Billeder på siden
PDF
ePub

aber Diego war arm und auch Isabellen's Familie in bedrängten Verhältnissen. Da bot sich Isabellen ein reicher Freier, Rodrigo de Azagra, gegen welchen ihr Vater alte, gewichtige Verbindlichkeiten hatte. Dieser, im Kampfe zwischen der Liebe zu seiner Tochter einerfeits and Dankbarkeit sowie dem Wunsche, seine Lage zu verbessern, andererseits, fand endlich einen Ausweg, indem er Diego eine sechsjährige Frist gewährte. Kehrte derselbe binnen dieser Zeit als ein reicher Mann in seine Heimat zurück, so sollte Isabelle die Seinige werden, wo nicht, Rodrigo's.

Diego verließ Aragonien, mit den Farben seiner Dame geschmückt, und wandte sich nach Caftilien, wo er bald Ruhm und Beute gewann. Aber ebenso schnell verlor er sie wieder, schiffte nun nach Syrien, ward abermals reich, allein auf der Rückkehr nach Spanien fiel er Korsaren in die Hände, und wir finden ihn nun als Sklave des Sultans von Valencia, deffen Gemahlin eine heftige Liebe zu dem Christen faßt, ihn aber nicht zu einer Erwiederung bestimmen kann. Die Erklärungen Zulima's athmen afrikanische Gluth, aber so heftig, wie ihre Liebe, ist nun auch ihr Haß, da sie sich verschmäht sieht. Schon hat sie Diego's Tod beschlossen, da kehrt plöglich der Sultan zurück, den Diego vor einer gegen ihn geschmiedeten Verrätherei zu warnen so glücklich war, und schenkt ihm die Freiheit. Indeffen hat Diego's Vater, aus Schmerz über den Verlust feines Sohnes, Isabellens Vater, Pedro, beleidigt. Eine Krankheit, die den Ersteren dem Tode nahe brachte, schob den Ehrenhandel auf. Jezt, nach Martin's Genesung, foll er vor sich gehen, aber Martin ist nun der Familie Isabellens zu Danke verpflichtet, denn ihre Mutter war es, die, als Arzt verkleidet, thu geheilt. So unterbleibt der Zweikampf, und Pedro weiß nicht, wie er die edle That seiner Gattin rühmen soll. Aber gegen die leidende Isabelle hat diese sich indessen mit äußerster Härte benommen. Doch endlich vom Jammer und der Liebe Isabellens gerührt, gesteht Re, daß sie jene Härte nur erheuchelt, nun aber den Bitten ihrer geliebten Tochter nicht mehr widerstehen könne. Sie werde Alles thun, um sie von Azagra's Werbung zu befreien. Doch sie täuscht sich über den Charakter Rodrigo's. Er ist zu tief von dem hohen Werthe Isabellens durchdrungen, als daß Vorstellungen aller Art, selbst die Versicherung, daß Isabelle ihn nicht liebe, nie lieben werde, von feinem festen Vorfahe abbringen könnten. Und als Margarita ihm mit heftigen Worten erklärt, daß er ihre Tochter nicht haben solle, erwiedert er kalt, daß er sich Empfehlungsbriefe für sie selbst verschafft habe. Ein kürzlich verstorbener Ritter hat nämlich ein Paket Briefe hinterlassen, die in seines Freundes, Rodrigo's, Hände fielen. Diese Briefe enthalten nichts Geringeres als ein früheres Liebesverhält niß Margaritens zu diesem Ritter. Diese Briefe will Rodrigo, der kein Mittel verschmäht, um Isabellen zu gewinnen, dem beleidigten Pedro einhändigen, wenn Margarita ihm nicht ihren Beistand zu fage. Die Arme sieht sich so genöthigt, an dem Unglück ihrer Tochter zu arbeiten, wenn nicht ihre eigene Schande ans Tageslicht kommen soll. Und diese Tochter ist schon unglücklich genug! Eben erst hat sie durch die verkleidete Sultanin die Nachricht erhalten, ihr Diego habe sich in eine vornehme Maurin verliebt und sei dafür hingerichtet worden! Doch Isabelle kann es nicht glauben, und wenn auch, Rodrigo soll nie ihre Hand erhalten. Da sieht sich Margarita endlich gezwungen, sich ihrer Tochter zu entdecken, und diese will sich für die Mutter opfern, fie will Rodrigo ihre Hand geben. Der furchtbare Tag ist da. Rodrigo erklärt sich mit ihr, er kennt ihre Gefühle, er schildert ihr nun auch die feinigen, seine Leidenschaft und seine jahrelangen Leiden. Er will nichts von ihr, als den Namen des Gatten, nur das stolze Gefühl, daß sie seinen Namen trage, dann will er sich wieder von ihr trennen, sie soll bei ihren Aeltern leben, er fern von ihr. Sie reicht ihm endlich gebrochen die Hand, um sie zum Altare zu führen.

Aber auch Diego eilt heran. Doch noch einmal ereilt ihn das Mißgeschick. Vor den Thoren Teruels fällt er einer Näuberbande in die Hände, aus denen er ebenso wunderbar durch Zulima befreit wird, die ihm zugleich hohnlachend die Nachricht bringt, daß er zu spät komme, aber gleich darauf von einem Sendling des Sultans erdolcht wird. Wahnsinnig vor Schmerz und Zorn, wirft Diego den Vater, der ihm entgegen eilt, bei Seite und eilt nach Teruel. Zu spät! Isabelle ist schon mit Rodrigo verbunden.

Doch Isabelle ist geknickt, sie weiß Alles und erwartet nur vom Lode Ruhe und Frieden. So findet sie Diego, der nach einem blu tigen Zweikampf mit Rodrigo zu ihr durchs Fenster springt. Sie fährt vor ihm zurück, sie hält ihm vor, daß sie vermählt sei. Aber Diego's wüthende Leidenschaft gestattet nicht, sich vom Geschicke verhöhnen zu lassen, ihre Ehe kümmert ihn nichts; mit bitteren Worten wirft er ihr ihren Mangel an Liebe vor. Und doch, er ist überzeugt, fie liebe ihn noch! Isabelle kann ihm nicht widerstehen, sie bekennt ihre Gefühle, bittet ihn aber, zu gehen. Endlich will er es thun,

aber nur noch eine leßte Umarmung erbittet er. Sie verweigert es. Um ihr zu zeigen, was sie von Rodrigo zu erwarten habe, sagt er ihr, daß er Rodrigo niedergeworfen, daß dieser aber geschworen, sich zu rächen an ihrer Mutter, an ihr, an ihrem Vater. Da geräth Isabelle, die nun das Schrecklichste kommen sieht, in Verzweiflung und stößt Worte des Haffes gegen Diego aus. Sie haßt mich!" ruft er ruft er,,Isabelle haßt mich! ich täuschte mich in ihr in ihrer Liebe! Verlorenes Dasein! O hier fühl ich eine Angst eine Beklemmung ach, ich bete sie an, und sie, sie haßt mich, tödtet mich!"Und wie von einem Blige getroffen, sinkt er nieder, er ist todt! Vergebens nimmt Isabelle das rasche Wort zurück. Er bleibt todt. Da erfaßt sie Entseßen, und in ungeheurem Schmerz stürzt sie zu ihm nieder und stirbt, ihn umfaffend, auf den Knieen!

Man sieht aus diesen Umrissen, welche mächtige Gefühle aufge. boten sind, um die furchtbarsten Konflikte herbeizuführen: Liebe, Ehre, Mutterliebe stoßen in erhabenem Kampfe gegen einander und nehmen unser höchstes Interesse im Anspruch. Die Charaktere sind meisterhaft gezeichnet, die Sprache ist vollendet, und wenngleich manches Romanhafte uns weniger zusagt und der Schluß, wie Harzenbusch felbft meinte, für kühlere Deutsche zu stark ist, obwohl er in Spanien, bei trefflicher Darstellung, den größten Beifall fand, so ist das Ganze doch des Rufes würdig, den es in Spanien genießt. (Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

Dichtungen von Alexander Petöfi.) Es wird uns schwer, diese von Kertbeny überseßten und von Bodenstedt mit einem Vorwort eingeführten Dichtungen anzuzeigen. Denn gern möchten wir die Pflicht der Gastfreundschaft üben gegen einen magyarischen Dichter, von dem wir wissen, daß er mit jugendlicher Begeisterung in die Saiten der vaterländischen Lyra gegriffen, daß er mit dem Schwerte, wie Theodor Körner, für das Vaterland und seine poetischen Ideen gekämpft und dessen Spuren an einem blutigen Schlachttage geheimnißvoll und unauffindbar verschwunden sind. Aber wenn wir den vorliegenden, 592 Seiten starken Band durchblättern, so suchen wir vergebens nach einer Handhabe, um den Dichter dergestalt zu ergreifen und dem deutschen Publikum zu zeigen, daß es mit uns von der Würdigkeit Petöfi's und von seinem Anspruche, zu den Ersten auf dem Parnasse unserer magyarischen Nachbaren zu gehören, überzeugt werde. Herr Kertbeny hat unstreitig den besten Willen, die poetische Literatur der Magyaren recht populär in Deutschland zu machen; er läßt es auch an Fleiß und Beharrlichkeit zu diesem Zwecke nicht fehlen; aber es fehlt ihm ganz entschieden an jedem Berufe zu einer folchen Mission. Es geht ihm nicht blos alle Gewandtheit in der deutschen Verskunst und Stilistik ab, sondern es mangelt ihm auch jener ästhetische Kunstgeschmack, welcher herausfühlt, daß manches poetische Wort gerade durch seine treue Uebertragung auf fremden Boden unschön wird. Beweise für dieses Urtheil lassen sich aus jedem der Hunderte von Gedichten Petöfi's, die uns hier in deutscher Sprache vorliegen, beibringen. Friedrich Bodenstedt, der sich dem Verlangen des Herausgebers, eine Vorrede zu seinem Buche zu schreiben, nicht hat entziehen können, wirft, „troß der begründeten Einwendungen, welche die Kritik gegen Einzelnheiten der vorliegenden Arbeit erheben mag", die Frage auf, ob:,,bei der Alternative, Petöfi durch diesen Dolmetsch kennen zu lernen, oder seiner Bekanntschaft ganz zu entrathen", der Leser nicht für das Erstere sei? Wir gestehen, daß wir dafür nicht sind, und zwar im Interesse Petöfi's selbst. Denn ohne Herrn Kertbeny's unberufene Mühwaltung würde sich früher oder später ein des Ungarischen, wie des Deutschen, mächtiger und in der Verskunst beider Sprachen gewandter Ueberseßer des trefflichen Dichters Alerander Petöfi schon gefunden haben, während jezt durch die Arbeit Kertbeny's ein so entstelltes Bild von den Zügen des magyarischen Poeten in Deutschland verbreitet wird, daß nicht leicht eine gelungenere Darstellung Eingang finden dürfte.

Marc Aurel. Die philosophischen Meditationen dieses römischen Kaisers find gleichzeitig in Deutschland und in Frankreich zum Gegenstand einer gedruckten Schrift gemacht worden. Dort hat Herr F. C. Schneider diese Meditationen aus dem Griechischen überseht und mit Anmerkungen begleitet herausgegeben), und hier hat Herr E. de Suckau eine „Etude sur Marc-Aurèle, sa vie et sa doctrine" ***) erscheinen lassen. Beide kommen darin überein, daß diese ethischen, zum Theil sehr refignirten Betrachtungen über den Zustand der Gesellschaft auch heutzutage noch anwendbar auf dieselbe seien.

*) Aus dem Ungarischen, in eigenen und fremden Ueberseßungen, herausgegeben von Karl Maria Kertbeny. Mit einem Vorwort von Friedr. Bodenstedt. Leipzig, Brockhaus, 1858. **) Breslau, Trewendt, 1857. ***) Paris, Durand, 1857.

[merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small]

--

Türkei.

Berlin, Donnerstag den 21. Januar.

Die Türkei, vom christlich-religiösen Standpunkt betrachtet. Es fehlt wirklich nicht an Solchen, die, indem sie mit propheti schem Sinne aus der Vergangenheit durch Vermittelung der Zeichen der Gegenwart die Zukunft erkennen wollen, in der von der Politik Europa's beschlossenen und feierlich verkündigten Reform und Regeneration der Türkei nichts Anderes sehen, als die Christianisirung derselben. Es ist in der That von nicht geringem Intereffe, die Säße, von denen diese Propheten hierbei ausgehen und welche sie zu diesem Schluffe veranlassen, kennen zu lernen, da die Sache selbst in ihrer endlichen Entscheidung von dem wichtigsten Einfluffe auf Europa und Asien, vielleicht auch auf die Zukunft Afrika's, jedenfalls auf die Zukunft des Christenthums sein muß. Die Politik Europa's will die Türkei wiederbeleben, ihre Kräfte aus dem Abgrunde tiefsten Verfalls, in welchem diese Kräfte dahinschwinden, erheben, will Tugend an die Stelle des Lasters, Rechtlichkeit an die Stelle unbegränzter Corruption feßen, will Arbeit und Thätigkeit da erwecken, wo jest faule, übermüthige, freche, Körper und Geist tödtende Ueppigkeit Alles überwuchert, und will dann das neugeborene Volk in die Reihe der christlichen Staaten, wie in den Kreis einer christlichen Familie, einführen, seinen Vertretern im Rathe der gebildeten Völker Sig und Stimme einräumen: also sagt man will sie das Christenthum, sie will den Sieg des christlichen Elements, die Verbreitung des christlichen Lichts, christlicher Lehre, christlichen Lebens, christlicher Nüchternheit und Arbeitsamkeit, fie will im Allgemeinen christliches Wesen anstatt moslemitischen Unwesens. Jede Frage von Civilisation und Bildung ist an und für sich selbst und nothwendiger Weise eine Frage des Christenthums. Ohne dieses ist eine Neugestaltung, eine Wiedergeburt, eine Ueberwindung der Corruption und eine Erhebung aus dem Abgrunde fittlicher Verworfenheit nicht möglich, und es giebt auf der Erde keine Kraft, welche dies Alles vollenden könnte, als einzig und allein das Evangelium Christi. Die Lehre des falschen Propheten trägt den Keim und Grund des Verfalls in sich selbst und führt ihre Bekenner in einer gegebenen Zeitfrist nothwendig dem Untergange entgegen (man denke nur an die Herrschaft der Araber in Spanien!); die göttliche Religion Chrifti dagegen, mit der ihr in wohnenden Kraft ewiger Verjüngung und Wiederbelebung, die alle Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft in den Kreisen des Hauses, der Familie und des Staats durchdringt und belebt, diese Religion trägt, gleich der Gottheit selbst, neues frisches Leben und Wesen in nie versiegenden Quellen und in unverwüstlich gefunden Keimen in sich selbst. Alle Lafter und Gebrechen der muhammedanischen Menschheit wurzeln in ihrem religiösen Glauben; die der Christen dagegen folgen aus dem Abfalle von der Reinheit ihrer Lehre.

-

Die Politik Europa's hat nun auch das Mittel zu der von ihr beabsichtigten Wiedergeburt des türkischen Reichs, die von dem Christenthume allein ausgehen kann, sie hat der Pforte das Reform-Gesez vom 6. (18.) Februar 1856 abgedrungen, nachdem die tägliche Berührung mit dem Türkenthume im wahren Siße seiner Macht über die Hoffnungslosigkeit moslemitischer Zustände und über deren wahre Ursachen irgend einen Zweifel nicht länger hatte übrig bleiben lassen. Die Emancipation der Christen, die Gleichstellung derfelben mit den Türken ward in dem Hat grundsäglich ausgesprochen; das Grundgesez des türkischen Reichs ist umgestoßen, das Gebot des Korans wurde aufgegeben, ein neuer Aufbau des morschen Hauses auf ganz neuer Grundlage wurde beschlossen und eingeleitet. Das Unternehmen ist großartig, der Schritt ist kühn; aber wird die Politik Europa's ihr Ziel erreichen?

Gelingt das beabsichtigte Werk der Verschmelzung der Racen im türkischen Reiche und gelingt mit dieser Verschmelzung die Wiedergeburt desselben, so wird die Türkei dem Wesen nach ein chriftlicher Staat sein, und es ist dabei gleichgültig, ob das regierende Haus noch eine Zeit lang dem Muhammedanismus treu bleibt oder

1858.

nicht. Der Halbmond weicht dann vor der friedlichen Gewalt des Kreuzes; christliche Gesittung, christliches Leben, eine auf der Grundlage des Christenthums ruhende Freiheit wird ihre Segnungen über jenen Boden der Leiden und Knechtschaft verbreiten, arbeitsame Völkerschaften werden die bisher öden Landftriche bedecken und dürfen sich des gesicherten Genuffes ihres Erwerbes, des Fleißes ihrer Hände erfreuen; mehr und mehr verschwinden die Nefte der muhammedanischen Race, indem sie entweder dem selbstbereiteten Verderben verfallen oder, wie die Indianer in Amerika, die für sie tödtliche Berührung mit dem christlichen Elemente vermeidend, immer tiefer nach Asien zurückweichen; ein kleiner Reft wird dem Lichte des Christenthums nicht länger widerstehen und in der Mehrzahl der chriftlichen Bevölkerung sich völlig verlieren, Konstantin's Kirche wird in erneuter Herrlichkeit mit neuem frischen und erfrischenden Leben den Orient überstrahlen und ihn verjüngen; ein großes christliches Ostreich wird sich aus der Asche erheben. Gelingt dagegen das von der Politik Europa's beabsichtigte Werk der Wiedergeburt der Türkei nicht, vergrößert sich sogar der Riß zwischen den christlichen Völkerschaften und der muhammedanischen Raçe, und erzeugt sich statt der beabsichtigten Annäherung eine heftigere Abneigung, statt des erträumten Friedens eine ungesättigte Rachgier, statt der inneren Kräftigung unheilbarer Verfall, statt bloßer Krankheit offenbare Fäulniß und sicherer Tod; erweist sich also die von der Politik Europa's versuchte und unternommene Lösung der vrientalischen Frage als gänzlich unausführbar und der Gedanke einer Wiedergeburt der Türkei als ganz haltlos, dann bleibt nur noch ein Weg übrig, um den im Vertrage vom 30. März 1856 ausgesprochenen, mit so vielem Blut besiegelten Willen Europa's zur Wahrheit zu machen, nämlich die endliche, unabweisbare Aufopferung des Halbmondes, die Anerkennung des Kreuzes, die Errichtung Eines großen anatolischen Weltreichs oder mehrerer unabhängiger chriftlicher Staaten. Ein entscheidender Schritt muß dann geschehen; die endliche Lösung der orientalischen Frage muß erfolgen, und zur Verwirklichung großer und erhabener Ideen werden die Verhältnisse zur rechten Zeit auch den rechten Mann hervorrufen. Der legte große Mann aus der Zeit des mächtig bereinbrechenden Türkenthums, Skanderbeg, wird, wenn einst die legte Stunde der türkischen Macht in Europa vernehmlich genug geschlagen haben wird, auch sicher seinen Nachfolger finden, der das, was einst Jener gewollt und was die Zeit in ihrem stillen Gange herangebildet hat, als äußere Meinung mit kräftiger Hand hinausführt in die Wirklichkeit.

So steht die Sache nach menschlichen Ansichten; aber die Erfüllung der Geschicke des Ostens liegt im Schooße der Zukunft, in der verschlossenen Hand der göttlichen Vorsehung. Nicht ohne besonderen Grund kann man, nach christlicher Anschauungsweise, die Meinung festhalten, daß unsere Zeit, daß die nächste Zukunft dazu ausersehen sein könne, jene Erfüllung herbeizuführen. Die politischen Zustände Europa's sind in der Gegenwart fast aller Orten so traurig, und auch in den sittlich-sozialen Verhältnissen der Zeit offenbart sich unter den vorherrschenden Einflüssen des zerfressenden Materialismus eine solche Fäulniß, daß man glauben möchte, nur eine große, eine erhabene, alle Verhältnisse der christlichen Menschheit umfassende Idee könne die Völker Europa's aus ihrer Trägheit und Versumpfung aufrütteln, und man kommt in Versuchung, folche Erfolge von dem Christenthum, als einer urkräftigen und weltbewegenden Macht, zu erwarten, wenn und insoweit diese Macht von irgend einer Seite her einen kräftigen Anstoß erhielte. Bewirkte einst die Vernichtung drohende Barbarei der Muhammedaner durch die Kreuzzüge die erfteWiedergeburt Europa's nach dem Eintritte des Christenthums in die Weltgeschichte, so könnte es nun auch in der Miffion der Türken liegen, die für unsere Zeit so nöthige geistige und sittliche Wiedergeburt Europa's herbeizuführen; waren einst in früheren Jahrhunderten dieTürken die,,Zucht- und Lehrmeister der Chriften", so sind sie auch noch fort und fort die,,Warner und Wecker" Europa's geblieben. Das noch ungelöste Problem der orientalischen Frage, welches Eu ropa bereits so unendlich viel Verlegenheiten, Schimpf und Schande,

Opfer aller Art, namentlich aber Ströme Blutes im neunzehnten Jahrhundert gekostet hat, ist die verdiente Sühne für die Schuld und das Verbrechen der christlichen Völker, die sich in gegenseitigen Kämpfen zerrissen, als das Christenthum in früheren Jahrhunderten vor dem Andrange der Türken zurückwich, und da es am 29. Mai 1453 sein legtes Bollwerk an sie verlor.

Die Thränen, welche der Papst Nikolaus V. bei der Nachricht von dem Falle Konstantinopels vergossen haben soll, haben die Schuld und das Verbrechen der Gleichgültigkeit der Christen nicht gefühnt. Eben so wenig hat dies der Schlachttag von Lepanto, der 7. Oktober 1571, und noch weniger die Schlacht bei Navarin, am 20. Oktober 1827, gethan, wo die vereinigten Flotten Englands, Frankreichs und Rußlands die türkisch - ägyptische Flotte vernichteten. Erklärte man doch dieses legtere Ereigniß bald nachher als ein untoward event, und hat man doch dasselbe bis in die neueste Zeit von den Betheiligten und Unbetheiligten, von Seiten der christlichen Mächte vielfach und offen bereut, und hat es doch nicht minder die politische Presse aufrichtig beklagt! In innerer Beziehung bleibt es desenungeachtet ein merkwürdiges Ereigniß, wenn es auch nur eine politische Thatsache ist, daß Katholiken, Protestanten und Griechen in Einer Linie gegen Muhammed's Fahne standen. Die Jahre 1853-1856 erlebten freilich ein anderes Verhältniß, und wir selbst haben es sogar damals erleben müssen, daß, öffentlichen Nachrichten zufolge, in Paris eine Medaille mit der Aufschrift geschlagen ward: Dieu protège le catholicisme, le protestantisme, l'islamisme! Mit Recht sagt in dieser Hinsicht der Verfasser der,,Erinnerungen und Eindrücke aus Griechen,,Erinnerungen und Eindrücke aus Griechenland" (Basel, 1857), Professor Wilhelm Vischer in Basel, welcher im Frühjahre 1853 in Griechenland war und im April desselben Jahres in den Gewässern von Salamis, in denen einst die alten Griechen die Civilisation und die Freiheit Europa's, wie zehn Jahre früher bei Marathon zu Lande, vor dem Andrange barbarischer Horden Aftens gerettet hatten, die französische Flotte sah:,,Und diese Flotte war nicht gekommen, den orientalischen Barbaren, in dessen Joch noch die meisten Länder des südöstlichen Europa schmachten, der noch fast bis an die Thermopylen Gebieter heißt, in das Land, in das er gehört, nach Asien zurückzuweisen, sondern auch hier ist die Lage der Dinge so verändert, daß das Umgekehrte der Fall war. Sie war da, um ihn in seinem Besize zu schüßen gegen seinen mächtigeren, halb europäischen, nördlichen Nachbar, deffen Herrschaft in jenen schönen Ländern allerdings das westliche Europa ganz anders bedrohen würde, als die hinsiechenden Türken. Die Erhaltung einer Macht, die ihrem Grundwesen nach nothwendig mit unserer ganzen Civilisation im Widerspruch steht und die sich auflösen muß, sobald sie es nicht mehr ift, wird jest als eine Hauptaufgabe der Völker bezeichnet, die sich rühmen, an der Spiße der Civilisation zu stehen!",,Doch schon", seht er sogleich hinzu,,,hat sich das wahre, natürliche Verhältniß soweit hergestellt, daß die eifrigen Helfer zu höchst lästigen Beschüßern und unbequemen Freunden geworden sind und den Boden des wankenden Demanenreichs vollends untergraben haben." Das eben ist der Wiz der Weltgeschichte“, — äußerte 1827 einmal der klug und ver ftändig, zugleich aber auch mit christlichem Sinne über die Zeitereig nisse urtheilende Friedrich Perthes (f. dessen Leben, Bd. 3, S. 855 und S. 333), -,,und an dem Wize ist der Geist, der einst über dem Wasser von Navarin schwebte, zu erkennen", und dieser Geist hat auch neuerdings wieder vernehmlich genug seit dem Jahre 1853 zu den Völkern geredet. Schon früher, im Jahre 1828, schrieb der genannte Perthes (a. a. D. S. 284 ff.):,,Eine Amalgamirung Europa's und Asiens an ihrer füdlichen Gränzscheide, auf welcher schon einmal die höchste Entwickelung geistiger Menschheit sich darstellte, scheint mir im Gange der Geschichte zu liegen; natürliche Gränzen bilden dort keine Scheidung, und Europa bedarf eines Rückhaltes, um im Gleichgewichte zu dem mächtigen, aber austrocknenden Leben zu bleiben, das in Amerika hervortritt. Neu richten müssen sich die Menschen; die drei lezten Jahrhunderte gaben das Vorspiel dazu; vielleicht ist unserer Zeit die Haupthandlung beschieden." Und wenn auch seitdem auf der politischen Bühne Europa's, namentlich in den Beziehungen dieses Welttheils zum Süd-Osten und in seinen Verhältnissen zu den Wechselfällen der labyrinthisch und chamäleontisch, zugleich aber gewaltig drohend durch die Weltereignisse sich hinziehenden orientalischen Frage, gar Manches geschehen ist, wonach das chriftliche Herz und der christliche Verstand an sich selbst mußten irre werden und hätten verzweifeln mögen: auch hier kann dasjenige Troft gewähren, jedenfalls aber muß es zur Ruhe und zur Geduld mahnen, was Friedrich Perthes im Dezember 1832 an Karl von Raumer in Erlangen schrieb (a. a. D. S. 406 ff.): Gott regiert die Welt, und die Menschen können sie weder zu einem Stockhaus, noch zu einem Narrenhaus machen; auch sind die Menschen so schlimm gar nicht, sondern nur recht abscheulich ungezogene Kinder, die der liebe Gott zu Zeiten in die dunkle Ecke stecken muß, um daß sie ausbrüllen." Dagegen aber wollen und sollen wir fort und fort uns selbst und

diesen ungezogenen Kindern, den Hohen und den Niedrigen, den Spiegel
vorhalten, wie dies dort Johannes v. Müller in ergreifender Weise
am Schlussfe seiner Vierundzwanzig Bücher allgemeiner Geschichten"
in der Frage und in den Worten thut, welche er an die Fürsten und
Räthe der Könige, an die Triumphatoren, Konsuln und Diktatoren
der Vorzeit richtet, indem er spricht: ,,Wer waret ihr? Die ersten
der Menschen? Selten. Die besten der Menschen? Wenige. Die
Stürmer, die Treiber der Menschen, die Urheber ihrer Werke? -
Werkzeuge, Räder waret ihr, durch deren in einander greifendes Ma-
schinenwerk der Unsichtbare den mystischen Wagen der Weltregierung,
unter unaufhörlichem Gepraffel, Geschrei und Schnattern, über den
Ocean der Zeiten fortgeleitet hat.
Ocean der Zeiten fortgeleitet hat. Bei jeder Schwingung, bei jeder
Hebung, bei jeder Umkehr eines Rades schallt von dem Geiste, der
auf den großen Wassern lebt, das Gebot der Weisheit: Mäßigung
und Ordnung! Wer es überhört, der ist gerichtet. Menschen von
Erde und Staub, Fürsten von Erde und Staub, wie schrecklich dieses
geschehe, das zeigt die Geschichte."
TH. K.

Spanien.

Das moderne Drama der Spanier.

III. Don J. E. Harzenbusch.
(Schluß.)

,,Doña Mencía". Ein haarsträubendes Drama, in welchem die wildesten Leidenschaften gegen einander plagen! Energie der Charaktere und Macht des Ausdruckes erheben es jedoch über die gewöhnlichen Schauergeschichten. Schade, daß für die interessanteste Zeit der sozialen Geschichte Spaniens, für jenen Kampf der Mittelklassen gegen die Inquisition, kein reinerer Held gewählt wurde. Aber der Keßer ist zugleich Ehebrecher, liebt gar die eigene Tochter (allerdings unbewußt), und statt den reinen Kampf des freien Geistes gegen das Pfaffenthum darzustellen, behandelt Harßenbusch die religiöse Frage nur als Arabeske. Durfte er in Spanien nicht mehr wagen: als sie durch eine solche Hinterpforte einzuführen? Wohl möglich! Aller= dings ist eigentlich Doña Mencia die Heldin. Dieses strenge, scheinbar eiskalte Weib, welches die Liebe zu haffen vorgiebt, kennt anfangs nur Eine Leidenschaft: die Religion, der sie sich als Nonne ganz zu weihen gedenkt. Ihre Stiefschwester Inés ist gerade das Gegentheil: heiter und zärtlich, hat sie Neigung zu einem Manne gefaßt, den sie bei einem Auto de fé°) gesehen. Hinter dieses Verhältniß ist Mencia gekommen, und da sie Znés, die gleichfalls Nonne werden soll, ebenso standhaft in ihrem Widerwillen hiergegen als in ihrer Liebe findet, nimmt sie zu einer Lüge ihre Zuflucht und bezeichnet Jnés' Geliebten als einen Kezer, der dem Tode verfallen sei und ihm auch verfallen solle, wenn sie ihn nicht aufgebe. Hierdurch eingeschüchtert, willigt Inés ein, Gonzalo einen Absagebrief zu schreiben, den Mencia diesem selbst übermittelt. Allein Gonzalo's heftige Leidenschaftlichkeit bei Empfang dieses Briefes macht einen ebenso tiefen Eindruck auf Mencia als das Auftreten dieses stolzen Weibes auf ihn. Allmählich ändern sich die Verhältnisse, und bald sehen wir die Beiden in der größten Vertraulichkeit, welche indessen dadurch gestört wird, daß Gonzalo fliehen muß, weil er im Besiße einer Bibel und eines Por traits von Luther befunden wurde. Mencia redet ihm zwar zu, sich der Inquisition zu beugen, er aber verwirft diese Zumuthung und bezeichnet jenes Gericht als einen Schmach für Spanien. Obwohl über diese Lästerrede entseßt, will Mencia dennoch Alles opfern, um sein Leben zu retten. Aber Gonzalo bricht von neuem in heftigen Ausdrücken gegen die Inquisition los, so daß ihm Mencia endlich vorwirft: er wolle nur deshalb fliehen, weil in Flandern eine Geliebte seiner warte. Gonzalo erwiedert ihr: allerdings habe er einst eine Geliebte gehabt, doch diese sei in Mejico, wo er sie als Don Guillen gekannt, gestorben. Dieses Bekenntniß verseßt Mencia in die äußerste Bestürzung, denn sie ist im Besiße eines Briefes, worin Jnés als In dieser Unterredung Tochter dieses Guillen bezeichnet wird. unterbrochen, versteckt sich Gonzalo, aber Jnés, die einen Theil derselben belauscht und Gonzalo's Treulosigkeit, Mencia's Verrath gegen fie daraus erkannt hat, endeckt dem suchenden Gutierre, unter dem Versprechen, daß Gonzalo nichts Leides geschehen solle, des Leßteren Aufenthalt. Während Mencia erscheint, um Inés zur Einkleidung als Nonne abzuführen, löst sich der Knoten; Gonzalo wird von der Inquisition verhaftet; Inés, seine eigene Tochter, hat ihn verrathen! Ueber den Zusammenhang belehrt, sinkt diese in Ohnmacht und wird so von der rasenden Mencía nach dem Kloster geschleppt.

Man könnte glauben, es sei nun der Spannungen, Aufregungen und Entseglichkeiten, die wir hier nur leicht andeuten konnten, genug, aber wir werden noch einmal ein Jahr später in das Kloster geführt. Mencia, die das Gericht durch Procuration an den noch immer gefangenen Gonzalo vermählt hat, erträgt die Qual vergeb=

[ocr errors]

*) Auto da fé, wie man gewöhnlich sagt, ist portugiesisch..

lichen Sehnens nicht länger. Auch sie hat jezt die Inquisition kennen gelernt und flucht ihr. - Ehe Inés den Schleier nimmt, hat sie eine lehte Unterredung mit Mencía. Hier treten beide Schwestern einander näher als jemals, das Unglück stimmt Beide freundlich gegen einander, fie bitten sich gegenseitig um Verzeihung und umarmen sich zum ersten Male. Inés geht zur Ceremonie ab. Kaum ist sie Kaum ist sie fort, so erscheint der entflohene Gonzalo und will Mencia und die Tochter mit sich nehmen. Aber ein kurzes Gespräch über Jnés' Mutter enthüllt plöglich, daß nicht jene, sondern Mencia selbst die Tochter Gonzalo's ist, die Frucht einer ehebrecherischen Liebe! In diesem Augenblicke erscheint die neue Nonne Jnés, die legitime Tochter Leonorens. Unterrichtet von der entseglichen Neuigkeit, flucht sie Mencia, die sie um ihr Lebensglück gebracht; Mencia, von so viel Jammer überwältigt, ersticht sich, und Gonzalo fällt von neuem, und dies Mal für's Leben, in die Hände der Inquisition.

Vielleicht wäre es besser gewesen, Harzenbusch hätte diesen Stoff in zwei Theile zerlegt, oder überhaupt nur den ersten Theil, der hier nur als furchtbare Vergangenheit eingreift, behandelt. Wenn der dann unnöthige Ehebruch beiseite gelassen wurde, so konnte die Liebe Gonzalo's zu Leonore, ihre Bekehrung zum Kezerthum durch ihn und die Liebe, und ihr Feuertod als Keßerin während seiner Abwesenheit, ein edleres großartigeres Gemälde geben. So wie es jezt steht, kann man wohl die Darstellung dieser dämonischen Leidenschaften, die wilde Größe der Charaktere bewundern, aber sich zugleich eines peinlichen Eindruckes nicht erwehren.

[ocr errors]

„Das Raçengeset“. Dieses durchweg in Versen geschriebene Stück entfernt sich schon durch diese Form von den romantischen Dramen Harzenbusch's, in welchen Prosa mit Versen abwechselt. Es ist aber auch inhaltlich davon unterschieden, indem es einen historischen Stoff, eine nationale Frage behandelt. Indessen enthält es des Romantifchen noch immer genug. Die Geschichte spielt um die Zeit, wo das Gothenthum in Spanien allmählich sank und das Romanenthum wieder auflebte. Die Verschmelzung der verschiedenen germanischen und der romanischen Stämme war bis dahin durch das Ragengeset unmöglich gemacht. Dieses von den siegreichen Gothen eingeführte Gesez verbot nämlich die Heirat zwischen Gothen und Spaniern. In dem vorliegenden Stücke wird dasselbe nun durch die Allgewalt der Liebe und die Verdienste der eigentlichen Spanier um den Thron der Gothen gestürzt. Um die erstere gehörig wirken zu lassen, was bei dem getrennten Familienleben der beiden Völker nicht so leicht war, wurde ein besonderer Kunstgriff nöthig. Dieser besteht darin, daß die Heldin Heriberta, welche der Erbprinz Recesvinto liebt, nicht die Tochter der Fürstin Beringalda, sondern ein von dieser unterschobenes spanisches Kind ist, welches die Stelle des schnell gestorbenen Kindes der Fürstin ausfüllen mußte. Auf ihrem Todtenbette hat die Fürstin dies gestanden. — Allein da Recesvinto überhaupt schon ein mal das Raçengeseß aufheben wollte, so fürchten die Prinzen Bertinaldo und Egilan, daß ihn jezt die Macht der Liebe um so mehr dazu bestimmen werde, und beschließen deshalb, Heriberta, noch ehe Recesvinto anlange, aus dem Wege zu räumen. Ein spanischer Arzt, Fulgencio, soll dies durch ein vergiftetes Schreiben bewerkstelligen. Fulgencio, obwohl ein Ehrenmann, ist in den Händen der Prinzen, weil er dem Geseze zuwider der verstorbenen Fürstin zur Ader gelaffen und dadurch sein Leben verwirkt hat. Ueberdies wird ihm gesagt, das Gift sei für einen Emiffär des Rebellen Froya bestimmt. Eine geheime Ahnung veranlaßt jedoch Fulgencio, Heriberta von dem vergifteten Briefe zu unterrichten. Als daher Prinz Egilan sie zwingt, in seiner Gegenwart den Brief zu lesen, fingirt fie, ihn wirklich vor das Geficht gebracht zu haben, und stellt sich plößlich wahnsinnig, denn bei geringer Annäherung, das hat ihr Fulgencio gesagt, soll das Gift diese Wirkung haben. Wie nun Recesvinto erscheint, spricht sie auch zu ihm im Wahn, läßt ihn jedoch zwischendurch Manches errathen. Indeffen entdeckt sich Heriberta dem alten kranken Könige, welcher ihr räth, sich noch eine Zeit lang zu verstellen, um nicht Recesvinto zur Abschaffung des Raçengeseßes zu veranlassen und so einen Bürgerkrieg herbeizuführen. Allein dieser hat das Geheimniß von Heriberta's Geburt bereits durch Egilan erfahren und besteht nun um so mehr auf Abschaffung des Gefeßes. Jezt wird Heriberta auf Veranlassung der Prinzen benachrichtigt, daß Recesvinto's Krone und Leben in Gefahr sei, weil es allgemein heiße, er wolle eine Spanierin heiraten. Diese List wirkt, indem sich Heriberta nun entschließt, selbst das Opfer zu werden. Sie redet im Tone des Wahns Recesvinto zu, sie auf zugeben, sagt ihm, daß sie Spanierin, und da Alles vergeblich, eilt sie zu dem alten Könige und bringt den lezten Willen deffelben, wonach Recesvinto Godsvinda, die Schwester Bertinaldo's, heiraten solle, deren Hand Heriberta selbst in die Recesvinto's legt. - Da stirbt während eines Kriegszugs Recesvinto's der alte König, und man raunt sich zu, ein Spanier habe ihn vergiftet. Schon ist beschlossen, eine Anzahl Spanier dafür hinzurichten, da erfährt Godsvinda, daß um jene Zeit Heriberta bei dem alten Könige gewesen und schließt

[ocr errors]

daraus, sie habe ihn getödtet. daraus, sie habe ihn getödtet. Heriberta erklärt ihr, daß ihr der König damals nur wichtige Familienpapiere anvertraut, worunter auch Recesvinto's alte Liebesbriefe. Godsvinda verlangt diese Briefe ihres Gatten, um so jede Spur jener alten Liebe zu tilgen; Heriberta willigt unter der Bedingung, daß ihr Volk dadurch gerettet werde, ein, die Briefe auszuliefern und selbst in ein Kloster zu gehen. Allein die Schachtel mit den Briefen hat auch jenes vergiftete Schreiben enthalten, durch welches Godsvinda alsbald stirbt. Heriberta, jezt als Doppelmörderin angeklagt, soll mit dem Tode büßen. Da tritt der Arzt Fulgencio ins Mittel und giebt aus Mitleid für Heriberta fich selbst als Königsmörder an. Im Laufe des hieraus entstehenden Wettkampfes des Edelmuthes ergiebt sich, daß Heriberta Fulgencio's Tochter ist. Nichtsdestoweniger soll sie zum Tode geführt werden; da endlich erklären die Aerzte Toledo's, Bertinaldo habe sie gezwungen, zu bezeugen, daß der alte König an Gift gestorben, um einen Grund zur Rache an den Spaniern zu bekommen. So wird Heriberta ge= rettet. Zu gleicher Zeit aber haben die Spanier Recesvinto aus der Gefangenschaft seiner verrätherischen gothischen Vasallen befreit. An der Spiße der getreuen Spanier kehrt der junge König zurück und proklamirt in der Abschaffung des Ragengesezes die Verschmelzung germanischen und romanischen Blutes und hierdurch die Wiedergeburt Spaniens.

Ohne Zweifel mußte dieser Stoff für einen Dichter, der selbst deutsches und spanisches Blut in den Adern hat, doppelt interessant erscheinen. Wir dürfen ihm aber um somehr für diese Arbeit Dank wissen, als eben jene Periode der Geschichte Spaniens dem größeren Publikum noch so wenig durch poetische Werke näher gebracht ist. Es ist somit eine neue Welt, in die wir eingeführt werden, und in der wir doch verwandten Namen, Sitten und Charaktere begegnen. Mariana's Geschichte und Morales' Chronik von Spanien, sowie das ,,Fuero juzgo", bilden die historische Grundlage dieses Dramas. A. S.

Japan.

Japan und die Japanesen. *)

2. Ein japanesischer Bazar.

-

Die industrielle Entwickelung der Japanesen und die Eigenschaften, die sie im geschäftlichen Verkehr an den Tag legen, treten deutlich aus der Skizze hervor, die Habersham von der Art und Weise des gegen. wärtigen Handels entwirft. Der Handelsverkehr in den für europäi sche Schiffe geöffneten Häfen Japans erhält dadurch sein eigenthümliches Gepräge, daß er durch das Gouvernement vermittelt wird. Im achten Artikel des Vertrages von Kanagawa ist festgesezt, daß den amerikanischen Schiffen Holz, Waffer, Lebensmittel, Kohlen und sonstige Waaren, die sie wünschten,,,durch die Vermittelung der zu diesem Zweck eingefeßten japanesischen Beamten und in keiner anderen Weise" verschafft werden sollten. Die Japanesen bestanden bei den Verhandlungen hartnäckig auf dieser Klausel, angeblich, weil Japan Ein- und Ausgangszölle nicht kenne und das Volk in Handel und Wandel auch ganz ungeübt wäre, so daß eine Ueberwachung durch die Regierung unumgänglich sei. Demgemäß war denn auch in dem später abgeschlossenen Regulativ für den Hafen Simoda (Artikel 9) Folgendes festgestellt worden:,,Sobald in den Kaufläden Waaren gekauft werden, sollen sie, mit dem Namen des Käufers und dem abge= machten Preise bezeichnet, in das Goyoshi oder amtliche Bureau geschickt werden, wo den japanesischen Beamten das Geld bezahlt und die Waaren von ihnen den Käufern übergeben werden." Der wahre Grund dieses weitläuftigen Verfahrens ist eine Finanz-Speculation von Seiten des Gouvernements. Dieses bestand nämlich darauf, die amerikanischen Münzen nur zu ihrem in Japan üblichen Metallwerth anzunehmen. Ein Tael (Gewicht) Silber gilt aber in Japan 2250 Cash Courant; ein Dollar, der 0,712 Tael wiegt, würde also nur 1600 Cash oder soviel wie ein japanesischer Izabu werth sein. Nun ist aber das japanesische Geld so schlecht, daß aus einem Tael Silber nicht 2250 Cash, sondern 6400 Cash, fast dreimal soviel, geprägt werden; ein amerikanischer Dollar, den die japanesischen Be=' hörden als im Werthe mit einem Izabu gleichstehend in Empfang nehmen, kommt also aus der japanesischen Münze in Gestalt von 3 Izabus wieder zum Vorschein, von denen nur einer dem Verkäufer der Waaren zurückgestellt wird, während die beiden anderen in die Staatskaffe wandern. Habersham meint, daß Commodore Perry hier gröblich hinters Licht geführt sei. Hätte er Perry's Depeschen gelesen, so würde er gefunden haben, daß das Werthverhältniß der japanesischen und amerikanischen Münzen Gegenstand ernster Verhandlungen ge= wesen ist, und daß Perry bei der unbeugsamen Festigkeit, mit welcher die Japanesen auf ihren Vorschlägen beharrten, auf ein provisorisches

*) Vgl. Nr. 4 des „Magazin“.

Arrangement eingehen mußte, wenn überhaupt die Einleitung eines Handelsverkehrs möglich werden sollte.

Um nun den Waarenverkauf jenen Vertragsbestimmungen gemäß ins Werk zu sehen, war auch bei Rodgers' Anwesenheit ein Bazar errichtet worden, ein viereckiger, einstöckiger, 15 Fuß hoher Bretterbau, der einen geräumigen inneren Hof einschloß und nur einen einzigen Eingang besaß. Unter dem nach dem Hofe zu geneigten Dache dieses Bauwerks befanden sich die Läden und die für die Beamten bestimm ten Räumlichkeiten; jene nahmen zwei von den vier inneren Seiten ein und waren durch Bretterwände von einander geschieden, so daß jeder Kaufmann über eine besondere Abtheilung verfügte; die Waaren selbst lagen in Kisten vor den Läden verpackt, während Probe-Eremplare auf Repositorien innerhalb derselben zur Schau gestellt waren. Von den beiden anderen Seiten des Hofraumes war die eine unbenugt, die lehte aber in ein größeres und zwei kleinere Zimmer abge theilt; das größere war mit weichen Matten ausgelegt und wurde den Fremden zur Disposition gestellt; in den beiden anderen hielten sich die japanesischen Beamten auf.

--

,,Als wir", sagt Habersham,,,langsam von einem Laden zum anderen gingen, fiel uns eine große Uebereinstimmung in ihrer äuße ren Erscheinung auf. Nur ein einziger unterschied sich wesentlich von den anderen, und hier bestand der Unterschied darin, daß er mit Porzellan statt mit lackirten Waaren angefüllt war. Aber das war Porzellan! bei weitem besser als das feinste französische und unendlich viel billiger, ungeachtet des niedrigen Courses unserer Münzen! Die anderen Läden sahen mehr wie ein Kuriositäten-Kram aus: von allen japanesischen Sachen fand sich hier Etwas auf den Repositorien, aber meistens Dinge, von deren Befiß man absolut keinen Nußen ziehen konnte. Gleich dem Porzellan waren auch die lackirten Sachen von der schönsten Qualität und den chinesischen so weit überlegen, wie das erwähnte Porzellan dem gewöhnlichsten irdenen Geschitr. Namentlich erinnere ich mich eines Stückes, welches durch den Glanz seiner Farben die Bewunderung aller derer, die vorübergingen, erregte. Es war die glücklichste und treueste Nachahmung eines gewöhnlichen Rothfisches, wie sie im mejikanischen Golf gefangen werden, etwa 18" lang, und wenn man ihn bei den Floßfedern aufheben wollte, um ihn genauer zu betrachten, so hob man etwa zwei Drittel der oberen Seite ab und entdeckte, daß er eine Schüffel bildete, in die man einen großen gekochten oder gebackenen Fisch hineinlegen konnte. Man sagte uns, das Geräth sei auch zu dem Zwecke angefertigt, bei japanesischen Festen ein solches Gericht aufzunehmen, und der Lack sei so fein, daß er durch heißes Wasser nicht litte. Dieses versicherten sie von einem großen Theil ihrer besten lackirten Waaren, und von der Richtigkeit ihrer Angabe haben wir uns in der Folge selbst an unserem eigenen Tische überzeugt. Nach Allem, was wir damals und später kennen zu lernen Gelegenheit hatten, konnten wir uns insgesammt der Ueberzeugung nicht verschließen, daß die Japanesen hinsichtlich der Qualität ihres Porzellans, ihrer lackirten Waaren und ihrer Schwerdter allen anderen Nationen unendlich überlegen find. Unter einer Menge anderer Artikel, die sämmtlich einer kurzen Erwähnung werth wären, sahen wir Schirme und Regenmäntel, die beide ganz aus der Bambuspflanze und einem vegetabilischen Del, dessen Name mir entfallen ist, verfertigt waren. Aus dieser nüß lichen Pflanze fabriziren sie ein Papier, welches so stark und dauerhaft wie der beste Calico und, wenn geölt, vollkommen wasserdicht ift. Eingehüllt in einen dieser mit einer Kappe versehenen Mäntel, øder unter einem dieser Schirme, kann man sich eine Stunde lang heftigem Regen aussehen und doch so trocken bleiben wie zuvor. Ich habe einen der ersteren mehrere Monate hindurch bei meinem Schiffsdienst ununterbrochen getragen und fand ihn durchaus praktisch, und ärndtete nach jener Zeit auch warmen Dank von einem Freunde in San Francisco, dem ich ihn schenkte: er war noch immer wasserdicht." (Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

Phönizische Studien, von Dr. M. H. Levy.®) Wir haben in diesen Blättern bereits das erste Heft dieses Werkes angezeigt und es als eine erfreuliche Erscheinung bezeichnet; die Fortseßung hat nicht lange auf sich warten laffen, da die erste Veröffentlichung eine freundliche Aufnahme gefunden. In dem vorliegenden zweiten Heft wird eine größere Anzahl minder umfangreicher Inschriften besprochen; zuerst Backsteine, Gemmen und Siegel aus Mesopotamien mit phönizischer (altsemitischer) Schrift, sodann neuphönizische Inschriften, die zum größten Theil in Nord-Afrika von den Syrten bis *) Zweites Heft. Breslau, Leuckart, 1837.

zum Atlantischen Ocean gefunden und bereits mehrfach von anderen Gelehrten (De Sauley, Movers, Judas) behandelt worden sind. Da indeß im Einzelnen wie im Ganzen noch Manches zu thun übrig geblieben, so hat sie der Verfasser einer nochmaligen kritischen Durchsicht und Bearbeitung unterzogen. Sie sind ziemlich eingehend und zahlreich. Anerkennung verdient es, daß Herr Levy in vielen Fällen sein Urtheil zurückhält und da, wo die Sache dunkel und zweifelhaft ist, eine Uebersehung zu geben unterläßt. Dadurch wird Anderen das unangenehme Geschäft einer Widerlegung erspart. Was man, mit einiger Phantasie begabt, Alles aus den Buchstaben, die zweifelhaft an Geltung und ohne Trennung der Worte geschrieben sind, herauslesen könne, davon giebt das Werkchen ergözliche Proben aus Uebersehungen sonst achtungswerther Gelehrter. Auch Herr Profeffor Ewald in Göttingen muß es sich gefallen laffen, etwas bloßgestellt zu werden, doch passirt das dem berühmten Orientalisten nicht zum erstenmal.

Die Mortalität unter den englischen Generalen in Indien. Eine auffallende Erscheinung in dem jezigen indischen Kriege ist die außerordentliche und wahrhaft beunruhigende Sterblichkeit unter den höheren Anführern. Ein General nach dem anderen wird mitten in seiner Thätigkeit hingerafft, und zwar weniger durch das Schwert als durch Krankheiten; bekanntlich ist neuerdings die traurige Liste durch den Tod des gefeierten Havelock vermehrt worden. In früheren Kriegen war dies keinesweges der Fall; die ersten Eroberer Indiens und ihre Nachfolger, Clive, Coote, Lake, Harris, Wellesley, Malcolm, Combermere, Campbell, Keane, Napier, kehrten wohlbehalten aus dem Orient nach England zurück, wo sie, auf ihren Lorbeern ruhend, meist ein hohes Alter erreichten. Sollte sich das Klima Indiens seit jener Zeit so sehr verschlimmert haben? Oder hätten die heutigen Feldherren größere Drangsale und schwerere Sorgen zu erdulden als ihre Vorgänger? Wenn man sich erinnert, daß auch in dem Krim-Feldzuge unverhältnißmäßig viele höhere Befehlshaber, der Soldaten gar nicht zu gedenken,) den Seuchen und Beschwerden erlagen, so möchte man fast schließen, daß der Krieg eine Anomalie sei, die sich mit unseren civilisirten Zuständen nicht verträgt und daher auch größere Opfer fordert, als in früheren Zeiten.

Zur Lösung der indischen Verwickelung. Unter den zahllosen Schriften, welche die indische Krisis in England hervor= gerufen hat, finden wir eine, die sich wenigstens durch Originalität empfiehlt, **) indem wir ähnliche Ansichten bisher nur bei unserem Londoner Korrespondenten angetroffen haben. Der Verfasser verlangt nämlich von seinen Landsleuten, der ganzen Verwickelung dadurch ein Ende zu machen, daß sie sich einfach aus Indien entfernen. „Schon lange überzeugt“, sagt er, „daß unsere Herrschaft im Often keiner moralischen Rechtfertigung fähig sei, habe ich geduldig den Tag erwartet, wo entweder die Energie der eingebornen Bevölkerung es uns unmöglich machen würde, sie festzuhalten, oder, was ich vorgezogen hätte, wo das Erwachen eines reineren sittlichen Gefühls die englische Nation dazu führen würde, jene Herrschaft gutwillig aufzugeben und sich aus freien Stücken aus Indien zurückzuziehen, nachdem sie Alles, was in ihren Kräften stand, gethan, um dem so lange von ihr beherrschten Lande Ordnung, eine gute Regierung und innere Ruhe zu sichern." Die Bedingungen der Uebergabe sollen, wie der Verfasser räth, durch eine aus sieben Delegirten bestehende Kommission festgesezt werden. Die ersten fünf Mitglieder ernennen England, Frankreich, Portugal, Dänemark und Sardinien; die Wahl des sechsten überläßt er dem türkischen Sultan, als dem Repräsentanten der Muhammedaner, obwohl die indischen Moslems zum größten Theil der schiitischen Sekte angehören, die den Sultan ebenso wenig als ihr Oberhaupt anerkennt, wie die griechisch-orthodore Kirche den Papft; den siebenten Plag in dieser sehr gemischten Kommission würde „ein ehrwürdiger Brahmane“ einnehmen. Wir glauben kaum, daß diese wohlgemeinten Vorschläge in England auf großen Anklang rechnen dürfen.

*) Es ist genugsam bekannt, daß die Engländer, wie die Russen, im lezten Kriege weit mehr Leute in den Hospitälern verloren, als auf dem Schlachts

felde, und was die Franzosen betrifft, so sagt ein englischer Militairarzt (Dr. Bryce) geradezu, daß ihnen,,der Friede durch den Gesundheitszustand D. R. ihres Heeres aufgezwungen wurde“.

**) India. By Richard Congreve. London: Chapman.

« ForrigeFortsæt »