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gar in Schlafrock und Pantoffeln am eigenen Kamine feiern zu kön nen. Es verging eine geraume Weile, ehe ich mich nach beendigter Predigt wieder im Geist in das neunzehnte Jahrhundert zu versehen vermochte, und ich muß es Mr. Martin dem Bärtigen Dank wissen, daß er mich bei diesem Uebergange einigermaßen unterstüßte. Ich gewahrte nämlich beim Herausgehen aus der engen Kirchenthür, wie derselbe sich dicht hinter das junge Dienstmädchen drängte, das ihm gestern den beschriebenen Liebesdienst erwiesen hatte, und es kam mir vor, als ob er sich in der Geschwindigkeit dafür wenigstens vorläufig insoweit, erkenntlich erwies, als es die hierzu wenig geeignete Lokalität gestattete. „Oh don't, don't, Mr. Martin!" hörte ich dieselbe flüftern, als wir ins Freie traten.

Woche um Woche verging. Die Fastenzeit brach an, und wir durften jest auch jeden Mittwoch zweimal in die Kirche gehen, unbeschadet der auch an diesen Fasttagen vorzunehmenden häuslichen Uebungen im Gottesdienst. Der Chauffeewärter schaffte sich nach einis ger Zeit noch ein Schwein und bald darauf auch eine Kuh an, die beiden Brüder nebenan betrachteten mich täglich beim Vorübergehen mit einer Aufmerksamkeit, die mehr und mehr Zeichen von Ungeduld zu verrathen schien und ich entsinne mich während der ganzen zwei Monate nur einer einzigen Abwechselung, welche das über die halbe Erde sichtbare Phänomen einer Sonnenfinsterniß in Shinderford-Hall verursachte. Der Herr Pastor bemühte sich nämlich am Abend, die Ursachen dieses merkwürdigen Ereignisses seinen Zöglingen in einer improvisirten Abhandlung auseinanderzuseßen, die mir indeffen nur wenig Licht über dieses Phänomen der Finsterniß zu verbreiten geeignet erschien, obgleich er seinen mündlichen Erklärungen durch die sichtbaren Bilder einer laterna magica zu Hülfe kam. Während des Vortrages hatte sich Mr. Martin Erlaubniß erbeten, den Hörsaal auf einige Augenblicke verlassen zu dürfen, welcher, um die Wirkung der laterna magica zu erhöhen, vom Geistlichen in völlige Finsterniß versegt worden war, zu nicht geringer Erbauung der jungen Gentle men, die sogleich auf allen Vieren in demselben herumzukriechen begannen. Ich entfernte mich kurz darauf ebenfalls, um etwas frische Luft im Garten zu schöpfen, und war nicht wenig überrascht, durch die daselbst herrschende kimmerische Finsterniß hinter einer Hecke etwas Weißes schimmern zu sehen. Als ich nach einer Weile langsam auf den schimmernden Gegenstand zuschritt, ergriff derselbe zwar die Flucht, welches Verfahren auch von einem zweiten, etwas dunkler aussehenden Gegenstande gleich darauf beobachtet ward, aber auch ein weniger geübter und nicht in Minnesota's Urwäldern geschärfter Blick als der meinige hätte, glaube ich, diese Gespenster zu identifiziren vermocht. Als ich kurz darauf das Schulzimmer wieder betrat, war dasselbe in der gewöhnlichen Weise erleuchtet, und die jungen Gentlemen waren in ihre Lehrbücher vertieft; nur bemerkte ich, daß Mr. Martin etwas erhigt und sein Anzug etwas beschmußt aussah, ein Umstand, der dem Scharfblicke des frommen Mannes entging, sonst hätte er sich gewiß mit Theilnahme nach dessen Ursache erkundigt.

Meine Vorlesungen über den bestimmten und unbestimmten französischen Artikel weiter kam ich nämlich nicht — neigten sich ihrem Ende, der heißersehnte Quartal - Abschluß rückte heran, und am Morgen des 31. März betete ich noch einmal um ein gebrochenes und zerknirschtes Herz. Die jungen Gentlemen rüsteten sich zur Ferienreise und nahmen unter kräftigem Händeschütteln von der Familie Abschied, und ich verfügte mich in das Studirzimmer des Herrn Pastors, die Früchte meis ner Thätigkeit in Empfang zu nehmen. Er bemerkte mir bei deren Einhändigung, daß er zwar nicht umhin könne, mir seine volle Zufriedenheit mit meiner Lehrmethode im Allgemeinen auszudrücken, daß er aber noch immer Besorgnisse hege wegen des ,,Esel", den ich Mr. Hardwick senior geheißen habe, da er fest überzeugt sei, er werde nach den Ferien Beschwerde darüber hören müssen. Ich war einen Augenblick versucht, dem frommen Manne noch einen anderen Titel bei zulegen, als denjenigen, den er mir als die größte Beleidigung in Englands Gauen bezeichnet hatte, doch unterließ ich dies nach einigem Bedenken und erklärte ihm nur, daß ich ihn dieser Gefahr nicht ausfeßen wolle, und deshalb beschloffen habe, ihm meinen Abgang hiermit anzuzeigen. Der fromme Mann war hiervon etwas überrascht und meinte, daß er in der That nicht wisse, was er hierzu sagen solle. Ich versicherte ihm indeß, daß dies auch völlig überflüssig sei, wünschte ihm einen guten Morgen, packte meine sieben Sachen zusammen, kehrte der Hall den Rücken und entfernte mich mit einem Herzen, das bei jedem Schritte leichter und leichter wurde, bis sich dessen Entzücken julegt in einem wahren Jubelgeschrei Luft machte, worin selbst die Lerchen einstimmten, die über mir im blauen Raum verloren ihr Morgenlied in die milde Frühlingsluft hineinschmetterten.

Auf meinem Wege zum Chauffeehause begegnete mir der Chauffeewärter, der sich recht theilnehmend nach dem Gesundheits-Zustande, der Familienglieder des geistlichen Herrn erkundigte. Er meinte, es sei schon schlimm genug für ihn, daß er in den bevorstehenden vier Ferienwochen gar keinen Absaß habe, wenn nun aber auch noch Ma

fern und Scharlachfieber dazu kämen und die jungen Herren wieder ein paar Wochen später eintreffen müßten, so möchte er dies wenigstens gern voraus wissen, damit er sich darauf einrichten könne. Ich beruhigte ihn so sehr ich konnte und fragte ihn, ob er nicht eine FuhrGelegenheit nach Norwich wisse. Er wunderte sich, naiv genug, daß mir Mr. David nicht seinen eigenen Wagen nebst Pony zur Verfügung gestellt habe, und meinte, daß die beiden Brüder neben ihm Wagen und Pferd hätten und von Gelegenheits-Fuhren lebten. — Mir ging jezt mit einem Male ein Licht auf, und von Herzen stimmte ich diesmal in das humoristische Gelächter der beiden jungen Leute ein, das sie alshald anhoben, als sie meiner ansichtig wurden und ich ihnen schon von weitem zurief:,, Come on, boys, there is a job for you!" Sie erklärten mir überdies, daß sie mich schon faft aufgegeben hätten, daß es so lange noch keiner dort ausgehalten habe und daß der Leste auch ein Deutscher schon nach drei Tagen zu ihnen gekommen sei. Im Nu war der Wagen eingeschirrt, und die Dios Euren jagten im Galopp der Hall zu, um meinen Koffer daselbst aufzuladen, und in der, nächsten Viertelstunde saßen wir alle Drei im Wagen neben einander und rollten, unsere Pfeifen rauchend, der Stadt zu. Die verschiedenen Gasthäuser, an denen wir unterweges vorüberkamen, wurden natürlich unsererseits mit einem kurzen Besuche beehrt, dabei auch auf das Wohlergehen und die baldige Erlösung meines unbekannten Nachfolgers in Shinderford - Hall getrunken, und wir kamen eben noch knapp zur rechten Zeit an der Eisenbahn-Station an, um den nächsten nach London abgehenden Zug nicht zu versäumen. Ich dankte meinem Schöpfer, als ich endlich in diesem Play genommen hatte, und nach herzlichem Abschiede von dem Brüderpaare, das eine so einträgliche Revenue von dem Hülfslehrer-Wechsel in Shinderford-Hall zog, braufte ich einem neuen Schicksal entgegen.

Unterweges aber fiel mir eine Scene ein, der ich verflossene Weihnachten in einem der zahlreichen Nachweisungs-Büreaus bei= gewohnt hatte, mit denen ich damals behufs der Erlangung meiner eben wieder aufgegebenen Anstellung korrespondirte. Der Chef dieses Bureaur nämlich, ein langer, hagerer Mann mit weißem Haar, scharf markirten Gesichszügen und etwas stechenden grauen Augen, hielt gerade bei meinem Eintritt in seinem Lokal Abrechnung mit einem ältlichen Herrn, der sehr fromm aussah und eine sanfte, salbungsvolle Stimme besaß. Bei dem Geschäfte selbst geriethen die beiden Herren jedoch in Uneinigkeit, und der Geistliche denn ein solcher war der frommblickende Mann → sagte mit einer fanften Stimme:,,Why, that is really an ingratitude which human nature ought to be ashamed of." Der Bureauchef erwiederte, daß er sich ganz und gar nicht schäme, und als Jener darauf behauptete, er habe ihn um 1 Pfund 10 Shillinge geradezu betrogen, meinte der Leßtere:,,Look in your account, man, and get out of the room, you are a d→ liar and a hypocrite as almost all parsons are.” Der fromme Mann hob den Regenschirm und holte wie zu einem Schlage aus, aber die noch immer kräftige Rechte des hageren Bureauchefs hielt den erhobenen Arm des Mannes wie in einem Schraubstock fest, und mit der anderen Hand, die Thür öffnend, schwenkte er den protestirenden. Priester ohne alle Ceremonie zur Thür hinaus, ihn bedeutend, daß er sogleich einen Policeman holen laffen würde, wenn er sich unterstehen sollte, wiederzukommen.

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Der lange Chef erschien mir damals etwas rasch und jähzornig, und in meinem Herzen regte sich wie eine Stimme des Mitleids mit dem milden Prediger, der so unsanft auf die Straße gefeßt ward. — Jest begann ich etwas anders über den Vorfall zu denken, und das wahrscheinlich aus Erfahrung gesprochene Urtheil des langen BüreauChefs:,, a liar and a hypocrite as almost all parsons are", kam mir nun um etwas weniger ungerecht vor als vor einem Vierteljahre. Ich muß den langen hageren Mann einmal aufsuchen in London, sobald ich Zeit dazu habe. GB.

Die Grafen von Kildare.

Zu den beliebtesten historischen Studien gehört in England die Genealogie der alten Adelsgeschlechter, von denen es wenige giebt, die nicht einen oder mehrere Geschichtsschreiber gefunden haben. Der gleichen Studien haben für die Betheiligten auch ein praktisches Inter effe, wie es neulich bei dem großen Talbot-Prozeß der Fall gewesen, wo der Titel und die reichen Güter der Grafen von Shrewsbury®) von dem Resultate der minutiösesten genealogischen Forschungen über die verschiedenen Zweige dieses Hauses abhingen. Eine solche Familien-Chronik wird jezt von dem Marquis von Kildare veröffentlicht,

*) Es ist seit einiger Zeit in den deutschen Zeitungen, die ihre englischen Notizen aus der Londoner lithographirten Korrespondenz schöpfen, Mode, den Titel Earl unüberseßt zu lassen und z. B. Earl von Derby, Garl von Ellenborough zu schreiben. Um konsequent zu sein, müßte man dann aber auch Duke von Wellington, Duke von Bedford c. sagen und die Königin Victoria ale,,Queen von England" figuriren lassen. D. R.

deffen Vater, der Herzog von Leinster, das Haupt jener berühmten
,,Geraldinen" oder Fißgerald's ist, die seit der Eroberung Irlands
durch Heinrich II., in zwei Linien, Kildare und Desmond, getheilt, eine
so glänzende Rolle in den Annalen der,,grünen Insel" gespielt haben.")
Der Tradition zufolge, stammt das Haus Fizgerald ursprünglich
aus Italien, und zwar von den florentinischen Gherardini. Der un-
glückliche Surrey (er wurde 1546 unter Heinrich VIII. hingerichtet), der
in feinen Gedichten eine schöne Lady Fizgerald, die Tochter des da-
maligen Grafen von Kildare, verherrlichte, spielt in einem derselben
auf diesen Umstand an:

From Tuscane came my lady's worthy race;
Fair Florence was sometime her ancient seat

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und es ist ein Beweis für die Theilnahme, die man in England solchen Familien-Erinnerungen zuwendet, daß von sämmtlichen Versen Lord Surrey's nur noch diese beiden Zeilen allgemein bekannt sind. Nach Irland kam zuerst Maurice Fißgerald, d. h. der Sohn Gerhard's, der selbst ein Sohn des William oder Walter Fiß-Otho war, Kastellans von Windsor unter Wilhelm dem Eroberer. Maurice war einer der tapfersten Gefährten Strongbow's, jenes alten Flibustiers, der Irland der englischen Krone ,,annerirte"; er wurde mit weitläufigen Ländereien in Kilbare belehnt, baute das Schloß Maynooth und hinterließ den Ruf eines derben, handfesten Ritters, würdig, ein großes Dynastengeschlecht zu gründen. Seine Nachkommen waren ihm ähnlich; fie trieben das feudale Handwerk in optima forma, schlugen sich, empörten sich gegen den König und föhnten sich mit ihm aus, errichteten Kirchen und Klößter und hielten mit ihrer gepanzerten Hand das Irenvolk so fest an der Kehle, daß es sie nimmer wieder abschütteln konnte. Durch Heiraten mit den erköniglichen Geschlechtern des Landes wurde ihnen jedoch ein gut Theil keltisches Blut eingeflößt; sie nahmen die >Sitten, felbft die Sprache der Eingeborenen an, von denen es allmählich schwer wurde, sie zu unterscheiden. In ihrem Wappen führten fie zwei Affen, wie man behauptet, zum Andenken an einen zahmen Hausaffen, der beim Brande des Stammschloffes den Erben der Fig. geralds vor dem Feuertode rettete.

Im Jahr 1316 wurde das Haupt der Familie von Eduard II. zum Grafen von Kildare erhoben. Während des Krieges der beiden Rosen standen die Grafen von Kildare auf Seiten der Yorkisten. Sie unterstüßten den Pseudo-Plantagenet, Lambert Simnel, gegen Heinrich VII. und wurden von Lezterem geächtet, bald aber wieder zu Gnaden aufgenommen. Graf Gerald von Kildare, der zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts lebte, war einer der mächtigsten Dynasten dieses Hauses; er eröffnete eine Korrespondenz mit den Gherardini in Florenz, denen er sich als Blutsverwandter vorstellte und an die er ein Schreiben richtete, das in den Urkunden der Gherardini mit getheilt ist:,,Wisset", heißt es darin,,,daß meine Vorgänger und Ahnen aus Frankreich nach England übersiedelten und, nachdem sie fich eine Zeitlang dort aufgehalten, im Jahr 1140 (1170) in dieser Insel Irland ankamen, wo sie durch ihr Schwert große Besizungen erlangten und große Waffenthaten verrichteten und bis zum heutigen Tage wuchsen und sich ausbreiteten in viele Zweige und Familien, so daß ich durch die Gnade Gottes und durch erbliches Recht eine Grafschaft besige und Graf von Kildare bin, mit verschiedenen Schlöffern und Herrengütern belehnt, und durch die Großmuth unseres durchlauchtigsten Herrn, des Königs von England, bin ich jest, so lang es Seiner Majestät gefällt, fein Stellvertreter in ganz Irland, eine Ehre, die früher schon häufig meinem Vater und meinen Vorfahren verliehen wurde. Auch giebt es einen unserer Verwandten in diesen Gegenden, genannt der Graf von Desmond, unter deffen Herrschaft fich eine Strecke Landes von hundert Meilen in der Länge befindet. Unsere Familie hat sich über die Maßen vermehrt, aus einer Anzahl von Baronen, Rittern und Edelleuten bestehend, welche viele Güter besigen und viele Personen unter ihrem Befehl haben. Wir tragen großes Verlangen danach, die Thaten unserer Vorfahren kennen zu lernen, und falls Ihr daher eine Geschichte derselben in Eurem Besige habt, so ersuchen wir Euch, sie uns mitzutheilen. Wir wünschen den Ursprung unseres Hauses, die Zahl feiner Glieder und die Namen Eurer Ahnen zu erfahren: ob irgend welche von ihnen in Frankreich ansässig sind, und wer von unserer Familie das römische Gebiet be wohnt. Ich wünsche auch die Vorkommnisse der gegenwärtigen Zeit zu wissen, denn es gewährt mir stets große Freude, Kunde von unserem Hause zu erhalten. Wenn es etwas giebt, was wir Euch durch unsere Mühe und unseren Fleiß verschaffen können, oder Dinge, die 3hr nicht habt, wie Falken, Habichte, Pferde oder Jagdhunde, so bitte ich Euch, mich davon in Kenntniß zu sehen, da ich in jeder möglichen Weise ftreben werde, Eure Wünsche zu erfüllen. Gott sei mit Euch,

*),,The Earls of Kildare and their Ancestors, from 1057 to 1773". By the Marquis of Kildare. Second Edition. Dublin: Hodges & Co. (Die erste Ausgabe ward als Manuskript gedruckt).

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und möget Ihr unsere Liebe erwiedern. Gegeben in unserem Schlosse Castledermot, am fiebenundzwanzigsten Tage des Mai 1507. Gerald, Haupt des Stammes der Geraldinen in Irland, Graf von Kildare, Lord Statthalter des durchlauchtigsten Königs von England in Irland." Unter der blutigen Herrschaft Heinrich's VIII. wurde die Familie abermals in einen Aufstand verwickelt, und Thomas, der zehnte Graf, mußte im Jahr 1537 mit fünf Oheimen das Schaffot besteigen. Auf den Erben des Hauses, den jungen Gerald, wurde von allen Seiten gefahndet, aber er entkam verkleidet nach St. Malo in der Bretagne, wo der Gouverneur Chateaubriand ihn wohlwollend aufnahm. Eduard VI. rief ihn aus dem Eril zurück und seßte ihn wieder in seine Würden und Besizungen ein; die Familie wurde protestantisch, litt von der Wuth der Katholiken während der irischen Rebellion" (1641) und von der Tyrannei Jakob's II., sah sich aber endlich nach dem Siege der Whigs zu dem ersten Rang unter dem irischen Adel erhoben. James, der zwanzigste Graf, Premier Earl of Ireland und seit 1761 Premier Marquis, wurde 1766 auch Premier Duke mit dem Titel eines Herzogs von Leinster. Er starb im Jahr 1773, und mit seinem Tode schließt sein Urenkel die siebenhundertjährige Familiengeschichte. Mannigfaltiges.

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Friedrich der Große und Philipp von Macedonien. Ein Engländer, welcher sich gern in den Ruf eines Geschichtschreibers bringen möchte, der das Alterthum ebenso genau studirt habe, wie die neuere Zeit, hat vier vergleichende Biographieen herausgegeben, worin er zunächst Epaminondas und Gustav Adolph und dann Philipp von Macedonien und Friedrich den Großen als Kriegführer und Staatsmänner in Parallele neben einander stellt."),,Les mots hurlent de se trouver ensemble", pflegen die Franzosen bei gesuchten Neben einanderstellungen zu sagen; ein ähnliches Gefühl von einem verlegenden Miston haben gewiß die Meisten bei dem bloßen Gedanken, daß der Kämpfer für den Protestantismus ein Seitenstück zu dem Helden von Mantinea sei, und daß der Sieger von Roßbach und Leuthen sein Pendant in dem schlauen Feinde der Athener zu suchen habe. Es geht dem Herrn C. D. Yonge, dem Verfasser dieser Parallelen, wie den Theilnehmern an dem bekannten Kinderspiel: ,,Aehnlichkeiten und Unähnlichkeiten": er sucht, so gut es eben geht, seine im Grunde ungereimte Aufgabe zu lösen. Aber unsere Leser werden sich einen Begriff davon machen können, wie genau Herr Yonge den Charakter seiner Helden studirt hat, wenn sie vernehmen, daß er Friedrich den Großen und natürlich auch Philipp von Macedonien, als Feldherren, weit hinter Marlborough ftellt, wobei er behauptet, der Macedonier sei dem Preußenkönige an wissenschaftlicher Bildung sehr überlegen gewesen und hat auch niemals solche Irrthümer begangen, wie Friedrich.“

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-Thouret's Schußmittel gegen Feuer. Wir nehmen gern auch in unserem Magazin" Akt davon, daß es zwei Deutsche, die Herren Schüssel und Thouret von Berlin, find, welche ein auch in England und Frankreich als neu und zweckmäßig anerkanntes Schuß mittel gegen die Verbrennung leicht entzündlicher Gegenstände erfunden haben. Die Standard vom 29. Oktober v. J. und das Siècle vom 22. November v. I. geben Nachricht von öffentlichen Versuchen, die in London und Paris mit diesem Schußmittel stattgefunden, das dork in seiner verschiedenartigsten Anwendung als praktisch anerkannt worden ist. Den Erfindern find in England und in Frankreich Anerbietungen gemacht worden, ihre Erfindung dort zu verkaufen, fie haben dieselben jedoch von der Hand gewiesen, weil sie nicht wollten, daß ihre jedenfalls interessante Erfindung unter englischem oder französischem Namen in die Welt komme. Das Schußmittel, eine Flüssigkeit, mit welcher die Gegenstände bestrichen werden, ist, nach der Erfinder Versicherung, nicht im geringsten nachtheilig für die menschliche Gesundheit. Ebenso wenig wirkt es nachtheilig auf die Stoffe, die damit bestrichen werden; im Gegentheil ist dasselbe für alle Hölzer ein vorzügliches Konservirungsmittel, indem es dieselben vor dem Schwamm, Wurm und `~fonstigem zerstörenden Einflusse der Insekten schüßt. Wir selbft find zwar verhindert gewesen, den öffentlichen Versuchen, welche die Erfinder mit ihrem Schußmittel in Berlin angestellt, beizuwohnen; wir hören jedoch von so vielen Seiten Anerkennendes über die Sache, daß wir ihr diese Erwähnung mindestens schuldig zu sein glaubten.

and Gustavus Adolphus, Philip of Macedon and Frederic the Great." *),, Parallel Lives of Ancient and Modern Heroes; of Epaminondas By C. D. Yonge. London: Chapman & Hall. Berlin, A. Asher & Comp.

Das mit dieser Nummer zu Ende gehende Abonnement wird Denjenigen in Erinnerung gebracht, die im regelmäßigen Empfange dieser Blätter keine Unterbrechung erleiden wollen.

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Frankreich.

Berlin, Donnerstag den 1. Juli.

Prinz Napoleon über die Welt-Ausstellungen. *)

Die Londoner und Pariser Welt-Ausstellungen werden in der Erinnerung des gegenwärtigen Geschlechtes und in der Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts tiefe Spuren zurücklaffen. Die Neuheit und Größe des Gedankens, die Erzeugnisse des schaffenden Menschen geistes an Einer Stelle zu vereinen, das unermeßliche Zusammenströmen der Völkermassen aus allen Punkten des Erdkreises in den Galerieen des Hyde-Park und der Champs Elysées, die Art und Weise, wie die Regierungen diese Feste der Industrie und der Kunst gefeiert Alles, mit Einem Worte, hat dazu beigesteuert, dem prachtvollen Schauspiel, das wir mit Augen gesehen, einen höheren Glanz zu verleihen. Unvergeßlich bleibt besonders der ergreifende Gegensah, den die beiden Ausstellungen zu dem allgemeinen Zustand in Europa um die Zeit ihrer Eröffnung bildeten. 1851 hatte sich Europa von der revolutionairen Erschütterung, durch die alle industrielle Thätig. keit unterbrochen war, kaum erholt; 1855 befand sich unser Erdtheil im vollen Kriege. Wer, beim Anblick der zu London und Paris prangenden Wunder, mochte ahnen, daß Revolution und Krieg vor den Thoren rasen? Von dem Rund gemälde der Friedensschöpfungen umgeben, konnte man da noch an den Straßenkampf, an die blutigen Schlachtfelder denken? Durch diese Ausstellungen haben die Völker gegen Revolution und Krieg protestirt; durch sie hat unsere Zeit ihre Wünsche auf das beredteste ausgesprochen und der Politik der Zukunft das Programm vorgezeichnet. Frankreich nimmt die Idee zu diesen allgemeinen Wettkämpfen für sich in Anspruch, Großbritannien rühmt sich, der Ausführung derfelben die Bahn gebrochen zu haben; was frommt es aber, daß zwei Völker, deren Wetteifer nur zu oft in Eifersucht ausschlägt, um die ihnen gebührende Rolle streiten? Weder Frankreich, noch England, der Geist des neunzehnten Jahrhunderts war es, der das Unternehmen empfangen und geboren hat. Die Welt Ausstellungen find aus den Bedürfniffen, dem Charakter, den Leiden schaften unserer Zeit hervorgegangen...

Die Einzelheiten des genannten Berichts, der sich in seiner Frische und Lebensfülle von der trockenen Einförmigkeit amtlicher Schriften vortheilhaft auszeichnet, müssen wir übergehen und uns auf die allgemeinen Betrachtungen beschränken, da sie Vorschläge entwickeln, die für künftige Ausstellungen von großem Interesse find.

Die Ausstellungen müssen in Zukunft, nach der Meinung des Prinzen, universell sein, d. h. sie müssen alle Völker aufrufen. Dennoch aber können sie partiell sein oder, mit anderen Worten, nur eine gewiffe Gruppe von Produkten umfassen; daß sie sich in derselben Ausdehnung, wie 1851 und 1855, häufig wiederholen, ist bei den unübersteiglichen Schwierigkeiten, eine so unermeßliche Fülle von Erzeugnissen unterzubringen und angemessen aufzustellen, eine baare Unmöglichkeit. Ueberdies würde das Studium der Industriellen fruchtbarer, wie die Aufmerksamkeit des Publikums gespannter sein, wenn sich jenes, wie diese, auf einen engeren Kreis von Produkten konzentrirte. Die Welt-Ausstellungen dürften demnach nur alle funfzig Jahre, die partiellen aber nach kleineren Zwischenräumen wiederkehren. Endlich dürften (wie der Prinz meint) London und Paris die einzigen Pläße sein, die sich für diese Ausstellungen eignen: durch den blenden den Einfluß, den sie auf die ganze Welt üben, durch ihr Uebergewicht in der Industrie, im Handel, in der Intelligenz scheinen sie mit der Macht ausgerüstet, Besucher aus allen Ländern anzuziehen.

Nach den Welt-Ausstellungen von 1851 und 1855, wird unsere Generation die einfachen inländischen Ausstellungen, wie sie bis dahin alle fünf Jahre in Frankreich stattfanden, allerdings sehr dürftig und ungenügend finden. Darf man deshalb aber schlechthin behaupten, daß die Ausstellungen fünftig nur unter universeller Gestalt auftreten

*) Nach einem Artikel der Revue des deux Mondes über den in unserem Magazin bereits erwähnten Bericht des Prinzen Napoleon, als Präsidenten der Ausstellungs- Kommission, über die Welt-Ausstellung von 1855.

1858.

müssen, und stößt das vorgeschlagene System, gleichviel, ob es alle Erzeugnisse der Industrie und Kunst oder nur eine Partie (Ackerbau, Werkzeuge, Fabrikate) umfaßt, nicht auch auf ernste Hinderniffe, unter denen der ungeheure Kostenpunkt keines der geringsten ist? Wir haben gesehen, wie viel Zeit und Geld die Vorbereitungen zu den legten Ausstellungen gekostet haben. Dagegen führt das System der partiellen Ausstellungen den Uebelstand mit sich, eine zu lange Pause in die eröffnete Mitbewerbung um dieselben Produkte eintreten zu lassen. Will man die Ausstellung nicht permanent machen — was freilich die Industriellen, wie das Publikum bald ermüden dürfte - so würde die Reihe an die verschiedenen Produktenklassen, wenn man jeder eine fünfjährige Zwischenzeit einräumte, erst nach 20 bis 25 Jahren kommen. Offenbar eine zu entfernte Frist. Was endlich den Siz der Ausstellungen betrifft, so dürften Desterreich, Deutschland, Rußland, Belgien schwerlich zu Gunsten Londons und Paris ihren Ansprüchen auf eine Universal-Ausstellung in den Mauern ihrer Hauptstädte entsagen. Denn es handelt sich hier nicht blos um den kiglichen Punkt der National-Eitelkeit, hier sind ernste Interessen im Spiel. Es ist klar, daß ein Land, das bei der Ausstellung den Wirth macht, außer dem unmittelbaren materiellen Gewinn, der ihm zufließt, den höheren, den durch die Anschauung bildenden Unterricht, daraus schöpft. Der Landesfürft wird es sich stets angelegen sein laffen, seinen Unterthanen ein Schauspiel zu gewähren, das ihrem Stolz schmeichelt, ihren Wetteifer anregt, zahlreiche Fremde herbeizieht, der Volksneugier Nahrung bietet. Es ist viel, wenn eine Regierung das Volk zu zerftreuen weiß, und in den Zeiten, in denen wir leben, kann es schwers lich eine nüßlichere, thätigere Zerstreuung geben, als das Tablean einer allgemeinen Ausstellung.

Den Beweis hatten wir in Paris und London. Und die anderen Regierungen sollten auf einen Versuch verzichten, den Frankreich und England mit so gutem Erfolg ausgeführt? Bei den ungeheuren Fortschritten überdies, welche die Industrie in Deutschland, Desterreich, Nord-Italien und selbst in Rußland gemacht hat, dürften sich gerade die Hauptstädte in Mittel-Europa, z. B. Wien, Berlin oder Warschau, für eine Weltausstellung eignen. Dampfboote und Eisenbahnen stehen auch den Zollvereinsstaaten, Desterreich und Rußland zu Gebot und wenn sie nach unserem Beispiel die Kosten des Transports tragen wollen, werden ihnen die Elemente zu einer glänzenden Ausstellung nicht fehlen. Sollte es sich aber die Industrie der Westmächte beikommen lassen, unter dem Vorwande, daß die gemeinschaftlich or ganisirten periodischen Ausstellungen in Frankreich und England ihre Einsendungen in Anspruch nehmen, dem Aufrufe aus dem Mittelpunkte und dem Often Europa's teine Folge zu geben: dann würden diese natürlich ihre Fabrikate von Ausstellungen in Paris und London eben falls zurückhalten, und das Zerwürfniß, die nationale Empfindlichkeit würden ein Werk gefährden, das nur in der Eintracht und in dem Wohlvernehmen aller Länder Bestand haben kann.

Am zweckmäßigften erscheint, die beiden Systeme, die fünfjährige inländische mit der fünfundzwanzigjährigen allgemeinen Ausstellung zu verbinden. In jener mögen die Industriellen des Inlandes, wie es bisher seit dem Beginn unseres Jahrhunderts geschehen, von den Vortheilen der Oeffentlichkeit Nußen ziehen. Nur die großen Induftrieen, die durch die Neuheit, die Vollkommenheit oder die Wohlfeilheit ihrer Erzeugnisse der Aufmerksamkeit der ganzen Welt würdig find, sie nur würden in den universellen Ausstellungen auftreten, und man müßte bei der Zulaffung zu diesen bei weitem wähliger fein, als 1851 und 1855. Immerhin mögen auch andere Nationen ähnliche Schranken für industrielle Kämpfe eröffnen, in die wir unsere Haupts Produkte zur Preisbewerbung schicken werden, so daß unserem Erdtheil von Zeit zu Zeit, fet es in Paris, London, oder sonstwo, das Schauspiel jener großartigen industriellen Feier gegeben würde, deren Bestimmung es ist, auf die Zukunft der Regierungen und Völker einen so glücklichen Einfluß zu üben. „Die Welt-Ausstellungen", fagt der Prinz,,,sind ein Artikel jenes umfassenden staatswirthschaft lichen Programms, zu welchem die Schienenwege, die elektrischen Tele

graphen, die Dampfschifffahrt, die Durchstechungen der Landengen, alle oßen öffentlichen Arbeiten gehören; ein Programm, das den Wachsthum ber sittlichen Wohlfahrt, d. H. der Freiheit, zugleich mit der Vermehrung der materiellen Wohlfahrt, d. h. des erhöhten Wohlftandes zum Nußen der Mehrheit, sich zum Ziel gesezt hat."

Wichtig ist ferner die Frage, welche finanzielle Organisation den. Ausstellungen am angenehmsten sei. Denn, wie groß auch die Theilnahme für diese Feierlichkeit sei, so dürften sie sich schwerlich in die Gewohnheiten der Regierungen einbürgern, wenn sie zu kostspielig wären; 1855 beliefen sich die Kosten der Ausstellung, nach Abzug der 3 Mil lionen Francs Einnahme durch die Eintrittsgelder, noch auf-8 Millionen. Freilich haben die beschwerlichen Einrichtungen des Lokals, die Unzulänglichkeit der Aufstellung, die Nothwendigkeit, in der Haft Anbauten aufzuführen u. a. m., die Ziffer der Ausgaben bedeutend angeschwellt. Es ist ferner in Anschlag zu bringen, daß bei der Dr ganisation dieses ebenso politischen, wie industriellen Festes, zu dem Frankreich alle Völker geladen hatte, fürstliche Munifizenz den Vorfis führte: es war ein Unternehmen, das einen kaiserlichen Prinzen an der Spize hatte und, unter Mitwirkung der Vertreter der ersten Staatskörperschaften, sich durch den Glanz des Ganzen, wie durch den Lurus der Einzelheiten, seines hohen Patronats würdig zeigen mußte. Endlich war es eine erste Vorstellung, und so erscheint die ausnahmlich prachtvolle Ausstattung begreiflich. Laffen wir uns also von jener Bilanz nicht abschrecken; künftig wird man mit weniger Prunk und mit geringeren Kosten dem Publikum die Ausstellung eröffnen können, ohne daß sie dadurch etwas von ihrer Vollständigkeit oder von dem Rugen eines ernsten Studiums zu verlieren braucht.

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Wem aber kommt die administrative Leitung überhaupt zu? Der Regierung oder den Privaten? In England bekanntlich mischt sich die Staatsgewalt durchaus nicht in die Organisirung derartiger Unternehmungen: eine Privatgesellschaft hat 1851 den Krystallpalast ausgebeutet; eine Privatgesellschaft hat die Gemälde - Ausstellung zu Manchester 1856 vorbereitet, und durch eine Privatgesellschaft wird die nächste universelle Industrie-Ausstellung geleitet werden. Es liegt im englischen Charakter, daß die Nation ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nimmt, nicht blos von einem lebhaften Trieb zu persön licher Thätigkeit gedrängt, sondern auch, weil sie der obersten Gewalt mißtraut und wo möglich jede unmittelbare Einwirkung des Staates zurückweist. Daß ein Eintrittsgeld an den Thüren des AusstellungsLokals erlegt werde, ist eine nothwendige Folge dieses Systems: es erscheint billig, daß das Publikum die Gesellschaft für die Kosten des Schauspiels entschädige; wie könnte sonst die Aufführung bewerkstelligt werden? Das Publikum ist so sehr daran gewöhnt, überall seinen Plaz zu bezahlen, daß selbst in den Gebäuden, die der Nation gehören, wo es sich doch gewissermaßen bei sich zuhause glauben könnte, der Besucher, auch der ärmste, seinen Shilling oder seine Halbkrone am Eingange ohne Murren erlegt, während der Tourist des Festlandes mitunter sich schwer darüber ärgert. Sitte und Gewohnheit in Frankreich stehen dem ftracks entgegen. Die Franzosen überlassen dem Staate die Sorge, Alles aus den Hülfsquellen des Budgets zu beStreiten, sowie die Leitung aller Unternehmungen, die nur im gering ften den Charakter des öffentlichen Nugens an sich tragen: fie bestellen ihn zu ihrem General-Mandatar. Haben sie aber einmal ihren Theil an Auflagen in den Kasten des Einnehmers gelegt, dann sind ihnen alle Nebenabgaben, Subscriptionen, Zölle, die Taufende von Zumuthungen an den Beutel, die den englischen Bürger auf jeden Schritt in Contribution sezen, unerträglich; sie wollen dann überall, bei öffentlichen Festen, in den Ausstellungen, unentgeltlichen Eintritt haben. Und die Wahrheit zu sagen, ist Logik darin. Dem sei aber, wie ihm wolle, so muß man, wenn man ein Nationalwerk organisiren will, die Nation, für die es geschaffen wird, nehmen, wie sie ist, und den Entwurf ihren Sitten, ihren Gewohnheiten, ihren Gefühlen, ja ihren Vorurtheilen anpassen. Man wird daher noch einige Zeit anzustehen haben, bevor man es Privatleuten überlassen kann, eine UniversalAusstellung in Frankreich anzubahnen. Das hat Prinz Napoleon wohl begriffen, und obgleich seine persönliche Ansicht dem englischen System günstig ist, so weicht er doch dem unwiderstehlichen Argument der Nothwendigkeit und fügt sich darein, daß die nächste Ausstellung, wie die von 1855, von einer Regierungs-Kommission und auf Staatskosten geleitet werde, mit der Beschränkung jedoch, diese Kommission nicht in dem Schooße der öffentlichen Verwaltungsbeamten zu wählen, benen er allen Geist der Initiative abspricht und die, wie er behauptet, ihre Inspirationen nur zu oft aus der bloßen Routine schöpfen.

Wir laffen es dahingestellt, ob diese Beschuldigung in ihrer Allgemeinheit vollkommen begründet sei, und kommen auf die eigentlich finanzielle Frage. Soll bei den Ausstellungen von den Besuchern ein Eintrittsgeld erlegt werden? Der Prinz hält diese Maßregel für billig; denn anstatt Allen zu Gunsten eines Theiles eine offene Ausgabe verpflichtend aufzulegen, läßt man sie von denen freiwillig bestreiten,

die davon Nußen ziehen. Damit aber diese Schlußfolge vollkommen richtig sei, müßte der Ertrag der Eintrittsgelder die Kosten der Ausftellung völlig decken; sonst blieben, da die Kosten von dem allgemeinen Budget voraus abgezogen werden, alle Steuerpflichtigen mit einer Ausgabe belastet, wovon Nußen zu ziehen nicht Alle ermächtigt find. Man könnte noch hinzufügen, daß der materielle und gewissermaßen moralische Erfolg einer Industrie-Ausstellung auf der ausgedehntesten Veröffentlichkeit beruhe, und daß der Aussteller, der sich's oft schweres Geld kosten läßt, um mit Ehren in diesem feierlichen Wettkampf zu bestehen, ein Recht habe, zu verlangen, daß die Zahl der Zuschauer, die seine Erzeugnisse würdigen, nicht beschränkt werde; daß es endlich im Nationalintereffe liege, die Menge nicht von einem Schauspiele abzuhalten, das ihren Geschmack hebt und läutert, von einem VolksMuseum, wo sich ihr überall das Bild der Arbeit zeigt. Troß dieser Einwürfe aber zu Gunsten des Prinzips der Unentgeltlichkeit wird der Vorschlag des Prinzen für die künftigen Ausstellungen wahrscheinlich dennoch durchgehen; denn andererseits hat es auch seinen Nußen, die Bevölkerung an dieses in England gebräuchliche Zahlen zu gewöhnen: es begünstigt die Rührigkeit und Unabhängigkeit individueller Bestrebungen und führt rascher den Moment herbei, wo Privatvereine weniger Gefahr laufen, auf eigene Hand Ausstellungen zu unternehmen, da sie das Publikum besser gestimmt finden, sie unmittelbar schadlos zu halten. Seht man den Eintrittspreis nicht zu hoch an, so wird man die ersten Besucher nicht abschrecken und zugleich die Galerieen von jenem müßigen und lästigen Volke befreien, das eine Ausstellung für eine Tabagie oder einen Boulevard ansieht, und das nicht eineinmal das Verdienst hat, fremde Arbeiten zu bewundern.. Diese ver schiedenen Verfahrungsarten sind 1852 zur Anwendung gekommen, und es scheint nicht, daß die Auflage eines Eintrittsgeldes die geringste Beschwerde veranlaßt habe. Der neue Modus ist nun eingeführt, und er wird sich in der Zukunft ohne Schwierigkeiten einleben.

Indeß hat 1855 die Erfahrung die Nothwendigkeit dargethan, den Eintrittspreis auf ein Geringstes herabzusehen. An dem Lage (einem Sonntage), wo derselbe 20 Cent. war, stieg die Zahl der Besucher auf 2,182,433; an den Tagen (den fünf Wochentagen) aber, wo er Einen Fr. betrug, ging fie auf 2,097,607 zurück. Vom 16. Mai bis 31. Juli, wo an einem der Wochentage der Preis auf fünf Fr. festgesetzt war, besuchten die Ausstellung nur 33,926; man verringerte ihn auf zwei Fr. vom 1. August bis zum 9. November, und die Ziffer der Besucher hob sich auf 95,688. Die Einlaßkarten auf die ganze Saison für 50 oder 25 Fr. lösten nur 4663 Personen zur Industrie-Ausftellung, und gar nur 180 zur Kunstausstellung eine merkwürdige Statistik, die beim französischen Volke entweder eine sonst seltene Sparsamkeit oder einen sehr schwachen Sinn für die Meisterwerke der Jndustrie und Kunst bezeugen würde. Als Entlastungszeugniß ist jedoch anzuführen, daß zahlreiche unentgeltliche Einlaßkarten durch die kaiserliche Kommission an verschiedene Besucherklaffen vertheilt wurden, und daß diese Munifizenz, sonst gewöhnlich auf Soldaten und Invaliden beschränkt, sich diesmal auf Zeitungsschreiber und Gelehrte ausdehnte.

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,,Es ist in Frankreich ein sehr verbreitetes Vorurtheil", bemerkt der Prinz,,,daß ein Mann, der nicht zahlt, über seinen Mitbürgern steht, da er ein Vorrecht genießt, das um so eifriger gesucht wird, als die Gleichheit Alles nivellirt hat". Die Richtigkeit dieser Beobachtung läßt sich in den gewöhnlichsten Lebensbeziehungen wahrnehmen. Einlaß zum Theater haben, mit seiner Familie oder seinen Freunden eine Opernloge, die nichts kostet, anfüllen - der Luft widersteht die Eitelkeit eines reichen Franzosen nicht. An einem Geschenk, das in seine Börse fließt, liegt ihm wenig; mit seinem Freibillet aber dünkt er sich etwas Befferes, als seine Nachbarn, Leute ohne Einfluß und Ansehen. Das ist französische Demokratie! In England", bemerkt der Prinz ferner, ebenso scharf, wie richtig,,,will Jeder reicher erscheinen, als er ist; bei uns im Gegentheil versteckt sich der Wohlstand und benußt, ohne zu erröthen, die Vortheile, die ursprünglich zu Gunsten der unbemittelten Klaffen geschaffen worden. So kam es, daß an den Sonntagen, wo man den Einlaßpreis auf 20 Cent. herabgefeßt hatte, die Ausstellung nicht nur von Arbeitern, sondern auch und hauptsächlich von Personen besucht wurde, die den wohlhabendsten Volksschichten angehörten“. Was läßt sich daraus schließen? Daß, um das Publikum zu den künftigen Ausstellungen heranzuziehen, man den Eintritt, wenn auch nicht unentgeltlich gestatten, doch auf einen sehr mäßigen Preis herabseßen müsse. (Schluß folgt.)

Polen.

Zur Geschichte der polnischen Leibeigenschaft.

(Schluß.)

Johann Albert, der Nachfolger Kasimir's des Jagiellonen, kam in den Verdacht, die „Rechte" des Adels verkürzen zu wollen, und nach einem unglücklichen Feldzuge in die Walachei beschuldigte man ihn sogar, die Adligen absichtlich in den Tod geführt zu haben.

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Das war Veranlassung genug, um alle Schleusen der Eifersucht aufzuthun. Jest richteten sich aber die Herrschbegier und der Druck nicht mehr blos nach oben, sondern nach abwärts. Der Bauern ftand wurde von Aemtern und Würden ausgeschloffen, es wurde ihm untersagt, Ländereien und Prälaturen zu besißen, der Schulbesuch mußte unterbleiben. Unter dem Könige Alexander wurden die Adelsstatuten gesammelt und gedruckt (1500), zum neuen Nachtheil der Landleute und selbst der Städter. Der gute König Sigismund. I. vermochte ebensowenig etwas für die Landleute zu thun; im Gegen theil erklärte sich der Adel zum Herrn von Leib und Leben der Bauern und dehnte seine Macht auch über die Städte aus; ihre Abgeordneten wurden von den Reichstagen verwiesen. Der Adelftand war übermächtig durch die Gunst der Verhältniffe, die Schwäche der Könige, das passive Verhalten der übrigen Stände, durch Unbeug famkeit und Zahl (auf der tumultuarischen Reichsversammlung von Lemberg, welche spottweise, der Hühnerkrieg“ genannt wurde, waren, zur Zeit deffelben Sigismund, 150,000 vom Adel gegenwärtig, die Alle Beschwerde führten). So erklärlich die Anfeindung der wachsen den, reichen und einflußvollen Städte durch den Adel sein mag, so wenig finden wir die Unterdrückung des Bauernstandes in der polni fchen Geschichte motivirt, und gleichwohl läßt sich nicht ohne Weiteres annehmen, daß die Landleute ohne jeden Grund ein Raub der Adelswillkür geworden feien, vielmehr muß der argwöhnische, reizbare Adel im Bauernstande eine sich bildende Schranke für sein Trachten nach der Regierungsgewalt gefunden habens

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kam nichts Gutes zu Tage. Französische Sitte und Sprache. wurde in allen Häusern vom,,guten Zone" angenommen und fant soviel Anhang, daß der Dichter Karpiński (Epistel an den Fürsten Repnin, 1796) bitter klagend ausruft:

Ten język i te wiersze sławami polskiémi,

Może za sto lat znane niebędą w tej ziemi

,,Diese Sprache und polnischen Verse wird man nach hundert Jahren vielleicht in diesem Lande nicht mehr verstehen". Dahin-war es mit der gepriesenen polnischen Nationalität gekommen, und als man, wie es scheint, ernstlich daran zu denken begann, die Regierungsweise zu reformiren und die Volksthümlichkeit wiederherzustellen, als das Geistesleben wieder erwachte, war es für Republik und Reich zu spät.

Alle Uebergriffe und Ungerechtigkeiten zusammengenommen, welche sich der Adel im Laufe der Zeit gegen den Bauernstand erlaubt hat, wird deffen gänzliche Befreiung dennoch ebensowohl ein Akt des Edelfinnes und der Humanität als einer lange vorenthaltenen Gerechtigkeit sein. Der Adel hat dabei unmittelbare Verluste zu erleiden; der freie Grundbesiß, welcher den Landleuten eine schönere, unabhängige Zukunft schaffen soll, kann doch eben nur auf Kosten des Adels erlangt werden, welcher Grund und Boden die ganze Geschichte hindurch zu seinem Eigenthum gehabt. Darum wird auch die in Angriff genommene Befreiung nicht mit einem Schlage erfolgen, wie es die Enthufiaften wünschen, sondern allmählich vor sich gehen; die russische Regierung, seit funfzig Jahren an solchem Werke arbeitend, hat hierbei den langsameren Weg eingeschlagen, den auch andere Länder gegangen sind. Nach dem Czas schrieb The Globe, mit Anspielung auf Shylock:,,The nobles of Volhynia will have their pound of human hat nie nach Menschenfleisch, sondern nach Macht und Ansehen gehungert, und als mit dem Untergange der Herrschaft die Ursache wegfiel, wurde auch das Verhältniß des Adels zu den Bauern ein freundlicheres. Freilich stellt der wolhynische Adel in seiner Adresse ein über menschlichen Scharfsinn gehendes Problem auf, wenn er sich bereit erklärt, zur Befreiung der Landleute mitwirken zu wollen, dabei aber seine Rechte und Privilegien" gewahrt zu wissen verlangt. Jm Königreich Polen seßen sich die besten Kräfte in Bewegung, die Gemüther den Landleuten günstig zu stimmen, und hier will der Adel seine Brüder in den russischen Provinzen Wolhynien und Podolien (die menschenfreundliche Gesinnung des polnischen Adels in Litauen und der Ukraine ist bekannt) an den Opfern erkennen, welche sie dem guten Werke bringen werden. Unter den bedauernswerthen, unberechenbar nachtheiligen Folgen der langen Leibeigenschaft für Land und Volk findet sich auch eine, die vorerst noch minder zur Sprache kommt: Ich meine, den unselbständigen, sklavischen, kriechenden Charakter des gemeinen Mannes. Wird die Aufhebung der Leibeigenschaft allein diese tief gewurzelte Schmach vertilgen? Schwerlich, aber die ruffische Regierung wird das Werk nicht halb thun: in der Schule wird der Landmann erst noch den Werth seiner Befreiung kennen und sich selbst fühlen lernen.

Die Gleichheit des Adels war thatsächlich ein Unsinn, obgleich fie, besonders unter Władysław IV. († 1648), erneuert wurde, dem man die Absicht einer Einschränkung der Adelsgewalt mit Hülfe der ukrainischen Kosaken zur Last legte. Nach altem polnischen Rechte waren die Güter des Adels unveräußerlich und gingen immer auf_flesh." Das ist sehr aus der Ferne gesprochen. Der polnische`Adel den ältesten Sohn über. Dadurch bildete sich aus den jüngeren Brüdern ein adliges Proletariat, das, zu stolz für gewerblichen Verdienst, auf Kosten der glücklicheren Erstgebornen, der Reichen und des Landes lebte und lungerte. Die Aelteren machten sich zu Magnasen, Wojewoden und Starosten, während die Jüngeren und der arme Adel überhaupt, wohl oder übel, in die Dienste der Ersteren geriethen. Durch viel gepriesene Gastfreundlichkeit umgab sich jeder Große mit einer Anzahl solch müßiger Gesellschafter, welche für die Genüsse am Trink. und Spieltische auf dem Reichstage nöthigenfalls mit dem Säbel für ihren, Patron" zu stimmen jederzeit bereit waren. Einen kräftigen Versuch zur Demüthigung des Adels machte Stephan Batory, der ,,kein thönerner oder gemalter König sein zu wollen" versicherte; auf dem Reichstage zu Warschau sollte die Uebermacht gebrochen werden, ein polnisches und ein ungarisches Heer standen bereit, den Plan des Königs zu unterstüßen, als dieser plöglich zu Grodno starb (1586). Es war kein Widerstand mehr möglich. Die Uneinigkeit und Unordnung nahm zu. Dem König sollte selbst die Gemahlin vom Reichstage vorgeschrieben sein. Der Adel verschaffte sich das reichsmörderische Veto: niepozwalam. Die Wahl der Könige leistete dem Adel stets neuen Vorschub, denn lag es denn nicht in dessen Willen, nur solche Könige auf den Thron zu sehen, von denen er erwarten durfte, daß sie seine Privilegien, die jeder Bewerber, mit neuen Zusäßen Eine ziemlich genaue Einsicht in die beginnenden Arbeiten zur vermehrt, von vorn, herein anerkennen mußte, nicht antasten würden? Verbesserung der bäuerlichen Verhältnisse" gestattet das vom Kaiser Lelewel schildert den zunehmenden Verfall des Reiches auf überzeugende genehmigte, zuerst in St. Petersburg veröffentlichte und die Runde Weise. Im Innern Zwietracht, Knechtschaft, Rohheit; nach Außen durch die polnischen Tagesblätter machende Programm, das ein einimmer wachsende Verluste. Die schnöde behandelten Kosaken erhoben_heitliches Behandeln des Gegenstandes in allen betreffenden Provinzen sich während der Regierung Johann Kasimir's (Bruder Władysław's IV. und der Lezte aus dem Hause Wafa) und begannen unter Chmielnizki's Anführung den mörderischen Kampf, in welchem sie das verhafte Joch abschüttelten, ihre Freiheit retteten, schließlich aber unter russische und türkische Herrschaft kamen; in den Kriegen mit Rußland, Schweden und dem kleinen Brandenburg unter dem großen Kurfürsten bewährte Polen seinen alten Ruhm nicht, und Länderverluste waren die Folge; aber das Losreißen Livlands, Ostpreußens und der Länder jenseits des Dniepr (Ukraine) hatte weniger zu bedeuten, als die moralische Ermattung der Nation“. Mit dem Wohlstande und der persönlichen Freiheit verlor sich die Bevölkerung in Masse; Viele flüchteten sich nach Schlesien, Dörfer und Städte wurden menschenleer, wozu auch Religionsverfolgungen ihr gut Theil beitrugen; Handel und Gewerbe betrieb litten; man lernte den Branntwein kennen; die Landleute warden zu neuen Leistungen und Abgaben gezwungen; der ärmere Adel wurde von dem reicheren unterjocht, und die Republik, deren Adel fich so vieler Freiheiten rühmte, war ein Heerd der Unfreiheit". Um den Unterricht fand es schlimm, das rüftige Zeitalter des funfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts war in das Gegentheil umgeschlagen. Der arme Adel und die Städter kamen wenig auf Schulen, und der Landmann gar nicht. Was noch gelernt wurde, war eine verstümmelte Rhetorik, und die Philosophie wendete man zur Verdrehung des Rechtes an; praktische Wissenschaften wurden gar nicht getrieben; in Der Literatur machte sich ein verschrobener Geschmack geltend, und es

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bezweckt. Die Arbeiten der Ausschüsse beschränken sich danach nicht auf den Entwurf der Verbesserung mit den dazu nothwendigen Voruntersuchungen, sondern haben nach. Bestätigung der vorgelegten Beschlüsse durch den Kaiser auch die Aufgabe, die Neuerungen ins Werk zu seßen und über die Ausführung der Bestimmungen und die Einrichtung von Dorfgemeinden nach den neuen Statuten zu wachen. An der Spiße des umfassenden Ganzen steht das Haupt-Comité zu St. Petersburg, unter der Leitung des Kaisers Alexander selbst und deffen Stellvertreters, des Vice-Präsidenten Fürsten Orlow. Es empfängt die Berichte von den Comité's der Gubernien, und diese stellen die von den Kreisausschüssen eingegangenen Zugeständnisse, Wünsche und Forderungen des Adels zusammen. Die Kreisberathungen also sind der Ausgangspunkt des großen Entwurfes, der in der Summirung und Centralisation der jedenfalls sehr abweichenden Ansichten und Pläne durch das Haupt-Comité und endlich mit der Bestätigung des Kaisers seinen Abschluß finden wird. Die nach dem Programm sehr umfangreichen und genauen Voruntersuchungen werden nicht nur einer gründlichen Lösung der Frage selbst dienen, sondern auch der Wissenschaft durch, Beiträge zur geographischen, statistischen, kulturhistorischen u. s. w. Kenntniß des russischen Reiches einen Zoll gewähren. Binnen sechs Monaten sollen sowohl die Vor- als auch die BeschlüßArbeiten der Ausschüsse vollendet sein. Für das Königreich Polen seßt das Warschauer Regierungs-Comité unter der Leitung des Statthalters Fürsten Gortschakow, ohne Zuziehung des grundbesißenden Adels

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