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wenigen Tagen unterjochen läßt, so kann ein rein militärischer Bericht nicht genügen, um ein solches Ergebniß zu erklären.“

Das ist ja eben das Charakteristische der neueren Kriege, daß die Tapferkeit der Kämpfenden, die Taktik der Heerführer allein nicht mehr genügen, um nachhaltige Resultate zu erzielen. Während des blutigsten Kampfes ruhen die diplomatischen Verhandlungen, die Zu triguen der Parteien nicht, und noch che der leßte Kanonenschuß verhallt, die leßten Schmerzensseufzer auf den Schlachtfeldern verstummen, tommen Thatsachen zum Vorschein, um derenwillen es nicht nöthig war, soviel Blut zu vergießen und Opfer zu bringen, die in feinem Verhältniß stehen zu dem, was der Lohn des Sieges hätte sein sollen. Der leßte orientalische Krieg hat dies wieder recht augenscheinlich dargethan. Die ungeheuren Summen, welche derselbe erforderte, das unfägliche Elend, welchem die Truppen der verbündeten Mächte wie die russischen in Maffen erlagen, damit ein paar Kriegsschiffe versenkt wurden, eine starke Festung erstürmt werden konnte, was hat dies Alles genüßt? Für einen Augenblick erhob sich Frankreichs Herrscher zum gebietenden Herrn, um nur zu bald einsehen zu lernen, welche Gefahren ihn troß seines Glanzes in nächster Nähe umgaben, und die diplomatischen Verwickelungen, welche jenen Kampf hervorriefen, erschüttern heute wie damals die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft. Daß Charras kein begeisterter Verehrer des ersten Napoleon ist, spricht er wiederholentlich, besonders aber am Schluß seines Werkes, aus:

„Es ist eines Tages so weit gekommen, daß derjenige, welcher Europa verwüstet, die Völker unterdrückt, Frankreich ausgesogen, den unversöhnlichen Haß der Völker unter einander angeschürt, die Fackel, der Revolution ausgelöscht und unser Vaterland mit der Verfassung und den Mißbräuchen der alten Monarchie wieder beglückt hatte, daß er, fag' ich, für den Befreiungsengel der Nationalitäten, für den Messias des Fortschrittes, der Civilisation angesehen wurde.

„Man kommt von diesen unglaublichen Irrthümern zurück, und das ist ein Glück zu nennen. In dem Ende Napoleon's erblickt man eine Züchtigung, welche die Vorsehung ihm angedeihen ließ, eine Sühne die von Rechts wegen nothwendig war.

,,Alle Religionen stimmen darin mit einem dem Menschen angebornen Gefühl überein, daß in einem jenseitigen Leben die Handlungen der Menschen ihren Lohn wie ihre Strafe finden werden. Das ist ein allgemeiner Glaube, der die Gerechten, die Unterdrückten tröstet und der menschlichen Gesellschaft Schuß und Schirm gewährt. Sieht man jedoch, daß die Verruchtheit oft lange hindurch triumphirt, dann wird selbst bei den Festesten jener Glaube erschüttert und Zweifel bemächtigen sich der Gemüther. Da ist es denn vor Allem heilsam und angemessen, wenn schon hier auf dieser Erde diese großen Verbrecher an der Wohlfahrt der Völker und an der Humanität, diese ehrgeizigen Friedensftörer, welche die Völker ihrer Selbstfucht opfern und durch Eroberung Unheil über sie bringen, von der Höhe in den Abgrund gestürzt werden.

,,Sie nun noch beklagen, das hieße einem falschen Edelmuth nachgeben, die Gerechtigkeit des Himmels beleidigen und diejenigen ermuthigen, welche ihnen nachahmen wollen.

"Ich für meinen Theil spreche es offen aus, daß ich Napoleon, wie er mitten im Meer an einen Felsen geschmiedet ist, trockenen Auges betrachte; ich spare meine Thränen für diejenigen, welche die Opfer seines Ehrgeizes wurden. Ich habe sie vergoffen, als ich die Felder betrat, wo Tausende der Soldaten ruhen, die unter der Fahne Frankreichs fielen und hier bestattet wurden während eines zeitweiligen Triumphs oder während einer Niederlage von langdauernden Folgen.

,,Noch lastet diese Niederlage auf unserem Vaterlande; wir dürfen uns dies nicht verbergen; denn man sah ganz Frankreich in leßter Anstrengung kämpfen oder that zum mindesten so, als wäre dies der Fall dort, wo nur ein Mann und eine Armee den Kampf bestanden; ein Mann, deffen militärisches Genie unter den Exzeffen des Despo tismus verloren gegangen war, eine Armee, schwach an Zahl und entblößt von allen Reserven, weil man bei der Organisation der Vertheidigung mit unerhörter Langsamkeit zu Werke ging, und weil man vor Allem eine zweideutige Politik befolgte, die schmachvoll alle Energie unterbrücken mußte.

,,Das Volk sah den Kampf; es durfte an demselben keinen Antheil nehmen." Aug. Geyder.

Mannigfaltiges.

- Goethe und die Frauen. Die ausländischen Literaten beginnen jeßt mit demselben Eifer und Kleinigkeitsgeist, wie die inländi schen, den Verhältnissen nachzuspüren, in welchen Goethe mit der Frauenwelt gestanden. Namentlich haben sich bei Gelegenheit der zahlreichen Kritiken über das Werk des Engländers Lewes eine Menge

Stimmen erhoben, die unseren Goethe-Verehrern, oder Gegnern, ihré flatschhaften Traditionen nacherzählen.

Frankreich bleibt nicht hinter England zurück in dieser Hinsicht; noch ganz kürzlich hat die Revue des deux Mondes den Herzensroman der armen Friederike von Sesenheim weitläufig verarbeitet. Leider hat dabei das neueste Werk von Knetschke sehr nachtheilig eingewirkt. Er hat sich die Frevelthat erlaubt, diese liebliche Mädchenblume in den Schmüß der Sünde zu werfen und nachzubeten, was andere unsaubere Geister über Friederikens Lebenslauf sich ausgedacht haben. Es existirt nirgends ein Beweis, daß sie gefallen, ja es ist durchaus keine Wahrscheinlichkeit vorhanden, denn eine Pfarrerstochter würde doch gewiß in solchem Fall durch ihre Angehörigen von dem Verführer bie Satisfaction der Ehe erlangt haben. Goethe war kein Junker, wie in Bürger's Ballade, sondern ein Bürgerkind aus Frankfurt. Auch würde er sich sicherlich nicht geweigert haben, einen so unerhörten Frevel an der Gastfreundschaft wieder gut zu machen. Es ist unbegreiflich, wie gerade Goethe's blindeste Verehrer sich beeifern, die lieblichste Idylle seines Lebens zu zerstören, durch unreine Vermuthungen zu beflecken! Um sie zu widerlegen, genügt es vollkommen, die Worte wieder durchzulesen, womit er selbst Friederike schildert. Mädchenhafte Reinheit ist der Grundton ihres ganzen Wesens; eine sich immer,,gleichbleibende" harmonisch heitere Stimmung und eine leidenschaftslose, aber innige Wärme der Empfindung, nennt Goethe den Hauptreiz dieser poetischen Erscheinung. Die beste Schuhwehr ihrer Tugend schildert er aber in der vortrefflichen Mutter Friederikens. Das Bild diefer Frau zeugt von dem feinen Verständniß Goethe's für weibliche Würde und Seelenschönheit, die er auch aus einem Matronen-Antlig herauslesen konnte.

Die Existenz dieser Mutter wird von Knetschke, Weil, Näfe, und wie die übrigen falschen Interpreten der Sesenheimer Idylle heißen mögen, gänzlich ignorirt. Des Pfarrers Tochter von Taubenheim, die ihnen vorgeschwebt haben mag, war von Bürger ganz folgerichtig als mutterlos dargestellt. Uebrigens hat Goethe sich auch keiner junkerhaften Verbrechen schuldig gemacht, wie schon die Abschiedsscene in Sefenheim beweist, wo die ganze Familie friedlich und freundlich neben seinem Pferde steht, Friederike reicht ihm arglos die Hand hinauf, und als höchsten Affekt führt Goethe an, daß ihre Augen ein wenig feucht wurden!

Würde man so harmlos und ruhig den Zerstörer eines Mädchenlebens entlassen? Allerdings hatte Goethe ein Unrecht begangen, indem er burch sein Benehmen Friederiken und ihren Aeltern gegründete Hoffnung machte, demnächst als regelrechter Freier bei ihnen aufzutreten. Zu stolz und zu bescheiden, um sich dies merken zu laffen, verharren die ehrlichen Leute in ruhiger Freundlichkeit, während Goethe etwas beklommen von dannen zieht. Er war noch zu jung, um sich zu binden, die Zukunft lag noch zu verlockend vor ihm; er verließ das Gute, um in die Ferne zu schweifen und das Bessere zu suchen. Aus eigensüchtigen Beweggründen hat er das Band gelöst, welches ihn an die holde Friederike knüpfte, die ihm geistig so ebenbürtig war. Dafür verfiel er später der Nemesis in Gestalt von Christiane Vulpius, neben deren untergeordneter, ungebildeter Natur er sich immerdar geistig vereinsamt fühlen mußte.

Es gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der meisten Goetheschen Biographen, daß sie die edlen Frauen, mit denen er verkehrte, herabsehen und schmähen, während sie Christiane Vulpius preisen. Aber was man auch sagen mag, es ist unumstößlich wahr, daß gerade die Verbindung mit ihr an der Verknöcherung seines Herzens und der Verödung seines Hauses Schuld war.

Bei dieser Gelegenheit müssen wir auch ausdrücklich Protest einlegen gegen die Beschuldigung, welche den deutschen Frauen durch den Engländer Lewes gemacht wird. Er behauptet, daß sie die Ehe Goethe's mißbilligt hätten, weil die Vulpius den Weimarschen Damen nicht vornehm genug gewesen sei. Der Grund ihrer Mißbilligung lag aber doch viel näher, und ein Bewohner des sittenstrengen Englands hätte ihn wohl hervorheben können. Wäre Goethe's Ehe ungefähr vierzehn Jahre früher geschlossen, so würden die Damen vor Weimar seine Frau nicht verachtet haben, und sie würde bei der anerkannten Bildungsfähigkeit der weiblichen Seele auch noch im Stande gewesen sein, ihrer Stellung gemäß fühlen und denken zu lernen, während sie durch die Schmach ihrer wilden Ehe stets von allem Umgange mit gebildeten Frauen ausgeschloffen war. So rächt sich jede Schuld auf Erden. Daß die Schwäche des großen Dichters von seinen Verehrern nicht hervorgehoben wird, ist verzeihlich, aber eine förmliche Apotheose derselben zu versucheu, streitet gegen alle poetische Gerechtigkeit. Daß Goethe einer solchen anheimgefallen, als er seine Freiheit an Chriftiane Vulpius verlor, wer möchte das leugnen? Diese Freiheit, die er so ängstlich hütete vor den edelsten Frauen, Friederike von Sesenheim an der Spiße! F. v. H..

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Türkei.

Berlin, Dienstag den 13. Juli.

Die Juden im Orient, nach L. A. Frankl.

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Dr. Ludw. Aug. Frankl, der Dichter des Christoforo Colombo" und des ,,Habsburglied", erhielt im Jahre 1856 von einer gottesfürchtigen, wohlthätigen Dame jüdischen Glaubens, der Frau Elise Herz, geb. Edeln v. Lämel in Wien, die ihrem verstorbenen Vater, einem daselbst und in Prag ansässig gewesenen Handelsherrn, ein in seinem religiösen und menschenfreundlichen Sinne ausgeführtes Denk mal sehen wollte, den Auftrag, in Jerusalem eine Kinderbewahr-Anftalt für Ifraeliten zu begründen, in welcher jedoch -,, wenn kein Hinderniß dagegen von der einen oder anderen Seite obwaltet" auch Kinder chriftlicher und muhammedanischer Aeltern Aufnahme und Schuß finden sollen. Die wohlthätige Frau hat zu diesem Zwecke ein Kapital von fünfzigtausend Gulden ausgesezt, deffen Zinsen, zu 44 Prozent jährlich, jenem menschenfreundlichen Zwecke gewidmet sind. ,,Die Zahl der aufzunehmenden Kinder", so heißt es in der Stiftungs Urkunde,,,wird sich nach Verhältniß der Erhaltungskosten zu den Zinsen des Stiftungskapitals richten. Die Kinder, die vom Morgen bis zum Abend in der Schule zu verbleiben haben, sollen ein einfaches und gut nährendes Mittagsmahl, und die völlig armen auch Bekleidung erhalten. - An dieser Kinderbewahr-Anstalt, welche, je nach den sich ergebenden Lokalbedingungen, in einem eigens, anzukaufenden oder in einem gemietheten Hause und Garten sich befindet, soll ein Mann angestellt werden, der, mit den nöthigen speziellen Kenntnissen ausgerüstet, wenigstens der hebräischen, arabischen und deutschen, möglichst aber auch der italiänischen Sprache kundig und ein Mann von vorzüglicher Moralität und Religiosität ist. Er muß verheiratet und feine Gattin geeignet sein, ihn als Lehrerin und Kinderbewahrerin zu unterstügen. Ein Arzt soll die Verpflichtung haben, in der Anstalt selbst die Sanität zu überwachen."

Am 11. März 1856 trat Herr Dr. Frankl, mit Empfehlungsbriefen des kaiserlich öfterreichischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten an die kaiserlichen Konsulate in Syrien und Aegypten, sowie ausgerüstet mit warmen Befürwortungen seiner Sache von Seiten der einflußreichsten Autoritäten in jüdisch-theologischen Dingen, seine Reise nach dem Orient an. Ihm voraus war allerdings der religiöse Zelotismus geeilt, der, wie in allen jüdischen Gemeinden, auch in der Wiener seine geschäftigen Vertreter hat, und der, unter der Maske konservativer Schwärmerei für alte Saßungen, das Unternehmen der gottesfürchtigen Tochter in Wien und ihres Bevollmäch. tigten als ein Attentat gegen die geheiligten Vorschriften des Juden thums denunzirte. Durch diese verleumderischen Vorläufer war in Jerusalem eine Bewegung und Aufregung der Gemüther künstlich hervorgerufen worden, die nachmals dem Reisenden nicht geringe Hinder. niffe bereitete, welche jedoch, besonders da ihm die Autorität der öfter. reichischen Internunziatur in Konstantinopel und des kaiserlichen Konsulates in Jerusalem zur Seite stand, glücklich von ihm überwun. den wurden, so daß die fromme Stiftung in der heiligen Stadt, ganz so wie sie beabsichtigt war, zu Stande gekommen und nunmehr be reits in voller Wirksamkeit ift.

Die Geschichte der Einrichtung dieser Stiftung zu erzählen, ein Bild der armseligen, in den traurigsten moralischen und physischen Zuständen sich befindenden jüdischen Gemeinden in Jerusalem zu liefern und das Leben der Judenheit im Orient überhaupt darzustellen, hat Herr Dr. Frankl in den vorliegenden beiden Bänden unternommen. Wir glauben aber, daß er nicht blos feinen Glaubensgenossen ein anziehendes und in mannigfachster Weise unterhaltendes Werk geliefert habe. Denn abgesehen von dem Judenthume, dessen über die ganze Welt verbreitete Bekenner in ihrer verschiedenartigen, von den Völ

*) „Nach Jerufalem!" Von Ludwig Aug. Frankl. Erster Theil: Griechen land, Klein-Asien, Syrien. Zweiter Theil: Palästina. (Bildet auch zwei Bände der Schriften, herausgegeben vom Institute zur Förderung der israelitis schen Literatur“). Leipzig, Baumgärtner, 1858.

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1858.

kern, unter denen sie leben, bedingten Färbung, sowie in ihrer gleichwohl auch burch die einheitliche Gottes-Idee, von der sie getragen werden, hervorgerufenen Uebereinstimmung, das Interesse jedes Menschen-Beobachters erregen, giebt der Verfasser auch ein von Geist und Kentnissen zeugendes Urtheil über Zustände und Menschen im Orient, namentlich in Griechenland, in der Türkei, in Klein-Asien, Syrien und besonders in Palästina ab - ein Urtheil, das in vielen Beziehungen von dem anderer Reisenden abweicht.

Der erste Band ist zunächst der Reise auf einem österreichischen Lloyd-Dampfer von Triest nach Korfu und Athen, sowie von da nach Syra, Smyrna und Konstantinopel gewidmet. Von der leztgenannten Hauptstadt trug der Lloyd-Dampfer, deffen Einrichtungen zum Zwecke der Touristen der Reisende nicht genug zu rühmen weiß, denselben über Mytilene, Samos, Rhodos und Cypern nach den Küsten Syriens, wo er drei Tage auf dem Libanon zubrachte. Ebenso verweilte er in Beirut, Damaskus, Baalbek und Tripolis, bevor er dem Ziele seiner Reise, Jerusalem, sich näherte, welchem lezteren und seinen Umgebungen der ganze zweite Band gewidmet ist. Alle jene Punkte, besonders aber die Hauptstädte Athen, Konstantinopel und Damaskus, sowie der Libanon, werden in eingehendster, ebenso dichterischer als wissenschaftlicher Weise von ihm geschildert. Hauptsächlich sind es allerdings die Juden, die er aufsucht und deren Zustände er darstellt, aber wo wäre dieser lebhafte, geschäftsvolle und geistig stets bewegte Theil der Einwohnerschaft wohl von dem Lande und allen seinen anderen, treibenden oder getriebenen Elementen irgendwie loszulösen? Selbst im Orient ist das Judenthum mit den Nationalitäten, unter denen es lebt - obwohl sie sich sämmtlich gegenseitig mißachten so verwebt, daß auch dort ein Wiederzusammenwachsen des jüdischen Volksthums, die Wiedererweckung eines jüdischen Staates, nicht als eine Eventualität erscheint, welche die Vorsehung für eine von menschlicher Berechnung zu überschauende Zukunft im Auge hat.

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Am allerwenigsten aber glaubt man in Palästina selbst an die Möglichkeit einer Wiedervereinigung des Volkes, dem Gott einst dieses Land zum Erbe verliehen hatte. Dort sind die Juden so verkommen und verkümmert, die Gemeinden stehen einander, nach ihren verschiedenen aschkenasischen (deutsch-polnisch-russischen), sephardischen (türkischportugiesisch - spanischen) und asiatischen Nationalitäten, so feindselig gegenüber, Pharisäer (Peruschim), Effäer (Chaffidim) und Epikuräer (Epikorsim) hassen und verfolgen einander so gründlich, daß an eine Aussöhnung der Parteien nie zu denken ist.

Daß Herr Frankl, seinen politischen Anschauungen und seiner patriotischen Gesinnung nach, ein echter, nirgend sich verleugnender Oesterreicher ist, thut der Unparteilichkeit seiner Darstellung keinen Abbruch. Mit dankbarer Anerkennung hebt er die Verpflichtung hervor, die er gegen den preußischen Konsul in Jerusalem, Herrn Dr. Rosen, für vielfach ihm von demselben zu Theil gewordene Belehrung hegt. Er bemerkt bei dieser Gelegenheit (Th. 2, S. 289): Es ist charakteristisch, daß die meisten Männer der preußischen Legation im Orient Männer der Wissenschaft waren und sind: Dr. Schulz, v. Wildenbruch, Dr. Otto Blau, Dr. Weßstein, Dr. Rosen; sie alle, der orientalischen Sprachen, troßdem sie keine munifizente Akademie, wie in Oesterreich, darin unterstüßte, vollkommen kundig, haben sich einen Namen auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaft gemacht und zur Kunde des Morgenlandes reichlich beigetragen."

Wir wollen dem reichhaltigen Buche, und zwar sowohl dem ersten als dem zweiten Bande, einige Probeskizzen entlehnen und beginnen zunächst mit folgender:

1. Die Juden in Konstantinopel.

Nach den Steuerbüchern der Gemeinde zählt Konstantinopel 38,400 türkische Juden; 14,800 Männer, 23,600 Weiber; die Unterthanen fremder Mächte nicht eingerechnet. Sie wohnen verstreut in der ganzen Stadt, vorzugsweise aber in den Vorstädten: Balat 6000, in Chasköi 4000, in Peri Pascha 1500, in Ortaköí 1500, in Kusghundschick 1000, u. f. w.

Es kommen jährlich 100 Hochzeiten, 500 Geburten, 350 Sterbefälle vor.

Der Beschäftigung nach sind sie Rentiers, Kaufleute, Wechsler, Kleinhändler, Sensale, Play-Agenten, Laftträger, Kajikführer, Glasund Silbergeschirrverkäufer, Zündhölzchenhändler, Zigarettenverfertiger und dergleichen.

In großer Anzahl Handwerker, theilen sie sich verschiedenen Gewerben nach ein in:

Maurer 100, Glaser 150, Nagelschmiede 400, Klempner 1000, Glashüttenbefizer 2, Spiegelverfertiger 150, Baumwollenweber 2, Seidenschnüredreher 100, Gold- und Silberschnüredreher 500, Schönfärber 180, Schuhmacher 100, Schneider 500, Kürschner 100, Gold-und Silberarbeiter 150, Juwelenschleifer 1, Rubin- und Smaragden, faffer 200, Fischer 900, Tracteure 100, Mehlspeisen-Auskocher 550, Zuckerbäcker 100, Branntweinbrenner 200, Tabakschneider 50, Büchsen macher 100, Gewicht- und Maßverfertiger 300, Ingenieur 1, Buchbinder 1000, Schreiber 20, Aerzte 500, Wundärzte 40, Barbiere 700, Apotheker 50, Musikanten 500, Seiltänzer 10.

Die Gemeinde wird im eigentlichen Sinne des Wortes von der Geistlichkeit regiert, denn die Rabbinen wählen mit den steuernden Mitgliedern der Gemeinde, nicht ohne auf diese Einfluß zu üben, die Vorsteher, deren sieben sind und lebenslänglich das Amt verwalten. Wenn einer stirbt, ergänzen die nachlebenden Vorsteher das Kollegium.

Die Gemeinde hat zwei Besdin, Rabbiner-Kollegien, deren eines seinen Sig in der Vorstadt Chasköi, das andere in Balat hat. Jedem der beiden Besdin steht ein Oberrabbi vor, deren einer den Titel Chacham Baschi des Nischan führt, vom Orden so genannt, den er von der Regierung beim Antritt seines hohen Postens erlangt.

Dieser leitet die politischen Angelegenheiten der Gemeinde. Mit ihm verkehrt die Regierung in allen Angelegenheiten, welche die Juden des weiten türkischen Reiches betreffen. Ihm liegt es ob, ihnen alle Befehle kundzuthun und über deren Vollziehung zu wachen.

Chacham Chani ist der Name des Palastes, den er bewohnt, in welchem sich auch noch ein Kerker befindet. Er hat das Recht, für Vergehen durch Entziehung der Freiheit zu firafen. In seinem SigungsSaale werden die wichtigsten Gegenstände berathen, die Berichte an die Regierung unterzeichnet. In der Kanzlei, wo ein Register über alle türkische Juden der Hauptstadt, nebst ihrer Wohnungsangabe, geführt wird, werden für Diejenigen, die reisen wollen, die Päffe ausgefertigt; doch müssen sie vom Vorsteher oder Chacham des Stadttheils, wo sie wohnen, ein Zeugniß bringen, daß sie mit der Gemeindesteuer nicht im Rückstande und nicht im Verdachte eines Vergehens oder Verbrechens stehen. Der Paß wird dann ohne allen weiteren Anstand von der kaiserlichen Regierung vidimirt. Ebenso werden Käufe und Verkäufe von Häusern, Gärten oder Feldern in der genannten Kanzlei abgeschlossen und von der Regierung einfach bestätigt.

Der Chacham des Nischan hat die Vollmacht, die Steuern der Juden für das ganze Reich zu repartiren, was er mit Hülfe der Rab binen in den jüdischen Gemeinden, die er ernennen und abseßen kann, vollzieht.

Jede der Hauptgemeinden, z. B. Smyrna, Salonik, Jerusalem 2c., wenn sie einen Rabbi wählt, muß dem Chacham des Nischan in Konstantiopel die Anzeige davon machen. Im Falle dieser zu dem Gewählten Vertrauen hat, schlägt er ihn der Regierung vor, die ihn bestätigt und ihm, wenn die Gemeinde jährlich eine Tare von 30,000 Piastern dafür bezahlt, ebenfalls die Insignien des NischanOrdens verleiht. Die Armuth der Gemeinden heißt sie meistentheils auf diese Auszeichnung verzichten. Dem neuen Rabbi wird von der Regierung ein Siegel verabfolgt, von dem ein gleiches sie selbst, der Kontrole wegen, behält und eines dem Chacham Baschi in Konstanti nopel ausfolgt. Die mit dem Orden oder auch nur mit dem Siegel Belehnten genießen des Vorrechtes, ihre Wünsche oder Vorschläge dem Chacham des Nischan in Konstantinopel mitzutheilen, der die Pflicht hat, die Regierung ungefäumt davon in Kenntniß zu sehen.

Der Amtsgenosse des Chacham des Nischan leitet die religiösen Angelegenheiten der Gemeinde. Jede Verlobung muß ihm angezeigt werden, und wenn die Verlobten die Ehe nicht eingehen wollen, haben sie ihm die Gründe vorzulegen, die, nur wenn er sie anerkennt, Gel tung erlangen. Er löst Ehen und Eide, er bestraft die, welche sich gegen irgend ein religiöses oder ceremoniales Geseß vergehen. Gegen seine Entscheidung kann keinerlei Berufung stattfinden.

Zur Zeit meiner Anwesenheit fungirten Herr Abraham Schemuel Cohen, als Chacham des Nischan, Herr Mosche Fresco, als Oberrabbi des Besdins.

In ihren Functionen werden diese beiden Würdenträger von den Vorstehern unterstüßt, mit denen sie gemeinschaftlich die Steuer für die Regierung und für die Gemeinde bestimmen. Diese von ihnen für die einzelnen Stadttheile erwählten Untervorsteher, „Baliðinim“, stehen ihnen, durch ihre genauere Kenntniß der Personen und Ver

mögensverhältnisse zur Seite und bilden gleichzeitig eine Religionsund Sittenpolizei.

Einnahmen der Gemeinde bilden:

1. Die,,Gabela", das Recht, von jeder Oka Fleisch - die Dla enthält 24 öfterreichische Pfund — 25 Para, an 4 Kreuzer, für 1 Oka Käse 20, für 10 Oka Wein 5, für 1 Oka Branntwein 10 Para Verzehrungsteuer zu beziehen.

2. Wenn ein Mädchen Braut wird, zahlt sie während der Zeit dieses ihres Standes 24 pCt., wenn sie heiratet, der Bräutigam 1 pCt. von der Mitgift.

3. Wenn ein Jude dem anderen ein Haus, einen Garten oder ein Feld verkauft, muß der Käufer an die Gemeinde 1 pCt., der Verkäufer 1⁄2 pCt. vom Kaufschilling geben. Wenn ein Jude seinen Befig an einen Muhammedaner oder Chriften verkauft, so hat er 2 pCt. zu entrichten.

4. Wenn ein Mann oder eine Frau stirbt und keine Kinder hinterläßt, muß der fernere, erbende Verwandte 10 pCt. vom ganzen Nachlaß bezahlen.

Die Ausgaben der Gemeinde sind uns nicht der Ziffer nach mitgetheilt worden, ebenso die Einnahme nicht; doch sind beide sehr bedeutend und jene beziehen sich auf folgende Gegenstände:

1. Die Gemeinde zahlt für alle in Konstantinopel geborenen Rabbinen und Gelehrte die Steuer.

2. Die Gehalte für die beiden Oberrabbinen und die sechs Rabbinen, welche das Besdin bilden, für drei Kanzlisten, deren einer die türkische, die beiden anderen die hebräische Korrespondenz führen; für drei Steuer-Einnehmer, für die Fleisch-, Bank-, Wein- und RakiAufseher, für zwei Trabanten, zwei Kerkerwächter und zwei Kawaffe, welche Lehtere mit silbernen Stäben dem Chacham Baschi, wenn er Besuche macht, voranschreiten.

3. Die Erhaltung von Talmud Thoraschulen und Unterstüßungen für die Schüler der Jeschibot, deren einer tausend bis funfzehnhundert Piafter jährlich bezieht, nehmen eine nicht unbedeutende Summe in Anspruch.

4. Die kleinen Ausgaben belaufen sich auf 20-30,000 Piafter. Wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, so werden sie durch eine außerordentliche Steuerumlage, Aricha", gedeckt. Die Oberrabbiner und Vorsteher wählen mehrere Vertrauensmänner, welche die Gemeindemitglieder in Beziehung auf ihr Vermögen abschäßen und darauf die Steuerzulage auf vier Jahre bemessen müssen. Vor diesem Geschäfte müssen fie jedoch vor dem Besdin einen Schwur ablegen, nach bestem Wissen und Gewissen vorzugehen. Wenn Einer von den Besteuerten im ersten Jahre stirbt, müssen die Erben den Betrag in den folgenden drei Jahren entrichten, so, als ob er lebte. Wenn Einer nach Jerusalem übersiedelt, wird er als gestorben angesehen.

In neuerer Zeit wurde die Aricha, die nur die Reichen traf, durch den Einfluß eines der Reichsten abgestellt. Wer notorisch nur 10,000 Piaster besaß, verfiel der Aricha nicht. Wir wissen nicht, wie jezt die etwa die Einnahmen übersteigenden Ausgaben gedeckt werden. Doch nicht durch Erhöhung der Verzehrungssteuer, die dem Armen so drückend ist?

Rücksichtlich der Wohlthätigkeits-Anstalten ist zu bemerken: Die Gemeinde hat kein Spital, wiewohl der Sultan vor mehreren Jahren ihr und den Karaiten einen sehr schönen Plaß geschenkt hat, um darauf ein Spital aufzuführen. Die Gemeinde wurde um eine nicht unbedeutende Steuer erhöht; doch brachte sie es nicht weiter, als zum Aufbau von vier Mauern, die als moderne Ruinen bald einstürzen werden. Die Karaiten dagegen führten ihr Haus auf, und es gedeiht und wirkt segensreich. Der Großherr, in der guten Meinung, daß das Spital eingerichtet sei, wies 150 Oka Fleisch zum täglichen Verbrauche an. Die Gemeinde bezieht das Geld und vertheilt es am Ofter- und Laubhüttenfeste an die Armen..

Die kranken Armen werden von einem in jeder Vorstadt, wo Juden wohnen, besoldeten Arzte behandelt und erhalten unentgeltlich Arzneien. Wenn es ihnen an Bett- und Leinenzeug fehlt, so wird die Oberin des wohlthätigen Frauenvereins vom Chacham des Viertels davon in Kenntniß geseßt, die sofort für das Nöthige Sorge trägt. Der Frauenverein stattet arme Mädchen, wenn sie heiraten, aus, er unterstügt Kindbetterinnen, bezahlt, wenn die Mutter ihr Kind nicht nähren kann, eine Amme, und wenn jene stirbt, übernimmt er die Erziehung des Kindes. Armen Frauen wird Beschäftigung gegeben; namentlich läßt der Verein Schaufäden von ihnen spinnen.

Um diese Ausgaben zu bestreiten, sammeln die wohlthätigen Frauen bei Hochzeitfesten der Reichen, oder sonst freudigen Familien-Ereigniffen und bei den sogenannten Visiten, wenn nämlich zehn bis zwölf Frauen sich bei einer Freundin ansagen, um den ganzen Tag bei ihr zuzubringen.

Freitag Nachts gehen zwei dafür besoldete Männer: ein Jude und ein Muhammedaner, in die Häuser der Armen, da, wo Kranke

find, oft drei bis viermal des Nachts, um zu fragen, ob man Feuer Rechten an und nahm seine beiden Schwestern nach dem Alter links brauche oder die Lampe verlöschen wolle.

Brafilien.

Die Reise des Prinzen Adalbert von Preußen ́
im Jahre 1842.
(Fortseßung.)

Wir entnehmen die folgende Schilderung ohne Abänderung und Kürzung aus dem Buche:

,,Prinz Adalbert übergab Sr. kaiserl. Majestät das Schreiben seines allergnädigsten Königs und Herrn nebst den Insignien des Schwarzen Adler-Ordens. Der Kaiser nahm den Orden mit sichtbarer Freude entgegen und drückte seinen Dank für das königliche Geschenk mit kurzen Worten aus, wie glücklich ihn dieser Beweis der Freundschaft seines königlichen Bruders mache; worauf Se. Majestät außerordentlich gnädiger Weise hinzufügten, daß Sie Se. königl. Hoheit zum Ritter Allerhöchst Ihres Ordens vom südlichen Kreuze ernenne. Voll Freude über diesen großen Beweis kaiserlicher Huld legte der Prinz den neuen Orden und das blaue Band sogleich an, und folgte dann dem Kaiser in ein entfernteres Zimmer, wo Se. Majestät sich mit ihm niederließ, um sich auf die freundlichste Weise über den Zweck seiner Reise zu unterhalten.

Dom Pedro II., bemerkt Prinz Adalbert in seinem Tagebuche, für sein Alter geistig außerordentlich vorgeschritten, dagegen körperlich vielleicht bis jest weniger entwickelt, ist von kleiner Statur und trog seiner Jugend eher stark zu nennen; sein Kopf groß, das Haar blond, die Züge wohlgebildet; sein blaues, sprechendes Auge drückt Ernst und Wohlwollen aus. Erst siebzehn Jahre alt, war sein Wesen gesezt, wie das eines gereiften Mannes; dabei zeigte er viele Freude an der Wissenschaft und hat in jeder Beziehung sehr gründliche Studien gemacht. Vor Allem liebt er die Geschichte, aber auch andere Zweige des Wissens umfaßt er mit Interesse, unter Anderem die Botanik. Selbst in der Kunst, namentlich in der Malerei, leistet der junge Fürst bereits etwas Tüchtiges. Auch hierin spricht sich sein ernster Charakter, sein Interesse an allem Großen und Edlen aus; denn er pflegt die Portraits der großen, in der Geschichte berühmten Regenten, deren Vorbilde er nacheifert, zum Gegenstand seiner Darstellung zu wählen. Schon um sechs Uhr Morgens steht der Kaiser auf, um sich mit allen Kräften den Staats-Geschäften zu widmen. In der Zeit, welche ihm übrig bleibt, beschäftigt der junge Monarch sich besonders mit Lesen, wobei ihn sein vorzügliches Gedächtniß trefflich unterftüßt......

Der Kaiser trug eine auf allen Nähten gestickte dunkelblaue Uniform, mit gleichfarbigem Kragen und Aufschlägen und weißem Unterfutter, darüber, nach portugiesischer Sitte, ein aus mehreren verschiedenen Ordensbändern zusammengesettes Band mit dem füdlichen Kreuze daran, auf der Brust drei Sterne, und das goldene Vließ mit großen Brillanten um den Hals, und zwar außen um den Kragen. Die goldenen Epaulettes mit schweren, sehr langen Bouillons, waren mit dem Wappen Brasiliens geziert; an der Lende hing, an einer weiß und goldenen Koppel, ein goldenes Schwert herab, mit hellblau emaillirtem Griff, und darauf das füdliche Kreuz in Brillanten. Die karmoisinrothe, seidene Schärpe war ganz von der Degenkoppel ver deckt, nur die goldenen Quaften hingen vorn herunter auf den in Gold gestickten ungarischen Knoten am Laße der an den Seiten mit breiten goldenen Streifen beseßten, langen Beinkleider von weißem Kasimir. Ein schwarzsammtner dreieckiger Hut vollendete das Kostüm..

Nach beendeter Unterredung hatte der Kaiser die Gnade, den Prinzen selbst zu seinen Schwestern zu führen und denselben, vorzustellen. Beide Prinzessinnen sind blond, wie der Bruder, doch etwas älter, beide hübsch, namentlich die jüngere, Dona Francisca, jezt vermählte Prinzessin von Joinville. Sie trugen grün und goldene Roben, mit kleinen Sternen und Weltkugeln darauf gestickt, und brillantene Vögel im Haar. Beide hatten den Stern vom südlichen Kreuze an, und dazu ebenfalls ein aus verschiedenen Bändern zusammengeseßtes Ordensband. Ihre Damen trugen ähnliche Schleppkleider, wie denn hier überhaupt Alles in Grün und Gold gekleidet ist, die Kammer herren, die Minister u. f. w., ja der ganze Hof, vom Ersten bis zum Leßten. Nach einem Weilchen verfügte man sich nach dem vorderen Theile des Schloffes. — Die Staatskaroffen fuhren vor. Des Prinzen sechsfenstriger Wagen war der erste, dann kam Dona Francisca's, dann Dona Januaria's, dann der des Kaisers. In dieser Reihen folge fezte sich der Zug, an den sich eine Schwadron Nationalgarde, als Eskorte des Kaisers, und viele Hof-Equipagen anreihten, nach dem Plage der Grundsteinlegung in Bewegung.

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Unter dem Zelt waren bereits das ganze diplomatische Corps, die Geistlichkeit, die höheren Land- und See-Offiziere, die Munizipalität zc. versammelt. Als der Kaiser erschien, begann eine kurze kirchliche Handlung. Seine Majestät wies dem Prinzen den Plaß zu seiner

neben sich. Diese Ordnung blieb für alle Ceremonien als feft= stehend. Der Bischof von Chrysopolis, der frühere Erzieher Sr. Majestät, weihte den an eleganten Flaschenzügen hängenden Grundstein. Der Kaiser selbst mauerte ihn ein."

Die ausführliche Schilderung der Feierlichkeiten des nun folgenden Festes, Einzug des Kaisers, Paraden, Gottesdienst u. f. w. müssen wir, da sie zu umfangreich für den zugemessenen Raum sind, übergehen, obgleich dieses Gemälde einer im Ganzen europäischen Kultur auf tropischem Boden und inmitten ziemlich eigenthümlicher Zustände einen in vielfacher Hinsicht interessanten Eindruck macht. Erotische Gewächse, Neger und Mulatten bilden den steten Hintergrund zu der europäischen Staffage, die wesentlich den romanischen Charakter trägt. Abends war Vorstellung im großen,,Theater de S. Pedro de Alcantara", bei welcher dem Prinzen eine eigenthümliche Sitte auffiel. Nach der Nationalhymne, die beim Eintritt des Kaisers abgesungen worden war, legte sich ein Herr im schwarzen Frack aus seiner Loge heraus und las laut ein Gedicht auf den Kaiser und das heutige, Fest ab. Ihm folgten noch vier Andere; zuleßt deklamirte gar ein reitender Nationalgardist den Kaiser an. Hiernach scheinen die Brafilianer ein sehr poetisches Völkchen zu sein.

Von den weiteren Erlebnissen am brasilianischen Hofe und den Ausflügen in die Umgegend der Hauptstadt, die der Prinz bei längerem Aufenthalte machte, können wir füglich nicht umständlichere Erwähnung thun, da wir durchaus in Verlegenheit sind bei der Fülle des Interessanten, das geboten wird. Wir verweisen also auf das Buch selbst. Einen längeren Ritt unternahm der Prinz zu den Ufern des Parahyba do Sul, auf dem er zum ersten Mal den wirklichen Urwald ansichtig wurde. Wir geben die interessante Schilderung desselben mit den Worten seines Tagebuches:

,,Früher hatten wir immer auf unseren Ritten gefragt, ob dies oder jenes der Urwald sei; nun fragten wir nicht mehr - denn wir wußten es jest! Jener feierliche Schauer, jenes heilige Gefühl sagte es uns, das einen Jeden befällt, der zum ersten Mal in einen Urwald eintritt. Anfangs starrten wir hinein in jenes Labyrinth von hohen, schlanken Stämmen, die wie Riesen neben uns aufstiegen, und in das uns umgebende Gewirr von Schlingpflanzen; wir blickten hinauf zu jenem leichten Laubdach, das den Himmel über uns nur wie durch einen Flor erkennen ließ, ohne daß wir uns aber irgend Rechenschaft geben konnten von dem, was wir fahen. Man male sich einen Urwald mit der glühendsten Phantasie zuhause aus — man wird dennoch seine kühnsten Erwartungen übertroffen finden, sobald man wirklich den Fuß in einen solchen Wald hineinseßt. Alles ist hier kolossal Alles scheint der Urwelt anzugehören; wir selbst mit unseren Roffen und Thieren kommen uns außer Proportion vor und fühlen, daß wir einer ganz anderen Zeit angehören. Zuerst ist es der ungeheure Maßstab, der uns in Erstaunen verseht; bald aber erregt die gänzliche Verschiedenheit der Pflanzenwelt dieser Wälder von der unseres Welttheils unsere Verwunderung in noch höherem Grade. - Wenn wir in der Heimat einen Strauch oder hier und da einen Obstbaum in anmuthiger Farbenpracht blühen sehen, so finden wir hier BaumKolosse in Blüthe, deren Höhe die der unseren um das Doppelte, Dreifache übertrifft, während ihre Blüthen den größten Blumen unserer Gärten an die Seite gestellt werden können und dazu in folcher Fülle hervorsproffen, daß das ganze Laubdach des Baumes sich oft in ihre Farben zu kleiden scheint, wie wir es schon von den rothen Sapucajas angeführt haben, an denen in dieser Jahreszeit meist jede Spur von Grün verschwindet.

,,Heute waren es vor Allem jene Bäume mit prachtvollen, großen lila und jene mit weißen Blüthen, die besonders viel zur Zierde der Wälder beitrugen, indem sie mit den so verschiedenen Nüancen des umgebenden Grüns auf das lebhafteste und anmuthigste kontrastirten. Hatte sich der unstät umherschweifende Blick an all der Farbenpracht seltsam gelabt, so suchte er wieder die tiefen Schatten auf, die ernst und melancholisch sich uns zwischen den Riesenstämmen zur Seite des Weges erschlossen. Da leuchtet plöglich mitten in dem dunklen Laube die fußhohe, feuerfarbene Blüthe einer Tillandsie gleich einer RiesenAnanas oder einer folossalen Erdbeere auf. Dann ziehen uns wieder die reizendsten Orchideen ab, die theils an den kerzengerade aufgeschoffenen Stämmen hinaufklettern, theils die Zweige wild und malerisch überwuchern, welche selten tiefer als 60 bis 80 Fuß von der Erde ihre Ausbreitung beginnen. Die große Fruchtbarkeit des Bo dens, will es scheinen, läßt zuviel Bäume auf einmal neben einander `aufschießen, so daß anfangs die Aeste keinen Naum finden, sich auszubreiten, und daher ein Stamm den anderen zu überragen strebt, um sich nach oben Luft zu machen. Da, wo kleinere Aefte sich von jenen, größeren abzweigen, oder da, wo legtere einen Auswuchs haben, pflegen die Tillandsien sich gern einzunisten, und oft kolossal, gleich einer mannshohen Aloe, schauen sie von dieser schwindelnden Höhe, sich voll Grazie niederbeugend, auf den Wanderer herab. Zwischen all diesen

mannigfachen Pflanzen, die den Aeften zu entsprießen oder sich auf denselben zu balanciren scheinen, erblicken wir jene Moose, die als Alongeperücken oder Roßschweise an den Zweigen der koloffalen Orchideen- und Tillandsien- Träger herabhängen oder in Gestalt von lang. haarigen Bärten den Riesen der Urwälder das Ansehen ehrwürdiger Greise geben, welche die Last eines Jahrtausends nicht zu beugen vermochte. Hierzu denke dir die Tausende von Lianen, die von oben herab dem Boden zustreben, oder in den Lüften hängen, ohne den felben zu erreichen; denke sie dir meist mehrere Zoll stark, ja häufig so dick, wie ein Mann im Leibe, dabei, gleich den Aesten der Bäume, mit Borke überzogen; — doch vergeblich wirst du dich bestreben, dir alle die unzähligen, bizarren, an das Fabelhafte ftreifenden Ver schlingungen auszumalen, in denen sie sich uns zeigen. Oft kommen, sie wie gerade Stangen herab und sind in die Erde gewachsen, so daß man sie bei ihrer Stärke selbst für Bäume halten könnte; oft bilden sie große Schleifen und Ringe von 10 bis 20 Fuß im Durch messer oder schlingen sich so um einander und legen sich dabei so in einander, daß sie mit Ankertauen wirklich zu verwechseln wären. Zuweilen schnüren sie den Baum ordentlich ein, von Distanz zu Distanz; oft ersticken sie ihn ganz, so daß er alles Laub verliert und seine abgestorbenen Riesenarme gleich ungeheuren weißen Korallenzweigen starr in das frische Grün des Waldes hineinstreckt, gleichwie der Tod oft schauerlich mitten in das blühende Leben hineinragt; oft auch geben sie dem alten Stamme statt des geraubten Schmuckes ein neues Laubdach; daher es zuweilen scheint, als besäße ein und derselbe Baum drei bis vier verschiedene Gattungen von Blättern.“

Schweiz.

Gözinger, Kortüm, Mager.

(Schluß folgt.)

Ein Triumvirat jüngst verewigter, auf den Gebieten der deutschen Sprache und Literatur, der Historie und Pädagogik aus gezeichneter Männer, welches deutschem Namen, Wesen und Wissen namentlich auch in der Schweiz hohe Achtung, durch sein schulmännisches Wirken daselbst sich ein anerkanntes Verdienst um sie und einen ehrenvollen Nachruf erworben hat. Mar Wilhelm Gözin ger, ein Sachse, geboren am 14. November 1799 zu Neustadt bei Stolpen in der sächsischen Schweiz, Sohn eines dasigen Geistlichen, zu deffen Ehren und aus Dankbarkeit dafür, daß er in seinem mehrmals aufgelegten, mit Illustrationen versehenen Buche:· ,,Schandau und feine Umgebungen", zuerst die Naturschönheiten der sächsischen Schweiz geschildert und ihr von da an Tausende von Be fuchern aus entlegenster Ferne alljährlich zugeführt hatte, die Cor poration der dortigen Führer im Jahre 1835 eine Metalltafel mit Inschrift auf der Höhe der Bastei befestigte, betrat 1824 die Schweiz als Lehrer am Fellenbergschen Institut zu Hofwyl, wurde 1827 nach Schaffhausen berufen, erlangte 1837 das schweizerische Bürgerrecht und von der Universität Basel das philosophische DoktorDiplom und starb am 2. August 1856 in Bad Oeynhausen als emeritirter Profeffor der deutschen Sprache und Literatur am Gymnasium in Schaffhausen hochangesehen, wie als Lehrer, Gelehrter und Schriftsteller, so als biederer und thatkräftiger Mann, dessen große Intelligenz auch in Gemeinde-Angelegenheiten zu Rathe gezogen wurde. Von seinen zahlreichen Schriften haben zwei der frühesten:,,Die Anfangs gründe der deutschen Sprachlehre“ (zuerst 1825-1827) und „Die deutschen Dichter" (zuerst 1831) im Jahre 1858 die achte Auflage erlebt, während seinen reifften und gediegenften aus den funfziger Jahren, dem,,deutschen Lesebuch" und der Stylschule", die er bei gelähmtem rechtem Arme mit der linken Hand zu schreiben oder zu diftiren genöthigt war, fernere Auflagen nicht fehlen werden. Göginger hat in der Darmstädter Schulzeitung (1856. Nr. 89) an Frauer einen kompetenten Nekrologen gefunden, auch ist demnächst eine mehr ein gehende Biographie zu erwarten.

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Als er, ein fünfundzwanzigjähriger junger Mann, nach Hofwyl kam, fand er dafelbst Johann Friedrich Christoph Kortüm als Kollegen, einen damals schon gereiften Dreißiger und bereits als Verfaffer der Schriften: Friedrich I. mit seinen Freunden und Feinden“ (Aarau, 1818) und 3úr Geschichte der hellenischen Staatsverfassungen" (Heidelberg, 1821), rühmlichst bekannt. Kortüm, gleichfalls eines Pre digers Sohn und geboren zu Eichhorst in Mecklenburg-Strelit den 24. Februar 1788, nahm 1813 als Freiwilliger am deutschen Be freiungskriege Theil, lebte und wirkte abwechselnd zu Basel, Hofwyl und Bern, dazwischen auch in Neuwied, und wurde 1840 nach Heidel berg berufen, wo er als Profeffor der Geschichte am 4. Juni des laufenden Jahres verstorben ist. Einen Nekrolog (d. d. Bern) hat er in der Augsburger,,Allgemeinen Zeitung", Nr. 168, Beil., gefunden.

Eines solchen wartet noch der jüngst (10. Juni) in Wiesbaden verewigte Dr. Karl Mager, soviel uns erinnerlich, aus Köln gebür tig und, wie in Berlin, so in Stuttgart durch seine ausgezeichnete

literarische Thätigkeit und Produktivität wohlbekannt. Von seinen vielen Schriften sei hier nur der von ihm begründeten, noch (bei Schultheiß in Zürich) fortbestehenden ,,Pädagogischen Revue" gedacht. Als Hegeling verschrieen, was vielen Schweizern damals gleichbedeutend mit Atheist war, entging ihm 1838 der philosophische Lehrstuhl an der reorganisirten Akademie in Laufaune. Mager war längst von Hegel's Schule emanzipirt, er war ein entschiedener Herbartianer. In der Schweiz lebte er zu Genf, dann in Aarau als Profeffor der französischen Sprache und Literatur, worin er im seltensten Grade heimisch war, darauf in Zürich bis zu seiner Berufung zur Direktors stelle an der Bürgerschule in Eisenach, wo er erfolgreich wirkte, bis ihn körperliches Unvermögen (Nückenmarksverzehrung und Lähmung) zwang, seine Entlassung zu nehmen und bis 1856 nach Dresden überzusiedeln. Mager war kein Genie von derjenigen Gattung, welche neue Bahnen bricht, wohl aber ein höchst talentvoller Kopf, der, welche Wissenschaft er sich auch zu seiner Spezialität erkiesen mochte, gewiß war, sich in kurzem zur Höhe derselben emporzuarbeiten und zu ihren Stimmführern gerechnet zu werden. Möge dieser zusammenstellende Ueberblick dazu beitragen, auf die Bedeutung dreier würdiger Repräsentanten deutscher National - Intelligenz im Auslande in weiteren Kreisen aufmerksam zu machen! E. K―r.

Mannigfaltiges.

Paris und Napoleon III., von Theodor Mundt. In Nr, 78 des vorjährigen Magazin" bemerkten wir Einiges über Theodor Mundt's,,Skizzen aus Paris". Ein späterer Aufenthalt deffelben in Paris, im Februar 1858, hat ihm zu „Neuen Skizzen aus dem französischen Kaiserreiche". Veranlassung gegeben,°) und dieselben dürfen wohl die nämliche Beachtung beanspruchen, wie die früheren. Die scharfe, feine Beobachtungsgabe, die entschiedene Offenheit des Verfassers machen auch hier wieder sich geltend. In seinen neuesten Schilderungen giebt sich vielleicht eine feinere Ironie und schärfere Satire als in den früheren kund, aber man kann deshalb nicht sagen, daß der Verfasser weniger gerecht in seinen Urtheilen sei, als etwa früher. Der Napoleonischen Idee geht er auch hier wieder auf allen ihren geheimsten, dunkelsten Wegen offen und gleichsam mit der Laterne des Diogenes nach, und er beleuchtet diese Wege und deren Ziel mit der Fackel der Geschichte. Er selbst ist zu wenig Politiker, ` als daß er, seinem sittlichen Bewußtsein zum Troß, die Politik des Tages, die bloße Politik der Interessen und der Situation, gutheißen sollte. Er huldigt und schmeichelt der Macht ebenso wenig, als einst Tacitus, an dessen Zeiten und Schilderungen man hier häufig erinnert wird; nur daß, statt des strengen Ernstes und der edlen Würde des alten Römers, der oft beißende Wig und der köftliche Humor des Deutschen für den drohenden Ernst der Gegenwart entschädigt. Namentlich empfehlen wir in dieser Beziehung den Abschnitt: „Das Lorettenthum, die Frauen und der Salon". Das entschiedene Verdammungsurtheil über die Crinoline, oder die Frau im Ballon, ift ebenso treffend als wißig und geistreich.

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Die,,Literarische Gesellschaft" von Jerusalem. In Peterman's Mittheilungen" (1858, Heft III) wird diese Gesellschaft als erst „kürzlich gegründet“ bezeichnet. Herr L. A. Frankl giebt jedoch in seinem Werke „Nach Jerusalem“ (Bd. II, S. 67) folgende Mittheilungen über dieselbe: Der englische Konsul, Herr James Finn, welcher vortrefflich hebräisch spricht und schreibt, gründete im Jahre 1849 eine Jerusalemitanische literarische Gesellschaft", welche meist archäologische Zwecke in Bezug auf das heilige Land verfolgt. Ihr Programm und die von ihrem Präsidenten, Herrn Finn, bei ihrer Eröffnung im Jahre 1851 gehaltene Rede mit dem hebräischen Motto: Zebi hi lekol ha'arazoth" (Palästina ist der Ruhm aller Länder), ist in Beirut gedruckt. Ein seltsamer, widersinniger Umstand ist die Bestimmung der Statuten, daß nur Protestanten Mitglieder der Gesellschaft werden können. Die Bibliothek der „literarischen Gesellschaft" ist bereits sehr ansehnlich und enthält kostbare und gelehrte Werke in den vorzüglichsten europäischen und asiatischen Sprachen. Ein damit verbundenes Museum ist im Entstehen. Eines der intereffantesten Stücke desselben ist eine fißende Greisesgestalt in Basrelief; ein Sklave hält einen Sonnenschirm über dieselbe, während die Rechte des Greises wie zu einem Befehle emporgehoben ist und der Kopf einen echt orientalischen Ausdruck hat. Robinson erklärt dieses Geschenk Layard's für einen Sanherib. Lampen, Spangen, Lanzenspißen, die auf dem Libanon gefunden wurden, Säulenrefte, Kapitäler zc. befinden sich bereits in dem Museum. Am meisten zog den Reisenden ein mehrere Centner schwerer Steinklumpen an, der sich bei näherer Besichtigung als ein Aggregat von Hunderttausenden kleinster Purpurschnecken-Muscheln ergab und von Sidon hierher gesandt worden ist. *),,Paris und Louis Napoleon". Von Theodor Mundt. Berlin, Janke,

1858.

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