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No 10.

für die

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Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Sonnabend den 23. Januar.

Ein Briefwechsel vor hundert Jahren.

Vor und nach den Schlachten bei Roßbach und bei Leuthen. Im vorigen Jahre bereits haben wir in diesen Blättern einer. interessanten neuen Erscheinung auf dem Gebiete der französischen Literatur gedacht: einer Sammlung zahlreicher bisher unedirter Briefe Voltaire's, nach den im Besize des Herrn de Cayrol befindlichen Autographen herausgegeben von Alphonse François, mit einer Vorrede von St. Marc Girardin.) Es ist bei dieser Gelegenheit bemerkt worden, daß diese Nachlese auf dem fruchtbaren Felde des Voltaireschen Geistes nicht blos dem legteren, sondern auch dem viel angezweifelten Charakter dieses wunderbaren Mannes zur großen Ehre gereiche. Namentlich erhält sein Verhältniß zu Friedrich dem Großen durch einige dieser Briefe eine neue sittliche Grundlage.

Der treffliche Biograph des Königs, Friedrich Preuß, weist noch in der neuesten Ausgabe des Briefwechsels von Friedrich mit Voltaire, "") in einer Anmerkung zu einem herzlichen Schreiben des Lezteren vom Oktober 1757, ironisch darauf hin, daß Voltaire am 2. Dezember 1757 an den Grafen v. Argental geschrieben, er interesfire sich im Grunde gar nicht für den König, er habe diesen in seiner VerzweifJung nur getröstet, um das Rachegefühl zu genießen, einen König, der ihn früher mißhandelt habe, jezt zu trösten. Eine solche Aeußerung aus der Feder des Mannes, der im Jahre 1753, wegen seines Streites mit Maupertuis, von Sanssouci und Berlin ausgewiesen und in Frankfurt a. M. auf Veranlassung Friedrich's festgenommen worden war, der also einen scheinbaren Grund zu einer solchen gemeinen Rache hatte, müßte allerdings jenen gleichzeitigen Briefen an Friedrich gegenüber als ein Beweis von Niederträchtigkeit erscheinen.

Durch die nun zum Vorschein gekommene Korrespondenz Voltaire's aus derselben Zeit (1757—1758) stellt sich jedoch ziemlich klar heraus, daß solche Aeußerungen, wie die an Argental, von Voltaire nur gethan waren, um in Frankreich den Verdacht von sich abzulenken, daß er (der in der Schweiz lebte) in Briefwechsel und im geheimen Einverständnisse mit dem damaligen Kriegsgegner der Franzosen sei. Im März 1758 schreibt er an seinen Freund Thierot in Paris, er habe mit Schrecken vernommen, daß Briefe, die er an den Marquis d' Adhémar, Ober-Hofmeister der Markgräfin von Baireuth, gerichtet, in Paris cirkulirten. Er schreibe an seine Freunde, wovon ihm das Herz voll sei, und da könnte wohl in jenen Briefen auch manches Schmeichelhafte für den königlichen Bruder der Markgräfin gewesen sein, was man ihm in Frankreich übel deuten möchte. Argen tal hatte, ebenso wie Thierot, den Auftrag, jeden Verdacht, der in Versailles gegen Voltaire in dieser Beziehung verbreitet sein möchte, zu widerlegen, und die obige Aeußerung hat augenscheinlich einen oftenfibeln Zweck gehabt.

Ganz entschieden spricht sich aber die wahre Gesinnung Voltaire's in Bezug auf den König in seinen Briefen an den Banquier Tronchin in Lyon aus, welchen, als einen Freund des Kardinals von Tencin, Erzbischofs von Lyon, er als Vermittler sich ersehen hatte, um dem Kriege zwischen Frankreich und Preußen ein Ende zu machen.

"Ich weiß sehr wohl", schreibt er an diesen unter Anderem, ,,daß es, nach dem, was zwischen dem Könige von Preußen und mir vorgefallen, Manchem überraschend sein wird, daß er an mich schreibt, und daß ich vielleicht jeßt der einzige Mensch bin, den er in die Nothwendigkeit verseßt, so mit ihm zu sprechen, wie man sonst nicht mit Königen spricht; aber die Sache ist nun einmal so und nicht

anders."

Friedrich hatte am 19. Januar und im Monat August 1757 zum erstenmale wieder selbst an Voltaire geschrieben, nachdem er seit dem

*) Lettres inédites de Voltaire. 2 vols. Paris, Didier, 1856. **) Oeuvres de Frédéric le Grand. T. XXII. Correspondance de Frédéric avec Voltaire. T. II. Berlin, Rodolphe Decker, 1853.

1858.

Jahre 1753 die Briefe, die dieser an ihn gerichtet, entweder ganz unbeantwortet gelassen oder durch den Abbé de Prades sehr kurz und abweisend hatte beantworten laffen. Durch seine Schwester, die Markgräfin von Baireuth, hatte Friedrich erfahren, daß sich Voltaire auf das wärmste für sein Schicksal interesfire und an seinen Siegen wie an feinen Niederlagen den lebhaftesten Antheil nehme. Die Schlacht von Kollin war eben geschlagen worden, die Ruffen waren in Ostpreußen und die Franzosen in die preußischen Lande am Rhein eingerückt. Der Herzog von Cumberland hatte die traurige Convention von KlosterSeven unterzeichnet, von welcher Friedrich in seiner Geschichte des fiebenjährigen Krieges (Bd. 1, Kap. 6) sagt: „Diese unwürdige Convention derangirte vollends die Angelegenheiten des Königs. Seine sogenannte Armee bestand damals nur noch aus 18,000 Mann, mit welchen er zunächst Magdeburg decken oder die Garnison dieser Festung verstärken mußte." Kurz, jener Moment des Jahres 1757 war einer der bedenklichsten für Friedrich während des ganzen Krieges. Voll Schwermuth hatte er an Voltaire geschrieben: Es bleibt mir nichts Anderes übrig, als mein Leben theuer zu verkaufen“. Gleichzeitig hatte er an den Marquis d'Argens jene berühmte Epistel aus Erfurt (vom 23. September 1757) gerichtet:

,,Ami, le sort en est jeté;

Las du destin qui m'importune,
Las de ployer dans l'infortune
Sous le poids de l'adversité,
J'accourcis le terme arrêté
Que la nature, notre mère,

A mes jours, remplis de misère,
A daigné départir par prodigalité.

Du bonheur de l'État la source s'est tarie,

La palme a disparu, les lauriers sont fanés;
Mon âme, de soupirs et de larmes nourrie,
De tant de pertes attendrie,
Pourra-t-elle survivre aux jours infortunés

Qui sont près d'éclairer la fin de ma patrie?"

Voltaire, dem diese Epistel ebenfalls zugegangen war, hatte an den König ein Schreiben gerichtet, in welchem er mit allen Waffen seines Geistes und der Philofophie der Geschichte das traurige Vorhaben des Königs bekämpfte; worauf ihm dieser eine andere poetische Epistel (Buttstedt, 9. Oktober 1757) zugehen ließ, die mit den be rühmten Zeilen schließt:

,,Pour moi, menacé du naufrage, Je dois, en affroutant l'orage, Penser, vivre et mourir en roi.”

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mißbrauchen werde. Ich würde nicht wenig erstaunt sein, wenn die Frau Markgräfin von Baireuth wirklich nach Paris reiste, denn sie war vor vierzehn Tagen sterbenskrank, und ich zweifle daher sehr, daß sie diese Reise machen werde oder könne. Aber was sie mir geschrieben, was der König, ihr Bruder, mir schreibt, ist so merkwürdig, so wundersam, daß man es nicht glauben möchte, ja, daß ich es selbst nicht glaube und nichts darüber verlauten laffe, aus Besorgniß, ihnen ein Unrecht zuzufügen.

Ich muß mich darauf beschränken, Ihnen zu sagen, daß ich, als ein Mann, der dieser Prinzessin sehr zugethan ist, der einmal ihrem Bruder gedient hat, und besonders als ein Mann, der die allgemeine Wohlfahrt liebt, ihr gerathen habe, Schritte bei dem Hofe von Frankreich zu thun. Ich habe mich niemals überreden können, daß man dem Hause Desterreich mehr Macht verleihen wolle, als es jemals in Deutschland, selbst nicht unter Ferdinand II., besessen und es dadurch in den Stand seze, sich bei der ersten Gelegenheit mit England mächtiger als jemals zu verbinden. Ich mische mich nicht in die Politik, aber in allen Dingen scheint mir das Gleichgewicht etwas sehr Natürliches. Ich weiß wohl, daß der König von Preußen durch sein Verfahren den Hof von Frankreich genöthigt hat, ihn büßen und einen Theil seiner Staaten zum Opfer bringen zu lassen. Der Hof wird es nicht verhindern können, daß das Haus Desterreich sich jezt sein Schlesien zurücknehme; nicht einmal, daß die Schweden sich eines neuen Stückes von Pommern bemächtigen. Preußen wird unzweifelhaft viel verlieren müssen; aber warum es gänzlich plündern? Welche schöne Rolle kann Ludwig XV. fpielen, indem er sich zum Schiedsrichter der Mächte bei der Theilung macht, indem er die berühmte Epoche des Westfälischen Friedens erneuert! Kein Ereigniß des Jahrhunderts von Ludwig XIV. würde so glorreich wie dieses sein.

Es schien mir, als hege die Frau Markgräfin eine besondere Achtung für einen ehrwürdigen Mann,°) den Sie oft sehen. Ich denke mir, daß, wenn sie an den König selbst einen rührenden und überzeugenden Brief richtete und diesen durch die ebengedachte Person vermitteln ließe, Lestere, ohne sich zu kompromittiren, den Brief durch ihren Einfluß und Rath unterstüßen könnte. Es würde, wie mir scheint, sehr schwer fein, das Anerbieten abzulehnen, Schiedsrichter über Alles zu werden und unbedingte Gefeße einem Fürsten zu geben, der noch am 17. Juni) dergleichen dem ganzen Deutschland zu geben dachte. Wer weiß, ob nicht sogar die Hauptperson, die das Schreiben der Frau Markgräfin an den König gesandt, die es unter stüßt und den Zweck deffelben fördern half, an die Spiße des Kongreffes, der die Geschicke Europa's ordnet, sich bringen könnte? Sie würde alsdann ihre ehrenvolle Zurückgezogenheit gegen die edelsten Functionen vertauschen, die einem Manne in der Welt zu Theil werden können; es hieße dies, eine rühmliche Laufbahn auf das glor, reichste krönen.

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Ich will Ihnen nur gestehen, daß der König von Preußen noch vor vierzehn Tagen sehr weit davon entfernt war, fich eine solche Unterwerfung gefallen zu lassen. Er befand sich in einer extremen Stimmung, die dem sehr entgegengesetzt war. Aber was er gestern nicht gewollt, das kann er morgen wollen; ich würde wenigstens nicht überrascht sein, und welche Partei er auch ergreifen mag, mich wird er dadurch nicht außer Fassung bringen.

Vielleicht möchte die erwähnte Persönlichkeit nicht dazu rathen, daß die Fray Markgräfin einen neuen Schritt thue; vielleicht besorgt dieser weise Staatsmann, daß diejenigen, die im Rathe des Königs nicht seiner Meinung sind, ihn beschuldigen, er habe diese Angelegen heit nur ergriffen, um die Autorität seiner Rathschläge und seiner Weisheit geltend zu machen; vielleicht erwartet er, bei dieser Ein mischung auf Hindernisse zu stoßen, die er besser als Jemand zu beurtheilen vermag; aber wenn er die Hindernisse erkennt, so erkennt er auch die geeigneten Mittel, sie zu besiegen. Ich begreife, daß er sich nicht wird kompromittiren wollen; aber wenn Sie ihm in Ihren Gesprächen meine hier nur mangelhaft entwickelten Ideen erklären, wenn er diese modifizirt, wenn Sie bemerken, daß er es nicht tadelt, daß ich bei der Frau Markgräfin und selbst bei dem Könige, ihrem Bruder, darauf dringe, sich in Allem der Discretion des Königs (Ludwig's XV.) anzuvertrauen, so werde ich mit größerem Nachdrucke schreiben können, als ich es bisher gethan.

Ich habe mit dem Könige von Preußen in meinen Briefen sehr frei gesprochen; er hat mir das Recht ertheilt, ihm Alles offen zu fagen, und ich kann von diesem Rechte, vermöge meiner obskuren Stellung, in seiner ganzen Ausdehnung Gebrauch machen. Er schreibt mir auf ziemlich sicherem Wege; ja, ich darf Ihnen sagen, daß, wenn

*) Der Kardinal v. Tencin war nach Fleury's Lode Ludwig's XV. erster Minister, was er bis zum Jahre 1750 blieb, von welcher Zeit ab er gleichwohl, als Grzbischof von Lyon, einen großen Einfluß auf die Marquise von Pompadour und auf seinen Nachfolger im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, den nachmaligen Kardinal v. Bernis, behielt. Die berühmte Schriftstellerin, Frau v. Tencin, war eine Schwester des Kardinals. D. R.

feine Briefe aufgefangen worden wären, es ihm schrecklich leid gethan haben würde, so geschrieben zu haben. Ich seße diesen sehr merkwürdigen Briefwechsel mit ihm fort; doch werde ich ihm das, was ich denke, mit mehr Sicherheit und größerem Nachdrucke schreiben, wenn das, was ich denke, von der Ihnen nahe stehenden Person gebilligt wird. Sie können sich wohl denken, daß ihr Name von mir nie genannt werden wird.

Es ist nun also an Ihnen, mein theurer Herr, jenem achtungswerthen Manne meine Gesinnungen und die Lage, in welcher ich mich befinde, darzulegen, was Sie gewiß mit gewohnter Klugheit und Discretion thun werden. Was mich selbst betrifft, so wünsche ich weiter nichts, als gesund zu sein: mein ganzer Ehrgeiz beschränkt sich darauf, keine Kolik zu haben, und ich glaube, daß auch der König von Preußen sehr glücklich sein würde, wenn er so dächte, wie ich.

Besonderer Zettel.

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Ich habe einige Lust, das Schreiben, das ich eben an Sie gerichtet, in's Feuer zu werfen doch man wagt ja wohl nichts dabei, wenn man seine Luftschlösser einem Freunde anvertraut. könnten in einem Augenblicke der Muße den wesentlichen Juhalt meines Briefes der in Rede stehenden Person mittheilen; Sie könnten ihr denselben sogar vorlesen, wenn Sie den Tag für günstig und die Sache für angemessen halten, falls dieselbe danach begierig wäre. Sie möchten vielleicht zusammen darüber lachen; aber wenn Sie genug gelacht haben, so bitte ich Sie, mir diesen zu Papier gebrachten Traum zurückzuschicken, den ich nur für gut genug halte, Sie einen Augenblick zu amüsiren. (Fortseßung folgt.)

Japan.

Japan und die Japanesen.

2. Ein japanesischer Bazar.
(Schluß.)

,,Auch eine Art Lithographie war in großer Menge zum Kauf aufgestellt und fand unter unseren Leuten viele Liebhaber. Diese Bilder verriethen in der Zeichnung keine besondere Geschicklichkeit; aber als Specimina japanesischer Kunst waren sie uns doch von Werth. Wir hatten viel von der sorgsamen Ausführung japanesischer Bilder gehört; aber diese Lithographicen ließen nicht auf eine besondere Schönheit der Originale schließen. Sie bezogen sich meist auf den Fusiyama, ihren heiligen Berg, auf Scenen städtischen und länd lichen Lebens, auf ihre verschiedenen Spiele, oder stellten verzerrte männliche und weibliche Figuren oder öffentliche Bauten dar. Die lezteren waren ohne Frage treu; aber alle anderen glichen mehr Karikaturen, als treuen Abbildungen, und waren ohne Frage darauf berechnet, eine übertriebene Idee von den Gegenständen zu geben, die sie darstellten. So war z. B. ein Wettkampf zwischen zwei Ringern dargestellt, von denen jeder, nach der Abbildung zu schließen, im Vergleich mit den Figuren der Zuhörer, 700–800 Pfund gewogen haben müßte; ihr übermäßiges Fett hing an ihrem mächtigen Halse und ihren Schultern wie die Falten eines Rhinoceros-Felles herab. Diese Bursche rangen auf der mit Sägespänen bestreuten Arena eines Amphitheaters, auf dessen Sißen sich ein bewunderungsvolles Auditorium zusammendrängte, während die Kampfrichter in zwei gesonderten Parteien beiseite standen.")

,,Während wir diese Lithographieen musterten, kam von Jeddo der Befehl, den Verkauf derselben nicht länger zu gestatten. Dieses machte uns natürlich nur noch begieriger, zu kaufen. Aber die Kaufleute weigerten sich, und als wir an Taznosky, den Dolmetscher, appellirten, antwortete er, der Kaiser fürchte, daß diese Bilder uns eine zu genque Idee von dem, was in Japan vorgehe, geben würden, und daß er deshalb befohlen habe, alle nach Jeddo zurückzuschicken. Sobald wir dies gehört hatten, gingen wir gleich, ehe die Bilder weggepackt werden konnten, in alle Läden und nahmen alle Lithographieen an uns, deren wir nur habhaft werden konnten. Natürlich protestirten die Kaufleute, wir könnten die Bilder nicht erhalten, fie wären nicht zum Verkauf, sondern nur zur Ansicht ausgestellt, es würde den Kaufleuten den Kopf kosten u. Kaufleuten den Kopf kosten u. s. w.; aber wir brachten sie ruhig an Bord, und die Händler nahmen am folgenden Tage eben so ruhig

*) Wer den Bericht von Hawks über Perry's Erpedition gelesen hat, wird wissen, daß auch diese Abbildung vollkommen treu ist. Perry selbst hat folche Ringer gesehen, die von den Großen des Reiches eigens für Kampfspiele gemästet und geübt werden. Unter der Fülle von Muskeln und Fett verschwindet ihr Hals gänzlich und ist nur an einer tiefen Furche der Haut kenntlich; der Kopf scheint auf den Schultern zu üßen; von dem Kinn hängen Fettlappen,,wie die Wammen eines Stiers" herab, aber die Muskeln an Armen und Beinen sind eisenfest. Die Ringer legten vor Perry ganz erstaunliche Kraftproben ab, und ihr Zusammenstoß beim Zweikampf war schreckenerregend. Unser deutscher Künstler Heine hat sie abgebildet, und seine Zeich nung würde auf diejenigen, die von der Eristenz dieser Monftremenschen keine Kenntniß haben, genau denselben Eindruck machen, wie die japanesischen Abbildungen derselben auf Habersham, daß nämlich Karikaturen dargestellt

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und als eine selbstverständliche Sache die Bezahlung dafür, während sich ihre Köpfe noch auf der gewohnten Stelle befanden,"

Außer diesen Bildern durften auch Schwerdter und andere Waffen, wie Handwerkszeug, nicht verkauft werden, ebensowenig durfte man japanesisches Geld geben.

Wir brauchten mehrere Stunden, um diese reichhaltige und schöne Ausstellung merkwürdiger Proben ihrer Kunstfertigkeit, die auf den Repositorien und dem Fußboden jedes Ladens dicht zusammengedrängt waren, in Augenschein zu nehmen; was uns aber am meisten überraschte, war der Umstand, daß die Preise der verschiedenen Artikel auf ihnen in Dollars und Cents angegeben waren, gerade wie man es bei uns an den Waaren sieht, die als Probestücke an den Schaufenstern und Thüren unserer Kaufläden ausgestellt sind. Taznosky löfte mir später dies Räthsel: mit einer vollständigen Ausgabe von Noah Webster's Dictionair und einem immensen Stoß zerstreuten Materials und feiner Information in Gestalt von Zeichen, einzelnen Worten und ganzen Säßen, die er von den Offizieren auf Perry's und auf unserem Geschwader gehört hatte, unterrichtete er sich eifrig und mit verbissener Beharrlichkeit in Bezug auf unsere Sprache und unsere Literatur. Ich mußte glauben, daß die Japanesen bald viel mehr über uns wissen werden, als wir über sie, wenn uns nicht ein anderer Vertrag ihre Häfen vollständig öffnet. Als ich ihn fragte, woher jene Preis-Angaben rührten, war er ehrlich genug, zu gestehen, daß die einzelnen Kaufleute ihn ersucht hatten, sie auf Papierstreifen zu verzeichnen, und daß er ein schönes Stück Geld dafür erhalten habe. Sein Taschenbuch war mit Streifen von Bambuspapier angefüllt, auf denen er die verschiedenen Preise japanesisch und englisch niederschrieb, wenn die Kaufleute ihn darum angingen. Die lezteren aber, die ihn für diese Marken bezahlen mußten, waren nicht geneigt, sie mit den Waaren in den Kauf zu geben, nahmen sie vielmehr von den verkauften ab und legten sie so sorgsam bei Seite, als ob es Banknoten wären. Einige unserer Leute, die ihre Einkäufe, so wie sie waren, verpackt zu sehen wünschten, protestirten gegen diese Praris und mußten noch 50 bis 100 Cash für das Vergnügen zulegen, ihren Freunden in der Heimat die Sachen genau in dem Zustande schenken zu können, wie sie in den japanesischen Läden zur Schau gestellt waren.

"Die Kaufleute waren übrigens schlau genug, zuerst mit ihren gewöhnlichen Waaren zum Vorschein zu kommen und die besseren für die lezten Tage unseres Aufenthaltes zu reserviren. Von ihren PrimaSorte-Waaren bekamen wir bei unserem ersten oder zweiten Besuch noch nichts zu sehen, und wenn wir danach fragten, so versicherten sie ganz ruhig, daß wir Alles gesehen hätten, und daß sie von anderen Waaren nichts wüßten. Sie gingen augenscheinlich darauf aus, die Sachen von untergeordneter Qualität zuerst loszuschlagen, und wußten wohl, daß wir sicherlich mit unseren Einkäufen nicht sehr zufrieden sein würden, sobald die werthvolleren Gegenstände zur Schau gestellt wären und daß wir dann auch mit mehr Geld herausrücken würden. Und darin hatten sie vollkommen Recht, denn obwohl die meisten von uns am ersten Tage an Bord zurückkehrten, ohne Einkäufe gemacht zu haben, holten wir doch am zweiten Tage das Verfäumte ein und fauften ganz wacker. Am dritten brachten sie dann ihre besten Artitel zum Vorschein, und wir gingen in die Falle. Nun bekamen wir Tag für Tag neue Sachen von unerwarteter Schönheit und selte ner Kunstfertigkeit zu Gesicht, die Alles, was wir vorher gekauft hatten, weit in Schatten stellten und uns mit der Sehnsucht nach schwes reren Börsen und besseren Einkäufen erfüllten. Ja! die richtigen japanesischen Kaufleute sind eine sehr schlaue, sehr hinterlistige Sorte von Burschen! Sie legten ihre Waaren vor uns aus und verleiteten uns, den Zahlmeister zu seinem Schrecken immer um neue Summen anzugehen, bis wir bis über die Ohren in Schulden waren. Sie beobachteten uns mit Falkenaugen; wenn wir ihre Artikel musterten, merkten sie mit erstaunlichem Scharfsinn, welche uns am meisten gefielen, und am folgenden Tage war der Preis aller dieser Artikel, zuweilen um hundert Prozent, in die Höhe gegangen. In der Nacht hatten sie die Preiszettel abgenommen und höhere daran befestigt, und dennoch behaupteten sie mit ihrer gewöhnlichen unverschämten Verlogenheit, die Preise wären genau dieselben wie gestern. Das war wirklich sehr ärgerlich; aber was konnten wir thun?

,,Während wir beim Aussuchen der Waaren, die wir kaufen wolle ten, beschäftigt waren, folgten uns zwei oder drei Burschen, je nach der Ausdehnung der beabsichtigten Einkäufe. Hatten wir einen Gegen ftand gewählt, so verzeichneten wir seinen Namen und Preis in unserer Liste und wendeten unsere Blicke anderen Artikeln zu, während unser aufmerksamer Diener das Gekaufte in Empfang nahm und auf uns wartete, bis wir den Laden des Kaufmanns verließen. Dann begaben wir uns über den Hofraum in die Zimmer der Beamten; wir fanden die Leßteren immer à la Turque um ein metallenes Kohlenbecken mit glühenden Kohlen sigen, an denen sie von Zeit zu Zeit ihre Miniatur-Pfeifchen anzündeten oder ihren ungezuckerten

Thee wärmten. Auch sie notirten die von uns gekauften und von den uns begleitenden Burschen herbeigebrachten Artikel, berechneten den Preis und empfingen die Zahlung in Silber-Dollars, worauf die Waaren uns eingehändigt, dem Kaufmann aber ein Certifikat ausgestellt wurde, daß die Regierung ihm für jeden Dollar einen Jhabu schulde. Abends, wenn das Geschäft geschlossen wurde, zählte man die eingenommenen Dollars in Gegenwart mehrerer Beamten und Spione, legte sie in ein Kästchen und schickte sie sofort nach Zeddo, wo jeder Dollar als ein Jhabu in die Münze wanderte und aus ihr in Gestalt von drei Jhabu's wieder zum Vorschein kam. Dann wurde für jeden Dollar ein Jßabu nach Simoda zurückgesandt und die Certifikate eingelöst."

Wären die amerikanischen Münzen zu ihrem wahren Werth im Verhältniß zu den japanesischen angenommen worden, so hätte man sämmtliche Waaren um zwei Drittel billiger erhalten. Natürlich äußerten die Fremden ihr Unzufriedenheit über eine so arge Prellerei von Seiten des Gouvernements und drohten damit, daß sie den Stempel der Ihabu's nachmachen und dann mit einer ganzen Schiffs-Ladung voll Igabu's herkommen würden, um mit diesen Münzen ihre Einkäufe zu bezahlen. Aber einer der Beamten beantwortete diese Drohung mit dem gewöhnlichen feinen und schlauen Lächeln. „Japanesische Münzen“, sagte er,,,dürfen einem Fremden nicht gegeben. werden, fie kommen also auch nicht ins Ausland. Wenn Ihr uns nun mit Ißabu's bezahlen wolltet, so würden wir wissen, daß Ihr sie geprägt haben müßt, und wir würden sie nicht annehmen dürfen, da es nicht unser Gepräge ist." Damit zündete er ruhig ein Pfeifchen an und präsentirte es freundlichst dem etwas verblüfften Raisonneur.

Der Unterschied zwischen dem Gold- und Silberwerth ist in Japan nicht so groß als in anderen Ländern. Eine ihrer Goldmünzen, die 4 Ipabu's gilt, ist so schwer, wie ein Quarter-Eagle. Bezahlt man also eine Waare im Werth von 24 Dollars in Gold mit einem QuarterEagle, so würde das japanesische Gouvernement daran nur 11⁄2 Izabu gewinnen, während es 24 Silber-Dollars zu 7 Isabu's umprägt, und nach Abzug der dem Kaufmann schuldigen 24 Ißabu's einen reinen Gewinn von 5 Izabu's erzielt. Obgleich nun der Vertrag den Amerikanern freistellt, ihre Zahlungen auch in Gold zu leisten, wurden Goldmünzen von den japanesischen Beamten doch stets mit Proteft zurückgewiesen. Eine Berufung auf den Vertrag fruchtete nichts: die Beamten zuckten die Achseln und schüßten einen speziellen kaiserlichen Befehl vor. Als man ihnen damit drohte, daß Commodore Perry mit einem Geschwader zurückkehren und ihnen Achtung vor den Verträgen beibringen würde, antworteten sie in ihrer gewöhnlichen eben so freundlichen wie hinterhaltigen Manier: den Commodore Perry hätten sie sehr lieb, und sie würden Alles thun, was er sage, aber sie verständen ihn manchmal nicht. Dies ist immer die lezte Schanze, hinter der sich ihre Duplizität verbirgt.

Belgien.

Franzöfifches Urtheil über die vlaemische Literatur.

Die vlaemische Bewegung in Belgien fängt jeßt auch an, die Aufmerksamkeit der Franzosen zu erregen, die ebenso, wie sie gewohnt waren, alle deutschen Regungen im Elsaß und in Lothringen als unberechtigt und ungeschickt zu verurtheilen, so auch die in ihrem NordDepartement (Lille, Dünkirchen 2.) erhaltenen vlaemischen Erinnerungen und sprachlichen Ueberlieferungen als einen bloßen BauernTück betrachteten. Was jest in Belgien vorgeht, trägt jedoch zu sehr den Charakter des Nationalen, als daß sie es ebenso auf die Dauer ignoriren oder verhöhnen könnten. Hören wir, wie sich der neueste Jahresbericht des Aunuaire des deux Mondes" über neuere ,,flamändische Literatur" ausspricht:

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,,Die geistige Bewegung unter den Flamändern, welche den höheren Schichten der belgischen Gesellschaft anfangs bedeutungslos schien, ist für Belgien eine Lebensfrage geworden. Woher dieser plößliche Umschwung? Eine Partei, die vor wenigen Jahren noch höchstens einige Gelehrte als ihre Anwalte zählte, wie hat sie auf einmal ihre Reihen so sehr verstärkt? Das ist leicht zu erklären. In den ersten Jahren nach der Trennung Belgiens von Holland wagten es die Flamänder nicht, eine Klage laut werden zu laffen, denn wer seine Muttersprache vertheidigte, galt für einen Dranier. Selten und schüchtern machten sich die Reclamationen Luft; zwanzig Jahre lang begnügte man sich, zu petitioniren. Heutzutage aber ist jene Bezüchtigung abgenugt; man wurde es müde, erfolglos zu petitioniren, und die vlaemische Bevölkerung begreift die volle Tragweite der Frage. Anfangs bloße Zuschauerin, fängt sie nun an, Theil am Kampfe zu nehmen. Die beiden Heere stehen einander gegenüber; im Lager der Flamänder mangelt es nicht an Flugschriften und Kundgebungen, die fich alle um den einen Angelpunkt drehen: Die Verfassung erklärt, der Gebrauch der Sprachen sei unbeschränkt. Wo aber waltet denn dieser freie Gebrauch? In den Ministerien, bei den Kammern

Nein! In den Provinzial- und Gemeinderäthen, in den Schulen, an den Gerichtshöfen, im Heere? Nein! Vor der Revolution trat man gegen den ausschließlichen Gebrauch der holländischen Sprache in der Verwaltung und beim Unterricht auf; man beklagte sich, daß die meisten Beamten Holländer wären: haben wir nicht dieselben Gründe zur Klage? Ift nicht wieder eine uns fremde Sprache vorherrschend? Bekleiden nicht Wallonen fast alle öffentliche Stellen?"

Die Regierung konnte nicht taub bleiben gegen alle diese Klagen. Die von ihr am 27. Juni 1856 eingefeßte Kommission verfolgt ihr Werk. Sie zog in der Schweiz und in anderen Ländern, wo mehrere Sprachen gesprochen werden, Erkundigungen ein. Man erwartet mit Ungeduld den nächstens erscheinenden Kommissions-Bericht, der, wie versichert wird, merkwürdige Thatsachen enthalten soll.

Die vlaemische Literatur entwickelt sich mit jedem Tage kräftiger, um gleichsam diejenigen, die das Vlaemische in die Reihe der platten Idiome ohne Regel und ohne lerikalische Bestimmtheit verwiesen haben, auf das Schlagendfte zu widerlegen. Zuvörderst erschien im vorigen Jahre die erste vollständige Ausgabe der Gedichte von Karl Ledeganck. Zu Ekloo, den 9. Nov. 1805, von armen Aeltern geboren, versuchte er sich in mehreren sogenannten rhetorischen Wettkämpfen und trug stets den Sieg davon. Nach der Revolution wurde er Friedens richter in dem Dorfe Zommerghem bei Gent, dann Aufseher des Elementarunterrichts, und diese bescheidenen Aemter bekleidete er bis zu seinem Tode, der im J. 1847 am 19. März erfolgte. Er und Theodor von Ryswyck hielten den Ruhm der vlaemischen Literatur aufrecht. ,,De drie Zustersteden" (die drei Schwesterstädte: Gent, Brügge, Antwerpen) ist eine ausgezeichnete Dichtung. Mit den Werken Lede= gand's fast zu gleicher Zeit erschien eine Gedichtsammlung von Madame Coortmans, die in der vlaemischen Welt Aufsehen erregt; man bewunderte das vielseitige Talent einer Frau, die neben den fanften Tönen, die sie zum Lobe des Stilllebens und der häuslichen Tugenden anschlägt, einen höheren Schwung nimmt, und Vaterland und Freiheit in kräftig begeisterten Akkorden singt.

Der Reichthum an Synonymen, die häufigen Wortversezungen, die poetischen Freiheiten machen die vlaemische Sprache für den Versbau sehr gefügig. Leider aber verführt diese Bequemlichkeit zum Miß brauch, und eine Menge Schriftsteller dünken sich Nebenbuhler von Tollens und Bilderdijk,°) weil ihnen ein gut gedrechselter, aber gedankenleerer Vers gelungen ist. Versmacher sind aber keine Dichter. Die vlaemischen Kritiker sind nicht streng genug und vergessen, daß fie sich gegen das Talent zwar aufmunternd, aber auch belehrend und ermahnend zu verhalten haben.

Auch gegen die Romandichter, diese poetischen Realisten, find die Literaturrichter zu nachsichtig. Wir fänden kein Ende, wollten wir alle Romane vorführen, die die vlaemische Literatur überschwemmen: historische, moralische, philosophische, religiöse Romane, nach jedem Geschmack, jeder Bildungsstufe zugeschnitten; kaum aber sind ihrer zwei oder drei, die sich über dieser Fluth erhalten. Denn unter all diesen Erzählern giebt es nur Wenige, die wissen, was die Schöpfung eines guten Romans an Kenntnissen, Einbildungskraft, psychologischer Entwickelung und Philosophie verlangt. Es versteht sich von selbst, daß diese Vorwürfe nicht einen Hendrik Conscience treffen, der sich durch seine unbestreitbare Ueberlegenheit einen europäischen Ruf erworben.

So reich die vlaemische Literatur an Dichtern und Romanschrift stellern ist, so arm ist sie an Historikern, unter denen nur Einer nennenswerth: David, Profeffor an der Löwener Universität, durch seine Geschichte Belgiens. Tiefe Kenntniß seines Gegenstandes, gedrängter und reiner Styl ließen an diesem Werke nichts zu wünschen, wenn der Verfasser nicht, um Aller Welt faßlich zu sein, hin und wieder in's Alltägliche verfiele. Noch ist eine bedeutende Arbeit der Aufmerksamkeit der Gelehrten und Philologen zu empfehlen: ,,Versuch einer wirklich metrischen Uebersezung des Aristophanes", von einem Antwerpener Gelehrten J. Woutersz. Die feinsten Abschattungen des Gedankens und des Ausdrucks, die aristophanisch zusammengeschweißten Beiwörter, kurz, jeder Zug des Originals ift hier, wie in einem treuen Spiegel, wiedergegeben, und bei der gewiffenhaften Genauigkeit des Ueberschers bleibt er dennoch Flamänder. Woutersz ist der vlaemische Voß.

Schließen wir mit einer der interessantesten Erscheinungen, die aus der belgischen Preffe hervorgegangen: es ist ein Sammelwerk, das die Studenten an den belgischen Universitäten unter dem Titel: ,,Noord en Zuid" (Nord und Süd) herausgegeben. Wir suchten", fagen fie,,,einen Vereinigungspunkt der niederländischen Jugend, wo

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*) Tollens, der volkbeliebteste unter den ueueren holländischen Dichtern, starb 1856 in einem Alter von 90 Jahren. Er war Spezereihändler und schrieb seine Gedichte auf die Rückseite der Blätter in seinen Handelsbüchern. Bilderdijk, in deffen Poesieen die Gelehrsamkeit gegen die Phantasie vorwaltet, ist in Holland Gegenstand einer wahren Begeisterung.

ihre Gedanken und Gefühle sich austauschen, sich mischen, sich ergänzen; wir fuchten eine freie Bühne, wo jedes Glied des Studentenkörpers einen Gedanken auszusprechen, eine Thatsache mitzutheilen hätte, das Wort nehmen könnte; wir suchten eine Vertretung des ge= sammten aufblühenden Geschlechts in der niederländischen Volkssache, in dem Kampf der Unabhängigkeit gegen die Fremden, für die Freiheit und den Fortschritt gegen den rückgängigen Einfluß." Diese feurige und wiffenseifrige Jugend, die in die Schranken tritt, steigert der wesentlich nationalen vlaemischen Sache die Aussicht auf Erfolg. Mannigfaltiges.

Schloß Krakau und das leßte Turnier.") Dieser Roman, von dem Verfasser der Erzählung:,,Der Fürst mein Liebchen", ist dem Grafen Heinrich Rzewuski gewidmet und, wie aus der Vorrede hervorzugehen scheint, die freie Bearbeitung des polnischen Romans,,Zamek Krakowski" (Krakauer Schloß), der den hochgeehrten Gönner unseres deutschen Autors zum Verfasser hat. In welchem Verhältnisse indessen der deutsche Roman und sein Verfaffer zu dem polnischen und seinem Dichter wirklich stehen, läßt sich aus der mit ausgesuchter Höflichkeit und in den feinsten Wendungen abgefaßten Widmung schwerlich entdecken, und wir gestehen gern, daß uns Manches nicht klar geworden. Der Roman selbst entrollt uns Bilder und Zustände, die, wenn nicht ein anderes, so doch entschieden ein ethnographisches Interesse haben. Die Auffassung der polnischen Nationalität, der verschiedenen Charaktere und Grundtypen, Sitten, Gewohnheiten u. f. w. verrathen, soviel wir von der Sache aus einiger Erfahrung verstehen, die unmittelbare, lebendige Anschauung und ein nicht geringes Verständniß, so daß wir wohl kaum irren, wenn wir dies in erster Reihe auf Rechnung des polnischen Original - Autors feßen, zumal der deutsche Verfasser in der Zueignung etwas Derartiges anzudeuten scheint. Wie alle historische Romane, verwebt der unsrige Privatgeschichten (hier einiger polnischer Edelleute) in die allgemeine, nur an den höchsten Personen haftende Geschichte des Zeitalters, das dadurch auf genremäßige Weise belebt und veranschaulicht wird. Die Geschichte, sich vornehmlich um die Schicksale eines abenteuerlichen Raufboldes, Samuel Zborowski, drehend, der sich in die Nichte des nachmaligen Königs Stephan Batory (früher Großfürst von Siebenbürgen) verliebt hat, beginnt ziemlich gleichzeitig mit dem Abtreten Siegmund August's, führt uns dann den französischen Heinrich von Valois vor, der bekanntlich den Polen wieder entlief, und endet nach dem Regierungs-Antritte Stephan Batory's mit der Hinrichtung des Haupthelden kurzum, wer wissen will, wie es da= mals in Polen etwa ausgesehen und zugegangen, kann hier, wenn er die erste Schwierigkeit mit den vielen fremden, schwer zu merkenden Namen überwunden, auf leichte und angenehme Weise seine Wißbegier befriedigen. Die Parteiungen des Adels, die Streitigkeiten bei der Königswahl spielen natürlich eine Hauptrolle; Raufluft und Roheit neben ritterlicher, echt polnischer Galanterie, die manchmal an Don Quijote erinnert; ungezähmter Frevelmuth neben bigotter Frömmigkeit; daneben indeß Züge echter Biederkeit und alt farmati= scher Gemüthlichkeit, die uns mit Vielem wieder aussöhnen, was für den Nicht-Polen minder erquicklich ist. Als einen Fehler müssen wir bemerken, daß das Zeitkostüm doch nicht immer treu bewahrt worden ist. Die politischen Betrachtungen z. B., die Fürst Zamojski (S. 199) anstellt, sehen aus, wie einem Leitartikel entlehnt, der ge= stern in einer Zeitung gestanden es ist eine Auslaffung über die Mission der slavischen Völker gegenüber der romanisch-germanischen Civilisation, voll von modernen Anschauungen, wie denn überhaupt mannigfach der moderne Pole herauszuhören ist, der die Vergangen= heit seines unglücklichen Vaterlandes apologetisch zu rechtfertigen sucht.

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Édition Schnée”.

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Eo heißt eine andere, neben der ,Collection Hetzel", in Brüffel, und zwar beim Buchhändler Aug. Schnee erscheinende, für das Ausland bestimmte, rechtmäßige und wohlfeile Ausgabe französischer Schriftsteller. Sie zeichnet sich durch ein etwas größeres Format und auch durch befferen Druck vor der Collection Hetzel" aus. Unter Anderem gehört das kürzlich von uns erwähnte Buch von Nestor Considérant,,,La Russie en 1856", zu dieser Sammlung, welche auch die Ruffin, Frau v. BagrejeffSperansti, und die Schwedin, Frau Flyggare Carlèn, unter ihre Autoren zählt. Ein belgisch-französischer Autor dieses Verlages ift Herr A. Maurage, der kürzlich auch eine sogenannte,,Flamändische Chronik des dreizehnten Jahrhunderts", „Le Ruwart", herausgegeben, was aber nichts weiter als Romanfutter für Leihbibliotheken ist.

*) Historischer Roman aus der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderte, von W. Bachmann. Berlin, 1857. Königl. Geh. Ober-Hofbuchdruckerei (R. Decker.)

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Morgenländische Literatur.

Das Papageien-Buch Tuti-Nameh.*)

1858.

kommt. So verschleppt der kluge Vogel die Sache, bis der Herr zurückkommt und das alte Liebesverhältniß sich wieder herstellt. Der weise Vogel erhält als Lohn seiner Treue die Freiheit; denn auch die Frau ist ihm dankbar, daß er sie von dem verhängnißvollen Schritte zurückgehalten hat.

Was die Geschichten selbst betrifft, so find fie verschieden an Werth und nicht von bedeutendem Umfange. Ich glaube, man thut nicht Recht, wenn man sie mit den Mährchen der 1001 Nacht vergleicht, da sie einen entschieden anderen Charakter tragen. Denn diese find jedenfalls als phantastische Novellen anzusehen, während die Geschichten des Papageien mehr den Charakter von Parabeln tragen und stets eine mehr oder minder hervortretende sittliche Tendenz haben. Das Buch gewährt eine angenehme und leichte Lektüre; eine gutmüthige Schalkhaftigkeit ist sein vorherrschender Charakter.

Tuti-Nameh ist ein interessantes Sammelwerk orientalischer Er zählungen, die vielleicht ursprünglich sehr verschiedenen Verfassern angehörten, ehe sie an den Faden angereiht wurden, in welchem sie uns nun vorliegen. Der Herr Ueberseßer, wenn wir nicht irren, preußischer Konsul in Jerusalem, weist ihnen Indien als ursprüngliche Hei mat zu, da sich dieses aus den indischen Dertlichkeiten, indischen Eigen namen und Anspielungen auf indische Sitten und Gebräuche ergebe und überdies in Indien ein Volksbuch unter dem Namen der,,siebenzig Geschichten des Papageien" umlaufe. Schon frühzeitig, nämlich im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts, wurde der indischen Ur schrift ein persisches Werk nachgebildet; da dieses aber höchst roh und unvollkommen war, so arbeitete es später, in der Blüthezeit der neupersischen Literatur, der Dichter Zijâi - ed - dîn - Nachschebi, ein Zeitgenoffe des Hafis und des Sadi, zu einem geschmackvollen Kunstwerke um, auf das in Deutschland Kosegarten zuerst aufmerksam gemacht hat. Dieses persische Werk nun hat ein unbekannter türkischer Dichter auf Vor und nach den Schlachten bei Roßbach und bei Leuthen. Befehl des Sultan Bajazid II. in türkischer Sprache bearbeitet, und zwar auf eine Weise, die einen nicht gewöhnlichen dichterischen Geist bekundet. Nach ihm ist die vorliegende Ueberseßung gemacht. Außerdem existirt noch eine dritte perfische Bearbeitung aus dem siebzehnten Jahrhundert von einem gewiffen Muhammed Kädiri, die indeß weit weniger Werth besigt.

Der allgemeine Inhalt des Buches ist folgender: Ein junger Mann, der einzige Sohn eines reichen Kaufmanns, kauft um vieles Geld einen äußerst weisen Papageien, deffen Rath und Weisung ihm in seinen Handelsgeschäften ungemeinen Vortheil bringt. Saïd (so heißt der junge Kaufmann) verheiratet sich äußerst glücklich mit der schönen Mahi-Scheker, die in dem ersten Jahre der Ehe mit ihm vereint den wunderbaren Vogel pflegt, nachdem diesem zu seiner Unterhaltung sogar ein Papageienweibchen beigegeben worden ist. Endlich will Saïd sich für längere Zeit von seiner geliebten Gattin trennen, um eine Handelsreise zu unternehmen; da er aber fürchtet, dieselbe könne während seiner Abwesenheit auf böse Gedanken gerathen und ihm untreu werden, so läßt er sich das Versprechen geben, fie wolle ftets, ehe sie etwas von Wichtigkeit unternehme, zuerst den weisen Papagei um Rath fragen. Sie verspricht es, und er reist ab. Nach einiger Zeit nimmt natürlich ihre Liebe zu Saïd bedeutend ab; eine alte Kupplerin macht ihr verführerische Vorschläge, indem sie ihr in den lebhafteften Farben den Schmerz eines schönen Jünglings schildert, der sich in fie verliebt habe.

Mahi-Schefer, nicht besonders hartherzig, entschließt sich endlich dazu, den Holden zu besuchen, befragt aber zuvor, da fie an ihr Versprechen gedenkt, zwar nicht den Papagei, aber das Papageienweibchen. Da ihr dieses in einer schönen Moralpredigt gänzlich abräth, so geräth die Frau in Wuth und reißt ihm den Hals ab. Nichtsdeftoweniger fragt fie darauf den Papageien selbst, der in ein schreckliches Dilemma zwischen der Treue zu seinem Herrn und der künftigen Verantwortung vor Allah (denn er ist ein guter Muhammedaner) und dem drohenden Tode geräth, jenachdem er die Sache gutheißt oder fie mißbilligt. Um sich aus der Schlinge zu ziehen, erzählt er der Frau, die schon zum Ausgange gepugt ist, eine Geschichte, die eine abrathende Nuganwendung in sich schließt, während er hinterdrein be theuert, fie handle gar nicht so unrecht. Ueber der Erzählung ist die Nacht verstrichen und der beabsichtigte Ausgang unmöglich gemacht. Dieses wiederholt sich nun an jedem Abende; die zum Treubruche bereite Frau tritt an den Käfig, fragt den Vogel um Rath und hört seine Geschichten an, die allmählich immer moralischer werden, und immer geht die Nacht darüber hin, so daß es niemals zur Sache

*),,Tuti-Nameh". Das Pavageien-Buch. Eine Sammlung orientali scher Erzählungen. Nach der türkischen Bearbeitung zum erstenmale überseßt von Georg Rosen. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1858.

Frankreich.

Ein Briefwechsel vor hundert Jahren.

(Fortseßung.)

II. Tronchin an Voltaire.

Lyon, 24. Oktober 1757.

Vorgestern empfing ich das Schreiben, mit welchem Sie mich am 20. d. M. beehrt haben, und gestern war ich auf dem Lande, um es der bestimmten Person mitzutheilen. Ich las es ihm vor, und weit entfernt, es für einen Traum zu halten, war er davon ganz bezaubert. Allem Anscheine nach, so sagte er, würde ihm, falls dieser Plan zur Ausführung käme, die Sendung der Frau Markgräfin durch Ihre Vermittelung zugehen. Ich erwiederte ihm, daß Sie wohl auf dem bereits eingeschlagenen Wege ferner sich bewegen würden. Er ist mit den galanten Versen, die Sie für Frau v. Montferrat gemacht, sehr zufrieden und fühlt sich Ihnen für die zahlreichen Aufmerksamkeiten, die Sie ihm erwiesen, überaus verbunden.

Meine Bewunderung Ihres vortrefflichen Schreibens hat für Sie keinen großen Werth: aber ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie befriedigt ich dadurch bin und wie sehr ich wünsche, daß so weise, für Europa nüzliche Ansichten mit Erfolg gekrönt werden durch die Fortseßung Ihrer einsichtsvollen Sorgfalt, so wie durch Anwendung Ihres Einflusses auf den Geist des Königs von Preußen und seiner Frau Schwester und durch das Vertrauen, das sie Ihnen schenken. Meinerseits werde ich keinen Augenblick versäumen, Alles zu thun, was mir aufgetragen wird.

"Antwort-Note, diktirt vom Herrn C. (Cardinal) de T. (Tencin) an Tronchin.

,,Der Plan ist wundervoll; ich genehmige ihn vollständig, mit Ausnahme des Gebrauches, den er von mir machen, indem er mich an die Spiße der Negotiation stellen will. Ich bedarf weder der Ehren, noch der Güter, und wie er, denke ich nur daran, als Philosoph und als Bischof zu leben. Ich werde mich sehr gern des Schreibens der Frau Markgräfin unterziehen und ich glaube, daß sie gut daran thun wird, in dem an mich zu richtenden Briefe die weisen Betrachtungen einfließen zu lassen, die Hr. v. V. in dem seinigen hinsichtlich der Vergrößerung des Hauses Desterreich anstellt. Sie würde zugleich gut thun, mir etwas Schmeichelhaftes für den Abbé von Bernis zu sagen, der an der Spize der auswärtigen Angelegenheiten steht und das größte Vertrauen bei Hofe genießt. Allem Anschein nach, wird mir, falls dieser Plan zur Ausführung kömmt, die Sendung der Frau Markgräfin durch Vermittelung des Herrn v. Voltaire zugehen."

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