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No 79.

für die

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Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Sonnabend den 3. Juli.

Maria Stuart, Katharina von Medici und Elisabeth von England. *)

Abermals ist Maria Stuart zum Gegenstand einer historischen Untersuchung gemacht worden, obwohl man kaum hätte glauben sollen, daß, nach den seit einigen Jahren von Deutschen, Franzosen, Eng ländern und sogar auch Russen publizirten archivalischen Forschungen, nach, den Schriften von Raumer, Mignet, Dargaud, Tytler und Labanov, noch etwas Neues über die schöne Märtyrerin gesagt werden könne. Dem neuesten Historiographen derselben, Herrn A. Cheruel, ist es jedoch weniger um die Person der Königin, als um die Geschichte der diplomatischen Beziehungen Frankreichs zu Schottland in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, um die Rivalitäten der englischen und der französischen Krone am Hofe der Stuart's, zu thun gewesen, weshalb er denn auch den Namen der Katharina von Medici dem der schottischen Maria an die Seite geseßt hat.

1858.

amtlich zugegangen wären; sie sagte, daß ihr eine solche Verbindung zu hoher Ehre gereichen würde, wobei sie den König als den größten und tugendhaftesten Fürsten der Erde schäßte und lobte, als einen Fürsten, der die Hoffnung einflöße, einst noch die ganze Welt zu ers obern; sie fragte mich, ob, wenn es sich ereignen sollte, daß der König, mein Gebieter, sich mit ihr vermählte, ich wohl darüber betrübt (marri) fein möchte? Sie selbst hege die Besorgniß, daß sie eines so großen Königs nicht ganz würdig sei, indem sie nichts befiße, als ein kleines Königreich, sowie Güte und Keuschheit, in welcher Beziehung aber sie es mit jedem Mädchen der Welt aufnehme, da sie die tugendhaften Dinge über Alles liebe, und daß, wenn sie ein armes Fräulein wäre, sie sich niemals verheiraten würde; doch wolle sie um ihrer Unterthanen und ihres Landes willen es thun, indem sie denke, daß, wenn Gott eine solche Ehe wolle und er dieselbe mit Kindern segne, diese doch wohl nicht nöthig haben würden, Pensionaire des Kaisers, oder des Königs von Spanien, oder irgend eines anderen Fürsten zu sein, sobald sie nur genügsam und verständig wären; aber, fügte sie hinzu, bald würde sie alt sein, und darum hege sie die Besorgniß, dem Könige nicht angenehm genug zu erscheinen. Und von Ihnen, hohe Frau, hofft sie, daß Sie sie niemals verlaffen werden; auch werde fie Ihnen so viele Dienste leisten, daß Sie genöthigt sein würden, fie zu lieben, auch wenn Andere es nicht thäten. Und allermindestens würde der König ihr die Ehre erweisen, sie zu seinem Secretair zu machen, da sie sehr gut male und schreibe, wobei sie folgende Worte sagte:

Vom Jahre 1564, der Zeit, wo Maria Stuart, die Witwe des Königs Franz II., dem französischen Boden Lebewohl sagte, bis 1587, dem Jahre ihrer Hinrichtung auf Schloß Fotheringay, hat Frankreich nicht aufgehört, seinen ganzen diplomatischen Einfluß anzuwenden und alle Intriguen, die dem französischen Geifte zu Gebot. stehen, auf zubieten, um das Streben des protestantischen England nach der Herr schaft über das noch von einer katholischen Königin beherrschte Schott, Wahrlich, ich würde gar nicht unwillig sein, falls eine solche land zu paralyfiren. Es ist interessant, die diplomatischen Noten, vertraulichen Briefe und anderen Schriftstücke, die damals in dieser Rich, tung gewechselt wurden und die noch nirgends vollständig abgedruckt find, kennen zu lernen. Herr Cheruel, der diese Dokumente gesam melt und vollständig mittheilt, hat sich dadurch ein anerkennenswerthes Verdienst um einen nicht unwichtigen und bisher wenig aufgehellten Abschnitt der Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts erworben.

Insbesondere wird durch diese Dokumente auch ein von den Ge schich schreibern bisher sehr dunkel gelaffener Moment in dem Prozesse Maria Stuart's aufgeklärt: nämlich die Rolle, welche König Heinrich III. von Frankreich und Katharina von Medici in diesem Prozesse gespielt haben. Von den Zeitgenossen verdächtigt, sich um das Schick, sal feiner Schwägerin gar nicht gekümmert zu haben (Brantôme, Eloge de Marie Stuart), ward Heinrich III. von den Geschichtschreibern der späteren Zeit (Louis Aubery, Bayle, Burnet, Rapin-Thoyras, Sharon Turner) sogar beschuldigt, einen Gesandten, Herrn v. Bellièvre, nach England geschickt zu haben, um die Hinrichtung Maria's, zu welcher fich Elisabeth scheinbar schwer entschloß, zu beschleunigen. Dies wird von Cheruel als geradezu erlogen bezeichnet, indem er im Gegentheile nachweist, daß Heinrich III. nichts weniger als gleichgültig in Bezug auf das Schicksal seiner Schwägerin war, daß sein Gesandter vielmehr sich in feinen Unterredungen mit Elisabeth sehr lebhafter Ausbrücke der Theilnahme für die unglückliche Königin bediente, was ihm eine sehr stolze und, ironische Erwiederung zuzog,

Ueberhaupt werden uns hier Berichte über einige Unterredungen französischer Gesandten mit Elisabeth mitgetheilt, die faft ebenso intereffant und ebenso charakteristisch für die Königin, wie es die Berichte des britischen Gesandten Sir George Hamilton Seymour über seine berühmten Unterredungen mit dem Kaiser Nikolaus für den Charakter des Lezteren find. Im Jahre 1565 hatte der französische Botschafter, Michel von Castelnau, die Ehre, mit der Königin Elisabeth, nach ein genommenem Souper, in den Gärten von Leicester zu promeniren, Der Botschafter, der darüber an Katharina von Medici berichtet, schreibt ihr unter Anderem:

,,Von einem Gegenstand auf den anderen übergehend, sprach sie sehr offen über eine Vermählung des Königs (Karl IX.) mit ihr, als ob ich zu ihrem Ministerrath gehörte, oder als ob solche Dinge mir

*) Marie Stuart et Cathérine de Médicis. Étude historique sur les relations de la France et de l'Ecosse dans la seconde moitié du XVI siècle; par. A. Cheruel, Paris, Hachette, 1858.

Heirat stattfände, jeden Dienst zu leisten, der Sr. Majestät angenehm wäre"". - Und obwohl ich nur ein einfältiger Mann bin, habe ich mich doch bestrebt, jeden dieser Punkte so weise, als ich es vermocht, zu beantworten, und ich darf Ihnen wohl sagen, daß derlei Gespräche Ihrer Majestät sehr angenehm sind. Ich habe sie niemals schöner und anmuthiger gesehen, und ich gebe Ihnen die Versicherung, daß es manches Mädchen von fünfzehn Jahren giebt, welches sich für schön hält und ihr nicht nahe kömmt. Uebrigens besißt sie große und seltene Tugenden und ein großes Königreich, und ich denke, daß, wenn Sie darauf eingehen wollen, Sie einer guten Aufnahme sich gewärtigen können. Sie hat mir gesagt, daß fie Sommer (?) als Gesandten schicken werde, und daß man Engländer in Frankreich und Franzosen in England verheiraten müsse, sowie noch vieles Andere, was denselben Zweck hatte und schwer sein würde, Ihnen zu schreiben 2c."

Herr Michel v. Castelnau ließ sich, wie man sieht, von der diplomatischen, königlichen Jungfrau ebenso an der Rafe, herumführen, wie nach ihm alle diejenigen, die mit ihr von ihrer Vermählung sprachen.

Wir schließen diese Anzeige mit einigen Worten des Herrn A. Cheruel über die drei Königinnen, deren Namen die Ueberschrift unseres Artikels enthält:

,,Katharina betrog alle Parteien, und alle verfolgten sie dagegen mit ihrem Haffe und ihrer Verachtung; sie hinterließ das Königthum ohne Stüße und Frankreich ohne Verbündete. Elisabeth, Abgott der Protestanten, kettete an ihr Geschick das englische Volk, Schottland, die skandinavischen Reiche, die reformirten Theile Deutschlands und der Schweiz. Maria, von der Ligue und von Spanien angetrieben, vertauschte den Thron gegen das Schaffot. Auf die Erfte fällt die Schmach der Erniedrigung Frankreichs und der durch ihren Ehrgeiz diftirten, durch den Fanatismus ausgeführten Verbrechen; der Zweiten gebührt der Ruhm der protestantischen Coalition, der Niederlage Spaniens and der Schöpfung einer Flotte, welche bald die Herrin des Weltmeeres sein sollte; der Dritten endlich ist die Krone des Märtyrerthums nicht abzusprechen.“

Prinz Napoleon über die Welt-Ausstellungen.
(Schluß.)

Die Räumlichkeit ist besonders für eine Welt-Ausstellung von großem Gewicht. So hat sich der Industriepalast mit seinem Flächen

raum von 45,000 Meter als unzureichend erwiesen; da die Ausstellung pige s

fen des Auslandes würdigen und die National-Industrie durch verständige Nachahmung Nugen daraus ziehen. Endlich wird auch der günstige Einfluß der Universal-Ausstellungen in Frankreich auf den Freihandel nicht ausbleiben und allmählich die Unterdrückung der Einfuhr-Verbote und der zu hohen Zölle, herbeiführen.

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der Industrie Erzeugnisse allein 120,000 Meter und die Kunstgegen Industrie-Erzeugnisse stände 20,000 Meter erforderte. Man mußte nun auf Mittel und Wege finnen, um diesem Uebelstande abzuhelfen: eine lange Galerie, die einen großen Theil der Quai's von Billy bedeckte, wurde angebracht; die Rotunde des Panorama's für die Aufnahme einer Ab 2) Wie ist es aber mit den Verkaufspreisen zu halten? Soll die theilung der Ausstellung eingerichtet; ein eigenes Gebäude für die Preis-Angabe auf den Gegenständen ganz untersagt, dem Inhaber Kunstsachen aufgeführt; an den Hauptstamm des Baues schloffen sich überlassen oder zur Pflicht gemacht werden? Der erste Modus wurde Zweigbaulichkeiten an, die eben nichts Gefälliges für das Auge boten zu London 1851 angewendet, erfuhr aber allgemeinen Tadel. und der französischen Ausstellung das Gepräge der Großartigkeit und halb", fragte man einen Fabrikanten hindern, den Preis seiner ausder glücklichen Harmonie nahmen, die man 1851 zu London so sehr gestellten Erzeugnisse bekannt zu machen, und so das Publikum eines bewundert hatte. Der Erfolg der Ausstellung schien, nach dem Ge- wesentlichen Elementes berauben, die Waare vollständig zu würdigen? ständniß des Prinzen, durch diese Uebelstände gefährdet. Dazu kam, Ein solches Verbot ist der Handelsmoral stracks entgegen: es liegt daß der Industriepalast damals einer Gesellschaft gehörte, deren Ver- darin gewissermaßen das nahe Geständniß an das Publikum, daß man walter natürlich den möglichst größten Gewinn von der Ausstellung es weder aufklären, noch ihm die Wahrheit sagen wolle." Das Urziehen wollten; daher der stete Konflikt zwischen der kaiserlichen Kom theil ist etwas hart, und die englische Kommission braucht es nicht auf mission, die vor Allem das öffentliche, und der Administration der Ges fich fißen zu lassen. Der Billigkeit und Wahrheit näher liegt die sellschaft, die hauptsächlich ihr Privat-Interesse im Auge hatte. Da Annahme, daß die Kommission, in der Annahme, daß die Kommission, in der Vorausseßung, daß nicht alle her fuchte sie die Einnahmequellen zu vervielfältigen: Speise-Anstalt, Industriellen ihre Preise werden veröffentlichen wollen, es vorzog, für Preise werden veröffentliches Trinkstube u. f. w., Alles schien ihr gut, Geld daraus zu schlagen; die Gesammtheit der Aussteller eine gleichförmige Regel festzustellen. denn weder aus Patriotismus noch zum Ruhme der Industrie hatten Sie hatte ferner begriffen, daß freiüberlassene Preis-Anzeigen, deren die Actionaire ihre Kapitalien hergegeben, um das ungeheure, in der Genauigkeit schwer zu kontroliren wäre, zu Hinterschlichen Anlaß Gesellschafts- Urkunde mit dem Namen Palast geschmückte Gebäude auf geben könnten, wobei der eben nicht ängstlich gewissenhafte Fabrikant dem alten Plaz Marigny aufzuführen. Es läßt sich nun leicht denken, sich zum Nachtheil des ehrlichen in ein vortheilhaftes Licht sehen und. wie läftig dieser fortwährende Kampf zwischen zwei einander wider das Urtheil des Publikums irregeführt würde. Die 1855 gemachte ftreitenden und oft unvereinbaren Intereffen sein mußte. Der Prinz Erfahrung rechtfertigt bis auf einen gewiffen Punkt die in London spricht sich daher auf das entschiedenste gegen die Beibehaltung dieses angewandte Maßregel. Der Präsident der kaiserlichen Kommission Systems aus. Er stellt für die Zukunft die unerläßliche Bedingung hatte von vorn herein die bindende Preis-Angabe vorgeschlagen. „Da“, auf, daß ein solches Gebäude aus dem Gesichtspunkte des Unter sagt er im Bericht, nur Wenige die Preisbestimmung mittheilten, nehmens selbst aufgeführt werde; es müsse Eleganz mit Bequemlich so ergingen seitens der Kommission die dringendsten, aber erfolglosen keit und Festigkeit verbinden; die innere Einrichtung müsse darauf Aufforderungen, dem Publikum oder doch mindestens der Jury den berechnet sein, die Gegenstände methodisch in ihre Fächer zu ordnen, Preis bekannt zu machen; denn die Aussteller beharrten zum großen das Studium derselben zu erleichtern und den Besuchern Zeit zu era Theil bei der Verschweigung des Preises, und selbst die geringere sparen. Der Prinz geht dann mit großer Sachkenntniß in die Einzel- Zahl, die ihn anzeigte, gab keine Bürgschaft, daß ihre Erklärungen heiten seines Planes ein. mit der Wahrheit übereinstimmten. Der Prinz kommt also zu dem Schluß, daß auch die 1855 versuchte fakultative Preis-Anzeige von einer Ausstellung zu verweisen sei, und spricht sich nachdrücklichst- für die obligatorische Preisbestimmung aus. Er verhehlt sich keinesweges die Schwierigkeit, auf die man stoßen, den Widerstand, den man zu brechen haben wird; diese Hindernisse schrecken ihn aber nicht. Er hofft, daß das Beispiel, von einer namhaften Zahl Industrieller ge geben, nach und nach um sich greifen und zulezt die Widerspenstigsten zähmen werde. ,,Warum", fragt er,,,soll man gerade in Handel und Verträgen, wo es die Gefeße der Gerechtigkeit am dringendften fordern, das Licht scheuen? Alles, was sich mit der Rechtlichkeit verträgt, muß laut gesagt werden können. Der Handel muß sich den Forderungen der Oeffentlichkeit fügen; ich achte ihn zu hoch, um die schimpfliche Meinung von ihm zu hegen, daß er nur im Trüben fischen kann. Der Handel ist eine Macht der Civilisation, er muß sich also in der Höhe der Rolle zeigen, die ihm zugefallen ist.“

In Bezug auf die Fragen endlich, welche die Vorbereitung zu einem auf die Ausstellungen anwendbaren Reglement betreffen, bezeichnet der Prinz drei Hauptpunkte, die eine gründliche Untersuchung fordern: 1) Können die Gränzzoll-Geseze so bleiben wie sie find? 2) Was ist in Betreff der Verkaufspreise zu bestimmen? 3) Entsprechen die Ju ries über Prämien-Vertheilung dem Zwecke, der sie hervorgerufen?, 1) Bekanntlich schließt die französische Zollgefeßgebung noch zur Stunde einen großen Theil fremdländischer Produkte von der Einfuhr ganz aus oder belegt sie mit sehr hohen Zöllen. Als die Welt-Ausstellung beschlossen war, erhob sich die Frage, wie man die für den Industriepalast eingegangenen Gegenstände zu behandeln habe? Anfangs entschied man sich dafür, daß sie im Palaft als Stapelgut lagern follten. Wie aber nach geschlossener Ausstellung? Sollten die Fabrifanten für die in den Tarif aufgenommenen Waaren den vollständigen, mitunter 100 pCt. des Waarenwerthes betragenden Zoll erlegen? Das wäre eine übertriebene Härte. Sollten sie gehalten werden, die ftreng verbotenen Artikel wieder auszuführen? Das wäre ungereimt; denn welcher Fabrikant würde sich herbeilafsen, auf diese Aussicht hin seine Fabrikate einzusenden? Das Einfachste war sicherlich, die zollfreie und von allen Douanen Förmlichkeiten unbelästigte Zulassung der ausLändischen Produkte ausnahmsweise zu geftatten; allein was hätten die Protectionisten und Prohibitionisten, d. h. die große Mehrheit der Índuftriellen, dazu gefagt? Welche schöne Gelegenheit, über Eingriffe in ihre Intereffen Lärm zu schlagen und die Regierung der Freihandels Tendenzen anzuklagen! Man wagte es nicht, diese eingefleischten Vor urtheile vor den Kopf zu stoßen, und blieb bei einer vermittelnden Maßregel stehen: die ausländischen, selbst verbotenen Erzeugnisse solls ken nach dem Schluffe der Ausstellung einen Einführzoll von 20 Pro. zent abgeben. Da ftellte man nun ein Hundert Zollbeamte beim Industriepalast an, ein Büreau für Schreibereien aller Art wurde eröffnet. Und das Resultat? Die Einfuhr, die einen Werth von 2,200,000 Francs darstellte, warf richtig 333,000 Francs Zollgebühren ab! Der Prinz schlägt nun mit Recht vor, diese drückenden und lächerlichen Förmlichkeiten für die Zukunft aufzuheben. Einige Pro ben von Garnen, Zeugen und Porzellanwaaren werden wahrlich das Loos der National-Industrie nicht aufs Spiel feßen und den inländi fchen Manufakturen Konkurrenz machen. Ein Douanenposten mitten in einer Welt-Ausstellung ist ein lebendiger Widerspruch. Erst ladet man die vollkommensten Arbeiten der ausländischen Fabrication feierlich ein, stellt sie Aller Augen aus, preist und belohnt sie, und hinter drein besteuert man sie oder bringt fie unter Plombe und Bewachung über die Gränze! Im Intereffe des Publikums, ja im Intereffe der inländischen Fabriken selbst, erscheint es schlechterdings wünschenswerth, daß die Douané mit den künftigen Ausstellungen nichts zu schaffen habe, das Publikum wird die unbehindert zugelassenen Muster-Arbei

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Es giebt fürwahr keinen Industriellen, keinen Kaufmann, selbst unter den Ausstellern im Jahre 1855, die täuschende oder absichtlich ungenaue Preise angeseßt haben, keinen, der die von dem Prinzen aufgestellten Grundsäße über die Rolle und die Obliegenheiten des Han dels nicht laut” verkündete. Alle haffen die Lichtscheu, Alle betheuern ihre Wahrheitsliebe. Leider aber ist es nicht minder gewiß, daß, wenn es sich darum handelt, ihre Preise an die Deffentlichkeit einer Ausstellung zu bringen, ein großer Theil Industrieller, aus dem eigenen, wohl oder übel verstandenen Interesse Gründe holt, mit der Wahrheit hinterm Berge zu halten. In der That ist der Preis eines Produkkes, nicht blos nach dem Werth des Ertrages, sondern der eigents liche Marktpreis das Geheimniß des Fabrikanten und des Kaufmanns. Mit Ausnahme einiger großer Fabrik-Anstalten, die in gewissen Fabrik-Arten, so zu sagen, bei offenen Thüren arbeiten und deren Preiscourant sich fast nie ändert sie sind weltbekannt und gerade das Feststehende ihrer Preise ist mit eine Duelle ihrer Blüthe und ihres Rufes → haben die meisten Fabriken innerhalb und außerhalb Frankreichs wechselnde Tarife, die sich nach der Natur und der Bes deutung ihrer Kunden, nach den Jahreszeiten, nach den Bewegungen im Handelsleben richten. Die Angabe des Ertragwerthes ist gar nicht zu verlangen, denn hier gestehen die spruchfähigsten Fachmänner ein, daß eine sichere und genaue festzustellen an das Unmögliche ftreife. Der Prinz verlangt nur die Bestimmung des Kaufpreises für den Konsumenten. Nun aber dürften selbst ehrliche und rechtschaffene Fabrikanten in Verlegenheit kommen, wenn sie den angemessenen Preis für ihre Erzeugnisse in einer Ausstellung auf das Haar angeben soll. ten; zumal da, wie schon gesagt, viele Industrielle fich von dem® Gedanken nicht losmachen können, daß, das Geheimniß von dem Interesse des Geschäfts nicht zu trennen sei, Und nun erst die Fabrikanten, die absichtlich über den Preis der ausgestellten Waare zu1täuschen

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Füchen: wie ist hier der Schleier zu lüften, wie sind sie zu überführen? Auf die Vergleichung der Preise ist die Kontrole nicht so leicht, wie man meint, zu begründen; in allen Fällen würde die Jury eine sehr Figliche Aufgabe zu lösen haben, und müßte sie über die Aufrichtig keit oder die Täuschung bei einer Preis-Erklärung ihren Wahrspruch abgeben, so würde sie eine oft gefährliche Verantwortlichkeit über nehmen. Genüg, ver obligatorischen Preis- Angabe werfen sich nicht minder schwierige und zahlreiche Hindernisse in den Weg, als der fakultativen, und die Frage über die Wahl zwischen beiden bleibt eine offene.

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3) In Betreff der Jury über Prämien-Zuerkennung schlägt der Prinz vor, daß sie aufgehoben werden und eine Studien-Jury an die Stelle kommen folle. Nach seinem Dafürhalten bedarf die Industrie zum Vorschreiten keiner offiziellen Anregung und Aufmunterung: am besten richtet über erlangte Vollkommenheit einer Waare der Konsu ment, der wahre Areopag der Preiszuerkennung ist die Welt. Mit großer Schärfe betont er die zahlreichen Uebelstände, die nach feinem Bedünken die Institution der Jury, so wie sie bis zur Stunde ihrem Berufe obgelegen, darbietet. Die besten Absichten, die gewissenhafte ften Prüfungen schüßen sie nicht vor Irrthümern, vor bedauernswerthen ungerechtigkeiten. Den Industriellen ersten Ranges, deren Erzeugnisse die allgemeine Bewunderung herausfordern, darf freilich die Palme ohne Anstand, und ohne Besorgniß eines Einspruches von Seiten des Publikums, zuerkannt werden. Ein Andères aber ist es mit den Belohnungen, die dem großen Haufen der Industriellen von relativer und angezweifelter Ueberlegenheit in ihrem Fache gewährt werden: da spielen um die Jury die Ränke, die Einflüsse, die schlauen Umtriebe und entreißen in vielen Fällen die verdienten Ehrenzeichen den entfernten oder minder gewandten Mitbewerbern. Ueberdies giebt es für die Abschäßungen der Juries kein Kriterium, keinen allgemeinen Maßstab. Da die Produkte in verschiedene Gruppen vertheilt find, so kommt es oft vor, daß ein Produkt, das in seiner Gruppe belohnt wird, nach Arbeit und Erfindung tief unter den nichtbelohnten Produkten anderer Gruppen steht.

Die Belohnungsfuries müssen also in Studienjuries umgestaltet werden. Diese hätten den Beruf, die Erzeugnisse zu beschreiben, die Erfindung und Vervollkommnung in das rechte Licht zu stellen. Anstatt Verdikte abzugeben, würden fie ihre Wünsche und nügliche Bemerkuns gen anbringen, die Verdienste jedes Industriellen hervorheben, im Intereffe jedes auszeichnungswürdigen Werkes vor dem Forum des Publikums plädiren, sich aber jeder Beschlußfaffung enthalten. Das find die wesentlichen Bestimmungen des Modus, pie der Prinz-Präfident der kaiserlichen Kommission empfiehlt. Dagegen sei einige Einwürfe auszusprechen erlaubt. Daß eine Jury nicht vollkommen ist und sein kann, bestreitet Keiner; daß bei der Austheilung der EhrenBelohrungen oft das Wiffen dem Schein, das bescheidene Verdienst den Ränken den Plag räumt, ist ebenso unbezweifelt; alle Tage sieht man das und wird es sehen, bei Ausstellungen und sonstwo. Man kann sogar zugeben, daß die Nothwendigkeit, die könkurrirenden Gegen stände klaffenweis zu gruppiren zu einer Quelle vielfältiger Ungerech tigkeiten wird. Kurz, es ist nicht in Abrede zu stellen, daß die Kritik des Prinzen gegen das Institut der Belohnungsjury viel Wahres enthalte; allein, trifft diese Kritik mit Einem Schlage nicht zugleich die Studienjury? Hören die Ehrenmünzen auf, so kommt der RechenschaftsBericht an die Stelle. Die Belohnung wird die Form wechseln, und der Ehrgeiz der Aussteller wird nun darauf aus sein, von der Studienjury einen umständlichen und günstigen Bericht zu erlangen. In dem einen wie in dem anderen System können die Bescheidenen vergessent, die Abwesenden übergangen, hier wie dort kann das Gewissen der Jury durch Intriguen, durch falsche Nachweisungen, durch lästige Zudringlichkeiten geiret werden. Was aber die relativen Ungerechtig keiten anlangt die werden nie gänzlich ausbleiben: zwei an Werth gleiche Gegenstände können oft nicht gleich gewürdigt werden, ent weder weil nicht dieselbe Jury-Abtheilung fie beurtheilt oder nicht derselbe Geschworne den betreffenden Bericht abgefaßt hat. Aber wozu uns bei dem Vergleich der beiden Systeme aufhälten? Der Schwerpunkt der Frage liegt ganz anderswo. Nicht das Bedürfniß absoluter Gerechtigkeit hat das Institut der Ehrenpreise bei den in dustriellen Wettkämpfen ins Leben gerufen. Wohl find bis heutzutage die Entscheidungen der Jury als der Ausdruck eines annähernd gerechten Urtels betrachtet worden; nichtsdestoweniger weiß man sehr gut, daß die Juries nicht unfehlbar sind, und daß man hin und wieder gegen ihre Erkenntnisse Einspruch erheben kann. Bei der Gründung dieser Anstalt ließ man sich vielmehr von dem Wunsch leiten, die Industrie anzuspornen und zu ehren, und es ist nicht zu leugnen, daß dieses Mittel seine entschiedene Wirkung hat. Unabhängig von der Aussicht auf materiellen Gewinn, reizt der Gedanke an die Denkmünze den Industriellen und ermuthigt zu Opfern, deren Ergebnisse Allen zugute kommen. Es ist notorisch, daß während des einer Ausstellung vorangehenden Jahres die Thätigkeit in den Werkstätten sich ver

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Soppelt, um die Fabrikate zu vervollkommnen und das Erscheinen neuer Erfindungen zu beschleunigen. Will nun Einer behaupten, daß die Hoffnung auf ehrenvolle Auszeichnung dieser Bewegung fremd sei? Gewiß nicht. Die Belohnungen unterhalten einen Wetteifer, der bedeutend geschwächt würde, entzöge man ihm eines der gesundesten, menschlichsten Elemente. Und jenen rührenden Kundgebungen, jenen Familienfesten in den Werkstätten, wenn der Fabrikherr, geehrt durch die Stimme der höchsten Vertreter der Zndustrie, unter seine Arbeiter heimkehrt, die sich in und mit ihm belohnt fühlen - würde mit der Unterdrückung des Kampfpreises der Nerv zerschnitten werden. Alles, was zwischen dem Patron und den Arbeitern ein Band gemeinsamer Gefühle und Interessen knüpft; Alles, was an die Solidarität des Hauptes und der Glieder des großen Arbeitskörpers mahnk alles das ist heilsam und müßte sorgfältigft gepflegt werden. Uebrigens ist die Acht, die der Prinz über die Denkmünzen ausspricht, nicht unbedingt; denn für die Kunst-Ausstellungen will er fie beibehalten wiffen, weil in diesem hohen Gebiete der Geschmack des Publikums der Leitung vonseiten einer berufenen und auserwählten Minderheit bedarf. Der Bericht schließt mit höchst interessanten Betrachtungen über die Zukunft der Hauswirthschaftlichen Ausstellungen. Diese neue, von einem Engländer, Twining, vorgeschlagene und unter den Auspizien des Prinzen 1855 eingeweihte Art Ausstellung dürfte auf das Wohlsein der unteren Volksschichten nüßlich mitwirken und der Thätigkeit der Industriellen, die sich an die Masse der Verbraucher richtet, einen lebhaften Aufschwung geben.

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Der Prinz hat alle hier einschlagenden Punkte scharf geprüft, allen Schwierigkeiten gerade ins Auge gesehen, ohne Anstand seine persönliche Meinung ausgesprochen, auf die Gefahr hin, gegen Herkommen und Vorurtheil zu stoßen. Durch das Ganze weht eine Offenheit und ein Freifinn, die den Leser wohlthuend ansprechen. Er hat die Wichtigkeit der Welt-Ausstellungen für Regierungen und Völker keinesweges übertrieben. Sie sind für die Zukunft zu den thatkräftigsten Organen der Civilisation und des Fortschrittes berufen; sie werden den Nationen Gelegenheit geben, sich einander zu nähern, und die Mittel bieten, sich einander kennen zu lernen; sie werden alle Entdeckungen, alle Vervollkommnungen des industriellen Geistes, der unablässig unter allen Breitengraden in Arbeit ist, zu einem gemeinsa men Stammkapital der Menschheit zusammentragen und niederlegen. Indem Erzeugnisse und Menschen in Berührung gebracht werden, eröffnen sich Bahnen zu leichterem Austausch, zu lebhafterem Verkehr, zu vollständigerem Einklang der internationalen Bedürfnisse und Gefinnungen. Gleichförmigkeit in Münzen, Maaß und Gewicht, innere solidarische Verbindung des Kredits und der Banken, übereinstimmende Legislatur in gewiffen staatswirthschaftlichen Zweigen und in gegenseitiger Verbürgung des künstlerischen, industriellen und literarischen Eigenthums – jene Fortschritte alle, die man noch vor wenigen Jahren in das Reich der Träume verwies, scheinen heutzutage möglich, einige sogar in naher Aussicht. Wir haben erst zwei Welt-Ausstellungen erlebt, und schon werden in den Hauptländern Europa's ernstliche Schritte gethan, in Maaß und Gewicht die Gleichförmigkeit zu gründen. Im Jahre 1855 hat sich in Paris ein Verein zu diesem löblichen Zwecke gebildet. Wie die gaftlichen Karavanserais, oder wie die strahlenden Leuchtthürme, erheben sich die Ausstellungen auf der leider so holprichten und dunklen Straße, welche die Völker zur politischen Freiheit führt; denn fie find für jede Nation ein Unterpfand des Friedens nach außen, der Arbeit und der Ordnung nach innen.

Italien.

Die italiänische Armee in Rußland, 1812.

Eine Reclamation gegen Thiere.

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Das Februar Heft der Luriner Rivista militare enthält nachstehenden Brief des General-Lieutenants Grafen Cesare Laugier de Bellecour in Florenz an Herrn Thiers:

Mein Herr! Erlauben Sie einem alten Soldaten Napoleon's, der Ihre treffliche Geschichte des Konsulats und des Kaiserreichs" mit eben soviel Vergnügen als Bewunderung gelesen hat, Ihnen seinen aufrichtigen Glückwunsch darzubringen, zugleich aber auch einige Berichtigungen zur Würdigung vorzulegen. Ich wage zu hoffen, daß Sie in Ihrem Rechtlichkeitsgefühl dieselben nicht nur entgegennehmen, sondern auch bei einer neuen Auflage Ihres Buches einen entsprechenden Gebrauch von denselben machen werden. Unicuique suum, das ist es, um was ich Sie im Namen Italiens und der historischen Wahrheit ersuche. Keiner von uns wird die Lücken und Irrthümer, welche zum Nachtheil des militärischen Ruhmes. der Italiäner in Ihrem Buche, vorkommen, der Parteilichkeit oder einem nationalen Egoismus beimessen. Diese Schuld trifft seit langer Zeit gewisse neidische mittelmäßige Schriftsteller, welche sich unterfangen haben, die Kriegsgeschichte zu mißhandeln. Wir wissen, daß Sie über solche Schwächen erhaben find, und sind überzeugt, daß Ihnen nur die in den italiänischen

Archiven niedergelegten Dokumente nicht zugänglich und Sie deshalb genöthigt waren, manchmal vorurtheilsvolle und lügenhafte Schrift steller zu Rathe zu ziehen. Es schmerzt uns namentlich, daß Sie in Folge eines jener tückischen Zufälle, die uns verfolgen, nicht wußten, daß die italiänische Bibliographie drei kriegsgeschichtliche Werke be fist, welche Ihnen die vollständigste Aufklärung über die von unseren Soldaten im Laufe jener Feldzüge an den Tag gelegte Tapferkeit hätten geben können.

Noch leben 6200 dieser Braven allein in Toscana, obwohl jene Kriege seit 43 Jahren ihr Ende erreicht haben, und in der Stunde, da ich dies niederschreibe, darf man die Anzahl italiänischer Veteranen, welche mit mir hoffen, daß Sie meine Bitte gut aufnehmen werden, auf nicht weniger als 70,000 anschlagen! Haben Sie daher die Güte, ohne Leidenschaft und als gerechter Richter jene drei Werke durch zulesen, und ich zweifle nicht, daß Sie einsehen werden, wie man irrthümlicherweise Thaten, die von Italiänern gethan wurden, Franzosen zuschreibt. Sie werden dort auch die Dokumente finden, die Ihnen bis dahin gefehlt haben, und hierdurch manche erhebliche Lücke in Ihrer Erzählung ausfüllen können. In einem Briefe vermag ich sie Ihnen nicht alle auseinanderzusehen, denn sie würden einen ganzen Band erheischen. Ich beschränke mich daher darauf, Ihnen einige Hauptpunkte aus dem Feldzuge von 1812 in Rußland anzudeuten.

Sie waren im Irrthum, wenn Sie glaubten (Bd. 14, Seite 246), die Italiäner seien auf dem Marsche von dem Niemen nach Moskau und auf dem Rückzug von da gegen die Weichsel zweifelhafte Bundesgenoffen oder gar verlarvte Feinde von Napoleon und Frankreich gewesen. Sie werden im Laufe Ihrer Geschichte sich genöthigt sehen, diese Behauptung zurückzunehmen. Vergeffen Sie nicht, daß Italien im Jahr 1814 der einzige Bundesgenosse war, der mitten in dem all. gemeinen Abfall Napoleon und Frankreich treu blieb. Als schon die Lilien in Paris triumphirten und die kaiserlichen Armeen vernichtet waren, blieb die italiänische Armee noch der Fahne getreu, die Napoleon ihr anvertraut hatte.

Sie behaupten ferner, die italiänische Division Pino sei von 11,000 auf 5000 Mann (Bd. 16, S. 162) herabgesunken. Die Standesausweise der königl. Garde sowie der Division Pino von jener Zeit liegen vor mir. Der plößliche Uebergang von einer erstickenden Tageshize in eine eisige Nachtkälte, die langen Märsche ohne Rafttage, der Honig, das Obst, das Roggenbrod und die außerordentlichen Strapaßen hatten allerdings die Ruhr herbeigeführt, allein dieses Unglück hat unsere Bataillone keinesweges in dem von Ihnen angegebenen Maße vermindert. Als Beweis hierfür mag die Thatsache gelten, daß es mehrere Compagnieen gab, die noch in Moskau genau so stark anlangten, als sie von Mailand abmarschirt waren.

Doch zu einem spezielleren Faktum: Von dem Hügel gegenüber von den Redouten von Semenovskoje, wo die Batterie Anthouard oder die italiänische Batterie aufgepflanzt war, hatte ich zwei Stunden lang alle Muße, um mit anzusehen, was sich am 7. September auf dem weiten Schlachtfelde von Borodinó ereignete, und ich muß gestehen, als ich Ihre malerische Schilderung dieses denkwürdigen Tages las, glaubte ich beinahe, Sie seien bei mir gewesen und haben die vers schiedenen Akte des großen Dramas mit mir beobachtet. Ihr zauberi sches Wort hat mir noch einmal jenes erhabene Schauspiel vor Augen geführt, und ich fühlte mich von Freude und Schmerz durchbebt; aber diese Illusion schwand, sobald Sie die Bewegungen der italiänischen Armee zu beschreiben begannen.

Voll Begeisterung und Bewunderung sah ich die Division Morand in der größten Ordnung zum Sturm auf die Redoute von Semenovskoje vorrücken. Kartätschen furchten ihre unerschrockenen Reihen, aber die Soldaten schließen sich von neuem an ihre Fahnen, rücken mit Todesverachtung weiter, gewinnen den Kamm des Hügels, greifen an und nehmen die Redoute. Aber Schrecken und Zorn vers drängten meine Bewunderung, als ich sah, daß diese muthige Division nicht alsbald wieder ihre Reihen schloß und Massen von Ruffen aus der zweiten Linie vorrückten, um den Poften wieder zu nehmen. Bald darauf ward sie in der That von der Uebermacht über den Haufen geworfen und floh zerstückelt nach dem Dorfe Borodinó. Als ich in diesem Augenblicke die Tambours der königl. Garde Marsch schlagen hörte, beeilte ich mich, mit zerrissenem Herzen, den Hügel hinabzusteigen und mich unten mit der Garde zu vereinigen. Die Garde war bestimmt, die Redoute wieder zu erobern; sie rückte durch die Kalotscha und formirte sich in Linie, den Bach im Rücken und Semenovsfoje vor der Front. Die Unebenheit des Terrains sowie das Buschwerk verhinderten uns, die Redoute selbst zu sehen, aber Granaten und. Vollkugeln regneten von da auf uns herab.,,Soldaten meiner Garde", rief der Vicekönig,,,der Ruhm, diesen wichtigen Punkt des Schlacht

Ein donnernbeantwortete

feldes zu nehmen, ist euch aufgespart! Folgt mir!" der Zuruf: -,, Viva l'Italia, viva l'imperatore!" diese kurze Anrede. Die Garde formirte sich in rechts abmarschirte Kolonne, wobei die zwei ersten durch das Terrain nicht gedeckten Abtheilungen unter dem Feuer der Redoute litten. Plöglich sprengen nach einander zwei Adjutanten heran und benachrichtigen den Vicekönig, daß unsere linke Flanke bedroht sei und ein ungeheures Kavallerie-Corps uns im Rücken angreife. Der Prinz hemmt sogleich die bereits begonnene Bewegung, läßt die Kolonne Front rückwärts machen, befiehlt seinem Generalstabschef, Teodoro Lecchi, ihm zu folgen, und eilt nach dem Punkte, von woher die Gefahr droht. Die Garde passirt die Kalotscha wieder, eilt in geschloffener Kolonne dem Vicekönig nach und sieht sich nun der zahlreichen Kavallerie von Uwárov und. Platov gegenüber, welche den Reservepark und die Batterie der Italiäner bedroht. Das 9. leichte, das 92. und 84. der Linie bilden ein Viereck um den Vicekönig, werfen sich dann wüthend gegen die 14,000 russischen Reiter und jagen sie in die Flucht. Alle diese Thaten wurden von der königl. italiänischen Garde in weniger als einer Stunde verrichtet. (Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

Deutsch-amerikanische Nachdrücke in Deutschland. Kürzlich ist der Versuch gemacht worden, deutsche Nachdrücke aus Amerika in Deutschland zu importiren, doch hat die Wachsamkeit des deutschen Buchhandels diesen Versuch bereits im Entstehen unterdrückt. Jn Württemberg, demjenigen deutschen Staate, in welchem der Nachdruck, bis ihm im Jahre 1836 durch den deutschen Bund ein Ende gemacht wurde, am längsten sein Wesen getrieben hatte, ließ ein nach Amerika ausgewanderter, ehemaliger Reutlinger Nachdrucker, Namens Johann Weik, durch den Schwäbischen Merkur“ ankündigen, daß Exemplare von Heinrich Heine's gesammelten Werken, gedruckt bei John Weik & Comp. in Philadephia, aus St. Gallen, durch Vermittelung eines dortigen Bücherhändlers, gegen Post-Nachnahme zu beziehen seien. Der amerikanische Nachdrucker hatte sich nämlich die Schweiz als Speditionsland ausersehen, nachdem sein erster Versuch, einige Ballen mit Drucksachen dieser Art über Bremen nach Leipzig zu befördern, durch das Einschreiten der Bremischen Gerichte gescheitert war. Auch in Württemberg fand sich die Behörde durch jene Veröffentlichung im Schwäbischen Merkur“ auf Veranlassung einiger Stuttgarter Buchhandlungen veranlaßt, einzuschreiten, so daß es wohl der St. Galler Vermittelung erschwert, wo nicht unmöglich gemacht sein dürfte, ihre ungeseßliche Waare über die deutsche Gränze einzuschmuggeln. Gut wäre es allerdings, wenn die Heineschen Erben mit dem sein Intereffe in dieser Hinsicht wenig kennenden Verleger der Heineschen Werke in Hamburg darüber sich einigten, wie selbst in Amerika und in der Schweiz dem Nachdrucke dieser Werke, die dort sehr verbreitet sind, ein Ende gemacht würde. Das Einfachste würde sein, dem Beispiele der Cottaschen Buchhandlung zu folgen und nicht blos für das Ausland, sondern auch für das Inland rechtmäßige Ausgaben zu wohlfeilen Preisen zu veranstalten.

Keltische Sprachforschung. Ein für die Völker- und Sprachenkunde der vorgeschichtlichen Zeit sehr interessantes Werk ist eine kürzlich auch in der französischen Akademie (des inscriptions) besprochene, Gallische Ethnogenie""), vom Baron Roget de Belloquet. In der bis jezt erschienenen ersten Abtheilung, welche die Einleitung des Werkes bildet und zugleich ein gallisches Glossarium umfaßt, ift der Verfasser hauptsächlich bestrebt, die vollständige Identität des Keltischen, gleichviel ob Kymrisch oder Gaelisch, mit der alten gallia schen Sprache darzuthun, abgesehen natürlich von der Verschiedenheit der Dialekte. In seinem Gloffarium hat er Alles zusammengestellt, was noch von der alten gallischen Sprache auf uns gekommen, sei es in älteren Schriftstellern, oder auf Denkmälern, Münzen und anderen Inschriften. Der Berichterstatter der Akademie, Herr Guigniaut, be dauert, daß der Verfasser nicht auch von der vergleichenden Sprachkunde außerhalb der keltischen Idiome, namentlich vom Sanskrit, Nußen. gezogen. Im Uebrigen aber werden die Forschungen des Herrn Roget de Belloquet, der sich auch schon durch seine „, Questions bourguig nonnes" und seine „, Origines dijonnaises" die Anerkennung der Akademie erworben, rühmlichst hervorgehoben.

*) Ethnogénie, gauloise, ou Mémoires critiques sur l'origine et la Ligures et des anciens Celtes. Introduction. Première partie: Glossaire parenté des Cimmériens, des Cimbres, des Ombres, des Belges, des gaulois, Paris, Duprat, 1858.

Hierbei Titel und Inhalt des 53sten Bandes.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 13 Thlr. 10 Egr., halb sabrlich 1 Thlr. 20 Egr. und viertel jährlich 25 Egr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Hans geliefert wird.

No 80.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Epediteur Reumann, Niederwalftr. Nr. 21), sowie von allen tönigl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Nord-Amerika.

Berlin, Dienstag den 6. Juli.

Betrug und Unordnungen in der öffentlichen Verwaltung

der Vereinigten Staaten.

Zu verschiedenen Malen ist in diesen Blättern von der Corruption und den Betrügereien die Rede gewesen, welche in allen Zweigen der amerikanischen Verwaltung vorkommen. Zur näheren Veranschau lichung mögen einige Beispiele aus der hiesigen Stadt-Verwaltung dienen, die kürzlich veröffentlicht und einige Tage besprochen wurden, um wieder vergessen zu werden, denn hier zu Lande verschwinden alle Eindrücke so schnell wie die Spuren in der Wüste, über welche der Wind den Sand hinweht.

Der städtische Controller Flagg stattete über den Zustand der Finanzen der Stadt New-York einen Bericht ab, der in hiesigen Blättern englischer Zunge fünf ellenlange enggedruckte Spalten ein nimmt, und in welchem er auch eine Menge Betrügereien im StraßenDepartement bekannt macht. Andere dergleichen wurden durch die Untersuchungen des vom Gouverneur King angestellten Straßen-Kommissars Conover veröffentlicht. Europäische Leser würden gelangweilt werden, wollte man diese Berichte in der Ausführlichkeit mittheilen, wie sie dem hiesigen Publikum vorgelegt wurden; ich beschränke mich daher nur auf Anführung der Summen, auf deren Höhe die Betrügereien angegeben werden. Dieselben sind bei Erweiterung, Pflasteruug, Regulirung und überhaupt bei Anlegung und Erhaltung städtischer Straßen in den letzten Jahren vorgekommen. Die Zahlen ohne weiterem Beifah bedeuten Dollars.

Nach dem Berichte des Controllers Flagg.
Im Jahre 1855.

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57. Straße 50,000 3. Avenue 12,43957. Straße 12,676 54. Straße 2750 4. Avenue 6165 — 6. Avenue 3523 56. Straße 3328 84. Straße 539 4. Avenue 12,887. In Betreff der 89. Straße ist der Kontrakt aus dem Buche geriffen und daher der Betrug nicht zu ersehen - Canalstreet 900057. Straße 4100 48. Straße 625 — 23. Straße 591 - 52. Straße 745 - desgleichen 15603. Avenue 4445 49. Straße 10,844-52. Straße 4234 — 3. Avenue 3390 49. Straße 731 - 3. Avenue 479 46. Straße 142115. Straße 800 51. Straße 1607 37. und 38. Straße 51. Straße 1607 — 37. und 38. Straße 334 40. Straße 282 34. Straße 21943. Straße 13034. Straße 21943. Straße 130 38. Straße 270 49. Straße 350 6. Avenue 14418. Avenue 34110. Avenue 338 35. Straße 612 - 47. Straße 532 5. Avenue 3631-52. Straße 624-37. Straße 545-40. Straße 207-55: Straße 580 Duanestreet 1115 36. Straße East 250 36. Straße West 25061. Straße 3634-53. Straße 29. Straße 103 54. Straße 3471- Hudsonstreet 32351. Straße West 4040 51. Straße East 12,416 desgleichen 7122 2. Avenue 284 48. Straße 304 5. Avenue 278 51. Straße 268 -53. Straße 25348. Straße 212 - 29 Straße 141 37. Straße 1071 46. Straße 305-10. Avenue 2415.

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1858.

unten zu erwähnenden bodenlosen Unordnung in den Büchern nicht möglich ist, jedenfalls aber geben sie die entwendete Summe der städtischen Gelder eher zu niedrig als zu hoch an, dem europäischen Lefer aber, der an dergleichen Eindrücke weniger gewöhnt ist, mögen jene Zahlen eine ungefähre Vorstellung von den in Amerika üblichen Betrügereien erleichtern. Die Untersuchung konnte schwerlich so gründlich sein, um die Betrügereien in ihrem vollen Umfange zu entdecken, wie man schon daraus abnehmen kann, daß in dem Berichte des Controllers Flagg aus den Jahren 1855 und 1856 verhältnißmäßig so wenige Posten aufgeführt find. Andere Betrügereien mögen in einer Weise verübt worden sein, daß sie aus den Büchern sich gar nicht entdecken lassen. Wie leichtsinnig Alles betrieben wird, kann man aus manchen dem Berichte beigefügten Erläuterungen ersehen. In dem Berichte des Controllers finden sich acht Posten, bei denen die Arbeit schon früher bezahlt und der Preis dafür noch einmal in Ansah gebracht worden, einer, wo gar keine solche Arbeit vorgekommen. Die Berichte des Herrn Conover führen vorzüglich ungefeßliche Erhöhungen der bewilligten Summen auf, sowie einen Fall, wo Fälschung in den Zahlen ersichtlich ist, einen großen Posten (12,887 Doll.) wo gar kein Kontrakt vorhanden war, und zwölf Poften, wo Arbeiten ohne alle gefeßliche Autorisation in Ansaz gebracht wurden.

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Die Betrügereien mögen in verschiedener Weise verübt werden, 3. B. auch folgendermaßen: Wenn Aufforderungen zu Geboten für Arbeiten an städtischen Straßen ergangen sind, so stecken gewöhnlich · drei Bieter unter einer Decke. Brown erbietet sich, die Arbeit für5000 Doll. zu liefern (ungefähr ein guter Preis), Jones für 7000 Doll. und Robinson für 12,000 Doll. Nun wird die Lieferung Brown, dem Mindestfordernden, zugeschlagen, aber derselbe entdeckt plöglich, daß er einen falschen Ueberschlag gemacht und lehnt die Annahme ab. Man geht nun auf Jones zurück, aber dieser erklärt, er sei inzwischen dergestalt mit Geschäften überhäuft worden, daß er sich mit der Sache nicht mehr befaffen könne, worauf die Lieferung Robinson angetragen wird, der sie für 12,000 Doll. übernimmt. Er ist mit 5000 Doll. reichlich bezahlt und die übrigen 7000 Doll. werden unter alle Drei vertheilt, wobei freilich auch die betreffenden Beamten müssen bezahlt werden, welche den Betrug begünstigten. Schon Jahre lang soll ein organisirtes System für dergleichen Betrügereien bei der städtischen Verwalturg bestanden haben und ich habe auch seit acht Jahren jähr-u lich über diesen Gegenstand sprechen hören und unzählige ZeitungsArtikel darüber gelesen. In den oben mitgetheilten Zahlen kommen verschiedene Straßen mehr als einmal vor, dies ist aber keine Wiederholung aus Irrthum, sondern es haben sich verschiedene Posten bei einer und derselben Straße ergeben.

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Zur Erläuterung dieser Betrügereien wird eine Andeutung der Unordnungen in der städtischen Administration dienen, über welche kürzlich die ersten Enthüllungen eines zu deren Untersuchung niedergefeßten Comité's veröffentlicht wurden. Die Bücher wurden in der größten Unordnung gefunden und in Berechnung der von der Stadt ausgegebenen Stocks fand man zwischen dem Hauptbuche und den Büchern des Stock-Clerks eine Differenz von 931,935 Dollars; indeß soll dieselbe ausgeglichen worden sein und von nachläffiger Buchführung hergerührt haben. Der Haupt-Buchhalter des Controllers sagte als Zeuge aus, daß man keine genaue Buchführung in Auf- zeichnung der Stocks habe; daß die Zahlen in seinem Hauptbuche fortwährend von denen in den Büchern des Stock-Clerks differiren und daß die Bonds der Stadt für Zwecke ausgegeben wurden, die ihm unbekannt sind. Es scheint, daß Niemand angeben kann, wieviel die Stadt schuldig ist, welche Bonds ausgegeben sind und zu welchem Zwecke. Ein anderer Zeuge giebt an, daß man ganze Bündel Papiere aus des Controllers Office, ohne sonderliche Gefahr, entdeckt zu werden, entwenden könne.

Bei den Ausgaben fand das Comité, daß höchst leichsinnige i Zahlungen gemacht würden und verschiedene Belege verloren oder vernichtet waren. Im Bureau der Rückstände fand man, daß keine geeignete Berechnung der ungeheuren, diesem Bürean zum Einkaffiren'

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