Billeder på siden
PDF
ePub

fällt, auch gar nicht gefragt werden kann:,,Wird diese Handelsgesell schaft aufhören?“ da fie in der That aufgehört hat und nur dem Namen nach vorhanden ist.

In der Zeichnung der administrativen, richterlichen, fiskalischen, finanziellen und polizeilichen Organisation des in drei Präsidentschaften, Bengalen, Madras und Bombay, getheilten Landes, wird es im Allgemeinen als großer Fehler gerügt, daß das bloße Dienstalter zum Emporrücken in höhere Posten befähige, auf Kenntniß, Geschicklichkeit und Moralität gar keine Rücksicht genommen werde, es wäre denn ein unleugbarer Frevel gegen das Eigenthumsrecht begangen wor den. Dem königlichen Gerichtshofe wird zur Last gelegt, daß seine Beamten große Summen kosten, aber völlig nichts dafür leisten, weil ihr Wirkungskreis sich nur auf die Hauptstädte und ihre Distrikte beschränkt, das englische Geseß zu viele Wege an die Hand giebt, der Ueberführung (conviction) auszuweichen, und die Parteilichkeit für den Engländer gegen den Eingebornen zu groß ist. Den Gerichtshöfen für das Innere des Landes fehlt es an hinreichender Zahl der Beamten und an einem gemeinschaftlichen Geseßbuche, da der Muselmann nach dem Koran, der Jnder nach den indischen Rechten gerichtet werden muß.

Das Abgabenwesen hat die Eingebornen, nach diesem Bericht, auf die Stufe des äußersten Elends gebracht. Der Eingeborne geht in Lumpen und hungert wohl sogar, während der Engländer, der ihm ungeheure Taren auferlegt und seinen Handel unterdrückt, mit enormen Reichthümern in sein Vaterland zurückeilt. Der Jnder hat nicht einmal das nöthige Salz, weil es zu sehr besteuert ist, und wird gezwungen, Mohn anzubauen, um den Engländern eine reiche OpiumAerndte zu liefern.

Der dritte Theil von Seite 204 bis 338 enthält Untersuchungen über die Ursachen der 1857 ausgebrochenen Revolution, worin gezeigt wird, daß sie durch zwei Parteien, deren eine die Heiligen, die andere die Politiker genannt werden, entstand. Die erstere wollte mit Gewalt das Kastenwesen abschaffen und dadurch das Christenthum einführen; die andere erbitterte durch Absegung des Königs von Audh oder Dude. Nachdem das Fortschreiten und Umsichgreifen des Aufruhrs geschildert worden ist, werden die Versuche der Engländer erwähnt, ihm Einhalt zu thun, und die Barbarei getadelt, der man sich nicht selten hingegeben hat. In Schuh werden genommen und gerechtfertigt die Bemühungen Lord Canning's, die Engländer vom Vergießen unschuldigen Blutes zurückzuhalten, und gehofft, daß dem Rathe eines Direktors der Compagnie, Sykes, werde gefolgt werden. Im Uebrigen hält v. Warren die Unterdrückung des Aufruhrs wegen der Energie des englischen Militairs für unzweifelhaft, während er die Idee, Delhi zu zerstören, als Thorheit und Vandalismus bezeichnet.

Türkei.

Dr. P-r.

Die Juden im Orient, nach L. A. Frankl.

II.

Der Chacham Baschi (Oberrabbiner) von Konstantinopel. Eines Morgens wanderte ich mit Herrn Benoit Brunswig (dem französisch-jüdischen Direktor der von Frankreich aus gegründeten und unterstüßten neuen jüdischen Elementarschule in Konstantinopel) nach Ortaköi, um mich dem Oberrabbi des türkischen Reiches, bei dem ich bereits durch mein „Kol mebasser" angemeldet war, vorzustellen.

Ein Diener führte uns in einen geräumigen Saal und hieß uns die Ankunft seines Herrn erwarten. Zugleich mit uns waren drei orientalisch gekleidete Juden und ein Mann in französischer Tracht eingetreten.

Der Chacham Baschi, eine ehrwürdige Greisengestalt mit schnee weißem Haar und weißen, auffallend stark überhängenden Augenbrauen, in weißem Talare und bunt seidenem Turban, trat unter Vortritt zweier Diener ein und ließ sich in der Ecke des Divans nieder. Er winkte, uns zu seiner Linken niederzulassen, dann grüßte er mit stummer Handbewegung. Ein Diener brachte eingefottene Früchte, und da es Osterfest war, hatten wir nebst der üblichen Verneigung vor dem Herrn des Hauses den Wunsch zu sagen: „Moadim beßimcha“ die Feste in Freuden! Nach der halblaut gesprochenen kurzen Gebetformel aßen wir vom Dargereichten. Ein anderer Diener reichte in Filbernen Schalen Waffer, ein dritter den Kaffee, ein Bierter den Tschibuk.

Endlich war das Empfangszeremoniell vorüber und der Chacham redete mich an: „Du kommst aus der Hauptstadt des deutschen Sultans, den Gott und seine Heerschaaren beschügen mögen!“

Ich komme, am Dir meine Verehrung zu bezeigen und Dich za bitten, mein Vorhaben in Jerusalem, wenn es Dir gefällt, zu unterstügen.

,,Es ist meine Pflicht, dies zu thun. Du hast vernommen, was er mächtiger Sultan, den Gott und seine Heerschaaren beschüßen

mögen! für uns Juden 'gethan hat. Wir sind nicht mehr die Gedrückten und Verachteten. Er will aber, daß auch wir gebildeter werden, er befiehlt Schulen, und wir werden durch Gehorsam dankbar sein. Dich liebt Gott, denn er vergönnt Dir das Heil, hinzugehen in seine heiligste Stadt und eine Schule zu begründen. Ich und mein frommer Amtsgenoffe werden Dich und die Sache, die Du im Namen einer großen“ Frau vollführen gehst, empfehlen. Mein Kanzler wird die Ehre haben, Dir die Briefe zu überbringen.“ Welche Wirkung,,Su Merced!" Euer Gnaden Verkündigung des Hat Humajum auf die jüdische Bevölkerung des türkischen Reiches? Wir im Abendlande haben zweimal eine so große Freude erlebt: Im Jahre 1782 und am Purim, dem Befreiungsfeste, im Jahre 1849.

übte die

"Ihr im Abendlande versteht besser, ich habe das vernommen, was es heißt, kein Sklave und jedem Menschen, ohne Unterschied des Glaubens, gleich zu sein. Die Juden des Morgenlandes müssen das erst lernen und überhaupt etwas lernen! Als das große Geseß gekommen war, freuten sich die Frommen, daß die Schmach von den Dienern des wahren, einzigen Gottes genommen ist, und die Nichtfrommen freuten sich, weil jeder Zwang aufhören und die Freiheit ihres Willens gelten wird. Viele sind, die aber dadurch die heiligen Gefehe der Religion gefährdet glauben und fürchten, fie könnte so sinken und glanzlos werden, wie unter den Franken. Der Hauptgrund ihrer Befürchtung ist aber, daß die Juden nunmehr sich dem Heere einreihen müssen. Nicht den Tod fürchten die Nachkommen der Gottess streiter und der Makkabäer in der Schlacht, aber das Bewußtsein, als Soldaten viele heilige Gebote verlehen zu müssen.“

Herr Brunswig bemerkte, daß die türkische Regierung eine außer ordentlich humane sei, indem sie an der medizinischen Schule, wo sechzehn jüdische Studenten aufgenommen sind, ihnen einen eigenen Schächter angestellt hat, der für sie besonders, nach dem strengsten Speisegeseße, kocht. Ein Chacham wohnt mit den jungen Leuten und leitet ihren Gottesdienst. Bereits ist der Sohn des Chacham Chajim als Arzt aus dieser Schule hervorgegangen und als HauptspitalArzt in Aleppo mit einem jährlichen Gehalte von 24,000 Piastern angestellt.

Der Chacham Baschi erwiderte: Gott segne den Sultan, unseren großmächtigsten Herrn. Gott erhalte seinem Stamme die Krone auf ewig. Zur Zeit seiner milden Regierung reifen goldene Früchte aller Art. Und jezt erst wird der Glanz unserer Religion leuchten, denn Jeder wird, was er bisher, durch den Druck der Welt, gezwungen vollbrachte, freiwillig thun.“

Der Chacham (Baschi schloß seine Rede, indem er mit zugedrückten Augen innig sagte: „Schema Jisrael, Adonai elohenu, Adonai echad" (Höre Israel, Gott unser Gott ist einzig").

Die drei Männer, die gleichzeitig mit uns eingetreten waren und ehrerbietig stehend an der Pforte des Saales das Gespräch mit angehört hatten, sagten aus Einem Munde:,, Amen!"

Der Chacham Baschi winkte sie heran und fragte, was ihr Begehr sei? Sie näherten sich und küßten den Saum seines Kleides. Darauf zogen fic, Jeder aus seinem Kaftan, ein Osterbrod hervor, und der Aelteste sprach, indem alle Drei die Brode hinhielten: „Su Merced! willst Du, daß die Armen der Gemeinde vergiftet werden? Ift denn ihre Zahl unseren reichen Brüdern zu viel? Sind wir die Kinder von Hunden, daß man uns Brod hinwirft, das verschimmelt ist, das unsere Kinder krank und die Alten sterben machen muß?"

Der Chacham Baschi nahm das hingereichte Brod, betrachtete, es und sagte: „Eure Klage ist gerecht. Das Brød ist verdorben. Die Zahl der Armen ist groß, und da muß das Backen des Osterbrodtes frühzeitig beginnen. In den Magazinen unseres Gemeindehauses ist es feucht, und das Brod verdirbt. Ich werde eine andere Einrichtung treffen, denn die jezige bereichert die Bäcker; aber heuer kann ich nicht mehr helfen."

Su Merced! hilf uns, wir hungern!

Euch Dreien kann ich helfen, aber nicht Allen. Ich werde mein Brod mit euch theilen."

Er befahl einem der Diener, den er durch Händeklatschen in den Saal rief, den drei Männern so viel von seinem Ofterbrode zu geben, als sie für die zwei leßten Festtage nöthig haben. "Der Mann in französischer Tracht, der mit uns auf dem Divane saß, bat jest um die Erlaubniß, reden zu dürfen. 2) d

Rede du, wir sind. Brüder!!! odiom t

Er erzählte sein eigenthümliches Lebensabenteuer:,,Ich bin ein Spanier von Geburt. Meine Aeltern behandelten mich mit zärtlicher Liebe und Sorgfalt. Der Vater, ein Maurer, ließ mich in den gewöhnlichen Lehrgegenständen und mit besonderer Vorliebe in Mathematik und Zeichnen unterrichten, denn er wünschte, daß ich, wie er, ein Maurer werde. An Sonntagen mußte ich ihn regelmäßig zur Kirche begleiten, doch hielt er mich nicht zum Beten an, und es schien ihm, wenn nicht widerwärtig, doch gleichgültig, was ich von den Lehren des

[ocr errors]

Christenthums lernte. Den Glauben an einen Gott fuchte er mir bei jeder Gelegenheit zu befestigen, und er liebte es vor Allem, mir den Grundfaß einzuprägen, daß alle Menschen, wenn sie sittlich und redlich sind, ein gleiches Recht auf die Liebe ihrer, wenn auch anders gläubigen Mitmenschen haben. „Die Menschen, pflegte er zu sagen, müssen varin Gott nachzuahmen streben.“ Als ich herangewachsen und ein kräftiger Knabe war, nahm er mich täglich, wo er an Bauten sich durch sein Handwerk betheiligte, mit, und ich erlernte daffelbe unter seiner stets gütigen Leitung.

Ich liebte meine Aeltern, namentlich die gute Mutter, mit einer Innigkeit, die an Schwärmerei gränzte. Jedes Jahr an einem bestimmten Lage ging der Vater nicht an die Arbeit und brachte ihn fastend und betend zu. An diesem Tage suchte er jedes Gespräch zu vermeiden, und meine kindlichen Scherze und meine kosende Anhänglichkeit, die ihn sonst erfreuten, wies er mit ernster Strenge zurück. Es war wieder der Tag gekommen, als ich bereits zwanzig Jahre alt und ein tüchtiger Maurergeselle war. Er brachte ihn wie gewöhnlich zu und lud mich am folgenden Morgen, als wir Beide mit Schurz und Kelle zur Arbeit gingen, ein, ihn in eine einsame Gegend vor der Stadt zu begleiten. Wir gingen schweigend neben einander her, bis wir unter einen schattigen Baum gelangten, wo sich der Vater hinlagerte. Ich folgte seinem Beispiele.

[ocr errors]

"Ich habe dir, mein theurer Sohn!" begann er mit bewegter Stimme,,,ein schweres Geheimniß mitzutheilen. Sei stark und höre mich stillschweigend an. Es wird dir durch das Herz schneiden und mich der einzigen Freude meines Lebens berauben: deiner Liebe, mein geliebter Freund! Ich und deine Mutter, die du als deine Weltern ehrst, sind dies nicht. Du bist der Sohn eines Juden!" U ,,Er hielt inne, es schien ein heftiger Kampf in ihm zu sein, und mir stockte das Herz. „,,,Höre, mein geliebter Freund! Noch bist du dieses, und ich weiß nicht, ob du mich haffen wirst, wenn ich fort fahre in dem, was ich dir sagen muß, um meine ewige Seele zu retten. Ich kannte deinen Vater, ich ehrte in ihm meinen Wohlthäter und meinen Freund. Er lebte als Christ; nur ich wußte, daß er täg. lich in einem abgeschlossenen Keller seines Hauses nach der Art seiner Als ich einmal zufällig dazu kam, erschrak er nicht und sagte nur:,,Ich weiß, daß du mein Freund bist!"

,,,,Wir wohnten in nachbarlichen Häusern, ich aß einmal an seinem Tische, wie das häufig zu geschehen pflegte, und es entspann sich eines Abends, als der feurige Wein des Landes sich mit meinem heißen Blute mischte, ein Streit zwischen uns. Er, mäßig angewohnt, blieb kalt und nannte mich höhnisch einen trunkenen Christen. Ich schmet terte das Glas auf den Tisch, daß der rothe Wein über das Tischtuch floß, sprang auf, und mich trieb der Teufel in die Nacht hinaus.

,,,,Gegen Morgen kamen die Diener des Tribunals und verhafteten deinen Vater und deine Mutter. Ich war der Verräther meines Wohlthäters und hörte, was geschah, und was ich in furchtbarer Verzweiflung anzusehen nicht den Muth gehabt hätte. Die Trabanten entfernten sich mit deinen Aeltern und schlossen das Haus ab, um später wieder zu kommen und die Reichthümer deines Vaters fort zunehmen. Dich, der du in einer dunklen Ecke des Saales in deiner Wiege schliefft, hatten sie nicht bemerkt, sonst hätten sie auch dich fort genomrnen. Ich kannte den dunklen Gang, durch den mein und deines Vaters Haus zusammenhingen. Durch diesen ging ich, ein heimlicher Dieb, mit schwankenden Schritten, nahm dich, der du ruhig schliefft, aus der Wiege und trug dich in mein Haus.

"Ich will mir", sagte ich zu meinem treuen Weibe, den Rächer für meine That erziehen.""

,,Mein Vater konnte nicht weiter sprechen, er warf sich auf's Angesicht und krallte mit den Fingern in die Erde. Mir war, als ob ich sterben müßte, und nach langer Pause wagte ich es, kaum vernehmbar zu fragen, was aus meinen Aeltern geworden ist? In meiner Seele aber, glaube ich, war der Schmerz größer für diejenigen, die ich bisher für meine Aeltern hielt, als um diejenigen, welche es wirklich waren.

Der Mann raffte sich auf von der Erde, zog einen Dolch aus dem Gürtel und rief:,,,Tödte mich! denn durch mich find sie elend im Kerker zú› Grande gegangen, verrathen vom Freunde, bestohlen vom Verräther um ihr Theuerftes, um ihr Kind. "Tödte mich, und bu rettest meine Seele vor den Qualen der Hölle. Ich will meine That fühnen, die Gott verflucht, und die das fromme Tribunat pries und belohnen wollte! Wehe mir!“

"Ich hatte den Dolch von mir geschleudert und tröstete ihn mit meiner Liebe. Ich sagte ihm, daß er ein Verbrechen an meinen Aeltern begangen, mir aber alle Wohlthaten des Lebens zugewandt habe. Nur Eines könne ich nicht begreifen, warum er mir ein Geheimniß verrathen, das ihn und mich unglückselig mache.

"Habe ich dir nicht den Vater, den du auf Erden hattest, geraubt? Soll ich dir den des Himmels auch rauben, Jehova, den Gott deiner Väter? Als ich ihm sagte, daß ich ihn nicht verstehe, begann er wehmüthig zu sprechen:

,,,Dit verstehst mich nicht? Du mußt fortziehen aus diesem Lande, und bu mußt, was deine Väter waren, wieder ein Jude werden. Soust habe ich deinen Aeltern nicht nur die Freuden an ihrem Kinde und seine Liebe, sondern auch seine Seele für alle Ewigkeit geraubt.“!!!" Ich will, hoher Rabbi! deine Geduld nicht länger in Anspruch nehmen und, ich sehe es am Ausdrucke der Gesichter, dich und deine Gäste nicht weiter betrüben. Ich riß mich von meinen Pflegeältern, bis in die Seele unglücklich, los und wanderte über die Pyrenäen nach Frankreich und erwarb mir, da ich von meinen armen Aeltern nichts annehmen wollte, durch mein Handwerk in den Städten so viel, um leben und wieder weiter reisen zu können. Ich komme, hoher Rabbi! um kein Almosen. Meine Hände find stark, mein Muth gesund, ich will ein Jude werden."

Er war, von innerer Bewegung gedrängt, schon früher aufgestanden und näherte sich jest dem ehrwürdigen Chacham und kniete vor ihm nieder und küßte seine Hand. nieder und füßte seine Hand. Der Chacham hob ihn auf, und selbst aufstehend schien seine hohe Gestalt und das gedankendurchpflügte edle Angesicht, wie Moses der Prophet, wenn die Weihe über ihn kam, und er fagte: „Ich werde morgen das Besdin zusammenberufen.“

Thielmann's

Absicht, die Festung Torgau den Preußen zu übergeben...

Die kürzlich erschienenen,, Denkwürdigkeiten eines Livländers" (Freiherrn v. Löwenstern) °) bringen Thielmann's Absicht, Torgau den Preußen zu übergeben, mit neuen Thatsachen zur Sprache. Kaum war der genannte russische Oberst mit seinen Kosaken vor der Festung erschienen, so bekam er von dem Major v. Nahmer, Flügel-Adjutanten des Königs von Preußen, folgenden (Band II, S. 8 der,,Denks würdigkeiten eines Livländers“ abgedruckten) Brief: „Ew. Hochwohl. geboren gebe ich mir die Ehre anzuzeigen, daß ich soeben mit Aufträgen vom General-Lieutenant v. Kleist in Torgau gewesen bin. Der Kommandant, General-Lieutenant v. Thielmann, ist ein Mann von Ehre und so gut gesinnt, als wir es nur wünschen können. Er wird uns wesentliche Dienste leisten und hat es selbst schon gethan. Ich halte es daher für meine Pflicht, Ew. Hochwohlgeboren hiervon Anzeige zu machen und ganz ergebenst zu ersuchen, Ihre Vorposten demnach instruiren zu wollen, daß sie keine Feindseligkeiten gegen die sächsischen Truppen, so Torgau befeht haben, ausüben, weil dadurch sonst leicht dem guten Einverständnisse geschadet werden könnte. Nosen= feld, 19. (31.) März 1813."

Löwenstern fügt zu diesem Briefe hinzu:,,Demnach hatte Torgau Ruhe vor mir und ich auch Ruhe vor Torgau." Thielmann aber hielt sich, wie Heinrich After in seinem Werke: Die Gefechte und Schlachten bei Leipzig im Oktober 1813", Band I, S. 43, sagt, gegen die Anträge der Ruffen, Preußen und Franzosen gleich ausweichend, bis er, den 27. April, an seinem achtundvierzigsten Geburtsfeste, welches die Garnison durch ein großes Mittagsmahl feierte, sein bisheriges Schweigen brach und mündlich und schriftlich erklärte:,,nur den Alliirten dienen zu wollen." Damit schwand die Eintracht unter dem sächsischen Offizier-Corps in Torgau, und Thielmann's Stellung, besonders den anderen Generalen gegenüber, ward sehr peinlich, zumal, als nach der Schlacht bei Groß-Görschen Napoleon mit seiner Hauptmacht auf Dresden, Ney mit drei Corps auf Torgau losging. Thielmann's Verweigerung des Einlasses raubte dem Marschall Ney vier Tage (Löwenstern a. a. D. S. 33); doch war seine Lage nun die gefährlichste, wie aus folgendem, bis heute unbekannten Schreiben von seiner Hand hervorgeht:

,,Torgau, 10. Mai 1813.

"Ich bin destituirt, der König von Sachsen hat auf eigene Hand, ohne aller seiner Diener Wissen, feinen Frieden mit Frankreich gemacht.

„Wäre es Zeit, daß Sie binnen hier und wenig Stunden kommen könnten, so würde ich Ihnen noch die Festung zu übergeben im Stande sein, aber man hat mich so gefaßt, daß ich nichts mehr thun kann. Können Sie nicht kommen, so ist Alles verloren. Die Generale find gegen mich ich verlaffe Armee, Vaterland; Alles, und flüchte zu Ihnen, um mit Ihnen zu sterben:

[blocks in formation]

Thielmann."

Die Preußen kamen nicht, und Thielmann verlick Torgan, um bei den Ruffen Aufnahme zu finden. Der neue Kommandant, General v. Steindel, aber ließ den 11ten die Franzosen in Torgau ein.

Das Autograph des Thielmannschen Schreibens vom 10. Mai 1813 ist, nach einem eigenhändigen Vermerke auf demselben, von des preußi

*) Aus den Jahren 1798-1815. Herausgegeben von Friedrich v. Smitt. 2 Bände. Leipzig, 1858.

1

schen Generals der Infanterie v. After Hand, wahrscheinlich an den nachherigen Marschall Grafen Kleist von Nollendorf gerichtet, der damals noch bei Mühlberg stehen sollte. Diese historisch so wichtige Reliquie von des Generals Freiherrn v. Thielmann Hand ist aus den Hardenbergschen Papieren an den Staatsrath v. Beguelin ge= kommen, nach des Leßteren Tode aber, 1847, Eigenthum des Generals v. After geworden, welcher dem Unterzeichneten damit, 1852, ein höchst erwünschtes Geschenk gemacht hat. So ist die heutige Mit theilung durch den Druck möglich geworden. Berlin, den 9. Juli 1858.

Joseph Lehfeldt.

Profeffor Preuß.

Möge es uns vergönnt sein, auch in diesen Blättern eines heimgegangenen literarischen Freundes und älteren Mitarbeiters unserer Zeitschrift mit einigen Worten zu gedenken. Der Buchhändler Der Buchhändler Joseph Lehfeldt in Berlin, einer der beiden, dem Herausgeber des, Magazin" auf gleiche Weise befreundeten Theilhaber der Verlagshandlung Veit & Comp., ist am 4. Juli, 54 Jahre alt, mit Tode abgegangen. Der Verewigte gehörte seiner ganzen Bildungsgeschichte und Geistesrichtung nach, dem Gelehrtenstande an. Auf dem evangelischen Gymnasium seiner Vaterstadt Glogau ein Lieblingsschüler des gelehrten Direktors, Dr. Klopsch, und der beiden durch literarische und poetische Erzeugnisse auch außerhalb der Gymnasialfreise gekannten und geschäßten Oberlehrer, Prorektor Severin und Profeffor Röller, studirte er auf den Universitäten Breslau und Berlin Philosophie, Philologie und Pädagogik, worauf er im Jahre 1826 das Examen als Oberlehrer machte und zwar, wie damals allgemein bekannt war, eines der glänzendsten auf diesem schwierigen Gebiete. Aber der Rücklauf der Gesezgebung, oder vielmehr der Gefeßes - Ausleger, der zu jener Zeit in Preußen wie in ganz Deutschland eingetreten war, schloß den durch Neigung, Geist und Kenntnisse zum Jugendlehrer vorzugsweise berufenen Schulamts-Kandidaten, der, im Judenthume geboren, einen aus äußerlichen Gründen hergorgegangenen Religionswechsel mit seinem Gewiffen nicht vereinigen konnte, ebenso vom Gymnasial- wie vom Universitäts-Lehramt aus. Er sah sich daher im Jahre 1827 veranlaßt, an einer eben zu AltStrelig (Mecklenburg) begründeten jüdischen Gemeindeschule das Direktorat anzunehmen. Mit jugendlichem Eifer rief er diese Schule ins Leben und leitete sie mehrere Jahre, wobei er durch den jezt beim British Museum in London als Bibliothekar angestellten Crientalisten Zedner unterstüßt wurde. Noch heute ist in Strelit seine Wirksamkeit in gesegneter Erinnerung. Aber nachdem er einige Jahre dieses Feld mit Luft und Treue bearbeitet hatte, ward es ihm doch dort zu eng, und sehnke er sich wieder hinaus auf das freie Gebiet der Wissenschaft und der Kunst. Besonders zog es ihn nach dem nahen Berlin, wo die Meister, von denen er das Beste gelernt hatte, noch lebten und wirkten. Er nahm daher im Jahre 1832 seine Entlassung von der Schule in Streliß, und als ihm bald darauf von einem Studiengenoffen und gleichgesinnten wissenschaftlichen Freunde, Dr. Moris Veit in Berlin, das Anerbieten gemacht wurde, mit ihm gemeinsam eine Buch- und Verlagshandlung zu etabliren, ging er um so freudiger darauf ein, als er sich damit zugleich eine Häuslichkeit und einen eigenen Familienkreis gründete, dem, sowie seinen Lieblingsstudien, er neben dem buchhändlerischen Geschäfte fortan sein Leben widmen konnte.

Zu diesen Lieblingsstudien Lehfeldt's gehörte vor Allem das Gebiet der Geschichte, auf welchem er nach jeder Richtung hin heimischer als irgend Jemand war, der dieses Gebiet nicht als Fachwiffenschaft bearbeitet. Die Blätter unserer Zeitschrift, welchen er von Zeit zu Zeit Beiträge geliefert, enthalten manches Zeugniß von seinen ausgebreiteten historischen Kenntnissen. Ebenso war er aber auch auf politischem Felde zuhaus, wie die im Jahre 1849 zeitweise von ihm übernommene Redaction der im Verlage seiner Buchhandlung erschienenen,,Conftitutionellen Zeitung" bewies. Nicht minder hatte er an der Herausgabe der unter seiner Mitwirkung begründeten und jezt noch im Verlage seiner Buchhandlung erscheinenden, weit verbreiteten,,Schach-Zeitung" stets einen thätigen Antheil, und auch noch das legte Heft derselben enthält einen von ihm unterzeichneten Artikel aus seiner Feder. Von seinen mannigfaltigen Kenntniffen giebt unter Anderem der Umstand Zeugniß, daß er der beste, durch keinen Anderen leicht zu ersehende Korrektor aller in seinem Verlage in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache erschienener Werke, sowie aller algebraischen Tabellen und mathematischen Druckschriften, war.

Wie warm er sich aber für unser „Magazin“ intereffirte, das von ihm, wie von seinem Compagnon, Herrn Dr. Veit, mit der uneigennüßigsten Thätigkeit auf buchhändlerischem Wege gefördert wurde, bewies er namentlich am 25. Januar 1857, an welchem Tage er im Vereine mit Veit und einigen anderen literarischen Freunden in Berlin dem Herausgeber dieser Blätter ein Fest bereitet hatte zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens derselben unter einer und der felben Redaction. Lehfeldt hielt bei dieser Gelegenheit einen Vortrag, deffen Schlußworte auch den Schluß dieses ihm gewidmeten Er innerungs-Wortes bilden mögen:

"Die Sage der Vorzeit hat von jeher für einen schicklichen Schmuck solcher Feste, wie das heutige, gegolten. Gedenken wir denn jener tiefen und schönen Ueberlieferung: wie einst die noch jungen Geschlechter der Menschen sich gefürchtet, den urheimischen Heerd aus dem Auge verlieren, das innige Band der Familie und gemeinsamen Mundart aufgeben, auf Nimmerwiedersehen einander verlassen zu müssen; wie sie dann gerufen:,,,,Kommet, laffet uns einen Thurm bauen, der in den Himmel reiche, daran unser Name hafte, daß wir nicht zerstreuet werden in alle Lande!"" Das aber war, heißt es, nicht nach dem Rathschlusse des Herrn; er verwirrte ihre Sprachen und zerstreute sie über die weite Erde.

[ocr errors]

,,Allein nicht minder ist es eine Verheißung des Herrn, daß einst die Völker sich und eine gemeinsame Sprache wiederfinden werden. Wenn an der Stelle des von Kinderhänden errichteten Steinhaufens einst ein geistiger Leuchtthurm sich erheben und ein einiges Licht des Glaubens und Wiffens über beide Hemisphären ausstrahlen, wenn jene von Goethe verkündete Welt-Literatur den Anfang bilden soll einer Epoche für die Gesammtverständigung der Menschheit im Geist und in der Wahrheit, wenn an jener großen Bestimmung auch diese flüchtigen viertausend Blätter unseres ,,Magazin" ihren bescheidenen Antheil haben: so lassen Sie uns seinem Stifter und Leiter aus aufrichtigem Herzen unsere Glückwünsche darbringen!"

-

Mannigfaltiges.

Zur Frage über die griechische Nationalität. Nach einer uns aus Athen zugegangenen Ankündigung des dortigen Buchhändlers Nikolaidis Philadelpheus vom Mai 1858, ist daselbst eine historische Quellensammlung über das byzantinische Reich vom achten bis zum zehnten Jahrhundert, von Spiridon Zampelios, unter dem Titel:,,Études Byzantines", erschienen. Der Verfaffer, ein Grieche von der Insel Leukadien und naher Verwandter des namentlich durch seine patriotischen Trauerspiele bekannten und deshalb bei dem griechischen Volke in hoher Achtung stehenden, im Mai 1856 verstorbenen Joannis Zampelios, hat sich bereits vielfach durch wissenschaftliche Arbeiten über die mittelalterliche Geschichte seines Volkes, über das neugriechische Volkslied, auch durch eine sehr reichhaltige Sammlung neugriechischer Volkslieder (,,Aoμara dŋporixà τns Eλhádos”, Korfu, 1852) rühmlich bekannt gemacht. Diese Sammlung selbst leitete er durch eine sehr ausführliche, gegen sechshundert Seiten umfassende, historische Untersuchung „über den mittelalterlichen Hellenismus“ (xɛgì μɛσawwvizov Elλquoμov) ein, die, auch wenn sie in ihren Erμεσαιωνικοῦ Ἑλληνισμοῦ) gebnissen nicht allenthalben die Billigung der Geschichtskundigen fin den konnte, doch von guten historischen Forschungen des Verfafsfers zeugt. Er hat seitdem diese Forschungen fortgeseßt und zu diesem Zwecke theils Städte besucht, in denen Spuren griechischer Kultur · sich erhalten haben, theils Bibliotheken nach Handschriften und Büchern über die griechische Nationalität und Civilisation des Mittelalters durchstöbert. Besonders ist es ihm im Intereffe der neugriechischen Nationalität auch hier darum zu thun gewesen, die Einheit des Hellenismus von den Zeiten des Heraklius an (im fiebenten Jahrhundert) bis zu Nicephorus Phokas (im zehnten Jahrhundert) nachzuweisen. Er hat zu dem Ende griechische und andere Chroniken verglichen und alle die nöthigen literarischen Studien gemacht, die auf die mit seinen Zwecken zusammenhängenden Fragen der Nationalgeschichte und der Nationalliteratur während der angegebenen Zeiten irgendwie Bezug haben, und er hat dabei auch nicht unterlaffen, der Geschichte der neugriechischen Sprache vom Anfange der chriftlichen Zeitrechnung bis zu dem Zeitalter der Komnenen die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Das Ganze macht einen Band von fast achthundert OktavSeiten aus, und der Preis deffelben ist auf zehn Drachmen festgefeßt.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3' Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. and vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Matt im Zulande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 86.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Zägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallfir. Nr. 21), sowie von allen Lönigl. Poft-Nemtern, angenommen.

Literatur des des Auslandes.

Italien.

Berlin, Dienstag den 20. Juli.

Rom, als Hauptstadt der katholischen Welt. Von der in diesen Blättern bereits erwähnten,,Sammlung von kuissischen Werken der neueren katholischen Literatur Englands in reutscher Uebersehung") liegen uns zwei neue Bändchen vor: das zwölfte mit dem Titel:,,Rom und feine Beherrscher, seine StaatsEinrichtungen und öffentlichen Anstalten, von John Francis Maguire", und bas dreizehnte:,,Erinnerungen an die leßten vier Päpste und an Nom in ihrer Zeit, von Sr. Eminenz Nicolaus Kardinal Wiseman." Die Besprechung von Schriften, wie die eben genannten, die zunächst für die Konfessions-Verwandten der Verfaffer oder Herausgeber bestimmt sind, hat für den, der einer anderen Konfession angehört, manche Bedenklichkeit. Weiß man sich auch von Vorurtheilen frei, so fühlt man sich doch fremd in dem Kreise der Ideen und Gefühle Andersglaubender. Es ist, als wenn man, in eine fremde Familie verfest, genöthigt würde, über ihre inneren Angelegenheiten ein Wort mitzusprechen. Man will auf der einen Seite nicht verlegen, auf der anderen aber auch seiner Ueberzeugung nichts vergeben. Die Aufgabe wird indeß sehr erleichtert, wenn wir es mit Männern zu thun haben, die, offen und unbefangen, das, was sie mit Liebe und Be geisterung erfüllt, mit Wärme, ohne alle unedle Nebenzwecke, ohne zelotische Herabsegung des Fremden zur Verherrlichung des Eigenen äußern. Bei folchen fühlt man sich nicht mehr fremd; denn man erkennt in ihnen Gesinnungsgenossen, denen es mit ihrem Glauben ebenso Ernst ist, wie uns mit dem unseren, wenn auch der ihrige ein auderer ist, als der unfrige, und wir dürfen ihrer Glaubensfreudigkeit unsere volle Anerkennung zollen, ohne zu fürchten, dadurch einen Verrath an unserer Ueberzeugung zu begehen.

Wir beginnen mit dem dreizehnten Bändchen, das die Erinnerungen an die vier unmittelbaren Vorgänger des jezigen Papstes, von dem das zwölfte Bändchen handelt, mittheilt. Der Verfasser ist eine berühmte Persönlichkeit, der Kardinal Wiseman. Er giebt uns, wie er selbst in der Vorrede fagt, keine Geschichte, keine Reihe von Biographieen, kein Tagebuch, noch auch das, was man Memoiren nennt, fondern so viel von einem sich fortbewegenden großen Bilde, als ein Einzelner mit den Augen wahrgenommen und im Gedächtniß bewahrt hat. Man nehme also das Werk für das, was es ist: Erinnerungen an vier wahrhaft gute und tugendhafte Männer, an Scenen, in welchen sich diese bewegten, und an Männer, die sie lieben und ehren mußten.

Der Verfaffer kam mit noch fünf anderen jungen Leuten am 18. Dezember 1818 nach Rom, um in das dortige englische Kolleg, das beinahe ein Menscheralter hindurch unbewohnt und verödet ge wesen war und das Papst Pius VII. und sein Minister, der Kardinal Consalvi, wiederhergestellt hatten, zu treten. Am 24. Dezember wurden sie dem Papfte vorgestellt. Der heilige Vater empfing fie stehend, reichte Jedem die Hand und hieß sie in Rom willkommen. Er lobte das gute und friedfertige Betragen der englischen Geistlichkeit und ihre Treue gegen den heiligen Stuhl, ermahnte die jungen Leute, fleißig und fromm zu sein, und sagte:,,Ich hoffe, ihr werdet Rom und eurem Vaterlande Ehre machen". Durch diese persönliche Beziehung des Oberhauptes der Kirche zu dem Einzelnen", bemerkt der Verfaffer sehr richtig,,,wandelt sich die scheue und sich in der Ferne haltende Ehrfurcht in Liebe wie zu einem innig Befreundeten um. Ist es zu verwundern, daß das, was man,, Ultramontanismus nennt, überall zunimmt? Denn was ist es eigentlich? Nicht eine besondere Lehre, sondern eine lebendigere persönliche Wahrnehmung und Er. fahrung der Wirkungen einer Lehre. An die päpstliche Suprematie glaubt der ungereifte Katholik ebenso gut wie der gereiste. Aber die Erleichterung des Reifens und manche andere Gründe haben die Zahl verjenigen vermehrt, welche mit den Päpsten in persönliche Berührung gekommen sind, und das hat faft immer die Wirkung gehabt, den ab

[merged small][ocr errors][merged small]
[ocr errors]

1858.

strakten Glauben zu tief gefühlter Begeisterung zu steigern Bei denjenigen aber, welche Jahre lang unter diesem das Herz gewinnen. den und bildenden Einflusse stehen, wird dieses Gefühl zu einer Macht, welche bei Allen, ungeachtet sonstiger Verschiedenheiten, gleich dauernd und wirksam ist und ihren religiösen und kirchlichen Ueberzeugungen Wärme und Kraft giebt." Wer möchte gegen einen solchen Ultramontanismus etwas einzuwenden haben? Daß sich ein gläubiger Katholik zu dem sichtbaren Oberhaupte seiner Kirche hingezogen fühlt, wie zu einem geistigen Vater, und um so mehr, wenn er in ihm persönlich einen Mann von echter Frömmigkeit und gewinnender Milde kennen gelernt hat, wer möchte ihm das verargen? Soll einmal uns die Norm unseres religiösen Glaubens von einer äußeren Autorität werden: ist es da nicht unendlich vorzuziehen, wenn sie uns von einem Manne wird, der mit uns lebt, der das religiöse Bedürfniß seiner Zeit kennt, der une belehren, rathen, warnen, der manchen Fehlgriff, den er oder seine Vorgänger, troß ihrer angeblichen Unfehlbarkeit, gemacht haben, klug wieder verbessern kann, als wenn wir einem todten Papiere, einer starren Bekenntnißschrift aus einer Zeit, deren Bildung und Anschauung nicht mehr die unsere ist, die höchste geistliche Macht über uns einräumen? Berge trennen jezt nicht mehr Länder und Völker, aber keine menschliche Gewalt vermag den Unterschied der Zeiten aufzuheben.

Papst Pius VII. bewährte seine Frömmigkeit im Unglück, wie im Glück. Ihm fehlte es dabei nicht an einer gewissen Festigkeit. In einer Unterredung des Papstes mit Napoleon zu Fontainebleau, berichtet Pistolesi, der italiänische Biograph des Papstes, zählte Pius mit großer Ruhe Alles auf, was er für die Erhaltung der Kirche und Religion gethan und gelitten. Er schloß mit der festen, aber ruhigen Erklärung: er sei entschlossen, lieber Alles zu leiden, als das zu thun, was man von ihm verlange. Auf Napoleon, der aufmerksam zugehört hatte, machte diese mit apostolischer Einfachheit verbundene Festigkeit einen tiefen Eindruck. Er wurde ruhiger, umarmte den Papst und sagte beim Abschiede: „Wäre ich an Ihrer Stelle gewesen, ich hätte ebenso gehandelt." Die Triebfeder der äußeren und inneren Politik des Papstes war der Kardinal Ercole Consalvi. Der Verfasser hebt besonders die freundschaftliche Beziehung hervor, in der der Papst mit England stand. Eine der erklärten und vielleicht eine der hauptsächlichsten Ursachen des Bruches zwischen. Pius und Napoleon war die Weigerung des Papstes, sich dem Kontinentalsystem anzuschließen. Die persönlichen Leiden des Papstes, seine Geduld, seine musterhafte Tugend erhöhte die Sympathie der Engländer für ihn. Mehr als einmal war England bereit, ihn an Bord eines seiner Kriegsschiffe aufzunehmen, und ihm ein Asyl zu gewähren. Die großen Kosten, die der Transport der geraubten Kunstschäße aus dem Louvre nach Rom verursachte, bestritt die englische Regierung ganz.

Für Literatur, Wissenschaft und Kunst geschah unter Pius VII. viel. Der Veteran der Alterthumsforscher, Fea, bekannt durch seine prachtvolle Ausgabe der Werke Winckelmann's, war immer noch thätig, Theorieen auf Forschungen zu gründen, die nicht immer glücklich waren. Ein anderes Original von einem Gelehrten war der Abbate Francesco Cancellieri, der unter anderen Schriften auch ein Buch: Ueber die Landhäuser der Päpste und über den Stich der Tarantel geschrieben hat. Niebuhr fagte nicht mit Unrecht von Cancellieri's Schriften: Sie enthalten einiges Wichtige, vieles Nügliche und alles Ueberflüssige. Angelo Mai, der berühmte Entdecker und Herausgeber verloren geglaubter Schriften, kam im Jahre 1819 nach Rom. → Eine Besserung des Geschmackes ward in der Kanzel - Beredtsamkeit sichtbar, wie denn überhaupt die italiänische Sprache zu der befferen klassischen Form wieder zurückkehrte. Die exakten Wissenschaften hatten an den Profefforen Conti und Calandrelli würdige Vertreter. Sarpellini wurde Gründer einer noch bestehenden Akademie für angewandte Naturwissenschaften: Dr. Morichini war ein tüchtiger Arzt und Mitarbeiter des Sir Humphry Davis, welcher in der Sapienza zu Rom viele Experimente machte und von dieser Anstalt immer in sehr achtungsvollen Ausdrücken sprach. Morichint war auch der Erstè, welcher die magnetische Kraft des violetten Lichtstrahls im Prisma

[ocr errors]
[ocr errors]

za

entdeckte und anwendete. Der Pater Vico und der noch lebende Pater Secchi find auch außer Rom in der Gelehrtenwelt bekannt. Für die Kunst war die Regierung Pius' VII. eine glückliche Periode. Canova erhob die Bildhauerkunft, welche ins Affektirte, Uebertriebene und Platte ausgeartet war, wieder auf eine höhere Stufe. Wie er in mancher Hinsicht von seinen Nachfolgern übertroffen worden ist, 3. B. von dem großen dänischen Künstler Thorwaldsen, so darf man dabei nicht vergessen, daß kein Fortschritt, selbst nicht der lezte Schritt zur Vollkommenheit, mit dem ersten Schritte, der aus dem Verfalle heraus zu einem richtigen Prinzip und zu einer gesunden Entwickelung führt, verglichen werden kann, zumal wenn dieser Schritt denjenigen, welcher ihn thut, gleich so weit bringt, daß er als Muster zur Nachahmung angesehen werden kann. - Die Kunstschäße des Vatikans wurden vermehrt und würdig aufgestellt. Ein besonderes Verdienst erwarb sich der Papst durch die Ausgrabung und Wiederherstellung alter Denkmäler. Der Triumphbogen des Septimius Severus wurde vom Schutt entblößt, ein Theil des Kolosseums durch einen Strebepfeiler vor dem Einsturz bewahrt und der Triumphbogen des Titus reftaurirt.

"

Ein Punkt pflegt als Beweis der Schwäche der päpstlichen Regierung angeführt zu werden, nämlich das Räuberwesen, das nach der Wiederkehr des Papstes mit größerer Kühnheit um sich griff, nachdem es felbst die Strenge der Franzosen nicht ganz hatte unterdrücken können. Der Verfasser gesteht die Unzulänglichkeit der Mittel zur Beseitigung des Uebels ein und giebt die Gründe an, warum sie eben nicht ausreichen: Es wird in einzelnen Familien und in einzelnen Gegenden zu einem Erbübel, und man vergißt dann beinahe die Abscheulichkeit, Grausamkeit und Verruchtheit desselben über die verwegenen und kühnen Thaten, den sicheren und großen Gewinn und selbst über den Reiz der damit verbundenen Gefahren. Heißes Blut führt leicht zu Vergehen gegen die Person, und ein einziges Verbrechen der Art bringt den, der es begangen, leicht dahin, daß er sich der Strafe zu entziehen sucht durch den Krieg gegen die Gesellschaft, von welcher er eine gerechte Ahndung seines Verbrechens zu fürchten hat. Seien wir indeß nicht ungerecht. Dieses Unwesen, ein Fluch für Italien, ist freilich bei uns nicht möglich; wir haben keine Apenninen, keine Felsennester, keine waldigen Gebirge. Aber es sind in der leßten Zeit schwarze und kalte Verbrechen genug begangen worden, mit Blutvergießen und zum Verderben von Tausenden, und diese Verbrechen könnte man auch leicht klassifiziren und auf Krankheiten zurückführen, an denen die Gesellschaft in unserem Lande leidet, von denen aber Italien nichts weiß.“

Pius VII. hatte beinahe ebenso lange auf dem römischen Stuhle geseffen wie der heilige Petrus, als er in Folge eines durch einen unglücklichen Fall veranlaßten Schenkelbruches am 20. August 1823 starb. Sein Nachfolger war der Kardinal Hannibal della Genga, der den Namen Leo XII. annahm. Der Papst stand schon in seinem vierundsechzigsten Jahre und hatte bisher aus Kränklichkeit an den öffentlichen Angelegenheiten keinen Antheil genommen. Jest entfaltete er eine Intelligenz und Thätigkeit, welche sein Pontifikat zu einem der denkwürdigsten zu machen versprach; aber er hatte kaum seine Thätigkeit begonnen, als sein körperliches Leiden sich wieder zeigte und alle Hoffnung zu vernichten drohte. Wider Erwarten erholte er fich im Laufe des Januars 1824 wieder, und nach seiner Genesung traten sein Charakter und seine Politik allmählich deutlicher hervor. In seinem Charakter zeigte sich eine große Einfachheit, in seiner Politik ein eifriges Bestreben, zu reformiren. In der Verwaltung richtete er sein Augenmerk vorzüglich auf das Finanzwesen, das er mit fo gutem Erfolge regelte, daß er sich bald in den Stand gefeßt sah, die Steuern nicht unbedeutend herabzusehen. Er veröffentlichte bald nach seiner Thronbesteigung ein neues Gefeßbuch, und endlich ließ er sich die Verbefferung des Unterrichtswesens besonders angelegen sein. Auch in kirchlichen Angelegenheiten führte er wichtige Reformen durch. Eine von diesen machte ihn bei den Fremden unpopulär, nämlich die Aufhebung der Beleuchtung der Peterskirche durch ein Lichtkreuz in der Charwoche. „Der schöne Effekt, den die Beleuchtung machte, lockte Viele herbei, die in keiner anderen Absicht kamen, als um die fen Anblick zu genießen. Während Pilger aus dem Süden mitten in der Kirche auf dem Boden knieeten, machten Reisende aus dem Norden ihre Promenaden in dem wundervollen Lichte, plauderten und lachten, bald in Gruppen zusammenstehend, bald zu Zweien oder Dreien harmlos herumschlendernd. So wurde das, was So wurde das, was einen feierlichen Eindruck machen sollte, ein Gegenstand der leichtfertigsten Neugier. Man mußte sich ärgern und betrüben über ein solches Benehmen, ja, man fühlte fich versucht, seines Vaterlandes sich zu schämen, wenn man sah, wie gut gekleidete Landsleute unfähig waren, die frommen Gefühle Anderer zu achten, und sich in Sankt Peter anders zu benehmen, wie zuhause in Sankt Paul. In den beiden päpstlichen Kapellen hatte man seit langer Zeit erhöhte Size für fremde Damen angebracht, welche von dort aus die am Altare statt findenden Ceremonien bequem sehen konnten. Diese Begünstigung

wurde in der schmählichsten Weise gemißbraucht. Man erlaubte fich nicht nur ein leichtfertiges und unehrerbietiges Benehmen, nicht nur Kichern und lautes Schwaßen, sondern selbst Essen und Trinken an heiliger Stätte. Alle Vorstellungen waren fruchtlos, desgleichen das Ausgeben von Eintrittskarten und das Anstellen von Aufsehern. Da fanden eines schönen Tages die Damen, als sie ankamen, daß die erhöhten Tribünen nicht mehr da waren, und daß ihre Stühle auf dem Boden der Kapelle ftanden. Das genügte für die, welche kamen, um zu beten, aber es war ganz zweckwidrig für die, welche nur kamen, um in freiwilliger Unwissenheit zuzusehen, oder in boshafter Verkehrtheit zu spotten." - Man kann es dem Verfasser nicht verargen, wenn er bei dieser Gelegenheit gegen seine Landsleute bitter wird. Das Heilige in anderer Form nicht achten, das ist der echte Hochmuth eingebildeter Frömmigkeit und das Zeichen eines äußerlichen FormelGlaubens, der das Herz roh läßt, so daß es für den fremden Ausdruck frommer Gefühle keine Sympathie haben kann!

Der Verfasser führt noch ein anderes Beispiel solcher, milde ge= sagt, unanständigen Taktlosigkeit an. Bekanntlich haben zu dem Theile des Palastes, welchen der Papst bewohnt, Damen feinen Zutritt. Im sie zu empfangen, begiebt sich der Papst aus seinen Gemächern in dis Museum oder in die Bibliothek. „Eines Nachmittags wurde den Papste gemeldet, eine Dame habe an den Wachen vorbeizukommen gewußt und sei schon weit in das Innere des Palastes vorgedrungen gewesen, als man sie entdeckt habe. Man hatte sie natürlich gehindert, weiter zu gehen, sonst hätte sie leicht plöglich in dem Audienzzimmer oder in dem Studirzimmer erscheinen können, in welchem der Papst in diesen Stunden sich gewöhnlich aufhält. Was war zu thun? Eine solche Dreiftigkeit war unerhört; wie die Dame hereingekommen sei, blieb unerklärlich und war um so weniger leicht zu ermitteln, als sie kein Italiänisch sprach und sich nur soweit hatte verständlich machen können, daß man wußte, sie wolle den Papst sprechen. Man erinnere sich, daß damals die geheimen Gesellschaften schon anfingen, gefährlich zu werden, und daß bereits mehrere Fälle vorgekommen waren, daß man hochgestellte Personen in ihrer Wohnung ermordet oder zu ermorden versucht hatte. Der Papst besorgte indeß dergleichen nicht und befahl, die Dame gleich vorzulaffen. Sie hatte eine lange Audienz und wurde von ihm mit seiner gewöhnlichen Freundlichkeit behandelt. Es war eine Amerikanerin, die von dem sehnlichen Ver-langen beseelt war, den Papst von seinen Irrthümern zu befehren, und die zu dem Ende eine Besprechung mit ihm zu erlangen versucht hatte. Daß sie den Papst nicht bekehrte, ist sicher; daß sie aber zu einer anderen Meinung über ihn bekehrt wurde, ist nicht zu bezweifeln; denn sein mildes und sanftes und dabei nobeles und würdevolles Wesen hat gewiß tiefen Eindruck auf sie gemacht." -,,Diese Anekdote", fügt der Verfasser in einer Anmerkung hinzu, „erzählte mir der Kardinal Pacca auf der Villa Clementina. Er erwähnte dabei, der Papst habe auch die Dame gefragt, ob sie nicht geglaubt, er habe Füße mit gespaltenen Klauen wie ein Ochs; fe habe, zwischen Höflichkeit und Aufrichtigkeit schwankend, mit der Antwort gezögert, zumal sie schon wiederholt nach dem Saume der Soutane des Papstes hingeblickt hatte. Der Papst habe sie gutmüthig durch den Augenschein überzeugt, daß er wenigstens ebensolche Schuhe trage, wie andere Christenmenschen." Man weiß nicht, soll man eher über die sancta simplicitas der frommen Dame lachen, oder über ihre freche Zudringlichkeit sich ärgern. Vielen protestantischen Missionaren gilt solches plumpe Zufahren für Glaubenseifer, durch den sie zu imponiren mei> nen. Da haben die Jesuiten ihr Handwerk beffer verstanden.

Das wichtigste Ereigniß des Pontifikats Leo's XII. war die Feier des Jubiläums, 1825, zu dem Schaaren von Pilgern nach Rom wanderten, für deren Unterkommen und Unterhalt auf das beste gesorgt wurde. In demselben Jahre empfing Wiseman die Priesterweihe und ward schon im folgenden Jahre zum Vice-Rektor im englischen Kolleg ernannt. Im Jahre 1823 wurde er Nachfolger des bisherigen Rektors Dr. Gradwell, der zum Bischof ernannt wurde. Um diese Zeit erlangte Wiseman auch durch öffentliche Disputation, deren Feierlichkeit er genau beschreibt, die Würde eines Doktors der Theologie, und die Herausgabe seiner,,Horae Syriacae" verschaffte ihm die Profeffur der orientalischen Sprachen an der römischen Universität. Ein Besuch des Papstes, den er den Studenten des englischen Kollegs auf ihrer Villa zu Monte Porzio, wo sie die HerbstFerien zubrachten, machte, zeugt von seiner Leutseligkeit und dem besonderen Intereffe, das er an der Anstalt nahm. (Schluß folgt.)

Frankreich.

Das Glück in der Ehe.

Die Erfindungsgabe der französischen Schriftsteller beschäftigt sich in neuerer Zeit unaufhörlich damit, die Zeit vom Ruhme Sebastopols in möglichst helles Licht zu stellen; es muß dies wohl ein einträgliches Geschäft sein und wird vielleicht von hohen Händen be

« ForrigeFortsæt »