überaus rein und gefällig. Es dürfte angemessen erscheinen, einige Proben aus dem vorliegenden Werke zu geben, die freilich als Uebersezung nicht beanspruchen können, den Eindruck des Originales ganz erseßen zu wollen. Den Ton, namentlich aber die angenehme Nachlässigkeit der Constructionen, nur annähernd nachzubilden, ist nicht leicht, in vielen Fällen unmöglich, weshalb wir um Nachsicht bitten.

Einleitung. Kap. I.

,,Sintemal von unseren alten Florentinern sich nur wenige und unordentliche Schriften finden über die Dinge, die in unserer Stadt Florenz vorgegangen find, entweder durch das Versäumniß ihrer Nachläffigkeit, oder bei der Gelegenheit, daß zur Zeit, als Totila, flagellum

Dei,) fie zerstörte, die Schriften verloren gegangen find, so habe ich Johannes, Bürger von Florenz, in Anbetracht der Adeligkeit und Größe unserer Stadt, in den gegenwärtigen Zeiten dafür gehalten, daß es sich passe, zu erzählen und Aufzeichnung zu machen von dem Ursprunge und Beginne einer so schönen Stadt, von den bösen und glücklichen Veränderungen und den darin geschehenen Thaten; nicht, weil ich mich etwa gewachsen fühle, ein so großes Werk zu thun, sondern um unseren Nachfolgern Grund zu geben, nicht nachlässig zu sein, Schriften aufzuseßen von den bemerkenswerthen Dingen, welche in den Zeiten nach uns kommen werden, und um denen ein Beispiel zu geben, die Wissenschaft haben von den Veränderungen, und den vergangenen Geschichten, und den Anlässen, und dem Warum; zu dem Zwecke, daß sie sich bemühen, die Tugenden zu üben und die Laster zu vermeiden, und die Widerwärtigkeiten mit tapferem Geiste ertragen, zum Wohle und zur Erhaltung unseres gemeinen Wesens.

„Und deshalb werde ich getreulich in diesem Buche erzählen in einfacher Volkssprache (in piano volgare), damit die Laien, wie die Ungelehrten daraus Frucht und Ergözung ziehen können, und wofern in irgend einem Theile ein Mangel wäre, so überlasse ich es der Verbesserung klügerer Leute. Und zuerst werden wir sagen, woher der Ursprung unserer Stadt war, und dann fortfahren bis zu den Zeiten, bis zu welchen uns Gott Gnade versatten wird, und nicht ohne große Anstrengung werde ich mich bemühen, die ältesten und verschiedenen Bücher, Chroniken und Schriftsteller wiederzugeben und aufzufinden, daraus die Thaten und Geschichten der Florentiner zusammenstellend, und zuerst den Ursprung der alten Stadt Fiesole, durch deren Zerstörung der Anlaß und der Anfang unserer Stadt Florenz entstand.

„Wenn unsere Einleitung sehr weit ausholt und in Kürze andere alte Geschichten erzählt, so scheint das für unseren Zweck nicht von Nöthigkeit; es sei denn unterhaltend, nüglich und ermuntere unsere Mitbürger, die da sind und sein werden, wacker zu sein und von großer Thatkraft, wohl betrachtend, wie sie von edlem Geschlechte und wackeren Leuten abstammen, wie auch die alten guten Trojaner und die großmächtigen und adeligen Römer gewesen sind. Uud auf daß unser Werk noch löblicher und besser sei, so flehe ich den Beistand unseres Herrn Jesu Chrifti an, in dessen Namen jedes Werk guten Anfang, Mitte und Schluß erhält." (Fortsehung folgt.)

Nord-Amerika.

Die Indianer im Westen der Vereinigten Staaten.

(Schluß.)

Leider hat das Zusammentreffen europäischer Kultur mit den Indianern den nachtheiligsten Einfluß auf die leßteren geübt, und wenn trøhdem einzelne Stämme,,,ohne sich von den Sitten und Gesinnungen ihrer Väter gänzlich losgesagt zu haben, friedliche Bürger, fleißige Ackerbauer und gastfreundliche Menschen geworden sind", so verdanken fie dies großentheils sich selbst. Es ist ein großer Irrthum, zu behaupten, daß die Judianer Nord- Amerika's nicht bildungsfähig sind; wer will die Bildungsfähigkeit irgend eines Menschen, er habe was immer für eine Farbe, bestreiten? Alle, Alle sind sie zur Erkenntniß des Guten und Bösen geboren, und so ist denn auch der Indianer jeder Civilisation fähig, sobald er nur im Anfang eine Anleitung erfährt, eine Anleitung, die geeignet ist, mit Vertrauen entgegengenommen zu werden und das seit Jahrhunderten genährte Mißtrauen zu heben. Seit seiner ersten Bekanntschaft mit den europäischen Eindringlingen wie ein schädliches Thier durch das Land gejagt, beständig auf der Flucht vor dem Uebermuth der Weißen, durch die verwerfliche Politik derselben unausgeseßt in blutigem Hader mit seinen Bruderstämmen erhalten und in feinen Rachegedanken, wegen des tausendfachen Unrechts, das er zu erleiden hatte, mit grausamer Vorfäglichkeit von den Anhängern einer Religion der Liebe bestärkt, um als Rechtfertigung für deren eigenes unchristliches und verrätherisches Benchmen zu dienen, wie vermochte er unter solchen Verhältnissen die Wohlthaten einer friedlichen Ansäßigkeit, den tausendfachen Segen eines dankbaren Bodens und die Vortheile eines geordneten, bürger lichen Zusammenlebens kennen zu lernen?"

Bei den Choctaws und Cherokesen fand Möllhausen blühende Farmen, die dem Europäer alle Ehre machen würden, üppige Saa ten und einen Wohlstand, der dem nach Veredelung strebenden Sohne der Natur die Mittel giebt, sich im fernen Osten Erziehung und Bildung zu holen! Die Weiber stehen bei diesen Stämmen nicht mehr auf der Stufe der Sklavinnen ihrer Männer; diese Indianer haben es von den Weißen gelernt, sich schwarze Sklaven zu halten, und fie gehen mit diesen Sklaven christlicher um, als jene weißen Christen."

*) Der Gothenkönig Totila, den Villani mit Attila verwechselt, belagerte

Allein dergleichen Bilder häuslichen Glückes fand Möllhausen nicht in den in der Nähe der Weißen belegenen indianischen Ansiedelungen und ,,namentlich nicht um die Zeit, wo das Gouvernement seine jährlichen Zahlungen für erkaufte und abgetretene Ländereien an die verschiedenen Stämme leistet und wo dann durch eine grausame Speculation die eben erhaltenen Schäße wieder in die Hände der weißen Nachbarn zurückfließen. Das kräftige Mittel zu dem elenden Zweck bietet das Feuerwafsser (Whiskey). Eine geringe, theuer erkaufte Quantität dieses Giftes genügt, um den Indianer der Vernunft zu berauben; im Taumel der Trunkenheit giebt er Alles hin, was er vor einer Stunde erworben und womit er sich eine bequeme und sichere Zukunft hätte begründen können, und erwacht erst dann aus seinem Zustande, wenn der Spekulant kein Geld mehr bei-ihm wittert und ihn grausam und unbarmherzig vor die Thür geworfen hat.") Arm und unglücklich irrt er dann umber; als Mittel gegen den Hunger bliebe ihm die Arbeit, aber die einmal erweckte Gier nach Feuerwaffer läßt ihn nicht mehr zur ruhigen Besinnung kommen“.......... „Zu leicht schließt der Reisende von solchen Individuen auf den ganzen Stamm oder auf die ganze Nation und verbindet mit dem Namen eines Indianers alle nur denkbaren Laster der weißen und der kupferfarbenen Raçe.“

Es fehlt allerdings nicht an Zügen des Edelmuthes bei diesen sogenannten Wilden. Weit von einander entfernt liegen die HandelsPosten der St. Louis Pelz-Compagnie, deren gegenseitiger Verkehr durch Boten vermittelt wird. Um den Nachstellungen der feindlichgesinnten Indianer leichter entgehen zu können, machen diese Boten ihre großen Reisen meist zu Fuß. Einst wurde nun ein Kanatier von Belle Vue mit Briefschaften an den Vorstand des Handelspostens der Ponka-Indianer am Eau qui court abgesandt. Der Läufer hatte eine Reise von zweihundert Meilen den Missouri aufwärts zu machen und war bereits eine Woche unterweges, als ihn plöglich die Blatternkrankheit überfiel. Hülflos lag er in der Einöde an einer Quelle: wer konnte ihm, dem Verlassenen, hier Nettung bringen!

Zu derselben Zeit jagte ein Häuptling der Omaha's, Ongpatonga (der große Hirsch) genannt, mit sechs Kriegern seines Stammes in jener Gegend und fand den Erkrankten. Auf den ersten Blick erkannte der Häuptling die ansteckende Krankheit, hieß seine Leute sich aus der gefährlichen Nähe des Läufers entfernen und faßte nach kurzer Berathung einen Entschluß, der manchem frommen Missionar zur Ehre gereicht haben würde. Es ergab sich nämlich, daß drei von Ongpa-tonga's Leuten einen Anfall dieser schrecklichen Krankheit glücklich überstanden hatten, während er selbst sowie die drei Uebrigen von derselben verschont geblieben waren. Die Ersteren waren also nach seiner Ansicht gegen eine neue Ansteckung geschüßt, und in Verbindung mit diesen unternahm es der Häuptling, den Weißen zu retten und zurück nach Belle Vue zu schaffen, während er die Anderen anwies, Wege einzuschlagen, auf welchen sie dem Kranken nicht würden be gegnen können. Seinen Befehlen wurde Folge geleistet; auf eine von Zweigen geflochtene Bahre legten die edelmüthigen Indianer den leidenden Jäger und traten dann, die Last auf ihre Schultern vertheilend, den Heimweg an. Nach einer unbeschreiblich mühevollen Reise von vierzehn Tagen erreichten sie Belle Vue, wo sie von ihren Gefährten schon angemeldet waren; für die aufopfernde Liebe fanden sie reichen Lohn, denn der Zustand des jungen Jägers hatte sich auf der Reise so weit gebessert, daß derselbe zur großen Genugthuung der Indianer nach kurzer Zeit schon wieder seinen Arbeiten obliegen konnte und nur noch die unauslöschlichen Zeichen der überstandenen Leiden in seinem Gesicht trug."

Während die Indianerstämme östlich der Rocky Mountains einen Anstrich von Ritterlichkeit haben, sind die westlich dieses Gebirges zum Theil Vieh- und Menschenräuber, werden aber auf ihren Naubzügen nicht selten von Merikanern angeführt. Zu Neu-Mexiko erstreckt sich das Gebiet der Apache-Indianer vom 103. bis 114. Grad westlicher Länge von Greenwich und von den Gränzen des Utah-Gebietes, dem 38. Grad bis zum 30. Grad nördlicher Breite. Zu diesen Apachen gehören die Navajoe- oder Navahoe-Indianer, welche große Schaafheerden halten und mit denselben als Nomaden umher. ziehen. Aus der Wolle verstehen sie buntfarbige, sehr dichte Decken zu weben,,,deren Güte wohl schwerlich von einer Deckenfabrik der civilisirten Welt übertroffen werden kann."

Ganz von diesen räuberischen Stämmen verschieden sind die Pueblo-Indianer, deren Ortschaften am Rio Grande und in den fruchtbaren Thälern seiner Zuflüsse zerstreut liegen. Sie sind Acerbauer und Viehzüchter, wie die Choctaws und Cherokefen, und leben im freundlichen Verkehr mit allen Nachbarn. Es scheint, daß diese Pueblo-Indianer Nachkommen jener Völker sind, welche, nach Alexander v. Humboldt, vom sechsten bis zum zwölften Jahrhundert unter dem

*) Wer denkt hier nicht an die Scenen, welche in und vor den eberschlesischen Schenken an Markttagen stattfinden. Wie viel haben die Mäßig

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In allen den Regionen südlich vom 36. Grade nördlicher Breite Stößt man auf Spuren europäischer Colonisation, die vor Jahr hunderten Eingang fand, aber nur von kurzer Dauer gewesen sein kann. Fast unwillkürlich stellt man beim Anblick der untergegangenen Größe Vergleiche zwischen der Colonisation durch Spanier einerseits und derjenigen der Holländer und Engländer andererseits auf. Bei ersteren gingen Missionare mit dem Kreuz vorauf, und ihnen folgte das Banner ihres Heimatlandes, umgeben von trohigen Kriegern; die Eingebornen wurden getauft, an geeigneten Stellen wurden Missionen gegründet, und die Bevölkerung ward zur Arbeit und zur Erhaltung der neuen Herren, sowie deren Kirche, angehalten. Bis zu diesem Punkte gedichen dergleichen Unternehmungen; Jahrhunderte zogen vorüber, ohne daß ein Fortschritt oder eine Vermehrung der Gemeinden bemerklich gewesen wäre: im Gegentheil, manche Nachkommen der ersten Christen in den mehr abgesonderten Landstrichen von Neu- Meriko führen ein elendes Dasein, als Spielbälle der benachbarten Stämme der Eingebornen, deren Ohren den Lehren des Christenthums verschlossen blieben.

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,,Die Art und den Pflug in der Hand, die Büchse auf der Schulter, landeten die holländischen und angelsächsischen Ansiedler an der Küste des Atlantischen Oceans. Die Waldungen wurden gelichtet, der Boden aufgerissen und Saamen hineingestreut; der tausendfältige Ertrag, mit welchem der dankbare Boden den Fleiß der Ansiedler fegnete, segte diese bald in den Stand, an die Stelle ihrer Betplähe unter dem Dache schattiger Bäume Kirchen zu gründen. Immer weiter schritt auf diese Weise die Civilisation auf dem einmal gebrochenen Pfade gegen Westen, vorauf die Art und die Büchse, im Gefolge derselben Religion, Handel, Gewerbe, Kunst und Wissen schaft.“ Möllhausen erwähnt hier nicht, daß Art und Büchse im Verein mit dem Feuerwasser und den aus Europa überbrachten Krankheiten ganze große Stämme der Eingebornen bis auf unbedeutende Spuren vernichtet haben, Stämme, die durchaus bildungsfähig waren und vielleicht der an Widersprüchen und Ungebührlichkeiten so reichen Civilisation der Nordamerikaner ein sehr wohlthätiges Ferment bei gebracht haben würden. Es ist allerdings schwer, bei vollendeten Thatsachen zu sagen, was hätte eigentlich geschehen sollen, aber die Art und Weise, wie man die Eingebornen aus ihren angestammten Wohnsigen und Jagdgebieten verdrängte, ohne sie der Kultur zu ge winnen, ist so schmachvoll wie der verpönte und doch noch immer so eifrig betriebene Negerhandel.

Wie haben die nordamerikanischen Geistlichen ihre Zeit mit Sektirereien vergeudet; was wollen nordamerikanische Missionen in Ostindien und wo weiß ich sonst, da ihnen die Ueberreste der Eingebornen ein so reiches Feld zu ergiebigster Thätigkeit darbieten und bei diesen so Vieles gut zu machen wäre, was die Väter gesündigt haben.

Möllhausen traf auf der weiteren Reise mit Zuñi-Indianern zusammen, welche Schafzucht treiben, Pferde und Esel halten, Weizen, Mais, Kürbisse, Melonen und in ihren Gärten Zwiebeln, Bohnen und spanischen Pfeffer anbauen, während ihre Weiber ebenso haltbare Decken weben, wie die Navahoes und das Mehl auf einem schrägstehenden Stein mit einem anderen Steine bereiten. „Wohin könnten diese halbcivilisirten Stämme durch Hülfe der civilisirten Raçe gebracht werden? Geschickte Handwerker könnten aus ihnen gemacht und gewissenhafte Lehrer der Jugend gebildet werden; welche Wohlthat würde es sein, wenn ihnen das Verfahren der Impfung gezeigt und gelehrt würde! Wie würden diese Menschen, wenn sie erst einen gewissen Grad der Bildung erreicht hätten, sich schon selbst forthelfen und von Stufe zu Stufe emporsteigend allmählich in den Stand der civilisirten Völker treten! Doch leider genügt es den meisten Missionaren, eine Kirche erbaut zu haben, um in ihren Berichten ganze Stämme als wahre Christen aufzuführen. So wie große, mächtige Nationen verschwunden und fast verschollen sind, so werden auch die leßten Nachkommen von einstmals berühmten Geschlechtern und Kriegern ihrem Ende entgegengehen, und mit dem Ausdrucke der Zufriedenheit werden die frommen Väter dann sagen: sie sind als Christen gestorben." Will denn in jenen Gegenden kein Bonifacius, kein Xaver erstehen?

,,Die Missionen Kaliforniens, deren erste um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gegründet wurde, und deren Zahl bis zum Jahre 1800 bis auf sechzehn angewachsen war, befanden sich in der vollsten Blüthe nur während eines, kurzen Zeitraumes von ungefähr dreißig Jahren. Alle früheren Jahre waren für die Gründer derselben sowohl als für deren Arbeiten eine Zeit fortwährenden Kampfes mit den Verhältnissen des Landes und dem geringen Kulturzustände der Eingebornen, wenn auch hin und wieder die älteren Missionen an Ausdehnung gewannen und Ueberfluß und Behaglichkeit in ihren Mauern einzog, deren Segen die ganze Umgegend wohlthätig empfand. Im vollen Genuß der Früchte, zu welchen die energischen Missionare

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Padre Kino, Salvatierra und Ugarte mit heldenmüthiger Aufopferung den Saamen ftreuten, blieben die kalifornischen Missionen vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zum Jahre 1833, während welcher Zeit noch drei neue gegründet wurden. Jede Mission bildete damals ge= wissermaßen ein kleines Reich, in welchem die frommen Väter streng, aber friedlich regierten, die wilden Eingebornen des Landes allmählich zu ihren Unterthanen machten und dadurch immer fester an sich ketteten, daß sie dieselben gewöhnten, sich leiten zu lassen, ihnen aber zugleich die Schäße zu Gute kommen ließen, welche sie selbst durch gute Haushaltung, besonders aber durch kluge Verwendung und Eintheilung der ihnen zu Gebote stehenden und immer noch wachsenden Kräfte nothwendig anhäufen mußten. Daß üppiges Wohlleben bei den frommen Vätern einzog, war eine natürliche Folge ihrer glücklichen Stellung, doch betrat nie ein Wanderer ihre Schwelle, der nicht mit der größten Gastfreundschaft aufgenommen und bewirthet worden wäre und dem es nicht beim Abschied freigestanden hätte, für sein ermüdetes Reitpferd ein anderes aus den in den Ebenen grasenden Heerden auszusuchen. Der Einfluß der Missionare mußte durch solches Verfahren natürlich zunehmen, so daß zulegt der Handel des ganzen Landes mit anderen Nationen in ihre Hände überging und ihnen dadurch immer mehr Mittel erwuchsen, ihren Reichthum und ihr Ansehen zu vergrößern."

"Im Jahre 1833 erhielt das Missionswesen Kaliforniens den ersten Stoß." Die merikanische Regierung säkularisirte nämlich die Missionen, da sie von deren Einfluß Nachtheile befürchtete, und erklärte dieselben für Staatseigenthum. Die Missionare verloren allen weltlichen Einfluß und sollten sich an der cura animarum genügen lassen. Die Verwaltung der Miffionen gerieth in Verfall, die Indianer verfielen dem Müßiggang und führen nun ein elendes Dasein theils als Räuber im Gebirge, theils als Leibeigene auf den landwirthschaftlichen Etablissements. Jezt ist das ehemalige Eigenthum der Missionen Staats-Eigenthum der nordamerikanischen Regierung, die Missionsgebäude verfallen in Ruinen, Gärten und Felder werden Anland.

Wir sind in den Mittheilungen aus Möllhausen's Werk um deswillen ausführlicher gewesen, weil dasselbe wegen seines unbequemen Formats und enormen Preises (18 Thlr.) eine allzugroße Verbreitung nicht finden dürfte. Möllhausen hat sich neuerdings wieder der wissenschaftlichen Expedition zur Untersuchung des Nio Colorado unter dem Befehl des Lieutenant Ives angeschlossen, und wir haben daher noch so manche Aufklärung von diesem so tüchtigen Forscher zu erwarten. Die dem Werk beigegebenen Abbildungen und die Karte sind gleich meisterhaft. A. G.

Das Tageslicht und die Farbe der Luft.")

Jedes Theilchen der in der Luft schwebenden Stoffe, namentlich die außerordentlich kleinen Wasser- und Dunstkügelchen, hält einen Theil des darauffallenden Lichtes auf, wirft es zum Theil zurück und zerstreut es. Die Neflerion und Diffusion bewirkt die Tageshelle; bei vollkommen durchsichtiger, reiner Lüft würde der Himmel absolut schwarz erscheinen; die Luft wirft aber das Licht so stark zurück und verbreitet eine solche Helligkeit, daß die Sterne nicht sichtbar und wir auch im Schatten zu sehen im Stande sind. Je freier die Luft von Dunstkügelchen, desto intensiver ist die unmittelbare Wirkung der Sonnenstrahlen und desto geringer die allgemeine Tageshelligkeit. Demnach gewahrt man in der dünnen Luft hoher Gipfel nicht nur einen schwarzblauen Himmel und eine schwächere allgemeine Beleuchtung, sondern auch einen bedeutenden Kontrast in der Helligkeit der von der Sonne beschienenen Stellen und der beschatteten; ein Unterschied, der, wie wir sehen werden, sich auch noch weiter darin ausspricht, daß die Sonne in den ersteren stechend heiß ist, während es in den beschatteten auffallend kalt ist.

Die Farbe der Luft erscheint, wenn wir den unbedeckten Himmel anblicken, blau, aber sie ist unter verschiedenen Umständen von sehr verschiedener Intensität; auf hohen Bergen ist sie weit dunkler, als in der Ebene; in wärmeren Ländern viel tiefer gefärbt, als weiter vom Aequator entfernt; auf dem Lande dunkler, als in gleicher geographischer Breite auf dem Meere; im Zenith ist das Blau dunkler, als nach dem Horizonte hin; zu Mittag dunkler als am Morgen und Abend. Die verschiedenen Grade der Bläue hat man versucht mit Instrumenten zu messen, welche man Cyanometer genannt hat, die aber nur sehr unsichere und unvollkommene Resultate geben. Saussure hat vom Weiß bis zum dunkelsten Kobaltblau 51 Zwischenstufen, Grade genannt, unterschieden und auf dem Papiere hergestellt, die ihm zum Vergleiche mit dem Blau des Himmels dienten. Danach

*) Aus der socben ausgegebenen achten Lieferung des ersten Bandes von Klöden's Handbuch der Erdkunde". Berlin, Weidmannsche Buchhandlung..

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schäßt man das gewöhnliche Blau des Himmels zu Paris auf 16°, das unter den Tropen auf 23°; auf dem Mont Blanc fanden sich 39°, auf dem Pik von Teneriffa (nach A. v. Humboldt) 41°, auf den Anden in mehr als 18,000 F. Höhe 46°; in 1o Höhe über dem Horizonte fand derselbe 3°, in 60° Höhe 22°. Dieses Blau des Dieses Blau des Himmels wird durch die in der Luft schwebenden, zahllosen kleinen Wafferkügelchen gebildet. Jedes Kügelchen ftrahlt ringsum äußeres Reflerlicht aus, außerdem Licht der ersten und zweiten inneren Reflexion in einem nach oben gerichteten Kegel; und dieses sämmtliche Licht ist durchgängig weiß mit überschüffigem Indigo. Mit diesem Lichte bestrahlt jede Kugel die sie umgebenden, deren jede das auf fallende Licht noch blauer gefärbt zurückgiebt.") Lichtstrahlen, welche einen weiten Weg durch die unteren, dichteren Luftschichten machen, zeigen dagegen, als durch die Wasserkügelchen hindurchgegangene, eine tief gelbe, tief ins Rothe spielende Färbung. Daher erscheinen Sonne und Mond bei ihrem Auf- und Untergange gelbroth gefärbt, indem das Licht derselben vom Horizonte her einen etwa 12- oder vielleicht 15, bis 18mal so großen Weg durch Luftschichten zu nehmen hat, als vom Zenith her. Diese Färbung, sowie die des Morgenund Abendrothes, rührt von dem in der Atmosphäre enthaltenen Wasserdampfe her. Daher deutet die Abendröthe auf ein Ausscheiden des Wasserdampfes, der sich dann niederschlägt, und auf schönes Wetter am nächsten Tage, die Morgenröthe dagegen auf ein so großes Uebermaß an Feuchtigkeit, daß durch deren Verdichtung in den oberen Luftschichten Wolken entstehen, und daher auf schlechtes Wetter für den Tag.

Die Luft absorbirt, wie alle durchsichtigen Körper, einen Theil der durch sie hindurchfallenden Sonnenstrahlen, und zwar kann man annehmen, daß ein direkter Lichtstrahl etwa 1 seiner Intensität verloren habe, wenn er zu uns gelangt. Die Schwächung ist noch bedeutender, wenn der Strahl vom Horizonte kommt; er hat dann nicht mehr seiner ursprünglichen Leuchtkraft, sondern nur oder 180 und daher kann man in die Sonne blicken, wenn sie am Horizonte steht. Die Gegenwart von Dünsten in der Atmosphäre ändert natürlich den Grad der Durchsichtigkeit, und um denselben annähernd zu bestimmen, hat man Diaphanometer konftruirt, ähnlich wie die Cyanometer.

Mannigfaltiges.

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- Die Reifen in Central-Afrika, von Ed. Schauenburg. Die Afrika- Reifen der neuesten Zeit haben in den drei literarischen Centralländern Europa's, in England, Deutschland und Frankreich, schon eine ganze Bibliothek von mehr oder minder umfassenden Werken, Resumés, Landkarten und Abbildungen in's Dasein gerufen. Von Dr. Barth's großer Darstellung seiner Reisen ist in England und Deutschland bereits der fünfte Band angekündigt. Sie bildet zusammen mit Livingstone's südlicheren Forschungen den Beginn einer neuen Epoche in der Afrika-Literatur und den Abschluß einer anderen nicht minder bedeutenden Epoche, desen Eintritt gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts unsere Aeltern und Großältern nicht minder lebhaft beschäftigte, als uns die Berichte Barth's und die Gerüchte über das Schicksal des wackeren Dr. Vogel. Auch Mungo Park und das traurige, lange in geheimnißvolles Dunkel verhüllt gebliebene Geschick dieses großen Entdeckers haben zu ihrer Zeit eine ganze Literatur in England, Deutschland und Frankreich in's Leben gerufen. Damals auch nahm ein Deutscher an dem Ruhme und dem Martyrium der Afrika-Entdeckungen Theil: Fr. Hornemann aus Göttingen hatte 1797, noch vor Mungo Park's Rückkehr von seiner ersten Expedition, die dieser 1795 angetreten hatte, eine Reise von Kahira aus durch den nördlichen Theil der Wüste nach Fezzan unternommen, doch ist außer seinem von Murzuk aus der ,, Afrikanischen Gesellschaft" übersandten Tagebuche keine weitere Kunde von dem unter den Negern Verschollenen nach Europa gelangt. Ebenso ist, einige Jahre nach Hornemann, ein anderer Deutscher, Röntgen aus Neuwied, der die Spuren des Ersteren aufsuchen wollte, in Marokko umgekommen. Mungo Park's gewaltsamer Tod, unter den Negern in Borgu, er folgte im Jahre 1806. Seine Auffindung des Niger-Laufes hatte die Welt um so begieriger gemacht, auch die Mündungen dieses Stromes und die eigentliche Lage von Timbuktu zu ermitteln, und so wurden bald nach dem europäischen Friedensschluffe von 1815 in England Anstalten getroffen, Expeditionen nach Central-Afrika zu bewirken. Abermals wurde eine Anzahl muthiger und tüchtiger Männer das Opfer dieser Entdeckungsluft in dem dunkeln Welttheile. Clapper ton machte, wie Mungo Park, zwei Reisen nach Afrika und fand, wie dieser, auf der zweiten seinen Tod, doch war es ihm und namentlich

*) Nachgewiesen in einer sehr großen, physikalisch - mathematischen, ungedruckten Arbeit des Direktors K. F. v. Kloeden: „Die Farben des Himmels und der Atmosphäre". 1853.

seinem Diener Lander vorbehalten, die Nigermündungen wirklich aufzufinden. Gewiß ist es ein guter Gedanke, als Einleitung zu einem Handbuche der Reisen von Richardson, Overweg, Barth und Vogel, eine Uebersicht der Entdeckungen und Reisen Mungo Park's, Denham's, Oudney's, Clapperton's und der Brüder Lander zu liefern. Diesen Gedanken hat Herr Dr. Ed. Schauenburg in feinem jeßt lieferungsweise erscheinenden, unten seinem Titel nach vollständig bezeichneten Werke ausgeführt.") Der erste Band dieses Werkes, von welchem bis jezt vier Lieferungen ausgegeben sind, umfaßt, außer einer Zusammenstellung des Wichtigsten aus den Afrika-Darstellungen der vorgedachten Periode, auch eine Uebersicht der älteren Reiseberichte, von Leo Africanus bis auf Mungo Park, und schließt mit den Reisen Richardson's, während der zweite Band den Erfahrungen und Entdeckungen unserer deutschen Landsleute Barth und Overweg gewidmet ist. So weit das Werk uns vorliegt, erfüllt es alle Anforderungen, die an ein für das größere Publikum bestimmtes Lesebuch gemacht werden können. Auch ist die äußere Ausstattung desselben, mit Einschluß des Kärtchens von Central-Afrika, das der vierten Lieferung beigegeben ist, als zweckmäßig anzuerkennen.

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Ungarische Volksräthsel. Was für eine Wohlthat wünscht sich Niemand? Einen Krankenbesuch. - Warum singt der Vogel im Käfig? Weil er nicht herauskommen kann. — Wann plaudert das Pferd mit dem Schafe?**) Wenn man auf der Geige spielt, denn aus Pferdehaaren ist der Geigenbogen, und aus Schafdärmen sind die Saiten. Wie tief ist das Meer? Einen Steinfall. Wie weit ist vom Aufgange der Sonne bis zu ihrem Niedergang? Eine Tagereise. Wie unterscheidet sich ein Mönch von einer Wurst? Der Mönch ist gegürtet um die Lenden, die Wurst aber an beiden Enden. Es ist Einem eng, Zweien weit, und Drei haben nicht Raum darin. Das Geheimniß. Wie können zwei Personen auf einem Bettlaken liegen, ohne die Möglichkeit, einander zu berühren? Wenn man das Laken über der Schwelle ausbreitet und die Thür zumacht. Auf was für Weise kann man zwei. Forellen in drei Pfannen dergestalt backen, daß in jeder Pfanne eine ganze Forelle sei? Auf keine Weise. - Schwarz wie der Teufel, und doch nicht Teufel, geschwänzt wie eine Kaße, und doch nicht Kage, bekränzt wie eine Jungfrau, und doch nicht Jungfrau: was ist das? Ein Rettig. Auf knöchernem Thurme pflügt ein hörnener Pflug. Haarkamm. — Jm Anfang und am Ende meines Lebens bin ich am größesten, in der Mitte am kleinsten. Schatten. Ich habe drei Vettern; der Eine sagt immer: wär' es doch bald Abend! Der Andere sagt immer: wär' es doch bald Morgen! Der Dritte sagt: mir ist es gleichgültig, ob Morgen oder Abend sei, denn meine Plage werd' ich zu keiner Zeit los. Thür, Bett und Balken.

Hohe Besuche in Cherbourg. Der Moniteur de la Flotte enthält eine lange Liste der gekrönten Häupter, die seit dem zehnten Jahrhundert die Stadt Cherbourg mit ihrer Gegenwart beehrt haben. Harald, König von Dänemark, ist der erste Monarch, über dessen An wesenheit bestimmte historische Data vorliegen; dann folgen Wilhelm der Eroberer, Heinrich I., König von England und Herzog von der Normandie, und Mathilde, Witwe des deutschen Kaisers Heinrich's V. und Tochter Heinrich's I., die im Jahre 1145, nach einem heftigen Sturme, bei Cherbourg landete und zum Dank für ihre Rettung die Kapelle Notre Dame du Voeu gründete, deren Andenken durch die Parochialkirche gleichen Namens in Cherbourg erhalten wird. Der heilige Ludwig besuchte die Stadt im April 1256; Eduard III. von England belagerte sie im Jahre 1346 ohne Erfolg, aber von Heinrich V. wurde sie erobert, und sie blieb im Besig der Engländer bis zum 12. August 1450. Als Kaiser Joseph II. im Jahre 1781 unter dem Namen eines Grafen von Falkenstein durch Frankreich_reiste kam er auch nach Cherbourg. Das Volk, erzählt Frau von Genlis, drängte sich herbei, um den Kaiser zu sehen. Ein franzöfifcher Offizier wollte die Neugierigen aus einander treiben, wurde aber von dem menschenfreundlichen Joseph zurückgehalten. „Bemühen Sie sich nicht, mein Herr", sagte er, es ist so viel Raum nicht nëthig, damit ein einziger Mann paffiren kann". Am 16. August 1830 schiffte sich der durch die Juli-Revolution entthronte König Karl X. mit seiner Familie in Cherbourg nach England ein, und am 10. Juni 1831 landete dort der aus Brasilien vertriebene Kaifer Dom Pedro 1. mit seiner Gemahlin, einer Tochter des Vicekönigs Eugen Beauharnais.

*),,Die Reisen in Central-Afrika von Mungo Park bis auf Dr. Barth und Dr. Vogel." Von Dr. Ed. Schauenburg. Mit Portraits, Illustrationes in Farbendruck, Karten und Reiserouten. In zwei Bänden (12 Lieferungen Thlr.) Lahr, M. Schauenburg & Comp., 1858.

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**) Man würde dieses Räthsel besser so fassen: Wann reibt sich das Pferd an dem Schafe.

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