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No 84.

für die

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Literatur des Auslandes.

Polen. Geschichte

Berlin, Donnerstag den 15. Juli.

der slavischen Gesezgebung, von W. A. Maciejowski. *)

Zu den bedeutenderen Arbeiten unserer Zeit gehört unbestritten das obenerwähnte, in polnischer Sprache geschriebene Werk, von welchem jest die zwei ersten Bände erschienen sind, und die übrigen vier in kurzer Zeit folgen sollen. Es ist nicht ausschließlich für die gelehrte Welt geschrieben, nein, der Gebildete jeden Standes wird es mit Interesse lesen, denn der durch seine früheren Forschungen schon rühmlichst bekannte Verfasser, der sich vor vierzig Jahren bereits die Aufgabe stellte, die Literatur mit einer Geschichte der slavischen Geseßgebung zu bereichern, und welcher sich dabei Eichhorn's Arbeiten zum Muster nahm, hat sie auf so überraschend glückliche Weise gelöst, daß der behandelte Gegenstand, der bis jest in Polen noch vollkommen brach lag, von nun an nicht nur einen neuen, höchst wichtigen Zweig der Wissenschaft bilden wird, sondern auch die Leistung selbst eine der hervorragendsten Erscheinungen genannt werden muß, welche die Neuzeit im Gebiete der Literatur aufzuweisen hat. Polen muß und wird fie ganz besonders hoch anschlagen, da sie die Meinung Naruszewicz', das polnische Recht fuße auf dem deutschen und sei aus diesem herzuleiten, durch einen Ueberblick über das ganze Feld der Geschichte slavischer Gesetzgebung schlägt und diese als eine dem heimatlichen Boden entsprossene Frucht hinstellt. Profeffor Maciejowski beweist das Irrige in der Ansicht seines Vorgängers, polnische Geseze und Völkerstämme für deutsch zu halten, und zeigt uns wohl Slaven mit deutschem Elemente vermischt, doch daneben auch Institutionen und Rechte, die sich wesentlich von den germanischen unterscheiden, wenngleich sie Jahrhunderte lang den Namen von deutschen trugen und deutschem Einfluß unterlagen. Er stellt zugleich die polnische und slavische Gefeßgebung in ihren eigentlichen, ursprünglichen Elementen hin, schafft dem Ueberblick auf diese Weise eine wissenschaftliche Grund lage, und die durch gewissenhafte Ausführung sich auszeichnende und auf der gründlichsten Forschung fußende Arbeit darf wohl als eine in der polnischen Literatur Epoche machende bezeichnet werden.

Wir mögen in der Geschichte Europa's so weit zurückgreifen, als möglich ist, selbst bis in die entferntesten Zeiten hinein, so erkennen und unterscheiden wir immer auf das deutlichste das flavische Element mit der dasselbe kennzeichnenden ruhigen, sanften, gutmüthigen und nie sich ändernden Physiognomie, selbst wenn es unter fremder Botmäßigkeit stand. Als Beispiel können hier die Skythen aus Herodot scher Zeit dienen, denen wir später unter dem Namen der Polanen begegnen (?). Es scheint, daß die drückende Herrschaft, welche die Skythen über die slavischen sogenannten Pflüger (Oracze) ausübten, zu der Zeit aufhörte, als die Gothen von Skandinavien aus südlich nach dem Lande zwischen Weser und Rhein zogen und bei dem daselbst ansässigen Volke, aus dem später die Slaven hervorgingen, gastfreundliche Aufnahme fanden, weil sie bei der Abschüttelung des skythischen und farmatischen Joches thätige Mithülfe leisteten. Wann dies geschah, darüber fehlen alle näheren Bestimmungen, soviel jedoch ist sicher, daß hundert Jahre v. Chr. in den Sueven ein Name auftritt, in welchem wir zwei verschiedene nationale Elemente freundlich in einander verschmolzen sehen, und daß zu gleicher Zeit der Name der Skythen aus der Geschichte verschwindet. Die Sueven machten sich als solche in dem ganzen Länderstriche bemerkbar, der später den Na men Germanien führte, und unter ihnen waren solche, deren Bes

*) Von J. N. F., nach E. Zakrzewski, in der Gazeta Warszawska. G8 wird dem deutschen Kenner der Rechtsgeschichte interessant sein, diese von einem panslavistischen Standpunkte aufgefaßten Darstellungen, die den unverkenn baren Einfluß der deutschen Strömung auf die Rechtsbildung der slavischen Völker gern soviel als möglich negiren, kennen zu lernen. Es ist sehr zu bedauern, daß seit etwa zwei Jahren die Warschauer Blätter, denen jegt eine viel größere Freiheit der Bewegung gegönnt ist, diese hauptsächlich dazu benußen, um von der abendländischen Bildung, welcher doch Polen mehr als irgend eine andere slavische Nationalität angehört, sich abzuwenden. D. N.

1858.

nennung sich in den Schwaben bis in unsere Tage hinein erhalten hat. Tacitus' und Julius Cäsar's heute genügend erläuterte Nachrichten über Germanien bieten manche Anhaltspunkte und Beweise für die neue politische Gestaltung der Slaven (?) unter dem Namen der Sueven. Aus ihrer Mitte schieden sich in späteren Zeiten solche aus, die, bekannt mit der Art der Kriegführung und den politischen Einrichtungen der Germanen und von dem ihnen nationale Bedeutung gebenden Besigthum Lechen genannt, sich vor dem mehr und mehr drückenden deutschen Einfluß zurückzogen und nach Osten zu den Stammverwandten wanderten, wo sie dann nach germanischem Urbilde Fürstenthümer und politische Gestaltungen ins Leben riefen, von welchen uns die Chronikenschreiber in den Legenden von Lech, Leszek und Popiel Nachrichten, wenn auch sehr verwickelter und unklarer Natur, hinter laffen haben. Aus dieser Quelle haben wir auch die Entstehung des Königreiches Polen herzuleiten, dessen Existenz erst Boleslaus der Tapfere (992-1024 nach Chr. Geb.), der Enkel des Hüfners Ziemowit, aus dem Stamm der Piasten, durch das Schwert fest und dauernd begründete.

Der Blick, welchen uns der Autor in die Geschichte und Gefeßgebung der Polen, Czechen, Ruthenen (Rusi), Serben und Ungarn, als der fünf Hauptstämme der Slaven (!), thun läßt und der uns zugleich die Eigenthümlichkeiten eines jeden derselben zeigt, giebt ein klares Bild von dem alten gemeinsamen, homogenen Elemente, das, jeder Uebermacht, jedem Drucke trohend, sich nicht nur im häuslichen Leben des Volkes, sondern auch in der Entfaltung der politischen Institutionen und in der Gefeßgebung derselben abspiegelt. Daß es vollständig verschieden von dem germanischen ist, dafür giebt Maciejowski zahlreiche Beweise. Der Einfluß und die häufige Berührung der Deutschen mit den Slaven liefern dazu mannigfachen Stoff, und ungeachtet jene ftets die Oberhand hatten und im Vortheil waren, so finden wir den Charakter der Lezteren fortwährend ohne jedwede Veränderung. Sie hatten für fremde Nationalitäten zwar immer eine gewisse Anziehungskraft, und der edlere Theil derselben schloß sich gern und freiwillig an sie an; nie jedoch trat der umgekehrte Fall, ein und selbst: im Unglücke verleugnete der Slave nicht seine Abstammung. Die tiefen und umfassenden Studien, welche der Autor in seinent Werke niedergelegt hat, müssen nicht nur für den Slaven, sondern überhaupt für Jeden, der sich um Forschungen über die Entwickelung des Menschengeschlechtes bekümmert, von größtem Interesse sein und möchten wir das vierte Kapitel der zweiten Abtheilung des ersten Bandes der Aufmerksamkeit des Lesers ganz besonders empfehlen. Wie anziehend überhaupt die Zeichnung und Durchführung des Charakters der Slaven, der sich sowohl in deren Geschichte, wie auch in der Gefeßgebung derselben, zu erkennen giebt, gehalten ist, das wird derjenige am besten zu würdigen verstehen, der dem Buche eine mehr als flüchtige Durchsicht schenkt. Bei der kurzen Berichterstattung über dasselbe, auf welche wir uns beschränken müssen, möchten wir nur besonders hervorheben, daß der vom Autor erwähnte Einfluß slavischen Geistes auf die vom fünften bis neunten Jahrhundert aufgezeichneten deutschen Geseze den Beweis liefert, diese seien inmitten der Slaven entstanden, sowie auch kein Zweifel darüber vorwaltet, daß die vom dreizehnten bis sechzehnten Jahrhundert gesammelten Statuten und Gefeße, als: der Sachsen- und Schwabenspiegel, die Dithmarschen und Rugischen Rechte, nicht nur ihre Heimat in den Sigen der Elbslaven, sondern auch die ganze Eigenthümlichkeit dieses Stammes haben. Troßdem sich germanischer Einfluß bei ihnen geltend machte, behielten sie doch vielfach den Charakter bei, der uns in der Gesezgebung der Polen, Czechen, Ruthenen und Serben ent gegentritt."

Der Autor verfolgt mit prüfendem Blick die Schicksale und Veränderungen, welchen die Gefeßgebung der Slaven bis ins achtzehnte Jahrhundert unterworfen war, und zeigt dann auch deren Entfaltung unter ungarischer Herrschaft, bis sie endlich in Folge politischer Er-' eignisse mehr und mehr zurückgedrängt wurde und einer fremden weichen mußte. Eine Ausnahme machten hier die Montenegriner, in

deren Gesetzgebung wir noch demselben Charakter begegnen, den Tacitus bei den slavischen Sueven fand.

Der erste Band des erwähnten Werkes giebt eine allgemeine Uebersicht des Ganzen, die anderen sind, so zu sagen, dessen Analyse und führen unter der Leitung des Autors durch die Hauptmaterien des Rechts. Der bereits gedruckte zweite Band beschäftigt sich mit dem politischen, der dritte, vierte und fünfte mit dem Civilund Kriminalrechte, der leste endlich weist auf die bis jeßt noch unbekannten von dem Verfasser entdeckten Quellen hin, auf welche er sich in seiner Arbeit selbst beruft. Der Inhalt des bereits in kurzen Worten angeführten ersten Bandes ist folgender:

In der ersten Abtheilung entwickelt der Autor feine Methodologie, d. h. er zeigt das Ziel, welches er erreichen will, sowie auch den Weg, auf welchem er dazu zu gelangen gedachte, und macht zu dem Ende den Leser mit den reichen Quellen bekannt, aus denen er schöpfte, indem er ihm zugleich deren eigene Prüfung erleichtert. In der zweiten, Land und Völker“ überschriebenen, stellt er auf musterhafte Weise die Geschichte der slavischen Stämme hin, deren gegenseitiger Einfluß auf einander und innerer Zusammenhang sehr klar geschildert ist. Wir erfahren hier, welche Landstriche sie in verschiedenen Zeit abschnitten einnahmen, sowie auch das Wissenswerthe über ihre politische Existenz und ihren allgemeinen Charakter. Die zwölf Kapitel umfassende dritte Abtheilung beginnt mit der Erwähnung der ältesten Rechte der Slaven im Allgemeinen, geht zu den in verschiedenen Zeiten bindenden fremden, als die kanonischen, deutschen und römischen, über und schildert die Geseze eines jeden der slavischen Völker, indem der Verfasser mit den germanisirten Elbslaven den Anfang macht, und die Polen mit den Litauern, Czechen, Ruthenen, Serben und Ungarn folgen läßt, bei denen das flavische Element troh deutschen oder magyarischen Einflusses deutlich durchblickt. Im vierten Abschnitt entwickelt der Autor die Lehre vom Recht und nennt die bedeutendsten Gelehrten in diesem Fache unter den Slaven. Die hier nöthig ge wordenen Forschungen und Untersuchungen ergeben, daß außer den politischen Motiven, welche den Untergang der eigenen Rechte im achtzehnten Jahrhundert zur Folge hatten, auch der Umstand mitgewirkt hat, daß man, gleichwie bei den übrigen Slaven, so auch in Polen den Schlüffel nicht kannte, der bei den verschiedenen Veränderungen und Fortschritten, welche die Zeit mit sich brachte, nothwendig war, um Einsicht in die Kunst zu erlangen, wie man die Gesezgebung zu vervollständigen, oder, mit anderen Worten, wo man in der Vergangenheit die Grundlage zu denjenigen Verordnungen zu suchen habe, die später erst ins Leben traten. Dieser Schlüssel war das römische Recht, das in seiner hoch ausgebildeten Theorie gewissermaßen das Verständniß jedweden Rechtes wurde, das jedoch nie zu der Würdigung gelangte, die es beanspruchen darf. Es kam so weit, daß alle Theorie, alles vernünftige Wissen im Gebiete des Rechts mit gewisser Verachtung behandelt wurde, bis endlich Lengnich, und später Czacki, Bandtkie und Lelewel dagegen auftraten und bewiesen, wie nöthig es sei, dem Studium des Rechts und dessen Theorieen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, und wie nur eine Verbindung der alten Rechte mit den heutigen juridischen Bedürfnissen hier auf den geeigneten Weg führen könne.

In der fünften Abtheilung zergliedert der Autor Uebereinstimmung und Unterschied der ursprünglichen Gefeße der Slaven und Deutschen und zeigt in denjenigen der Sueven zwei Grundlagen: eine slavische und eine germanische, die er in salischen, bayerischen, thüringischen und friesischen Geseßen nachweist. Er beleuchtet alsdann die Entfaltung des politischen Lebens der Slaven unter den Skythen, zeigt auf die Veränderungen hin, welche dasselbe durch die Berührung mit den Normannen erfuhr und später mehr und mehr deutschem, damals schon feindlichem Einfluß unterlag, den Franken und Sachsen auf die Slaven ausübten. In der sechsten Abtheilung schließt der Verfasser mit einem Rückblick auf den wissenschaftlichen Standpunkt und die Geschichte des Rechts im neunzehnten Jahrhundert.

Der zweite Band behandelt, wie schon erwähnt, speziell das politische Recht der Slaven vom neunten bis vierzehnten Jahrhundert und berücksichtigt hier vorzugsweise deren fünf damalige Haupt-Repräsentanten, die Polen, Czechen, Ruthenen, Serben und Ungarn. In dessen erster Abtheilung ist die Rede von den Regierungen, die sich Anfangs stets auf Allgemeinheit stüßten und deren Volksoberhäupter die griechischen und römischen Schriftsteller kleine Könige nannten, ferner von dem Umstande, wie das Beispiel deutscher monarchischer Regierungen die ebengenannten Volkshäupter in den germanischen ähnliche Monarchen umwandelte, ohne ihnen jedoch den Volkscharakter zu rauben. Der Verfaffer entwickelt die Rechte derselben, sowie auch diejenigen ihrer Hofbeamten, und berührt dabei zugleich die auf der früheren Allgemeinheit ruhende Civil-Jurisdiction der Slaven, die er als einen integrirenden Theil der Regierung bezeichnet. In der That hat man auch die ganze Majestät der Regierung hier in dem allgemeinen Adelsgerichte und den Reichstagen zu suchen.

Die zweite Abtheilung handelt von den Ständen der Nation, und hier finden wir die Abstufungen zwischen Herren (Magnaten), Adel und Volk. Hinsichtlich des letteren erfahren wir auch, wie es ge= kommen ist, daß Leute, die von jeher frei waren und nur dem eigenen Willen gehorchten, zu abhängigen Unterthanen wurden. Es geschieht dann der Deutschen und Armenier, als geduldeter Fremden, Erwähnung, sowie auch der auf sie bezüglichen Gefeße, ferner der Juden, Muhammedaner und Tataren. In Bezug auf die Städte lernen wir diejenigen kennen, welche germanische oder slavische Rechte hatten, und werden zugleich über den Unterschied zwischen germanischem Feudalismus und slavischer Lehnsbarkeit belehrt. Jener fußte auf dem Verhältniß des Individuums zur Person des Königs, dieser zum Vaterlande, das der Lehnsmann zu vertheidigen gelobte, wenn er in dessen Namen das Gut vom König empfing.

Die dritte Abtheilung beschäftigt sich mit der Kirche und ihren Rechten. Die Organisation der Kirche unter den Slaven ist zugleich eine Geschichte der Ausbreitung des Christenthums unter denselben, sowie der Entstehung der mancherlei Diöcesen und der ganzen kirchlichen Hierarchie überhaupt. In einem Ueberblick lernen wir die aus den Synodal-Beschlüffen hervorgegangenen kanonischen Provinzialrechte kennen, erfahren das Wissenswerthe über Vermögen und Einkünfte der Kirche, ferner über die Annaten und den sogenannten Petersgroschen und endlich über die geistlichen Gerichte.

In der vierten, unter dem Titel: National-Dekonomie, auftreten= den Abtheilung segt der Verfasser die Organisation der verschiedenen Lasten und öffentlichen Dienstleistungen zum Besten des allgemeinen Wohls aus einander und thut dar, wie öffentliche Sicherheit und Ruhe bei den Slaven hauptsächlich im Zusammenwirken, d. h. in einer auf gegenseitige Hülfe und Unterstützung berechneten Verbrüderung, ihre Stüßen fanden. Die Sorge für Arme und Gebrechliche fiel dem geistlichen Stande anheim. Nachdem noch über die Quellen des öffentlichen Schaßes das Nöthige gesagt ist, schließt die leßte Abtheilung des Bandes mit der Art und Weise der Kriegführung bei den Slaven, welche sich insofern von derjenigen der Deutschen unterscheidet, als bei diefen ein Verein besonderer Streiter auftritt, während man bei den Slaven nur einem Landsturm, einem allgemeinen Aufgebot begegnet.

Brasilien.

Die Reise des Prinzen Adalbert von Preußen
im Jahre 1842.
(Schluß.)

Die Schilderung geht noch weiter, indem der Eindruck, den verschiedene besonders hervorgetretene Pflanzengebilde, z. B. der Zmbaibabaum, die schlanken Palmen, die baumartigen Farrenkräuter machen, mit den lebhaftesten Farben gemalt wird man wird selten den Urwald mit gleicher Anschaulichkeit geschildert gefunden haben.

Die weitere Reise bietet gleichfalls viel des Anziehenden; naments lich sind es die Begegnungen mit der in diesen unabsehbaren Strecken sehr dünn gefäeten Bevölkerung, welche unser Intereffe oft lebhaft erwecken. Leute aus aller Herren Länder leben in diesem Brasilien: Franzosen, Schweizer, Piemontesen und namentlich eine gute Anzahl von Deutschen; da sind Auswanderer aus dem Darmstädtischen, die sich inmitten der Urwälder niedergelassen; ein ehemaliger Legionair aus Braunschweig hat sich bei ihm einquartirt; dort treffen wir den Sohn eines ehemaligen Berliners, Herrn Besecke, der aus dem Schießen und Ausstopfen von Vögeln ein regelmäßiges Geschäft ge= macht hat und vielleicht alle europäischen Museen mit Kolibri's u. s. w. versieht. Ueber dreißig Schüßen standen in seinem Solde, und die Zahl der Vögel, die er auf dem Lager hatte, betrug nach seiner Angabe 35,000 Stück. Herr Besecke, geborner Nord-Amerikaner, hatte ein gutes Stück Welt, sogar die Küste von Mozambique gesehen; nach Deutschland war er aber noch nicht gekommen, obwohl er die Sprache seines Vaters sehr gut handhabte.

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Freilich war die 1820 angelegte Schweizer-Kolonie Neu-Freiburg, die der hohe Reisende gleichfalls besuchte, im Jahre 1842 ein Mittelpunkt für das Deutschthum; denn außer den Schweizern hatten sich auch viel Deutsche hier niedergelassen. Franzosen und Engländer, wie auch Repräsentanten anderer Nationen, fehlten nicht. Es wird ebenso viel Deutsch als Französisch gesprochen, während die Jugend sich dagegen meist der portugiesischen Sprache bedient. Uebri gens gedeiht die Kolonie nur langsam, was namentlich in der schlechten Straßen-Verbindung mit der Hauptstadt seinen Grund haben soll. Auf seiner weiteren Reise hatte der Prinz Gelegenheit, auch die Plantagen-Wirthschaft und den Kaffeebau, der damals noch ausschließlich durch schwarze Sklaven betrieben wurde, aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Von der Fazenda eines gebornen Neuenburgers, Herrn de Luze, eines Verwandten des Grafen Pourtalès, bei dem der Prinz als einem treuen Anhänger des preußischen Vaterlandes einsprach, wurden mehrere interessante Jagdpartieen unternommen, auf denen Dr. Denne

wiß, aus Wernigerode, ein Gutsnachbar des Herrn de Luze, eine bedeutende Rolle spielte. Die Jagd scheint indessen nicht besonders ergiebig zu sein, Anta's, Tapire und Rehe waren das Wild, das man zu erlegen hoffte, aber nicht immer erlegte.

In dieser Gegend war es auch, wo man auf die ersten, schon halb civilisirten Ur-Einwohner stieß, die zu den Stämmen der Coroa dos, der Puris und Koropos gehören. Ihr Seelsorger war ein Franziskanermönch aus Florenz, Frei (Bruder) Florida, ein gutmüthiger, freundlicher Mann, der den Prinzen besuchte, als er in den Kirchort Aldea da Pedra gekommen und daselbst bei einem Neuenburger und ehemaligem preußischen Gardisten, Louis Dépanier, ein gekehrt war.

Er führte den Prinzen in die Häuser seiner braunen Pfarrkinder, um ihn mit deren Sitten und Wesen genauer bekannt zu machen; namentlich aber begleitete er ihn auf einem Züge über den Parahyba, zu den Wilden, von denen wir eine sehr anschauliche Schilderung erhalten. Besonders fällt das ungeheure Alter auf, das diese Naturkinder erreichen. Nach Angabe des Padre befanden sich einige In dianer unter diesen Stämmen, die sich sechs verschiedener Generatio nen erinnerten, woraus er ein Lebensalter von 140-160 Jahren (!) herleitete. Das Leben ohne alle Aufregung und Gemüthsbewegung scheint, im Verein mit der einfachen Nahrung, eine solche ungewöhn liche Lebensdauer zu begünstigen. In Apathie versunken, thun diese Stämme des südlichen Brasiliens nichts als schlafen; fie essen, jagen und fischen nur dann, wenn der Hunger sie dazu treibt.

Die Farbe derselben ist ein dunkles Braun; ihre Gesichter sind, ohne gerade häßlich auszusehen, etwas kalmückisch gebildet, mit hervorstechenden Backenknochen, und haben einen stupiden Ausdruck; das schwarze Haar hängt struppig auf den Nacken herab und ist, wie bei den russischen Bauern, vorn und hinten gerade abgeschnitten. Mit Noth gelang es dem Zureden des Padre, bei einer Gelegenheit drei Männer zu bewegen, vor dem Prinzen zu tanzen. Der Capitao (Häuptling) tanzte voran, die beiden anderen seitwärts hinter ihm. Der Tanz bestand in einem Hin- und Herwackeln, wobei sie einen eintönigen Gesang, sehr durch die Nase, anstimmten. Er sollte den Kampf eines Anu gegen einen Ochsen bildlich darstellen; ein späterer dagegen machte die Beschreibung des Caitetu, odèr wilden Schweines, wenn es in den Wäldern umberschweift. Die indianischen Damen, sämmtlich mit einer Art Hemde bekleidet, waren troß aller angewandten Mittel nicht zu bewegen, am Tanze Theil zu nehmen.

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Am 28. Oktober war der Prinz wieder in Rio Janeiro und feierte feinen Geburtstag, den Se. Majestät der Kaiser durch einen Ball verherrlichte; am 30ften früh nahm er von der Stadt Abschied; an Bord des „Growler", eines englischen Dampfers, segelte er ab, um den Amazonas und Xingu zu besuchen, wie die Ueberschrift des nächsten Abschnittes lautet. Ein sehr ausführliches oro-hydrographisches Gemälde, das jeder Liebhaber der Erdkunde mit großem Intereffe lesen wird, bildet, dem Tagebuche Sr. königl. Hoheit entnommen, die Einleitung desselben. Auch über die Geschichte der Entdeckung und weiteren Bekanntwerdung des Amazonenstromes und des von ihm durchfloffenen ungeheuren Gebietes erhalten wir schäßbare Belehrungen. Die weite Bai, ein Süßwassermeer, mit dem sich der Marañon in unabsehbarer Ausdehnung gegen den Ocean öffnet, wurde im Jahre 1500 zuerst von Vicente Yañez Pinzon entdeckt, der ftaunend ausgerufen haben soll: Mare an non? ist das Meer oder nicht? Nach Anderen: Mar? ist das Meer? worauf seine Leute geantwortet: (spanisch) non (portugiesisch não). Davon hat der Strom seinen Namen, wenn man es glaubt. Dreißig Jahre später versuchte der Spanier Diego de Ordas in die Mündung des Marañon und Orinoko einzudringen, sah sich aber bald durch den Verlust eines seiner Schiffe genöthigt, das gefährliche Unternehmen aufzugeben. Nicht viel später beschiffte ein anderer Spanier, Francisco de Orellana, den ganzen Strom von Westen her. Die Sage von dem Goldlande (El Dorado) mit dem Goldkönige, mit der Wunderstadt Manao und dreitausend Gold. schmieden, hatte nämlich den Bruder des berüchtigten Eroberers von Peru, Franz Pizarro, den Statthalter von Quito, Gonzalo Pizarro, verlockt, mit einem Heere über die Anden zu gehen. Die Erpedition verunglückte durchaus, und Orellana rettete sich mit seinen Leuten nur dadurch, daß er auf einer zum Transport der Kranken erbauten Brigantine den Napo hinabschiffte, um auf irgend eine Weise zu entrinnen. Da kamen sie dent von selbst in den Paranáguaçu (großes Meer), wie die Eingebornen den Amazonenstrom nannten. Sie fuh ren bald an gänzlich öden, bald bewohnten Ufern vorüber, die sie gewöhnlich für Se. Majestät den König von Kastilien unter feierlichen Ceremonien in Besiß zu nehmen pflegten.

Bei dieser Gelegenheit will Orellana auch (und zwar am 22. Juni 1542) mit dem Weibervolke der Amazonen zusammengekommen sein und mit ihnen gekämpft haben. Er beschreibt sie als von großer Statur und weißer Gesichtsfarbe, mit langem, glattem Haar, das sie um den Kopf gewickelt trugen. Ihre einzige Bekleidung bestand in

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einem Gürtel, und Bogen und Pfeil waren ihre Waffen. Nach zahllosen Schicksalen und nach einer Binnenfahrt, deren Dauer fast acht Monate betrug, und deren Länge der kühne Abenteurer auf 1800 Le= guas schäßte, gelangte er endlich mit seinen zwei Brigantinen (eine hatte er später gebaut) am 26. August in die offene See und erreichte am 11. September die Insel Cubagua, von wo er nach Spanien zurückkehrte. Auf einer zweiten Reise (1544) kam er mit vielen der Seinen um, indem er vergeblich versuchte, von der Mündung aus in den Strom vorzudringen.

Die erste Expedition stromaufwärts nach Quito geschah, nachdem zwei zu einer zersprengten Mission gehörige Franziskaner und sechs Soldaten, deren Hauptmann von den Indianern erschlagen worden war, den von Orellana gezeigten Weg abermals zurückgelegt, 1637 durch Pedro Teixeira, und lief glücklich ab. Die Unterwerfung der Uferstämme, die zum Theil eine entschiedene Neigung gezeigt hatten, mit Holländern und Engländern in Handels-Verbindung zu treten, scheint der Hauptzweck gewesen zu sein. Denn Teireira hatte funfzig Soldaten und 1200 Indianer, welche als Bogenschüßen und Ruderer dienten, die Weiber und Kinder nicht mitgerechnet, bei sich. Die Fahrt dauerte ohne die Landreise etwa 10 Monate. Im Jahre 1639 machte Ebenderselbe die Fahrt zurück nach der Mündung und hatte dabei den gelehrten Jesuiten Fray Christoval d'Acuña zum Begleiter, der die Reise umständlich beschrieben hat. Ein anderer Jesuit, ein geborner Böhme, Pater Samuel Frig, der in den Jahren 1689 und 1691 den Strom befahren, veröffentlichte die erste Karte desselben. Seitdem wurde seine Befahrung allgemeiner, und um 1710 hatten die Portugiesen bereits eine allgemeine geographische Ansicht des ganzen Stromgebietes.

Im Jahre 1743 fand die wichtige Expedition de la Condamine's von Jaën de Bracamoros den Fluß abwärts bis Pará statt, die zwar nur 2 Monate währte, aber für die Wissenschaft von größter Bedeutung war, namentlich für die Geographie. Eine genauere Karte wurde durch sie gewonnen. Ueberall erkundigte sich der große Akademiker, obwohl er den früheren Berichten wenig Glauben schenkte, nach der Amazonensage und fand sie längs des ganzen Strom - Ufers noch im Munde des Volkes. Die Eingebornen stimmten darin überein, daß die Amazonen seit längerer Zeit ihren Wohnsiß verändert und, von Süden kommend, den Marañon überschritten hätten, sich nach dem Nío Negro oder einem anderen der großen Zuflüsse wendend. Eine Anzahl einzelner Nachrichten werden dann mitgetheilt, die kaum einen Zweifel lassen, daß an der Erzählung Orellana's etwas Wahres ist. Der portugiesische Aftronom Ribeiro, der dreißig Jahre später jene Gegenden bereiste, ferner der Missionar Gili und Andere bestätigten gleichfalls die Lebendigkeit und Allgemeinheit jener Traditionen, und selbst Alexander von Humboldt, der im Anfange dieses Jahrhunderts dort war, giebt die Möglichkeit zu, daß die Weiber eines und des anderen Stammes, der drückenden Sklaverei überdrüffig, in welcher sie von ihren Männern gehalten wurden, in die Wildniß geflohen seien und sich dort, ähnlich entlaufenen Negern, in Horden vereinigt und nach und nach eine kriegerische Lebensweise angenommen hätten. Die Sache ist nicht so seltsam; denn es ist heute noch bei den Mundrucus der Fall, daß sie ihre Männer in den Krieg begleiten. Daß man früher im Zweifel an das Amazonenthum zu weit gegangen, beweisen die in neuerer Zeit genau bekannt gewordenen Zustände in Dahomey und Birma, wo die Fürsten wohleinererzirte Frauen-Regimenter halten. Aeltere Nachrichten verseßten das eigentliche Amazonenland in etwa 12° füdl. Breite, so schon 1545 der Eroberer von Paraguay, Fernando de Ribeira; Walter Raleigh (1595) verlegte es an die Ufer des Tapajos. Eine Nachricht von Eingebornen lautete dahin (1726), daß sieben bis acht Lagereisen weiter gegen Westen (von den Quellen des Dyapok) die Frauen ohne Männer wohnten, von denen die grünen Steine (Amazonensteine) kämen, die ihre Weiber zum Schmuck am Halse trügen. Nach anderen Nachrichten sollten sie am Fluffe Irijó hausen, der zwischen Mazapá und dem Cabo del Norte in den Ocean mündet. Herr v. Martius und Herr v. Spir (1819 und 1820), deren Unternehmung in Beziehung auf die Wissenschaft die bedeutendste sein dürfte, bekennen sich hierüber zu einem vollständigen Unglauben; noch spätere Reisende, z. B. der deutsche Naturforscher Pöppig (1831 und 1832), die Engländer Lifter und Maw (1828), Smyth und Lowe (1835) scheinen sich dabei beruhigt zu haben.

Richard Schomburgk, der 1840 seinen ältesten Bruder, Sir Robert, auf deffen lezter Reise in Guyana begleitete, war nicht im Stande, genauere Nachrichten über diese Mannfrauen einzuziehen. Alles in Allem genommen, wird man zu der Ansicht kommen, daß die Frage eine noch offene ist und keinesweges mit bloßem Ableugnen abgethan wird. Will man den ersten Entdecker, Orellana, der persönlich mit ihnen gekämpft haben will, auch zum Lügner machen, was doch sein Bedenken hat, so bleibt es doch dabei ganz unbegreiflich, wie diese Erdichtung, die für Europa berechnet gewesen wäre, als so ausgebreitete Tradition der Eingebornen auftritt und sich dauernd erhält.

Irgend eine abnorme Erscheinung, die vielleicht jezt verschwunden ist, muß der Sache zu Grunde liegen.

Gern möchten wir den Prinzen auf der sehr interessanten Reise auf dem Amazonenstrome und dem Xingu (einem Nebenfluffe) be= gleiten, doch wir gestehen unsere Verlegenheit, aus der unendlichen Fülle der Scenerien und Schilderungen etwas besonders hervorheben zu können; wir müssen uns also begnügen, den Leser auf das Werk selbst zu verweisen; es soll uns eine Genugthuung sein, wenn es uns gelungen, durch das, was wir hervorgehoben, den Inhalt des Ganzen einigermaßen anschaulich gemacht zu haben; sicher wird die Reise des Prinzen Adalbert in der Geschichte der Reise-Literatur über jene Gegenden und in der Wissenschaft ihren verdienten Plag behaupten.

Frankreich.

Tragisches Schriftstellerleben.

Der Tod des bekannten Mitarbeiters der Revue des deux Mondes, Gustav Planche, hat dieselbe zu einer biographischen Skizze veranlaßt, welche ein helles Licht auf die traurigen Zustände der französischen Schriftstellerwelt wirft. Wir haben gewöhnlich Deutschland als die Heimat der armen Poeten betrachtet und suchen die Namen unserer großen Dichter damit zu feiern, daß wir Vereine in ihrem Namen bilden, um ihre geistigen Nachkommen zu unterstüßen. In Frankreich leben einige Schriftsteller zwar in Glanz und Reichthum, aber all jährlich erliegen in Paris nicht nur junge Talente dem Elende, son dern auch ältere, mit bekanntem Namen und sicherer Geltung, müssen müssen oft noch um ihre Eristenz kämpfen.

Die Lebensgeschichte von G. Planche gehört noch so sehr der Gegenwart an, daß ihr Verfasser, Emil Montégut, sie nicht unverhüllt zu erzählen wagte; man sieht jedoch durch die Schleier seiner diskreten Darstellung den Schattenriß eines tragischen Lebens. Un ablässige Kämpfe und unbelohnte Arbeitslasten waren der Preis, um zu einem fargen Schriftsteller-Ruhm zu gelangen, den der Neid und die Nachsucht dem Unglücklichen noch vergällten, bis der Tod ihn im besten Mannesalter abrief.

Gustav Planche war besonders als Kritiker von Bedeutung; seine unbestechliche Wahrheitsliebe, die Strenge seines Urtheils, die Neinheit und Richtigkeit seiner Kunstansichten verschafften ihm sehr bald das Gewicht einer Autorität. Aber er mußte diese Stellung theuer bezahlen durch die Verfolgungen, womit ihn diejenigen quälten, welche sein Tadel getroffen. Bei der Makellosigkeit seines Charakters und Lebens wußten sie keine Handhaben für ihre Rache zu finden, fie griffen deshalb zu dem kleinlichen Mittel, ihn lächerlich zu machen. Sein geiftvoller Biograph sagt sehr wahr:,,Die menschliche Bosheit befigt die Gewohnheit, sich an Charakteren, welche über jede Verleumdung erhaben sind, dadurch schadlos zu halten, daß sie sich an kleine Aeußerlichkeiten heftet, an irgend eine schlechte Gewohnheit oder einen körperlichen Fehler. Man macht es dem Manne, welchem man schaden will, zum Verbrechen, daß er mager ist oder rothe Backen hat, daß er stottert oder hinkt, daß er einen geflickten Stiefel oder einen abgeschabten Rock an hat. Und die Bosheit verrechnet sich selten; die Beleidigungen, welchen man nichts als Schweigen entgegensehen kann, sind die empfindlichsten. Einen Angriff auf die Ehre kannst du durch eine öffentliche Abwehr, durch einen Prozeß oder ein Duell entkräften, aber was willst du erwiedern, wenn mau dir deinen alten Hut oder deinen schlechten Rock zum Verbrechen macht? Gegen solche Beschimpfungen giebt es keine Vertheidigung, du mußt sie ohne Murren ertragen! Und doch wirken sie oft schlimmer als Angriffe auf die Ehre, denn sie machen dich für immer lächerlich. Aber was soll man von, den Leuten denken, die solche niedrige Mittel zur Befriedigung ihrer Rache verwenden? Wenn ihr Anzug tadellos ist, ist darum ihre Schriftstellerei besser? sind ihre Sitten, ihr Charakter reiner und rechtlicher, weil sie sich der Heimlichkeit befleißigen? Der unschuldige und ehrliche Gustav Planche hat nie daran gedacht, irgend eine seiner Handlungen und Gewohnheiten zu verbergen; er ahnte nicht, daß sich Jemand dafür interessiren oder gar sie ausbeuten könnte. Seine Seele war wie sein Leben durchaus frei von Verdorbenheit, und sogar die schlechten Gewohnheiten, welche man ihm vorwarf, waren nur rührende Folgen seines schweren, entbehrungsvollen Lebens. Die Vorwürfe seiner Feinde waren also nicht blos boshaft, sondern auch graufam, denn sie richteten sich nicht gegen Fehler und Schwächen, wohl aber gegen Leiden und Unglücksfälle. Welche Niedrigkeit der Seele liegt darin, einem Menschen als Verbrechen anzurechnen, daß er unglücklich gewesen ist!"

Gustav Planche verbrauchte seine Kraft, die Blüthe seiner Jugend in dem steten Kampf mit der Armuth; die Zeit, welche er so freudig für das Studium verwendet hätte, mußte er zum Erwerb des trockenen

Brodtes opfern. Entbehrungen sind in der Kindheit ein treffliches Erziehungsmittel, aber für den werdenden Mann wirken sie wie ein Nachtfrost, besonders wenn er zu stolz ist, um sich beugen zu können und durch kleine Kunstgriffe oder durch Leichtsinn sich das Leben zu erleichtern. Gustav Planche bestand diese harte Probe, er lebte die schönsten Jahre seiner Jugend in jener peinlichen Lage heimlicher Armuth, die schlimmer ist, als offenkundiges Elend. Er litt umsomehr darunter, als er von Natur keine der Anlagen besaß, die diesen Lebenskampf erleichtern können. Etwas Dreistigkeit und Luft zum Abenteuern find darin gute Hülfsmittel; aber Gustav Planche ging stolz, schüchtern und regelrecht seinen mühsamen Weg. Er vermied es, Trost oder Rath bei Freunden zu suchen; Beides würde ihn ver wundet haben.

Die Briefe, welche er in jener Zeit an seine Familie schrieb, ents halten ein ergreifendes Gemälde seiner Leiden und die rührendsten Einzelheiten seiner Haushaltungskunst. Ueber jede kleine Summe giebt er die genaueste Rechenschaft und richtet nie einen Vorwurf an seinen Vater, der eigentlich die Veranlassung seines Mißgeschicks war. Mit dem Eigensinn eines französischen Familienvaters der alten Zeit, hatte er seinen Sohn zwingen wollen, ein trockenes Fachstudium zu ergreifen, während die junge künstlerische Seele desselben nach Wissenschaft und Kunstgenuß schmachtete. Die Widersehlichkeit gegen den väterlichen Willen ist indessen eine Schuld, die Gustav Planche in seinem tragischen Schriftstellerleben abzubüßen hatte, und sein Biograph hätte diesen Punkt zum Nugen und Frommen der freiheitsdurstigen männlichen Jugend mehr hervorheben sollen.

Ein andere Episode in dem Leben Gustav's scheint auch reichlich von dem tragischen Element durchdrungen gewesen zu sein; er hatte auch eine unglückliche Liebe. Endlich an dem Ziele angelangt, wo er etwas Ruhe, etwas Ruhm und Ansehen erreicht hatte, ist seine Leidensfähigkeit in den Gluthen einer Leidenschaft abermals geprüft worden. Sein Biograph macht darüber nur unklare Andeutungen, aber fie reichen hin, um eine Liebe von echt französischer Art darin zu erkennen, wo der Gegenstand nur gewonnen werden kann, wenn, wie der Biograph mit seiner Seelenmalerei angiebt, eine Portion Leichtsinn, Herzenskälte und Kühnheit angewendet wird. Herzenskälte und Kühnheit angewendet wird. Der ehrliche Gustav Planche wollte sich opfern, wollte arbeiten, guten Rath geben, entsagen, leiden, aber er hatte nicht die Kraft, ein Wesen zu verlassen, das höchst wahrscheinlich seiner unwürdig war. wahrscheinlich seiner unwürdig war. Er war jedenfalls eine Persönlichkeit, die ein tieferes Eingehen verdiente, als die kurze, wenn auch mit Vorliebe gearbeitete Skizze, welche wir hier mitgetheilt haben. F. v. H.

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Mannigfaltiges.

Deutsch englische Freischulen in Pennsylvanien. Einer der thätigsten deutschen Schriftsteller in Amerika ist der lutherische Pfarrer S. K. Brobst zu Allentown in Pennsylvanien. Derselbe giebt nicht blos alljährlich einen „Lutherischen Kalender" heraus, und zwar im Auftrage der Lutherischen Synode von Pennsylvanien und den benachbarten Staaten", sondern auch zwei verschiedene Zeitschriften: den,,Jugendfreund und Christenbote" (alle 14 Tage) und die „Missionsblätter“ (monatlich einmal). Beide Blätter-find, nach den uns vorliegenden Proben zu urtheilen, in einem wahrhaft religiösen Geiste, ohne zelotischen Eifer und fern von Verfolgungssucht, redigirt. Dem „Lutherischen Kalender" entlehnen wir nachstehende Notiz über den deutschen neben dem englischen Unterricht in den Freischulen von Pennsylvanien:

,,Nach den Gesehen des Staats Pennsylvanien, kann und soll nebst dem englischen auch deutscher Unterricht in den Freischulen ertheilt werden, wenn in den deutschen Distrikten die Aeltern es wünschen oder verlangen. In den deutschen Kantonen (counties) des Staates giebt es wirklich viele deutsche und englische Schulen. Wenn nämlich Kinder in beiden Sprachen unterrichtet werden, so können sie die Wörter und Säße der einen mit denen der anderen Sprache vergleichen, und bei der Vergleichung fällt ihnen natürlich ebenso die Aehnlichkeit wie der Unterschied beider in die Augen. Da hilft Eines dem Andern: durch das Uebersehen aus dem Englischen in's Deutsche und aus dem Deutschen in's Englische werden sie im Denken geübt. und tiefer in die echte Sprachkenntniß eingeführt, als wenn sie blos am Englischen hängen. Eine fremde Sprache läßt sich am leichtesten erlernen, wenn man sie in die Muttersprache überseht und die Form und den Geist der fremden mit der eigenen vergleicht. Es ist in der That auch schon etwas Bewundernswerthes, daß Kinder in Freischulen Gelegenheit erhalten, die beiden Hauptsprachen der Welt lesen, schreiben und sprechen zu lernen. Wie gut, wie schön und wie nüglich wäre es doch, wenn in allen Freischulen unseres Staates Deutsch und Englisch gelehrt würde?"

Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und viertelfährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

für die

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Literatur des Auslandes.

Ostindien.

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welche nicht irgend einem Kultus gewidmet war und die nicht jezt noch Spuren davon aufzuweisen hat.“

wie eine Spinne mit ihren Fäden, das Ländergebiet des Nisam in ihre Gewalt brachten; das Cantonnement der englischen Truppen bei Bolarum, Aurangabad, die Riesendenkmäler von Ellora, deren gigantiDas englische Indien, nach Graf Ed. von Warren. sche Massen und zugleich unübertreffliche Feinheit der Arbeit gepriesen Als eine der vortrefflichsten Schriften über die in Ostindien di- werden; Bangalore, Seringapatnam und Vidschajanagar, die alte rekt oder indirekt von den Engländern beherrschten Länder, empfiehlt Hauptstadt von Dekhan, unter deren Ruinen sich der Verfasser drei fich das unten näher bezeichnete, in französischer Sprache verfaßte Wochen lang der Beschauung hingab, und wovon er unter Anderem Werk.) Der Verfasser ist zwar Franzose, aber ein gebildeter, wohl- fagt: „Die Chroniken berichten, daß unter der Regierung von Krishnaunterrichteter Mann, der, außer der französischen und englischen, auch Radschah, ohne die Moscheen und die christlichen Kapellen mit zu die Sprache der Hindu, in der er fogar die Stelle eines Dolmetschers zählen, in Vidschajanagar mindestens dreihundert Haupttempel fich bevertrat, gründlich versteht, ein scharfsinniger Beobachter, der noch fanden, die den verschiedenen Gottheiten der Hindu's gewidmet waren. dazu Ostindien, wo sein Vater schon Lorbeern geärndtet hatte, stets In der That beweist das, was heutzutage noch vorhanden ist, daß die zum Hauptgegenstande seines Studiums machte, aufgeklärt in der Re- Anzahl dieser Tempel außerordentlich groß war, und daß der größte ligion und Freund der wahren Frömmigkeit, von gesundem Urtheile Theil von kolossalem Umfang und von kunstvollster, prächtiger Ausin politischer, finanzieller und kommerzieller Hinsicht, Kosmopolit und ́stattung war. Es giebt kaum eine Anhöhe, oder eine Felsenspige, Menschenfreund, eben darum ganz unbefangen von irgend einem Vorurtheile für oder gegen eine der Nationen, die hier in Betracht kommen, überdies durch einen neunjährigen Dienst in der königlich britis schen Armee und durch viele Reisen jenseits des Indus vollkommen in Stand gefeßt, die der Wahrheit angemessensten Beschreibungen zu liefern und die gründlichsten Urtheile zu fällen. Der Stil des Buches ist edel, schön und kräftig, das Gepräge eines ernsten, männlichen und empfindungsreichen Charakters, und es ist vorauszusehen, daß es immer mehr des Leser gewinnen und seine Zeit bei weitem überleben wird. Das Werk zerfällt jeht, wie angezeigt, in drei Theile, wovon der erste einen Raum von 508 Seiten einnimmt, und worin der Verfaffer hauptsächlich gestrebt hat, die Hauptlokalitäten von Madras zu beschreiben und eine Schilderung sowohl des königlich großbritannischen Heeres als der Armee des Verbandes der Ostindischen Handels-Compagnie, nach ihrem respektiven Systeme, ihrer Zahl und ihrem Ansehen zu geben, in der Meinung, daß die hierüber mitgetheilten Beobachtungen sich auch auf die beiden anderen Präsidentschaften anwenden laffen.

War dies des Verfaffers Hauptziel, so hat es ihn nicht behindert, außerordentlich viel Anziehendes für jeden Leser in diesem Theile niederzulegen. Er umfaßt die Beschreibung aller wichtigen Erlebnisse v. Warren's in Indien, woselbst dieser, nach einer Reise von mehr als fünf Monaten, an der Küste von Karnatik ankam, und hat faft ganz den Charakter eines Reise-Journals, indem hier der Reihe nach die Bewegungen des Verfassers in diesem Lande, theils um eine Anftellung zu finden, theils als angestellten Offiziers, theils aus Begierde nach Erwerbung neuer Erkenntniffe, vor Augen geführt werden. Dies giebt denn Gelegenheit, außer Madras und feiner Umgegend, die Schönheit des Landes im Allgemeinen, seine üppige, wunderbare Vegetation, seine reiche Thierwelt, aber auch seine Wüsten, seine Hiße in der heißen Jahreszeit, feine furchtbaren, vom Himmel ftürzenden Fluthen in der Regenzeit, die Ungesundheit des Klima's, die beunruhigenden und gefährlichen Insekten und Bestien; ferner feine durch den Druck schlechter administrativer Einrichtungen entstandene Armuth, den sanften und devoten Charakter und die Sitten seiner eingebornen Bewohner, die Zusammenseßung seiner Einwohnerschaft aus Hindu's, Moslemin, Mischlingen, Juden und Christen und deren Parteien, die Verachtung seiner Eingebornen im Auge des eingedrungenen Europäers und die Abneigung derselben gegen ihn, seine Disposition, durch plöglich entstehende Malaria und Cholera die Menschen in Massen zu vertilgen, und vieles Andere, malerisch darzustellen.

Von den Lokalitäten werden noch besonders beschrieben: Pondichery, Hyderabad, das frühere Reich von Golkonda, wobei in einem précis historique sich zeigt, wie, nachdem der Franzosen Buffy und Raymond's weitaussehende Pläne durch das uneinsichtige französische Ministerium scheiterten, die Engländer durch ihr Subsidiar-System,

*) L'Inde Anglaise avant et après l'insurrection de 1857, par le Comte Edouard de Warren, ancien officier de S. M. Britannique dans l'Inde. Troisième édition, revue et considérablement augmentée. Paris, L. Hachette & Co., 1857. Berlin, A. Asher & Comp.

Auch erhalten wir hier eine genaue Beschreibung der Thugs, der Menschenmörder aus religiösem Grundsaß, sowie des Krieges gegen Coorg, der die Engländer plöglich aus ihrer Ruhe in das Feld rief und vielen den Tod brachte. Diese Erzählung ist höchst geeignet, die Cipajes oder Sipahis, die aus den Eingebornen zusammengeseßten Truppen, in ihrem wahren Lichte erscheinen zu lassen, da sie aus Furcht und Feigheit den kleinen Kern der Europäer, der sie zusammenhielt, ganz im Stiche ließen, als ein Beispiel zu dienen, wie man den Sieg gewinnen kann, da man ihn doch verliert, weil der Fürst des Landes Coorg sich, troß der gewonnenen Schlacht und aller Aussichten, sich die Engländer fern halten zu können, aus Feigheit diesen ergab, welche ihrerseits sich keine Sünde daraus machten, ihre Versprechungen nicht zu halten; dagegen in der Schilderung des Marsches in die Ghatten die ungebrochene Macht und Schönheit der wild-romantischen Waldgebirge zu bezeugen und die Aussprüche des Ramajana darüber zu bestätigen.

Der zweite Theil nimmt 201 Seiten ein, sieht von des Verfassers persönlichen Verhältnissen ganz ab und beschäftigt sich durchaus mit dem statistischem Zustande Ostindiens. Zuerst wird ein allgemeines Gemälde vom britannischen Reiche in Indien gegeben, wie es am 1. Januar 1857 war, und von der Constitution dieses Reiches. Die Größe deffelben zu schildern, sagt der Verfasser: „Wir werden uns eine Idee von seiner Ausdehnung machen können, wenn wir es, nach dem Plane von Sir William Jones, in zwei ungeheure Dreiecke eintheilen, deren gemeinsame Basis die Verbindungslinie der Mündungen des Indus mit denen des Ganges und des Brahmaputra ist, eine Linie, deren Ausdehnung nicht weniger als siebenhundert Poststunden beträgt. Das nördliche Dreieck hat seinen oberen Winkel in Leh, am Ober-Indus, das füdliche Dreieck hat den feinigen am Cap Comorin, und diese beiden Spigen find von einander etwas mehr als achthundert Stunden entfernt.“

Das nördliche Dreieck enthält das Dreifache der Oberfläche der österreichischen Monarchie, das sübliche ebenso das Dreifache der Oberfläche Frankreichs, und die beiden Dreiecke vereinigt dürften ungefähr die Hälfte der Oberfläche von Europa umfassen. Es ist also Indien ein dreifaches Desterreich, und überdies noch ein dreifaches Frankreich, ohne daß die in neueren Zeiten mit den Domainen der Compagnie vereinigten Staaten von Pegu, Arracan, Tenafferim, Singapur, Malacca mit gezählt werden. ́

In Betreff der Verfassung wird erzählt, wie die Ostindische Handels-Compaguie schon seit 1689 aufgehört hat, den Handel als einzigen Zweck zu verfolgen, vielmehr die Herrschaft von ihr erstrebt, ja fie diese zu wollen fortgeriffen worden ist, ohne es faft zu wagen, sie zu wollen, und wie sie seit dem 28. August 1833, dem Handel entsagend, die Immediat-Herrschaft über das indo-britische Reich führt, wobei sie jedoch der britischen Krone und zunächst der Board of Control, unterworfen ist, so daß eigentlich kein Versehen in der Regierung des indisch-britischen Reiches der Compagnie zur Laft

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