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,,Es giebt den Säuren des Salpeters und des Vitriols ihre ner Seite ein solch unbegränztes Gelächter zu erregen, wie daffelbe brennbaren Eigenschaften".

,,Es unterhält das Athmen der Thiere".

Der Sauerstoff ist farblos, nicht roth - aber soviel ist klar, Mayow hatte ihn entdeckt, wenn auch noch nicht in vollkommener Reinheit hergestellt. Dies abgerechnet, hatte er eine sehr vollständige. und tiefe Erkenntniß seiner chemischen Haupteigenschaften.

Ein Beitrag

zur Erziehungs-Geschichte der Jugend in England. Von einem Deutschen in England. (Fortseßung.)

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Von Stunde zu Stunde wurden die Klassen abgelöst und dieselbe Routine von neuem begonnen, bis ich endlich mit einiger Satisfaction mit dem Glockenschlage 1 Uhr den weiblichen dienstbaren Geist mit einem großen weißen Tischtuch erscheinen fah, welches bald die Schultafel statt der griechischen, lateinischen und französischen Grammatiken und mathematischen Leitfaden bedeckte. - Mein Peloton truppirte wiederum am Kaminfeuer, und ich schritt abermals zum Luftbade. Diesmal kam mir der Geistliche nachgeschritten, und als wir beide den Garten betreten hatten, vertraute er mir, daß es in England unter Gentlemen die größte Beleidigung sei, Jemanden einen Efel" zu nennen, und daß ich deswegen ja recht sorgfälitig auf mich achten möge, da außerdem unfehlbar die jungen Herren bei ihren Aeltern zuhause Beschwerde über mich führen würden, welches eine Unmaffe von Unannehmlichkeiten aller Art nach sich ziehen könne. Ich schaute den Mann ganz frappirt an; er sah aber völlig ernsthaft aus und schien nichts weniger als scherzen zu wollen. -,,Du armes Deutschland!" dachte ich bei mir,,,wie bist du noch zurück! Wie manchen deiner Söhne habe ich einen Efel geheißen, während der vier Jahre, die ich auf der Militairschule Unterricht ertheilte, und die Aeltern haben es mir sogar später Dank gewußt!"

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Die Glocke unterbrach meine Betrachtungen. Diesmal rief fie zur Mittagstafel, um welche wir alsbald, ich selbst an Miß Calf's Seite, Plaz nahmen, nachdem der Geistliche vorher dem Geber alles Guten in einem kurzen Gebete für die in Aussicht stehenden Erfrischungen gedankt hatte. Die nöthigen Formalitäten zur Erlangung der leßteren waren im Grunde einfach genug und deshalb auch für einen mit den Sitten des Landes noch wenig vertrauten Fremden schnell genug erlernbar. Mr. David, nachdem er auf den ihm dargereichten Teller ein Stück Braten gelegt hatte, fragte sodann dessen Eigenthümer: Any gravy, Sir?" worauf derselbe antworten mußte: ,,If you please, Sir!" Der Teller, also mit Braten und der dazu gehörigen Sauce beladen, machte sodann die Reise um den Tisch zu Mrs. David, welche ihrerseits fragte: „Any potatoes, Sir?" worauf der Eigenthümer zu erwiedern hatte: If you please, Mam!" worauf sie also ermächtigt dem Gehalte des Tellers eine Kartoffel beifügte, diesen felbst an seinen Befizer zurückgebend, der sich ungesäumt an die Arbeit machte. Diese beiden vierzehnmal mit dem felben Resultate wiederholten Fragen des an beiden Enden der Tafel sich gegenübersißenden Ehepaares bildeten eine um so angenehmere Unterbrechung der im Schul- und Speisezimmer herrschenden Stille, als sie jedenfalls im Verein mit dem Geräusch von Messer und Gabel die einzigen waren und blieben. Nach dem Braten erschien der Pudding, zu deffen Vernichtung seinen Theil beitragen zu wollen sich auf vorheriges Befragen wiederum jedes Gemeinde-Mitglied in der gebräuchlichen Weise bereitwillig erklärt hatte. Nach dem Pudding bedankte sich der Pastor abermals in einem kurzen Gebete für die nunmehr wirklich verabfolgten Erfrischungen, und die Tafel war aufgehoben, von welcher Thatsache sich selbst mein ungläubiger Magen zu überzeugen genöthigt war, als der Pastor, gleich darauf sich zu mir wendend, sagte:,,Please to take these boys out for a walk".

Ich trommelte demzufolge mein Peloton zusammen und rückte ab. Beim Weggehen gewahrte ich aber noch auf einen flüchtigen Augenblick den weiblichen dienstbaren Geist mit einem von einer weißen Serviette bedeckten Servirbrette versehen und abermals im Studirzimmer des Pastors verschwindend. „Sie trinken heimlich Wein und predigen öffentlich Wasser." Wenn der fromme Mann sich auch für diese unoffiziell einzunehmenden Erfrischungen jedesmal beim Aller höchsten bedankte, so hatte er in der That viel zu thun.

Mein Peloton marschirte im Laufschritt, sobald wir das geistliche Territorium verlassen hatten, und zwar schlug es die Richtung nach dem nämlichen Chauffeehaufe ein, dem ich erst gestern vorübergefahren war. Nicht weit von demselben ward ich wiederum jener beiden Brüder ansichtig, denen mein Anblick Tages zuvor so reichlichen Stoff zur Heiterkeit gewährt hatte. Nun, ich leugne gar nicht, daß es mir stets Freude macht, zum Vergnügen meiner Mitmenschen beitragen zu können, aber ich muß doch auch andererseits gestehen, daß es mir

gestern mein Trommelfell erschüttert hatte, und ich warf deshalb den beiden jungen Leuten einen Blick zu, der wenig Aufmunterung zu einer Wiederholung der gestrigen Scene enthielt. Diese nun lachten mir zwar diesmal nicht geradezu ins Gesicht, aber sie schmunzelten doch Beide recht behaglich, als sie mich vorher eine Weile wie prüfend vom Kopf bis zur Zehe betrachtet hatten. Es lag dabei etwas in ihren Gesichtern, was mir ganz und gar unverständlich erschien, und mich kurz umwendend und Beide etwas scharf ins Auge faffend, fragte ich ziemlich barsch, was ihnen denn eigentlich an mir so heiter er schiene.,,Oh, begging your pardon, Sir!" hieß es. Es ist ganz und gar nichts; wir haben nur schon so viele von Mr. David's Hülfs= lehrern kommen und gehen sehen, daß wir immer ein bischen neugierig auf jeden neuen geworden sind." Diese Entschuldigung, mit Mienen und Gesten begleitet, an denen die unzweideutigste Absicht unverkennbar war, mich nicht ärgern, sondern mich im Gegentheil aus einem mir unbekannten Grunde lieber bei gutem Humor erhalten zu wollen, war in der That nur geeignet, mir einigen Stoff zum Nachdenken zu geben.

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Im Chauffeehause fand ich mein Peloton vollzählig versammelt. Dasselbe saß um einen runden Tisch und speiste, und zwar diesmal ohne alle Ceremonien. Der Chauffee-Einnehmer war nämlich gleichzeitig auch Grocer und handelte mit Pfefferkuchen, Zwieback, Bisquits, Orangen, Aepfeln, Gingerbier, Sodawasser und ähnlichen Erfrischungen. Der Einfall war nicht schlecht. Ein Amerikaner würde ihn fogar,, smart" genannt haben. Soviel frappirte mich augenblicklich an demselben, daß er auf die genaueste Lokalkenntniß begründet war und ein überraschendes spekulatives Talent in dem wackeren ChauffeeEinnehmer beurkundete. Später, als ich dessen Frau zu Gesicht bekam, ward ich versucht, diefer anfänglichen Meinung untreu zu were den und ihr den und ihr der Frau nämlich die Ehre des Einfalls zu vindiziren. Dem sei indeß, wie ihm wolle, das Geschäft war kein schlechtes, und das Taschengeld der jungen Gentlemen von Shinderford Hall bildete eine regelmäßige Einnahme des wackeren Ehepaares, in deffen Schublade auch noch ein recht ansehnlicher Theil meiner eiges nen Monatsgage wanderte.

Der Spaziergang selbst, der nach im reichlichsten Maße eingenommenen Erfrischungen alsbald seinen Anfang nahm, gab mir eine nicht unerwünschte Gelegenheit, die jungen Herren in etwas freieren Verhältnissen und dem Auge ihres Seelensorgers entrückt zu beobachten. Ich freute mich, zu finden, daß die menschliche Natur sich doch nie gänzlich verkrüppeln läßt und also auch hier ihre ewigen Rechte geltend machte. Etwas Scheinheiligkeit bei Einigen und etwas Schläfrigkeit bei Allen abgerechnet, benahmen sich die Jungen ebenso, wie alle Jungen thun, d. h. fie balgten sich, sie warfen sich mit Steinen, sprangen über Gräben, fie neckten und foppten sich gegenseitig und gaben sich hierbei mitunter Namen, die Mr. David sicherlich noch gar nicht gehört hatte in England, sonst hätte er meinen ,,Esel" von heute Morgen schwerlich für die größte Beleidigung erklärt. Was würde der fromme Mann gesagt haben, wenn er gehört hätte, wie der bärtige Martin, der am Morgen so sanft aussah, als er Mrs. David über seinen Gesundheitszustand beruhigte, den Mr. Hardwick senior einen ,,d-bloody fool" nannte, als derselbe ihm ich weiß nicht mehr womit der Quere kam.

Es war fast 5 Uhr, als ich mit meinem Peloton wiederum in Shinderford Hall einrückte, was dem Geistlichen Veranlaffung_gab, mir für die Zukunft kürzere Spaziergänge anzuempfehlen, da eine so anhaltende Bewegung den jüngeren der jungen Gentlemen nachtheilig sein möchte. Auch eine sonderbare Ansicht über Erziehung", dachte ich bei mir, oder wollte der fromme Mann etwa damit nur andeuten, daß er nicht wisse oder nicht wiffen wolle, daß die jungen Herren vorher so ziemlich eine Stunde lang im Chauffeehause frische Kräfte geschöpft hatten?

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Um 5 Uhr ertönte die Glocke abermals, und wir saßen alsbald wiederum in der nämlichen Rangordnung um die Schultafel wie am Morgen und Mittag. Derselbe große Kessel, den ich bereits am Morgen zu bewundern Gelegenheit gehabt hatte, stand vor Mrs. David, die dessen Inhalt wiederum in- dieselben kleinen Tassen füllte, diesmal aber meine Neugierde bezüglich dessen chemischer Zusammenseßung zu meiner nicht geringen Satisfaction schon im voraus durch die mit anerkennungswerther Gewiffenhäftigkeit an jeden von uns gerichtete Frage befriedigte: „Will you take some tea, Mr. —?” Das darauf zu erwiedernde Schlagwort war: „If you please, Mam", welches wir denn auch Alle abgaben. Mit alleiniger Ausnahme der chemischen Verschiedenheit der dargereichten Flüssigkeit bot überdies unser Theetisch ganz das nämliche Bild dar, wie am Morgen der Kaffeetisch. Auch die drei Teller mit den bestrichenen Brodscheiben wurden ganz in derselben Weise geleert und von dem weiblichen dienstbaren Geifte wieder befrachtet, um alsbald wieder geleert zu

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Nach der leiblichen folgte die geistige Nahrung. Die jungen Zöglinge -biesmal in fünf Klassen vertheilt wurden wiederum mit wissenschaftlichen Lehrbüchern versehen und begannen aus densel ben paarweise mit dem schon am Vormittage von mir wahrgenomme nen Eifer die Früchte wahrer Weisheit einzufammeln. Der Geistliche, am oberen Ende der Tafel Plaz nehmend, leitete das Selbststudium der jungen Leute mittelst von Zeit zu Zeit an einzelne derselben gerichtete aufmunternde Worte: You are doing nothing, Mr. Martin." You are doing nothing, Mr. Martin." ,I am astonished at you, Mr. Everitt!" You are wasting your time, Mr. W. Hardwick!",,Really, Mr. Ketton, you are very slothful!" Dank diesen Bemühungen des frommen Mannes war auch wirklich etwa nach Verlauf einer halben Stunde über dem Tische so ziemliche Geschäftslosigkeit eingetreten, und die jungen Leute hielten fich für den ihnen auferlegten Zwang unter demselben schadlos. So bald aber der Herr Pastor kurz darauf das Zimmer verließ, ward die Scene allsøgleich eine umgekehrte. Die jungen Gentlemen zogen sich nicht mehr gegenseitig bei den Beinen, sondern warfen sich mit Brodkugeln, die mir aus den so räthselhaft rasch vom Kaffee- und Thee tisch verschwundenen Brodschnitten fabrizirt zu sein schienen. Anfänge lich erschien mir diese Art des Selbststudiums etwas befremdend, und ich glaubte im Sinne meines Prinzipals zu handeln, wenn ich die zerstörte Disziplin wiederum und zwar auf meine Weise restaurirte. Ich begaunn also damit, Mr. Martiu den Bärtigen und noch zwei oder drei andere Jungen beim Kragen zu nehmen und nolens volens zur Thür hinauszuwerfen, wobei ich nicht vergaß, ihnen die vorgelegten Leitfaden nachfolgen zu lassen. Das hierdurch verursachte Geräusch mußte den Herrn Pastor herbeigezogen haben, denn er erschien alsbald mit sämmtlichen Inkulpaten wiederum im Schulzimmer und versicherte mir, daß die jungen Gentlemen ihm betheuert hätten, an der eingetretenen Störung gänzlich schuldlos gewesen zu sein. Es erschien mir aus verschiedenen Gründen überflüssig, dicse irrthümliche weltliche Ansicht des geistlichen Herrn zu berichtigen, und ich beschloß nun, mich fortan als gänzlich objektiver Zuschauer bei ähnlichen Vorkommenheiten zu verhalten. Der Eintritt des frommen Mannes stellte überdies alsbald die während seiner Abwesenheit unterbrochene Geschäftigkeit unter der Tafel wieder her, und als die jungen Gentle men ihren Bestrebungen dergestalt im Ganzen etwa eine Stunde lang überlassen worden waren, händigte mir der Pastor ein gedrucktes Fragund Antwortbuch ein und ersuchte mich, die Herren daraus die entsprechende Lection in der Geographie und Geschichte zu überhören. Er selbst schickte sich an, mit einem zweiten Exemplare desselben Werkes ausgerüstet, das nämliche Verhör mit den übrigen Klassen im Religionsfache, in der Naturgeschichte und in der Mathematik vorzunehmen. Ich mußte unwillkürlich über die gehabten Bedenken lächeln, mit denen ich mich sechs Wochen vorher in jener ScholasticOffice zur Uebernahme des geographischen und historischen Unterrichts verpflichtet hatte. Mein Fach waren, außer lebenden Sprachen, immer nur die sogenannten Militair-Wissenschaften gewesen, und ich hegte nicht geringes Bedenken ob meiner Qualification zu den, wie ich mir gestehen mußte, etwas leichtfertig übernommenen Unterrichtszweigen. Diese Bedenken verschwanden jeßt, mein Gewissen war beschwichtigt; ich hätte nach der von meinem Pastor adoptirten Lehrmethode ganz getrost Transscendental-Philosophie oder Sanskrit vortragen können.

Wie das Verhör ausfiel, wird sich Jeder denken können, der meiner Schilderung des Selbststudiums der jungen Leute gefolgt ist. Aber für so unwiffend, wie ich die Jungen sammt und son ders, und sogar in der Geschichte und Geographie ihres eigenen Landes, fand, hätte ich sie doch nicht gehalten. Aus der conftitutionellen Monarchie ihres Vaterlandes eine Republik und aus deren Königin, für die sie doch wöchentlich viermal in der Kirche beten mußten, einen Präsidenten zu machen, war ihnen eine ebenso große Kleinigkeit, als die Rocky Mountains von dem Gestade des StilIen Oceans an die Ufer der Themse zu verlegen; der Grund zu welchen seltsamen Verwechselungen mir erst dann einleuchtend wurde, als ich die vorausgehende Seite meines mit ihrem Leitfaden korrespondirenden Frag- und Antwortbuches aufschlug und daselbst die Ueberschrift,, United States" erblickte. Die armen Jungen, sie thaten mir aufrichtig leid. Es waren, wie ich schon erwähnte, ein paar Söhne ganz unbemittelter Aeltern darunter, die also ihren Weg durch diese harte Welt dereinst selbständig zu fechten hatten. Arme Jungen, wie werden diese damit zu Stande kommen! Ich traf auch Einige, namentlich unter den Jüngeren, an, die wirklich gesunde Anlagen hatten und mir weniger eingeschläfert slothful, wie der Paftor meinte - erschienen als der Rest. Bei richtigerem Verfahren konnte vielleicht aus manchem rohen Kieselsteine ein Edelstein geschliffen werden, so aber waren die armen Jungen einem unvermeidlichen Schicksal verfallen, und die braven Aeltern, nicht wenig stolz darauf, ihre Nachkommenschaft von einem ehrwürdigen Pastor für 60 Pfund jährlich erzogen zu wiffen, hatten, ohne es zu ahnen, eine schwere Verantwortung auf sich geladen. Der Mathematik-Unterricht

war überdies bei weitem das Seltsamste, was mir noch jemals in meiner pädagogischen Laufbahn erschienen ist. Der Herr Pastor besaß einen Schlüssel zu den im Leitfaden der jungen Leute eingestreuten Erempeln, und er begnügte sich, diesen mit den von jenen aufgefundenen Resultaten zu vergleichen. Dabei kam es vor, daß er hin und wieder die mit Nummern zu den korrespondirenden Aufgaben ver=sehenen Auflösungen verwechselte, und nicht selten erklärte er ein Resultat für falsch, das ich, als die Jungen sich später bei mir Nath. holten, um der Würde der Wissenschaft nicht zu nahe zu treten, für richtig zu befinden genöthigt war.

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Der Abend Unterricht wurde in der beschriebenen Weise bis nach 8 Uhr fortgeseßt, nur artete die leßte Stunde, die der Herr Pastor in der Regel auf seinem eigenen Zimmer zubrachte, gewöhnlich in eine Abend - Unterhaltung aus, von deren Themata der fromme Mann sich gewiß wenig träumen ließ. Mann sich gewiß wenig träumen ließ. Um halb neun Uhr ward die Sigung aufgehoben, und die Schultafel unterlag einer abermaligen Verwandlung. Statt der Geographie und Geschichtsbücher ward sie mit holländischem Käse, gesottenen Aepfeln und anderen derartigen Leckerbissen bedeckt, an welchen partizipiren zu wollen sich auf vorherige Befragung die jungen Gentlemen abermals bereit. willig erklärt hatten. Als das Supper geendet war, ertönte zum lezten Male für heute die große Glocke, und herein trat im Prozesfionsschritt mit vorgehaltenen Stühlen der Chor. Nachdem Vorlesung, Ermahnung und Gebet wie am Morgen stattgefunden, begann die Operation des Händeschüttelns ganz in der nämlichen Weise wie am Morgen, wobei sich Miß David wiederum durch Tapferkeit. und Entschiedenheit auszeichnete', und hierauf verschwanden die zehn jungen Gentlemen nebst den übrigen Bewohnern der Hall, um Tages darauf dasselbe Spiel ganz in derselben Weise zu wiederholen. (Schluß folgt.) Ostindien.

Die Sprache der Kaffia's im nördlichen Indien.*)

Die meisten Leser dürften wohl kaum von dem Dasein eines Volkes Kassia etwas erfahren haben, und sie werden daher um so mehr sich verwundern, wenn ihnen schon eine lichtvolle Grammatik seiner Sprache vorgelegt wird. Der Verfasser ist ein deutscher Gelehrter, welcher Europa nie verlassen hat, und dem wir gleichwohl die erste grammatische Bearbeitung manches uns räumlich sowohl wie geschlechtlich überaus entfernten Idiomes verdanken es ist der Freiherr Konon von der Gabeleng in Altenburg.

Wir erkennen in diesem Werke den Scharfsinn und die umsich tige Sorgfalt wieder, welche des Verfassers linguistische Arbeiten überhaupt auszeichnen und ihm auch da, wo er ganz ohne Vorgänger ist, wo, wie im gegenwärtigen Falle, die Uebersehung eines der Evangelien sein alleiniges Material bildet, eine sehr befriedigende Leistung möglich machen.

Die Kassia-Sprache, deren Heimat eine Gebirgs - Region zwischen Assam, Katschar und dem bengalischen Distrikte von Silhet, gehört zu den einfilbigen, doch keinesweges in gleichem Sinne, wie Siamisch, Annamisch oder Chinefisch; denn es fehlen ihr jene bedeutsamen, Begriffe mehrenden und modifizirenden Stimmbiegungen, welche nach unserer Ansicht das wirksamste Mittel sind, die Grundwörter einer Sprache, selbst in der sogenannten Zusammenfegung, immer auseinander zu halten. Da eine solche unüberwindliche Schranke fehlt, so bietet uns das Kassia Beispiele wahrer Vereinigung, fa, Verschmelzung, wie sie in den meisten der analogen Nachbarsprachen unerhört sind. In den sehr häufigen zusammengesezten Grundwörtern muß uns von vornherein auffallen, daß die Bedeutung ihrer Bestandtheile oft gänzlich verdunkelt und räthselhaft geworden ist: diese Bildungen müssen also uralt sein, und schwerlich ist es dabei ohne Lautwandel abgegangen, wie noch jezt der Auslaut des ersten Bestandtheiles dem Anlaute des zweiten sich assimiliren kann. Das Fürwort hat Bezeichnung der Mehrheit mittelst Veränderung des Vokales, wie wir dies z. B. in der altaischen Sprachklaffe öfter bemerken: nga, ich, ngi, wir; p'â, du (Weib), p'i, ihr (Männer oder Weiber); ka, fie (das Weib), ki, sie (Männer oder Weiber).") Eine der Verbalwurzel vortretende Partikel zu Bezeichnung der Zukunft (yn) schmilzt mit dem Fürworte zusammen und verliert dann ihren Vokal. Beispiele: nga schim, ich nehme, aber ngan schim, ich werde nehmen, und zwar dieses für nga yn schim! Kommt ein verneinendes m hinzu, so verdrängt dieses sogar das ʼn des' Futurs und rückt in seine Stelle: nga-m schim, ich nicht nehme, aber nga ym (für yn+m) schim, ich werde nicht nehmen.

*), Grammatik und Wörterbuch der Kassiasprache", von H. C. von der Gabelentz.

**) In der zweiten und dritten Person giebt es nämlich besondere Wörtchen für Männliches und für Weibliches, und der Blural bildet sich aus dem Weiblichen. Das männliche du ist mê, und er ist u.

Die merkwürdigste Erscheinung in der Kaffia-Sprache ist aber folgende. Da es zur Unterscheidung der Geschlechter hier (wie in den meisten Sprachen unserer Erde) keine Endungen giebt, und befondere Wörter für weibliche Geschöpfe nur spärlich vorhanden sind, so unterscheidet man das Geschlecht hauptsächlich durch Vorsehung des persönlichen Fürwortes dritter Person, weil dieses (in der Einheit) eine männliche und eine weibliche Form hat: u kûn, der Sohn, ka kûn, die Tochter; u para, der Bruder, ka para, die Schwe fter; das Fürwort wird alsdann zum Artikel, der aber ebensowohl unbestimmt als bestimmt sein kann, und also im Kassia hauptsäch lich Geschlechtswort ist, welches Amt er in den meisten europäischen Sprachen, die ihn besißen, nur nebenbei verwaltet.") Auch fäch. lichen Begriffen theilt man bei den Kaffia's, wie bei den meisten Europäern, das eine oder andere der beiden Geschlechter zu, doch vorzugsweise das weibliche, vermuthlich, weil man dieses der Materie verwandter glaubt. - Eine dritte Function des erwähnten Pronomens (wie persönlicher Fürwörter überhaupt) ist die Unterscheidung der Mehrheit von der Einheit, denn Nennwörter wie Verba haben weder Formen noch beigegebene Partikeln zum Ausdruck des Plurals.

Unserem bezüglichen Fürworte zunächst kommt das Wörtchen ba, welches, einem Verbum oder Nomen vorgefeßt, aus ersterem ein Partizip, ein wahres Adjektiv, und noch häufiger ein Abstraktum der Handlung macht, leßteres aber zum Adjektive stempelt. Daffelbe ba ist öfter Bindewort, besonders da, wo ein ganzer Saß Objekt eines anderen Saßes wird, in welchem Fall auch europäische Sprachen bezüge liche Fürwörter (als Neutra) verwenden (ön, franz. que, germanisch that, daß, u. s. w.). Als eigentliches Relativum hat es noch den Artikel vor sich. Erwägen wir den sehr weiten Gebrauch dieses ba, und dazu den Umstand, daß alle Substantiven (mit Einschluß der Eigennamen) in der Regel den Artikel vor sich haben, der selbst im Vokativ nicht wegbleibt, und, wie schon bemerkt, die Bedeutung des défini und indéfini in sich vereinigt, daß dieser Artikel mit dem Fürworte dritter Person identisch ist und ein persönliches Deutewort nicht blos (wie im Griechischen) einfach, sondern doppelt (einmal von vorn und einmal von hinten) begleiten kann,) daß er endlich, als Fürwort und Repräsentant des Subjektes, zu wiederholen ist, wenn dieses nicht unmittelbar vor seinem Verbum steht, "") - so dürfen wir schon a priori annehmen, ein Kassia-Text müsse mit ba, u, ka und ki in reichster Fülle versehen sein, und dies bestätigt auch die Erfahrung.

Nähere Verwandtschaft des Kassia mit anderen bekannten Sprachen ist nicht nachweisbar. Dem Wörterbüchlein zufolge, welches der Verfasser seiner Grammatik angehängt, scheinen gewisse Wörter muhammedanischen Hindu's entlehnt, namentlich hok, Gerechtigkeit (arabisch hakk); hukum, Befehl, Gefeß (arabisch hukm); mluh, Salz (arab. milcb). W. SH.

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Mannigfaltiges.

Klöden's Handbuch der Erdkunde". Die kürzlich erschienene sechste Lieferung†) dieses Werkes giebt einen neuen Beweis, wie erfolgreich der gelehrte Verfasser seinen Plan verfolgt, die Resultate der geographischen Wissenschaft, in der umfassendsten Bedeu tung dieses Wortes, systematisch zusammenzustellen und dem größeren wißbegierigen Publikum in leicht verständlicher Weise darzulegen. Die astronomische Geographie, die Erdoberfläche, der Vulkanis. mus und die Erdrinde waren in den ersten vier Abschnitten des Werkes behandelt, während der fünfte Abschnitt, der mit dem vor. liegenden Hefte noch nicht ganz beendigt ist, das Wasser zum Gegen ftande hat. Die Seen und das Meer geben dem Verfaffer Gelegen heit, in zahlreichen, kleinen monographischen Artikeln, wie sie sich auch in den früheren Abschnitten finden, die Ergebnisse der neuesten wissen. schaftlichen Beobachtung und Forschung zusammenzustellen und sein

*) Einen bestimmten Artikel ohne Geschlechtsbezeichnung haben die Araber, Hebräer, Magyaren und Engländer. Dem deutschen und französischen Artikel ist der des Kassia insofern am analogsten, als die Unterscheidung der Geschlechter in der Mehrzahl aufhört.

**) 3. B. nga ong ja u ta u briu, ich spreche zu dem diesem dem Menschen, d. h. zu diesem Menschen.

***) 3. B. baba ki briu ka ta ka dschaka ki la it'u ja u, als die Leute des diesen des Ortes (dieses Ortes) fie erfaunten ihn (ihn erkannten). Das la vor it'u (kennen, erkennen) zeigt die Vergangenheit an, das ja vor u ist Objektszeichen. Da Subjekt und Verbum durch einen ersteres näher bestimmenden Genitiv getrennt sind, so wird dieses unmittelbar vor dem Verbum durch ki (hier fie in der Mehrzahl) repräsentirt.

†) Erster Band. Bogen 26 bis 30. Berlin, Weidinannsche Buchhand

Werk zu einer wahren Encyklopädie der Erdkunde zu machen. Wir nennen unter diesen Artikeln nur folgende: Zufluß und Abflüffe der Seen; Beschaffenheit des Seenwaffers; Sumpfbecken und Sumpfbetten; Verzeichniß und Uebersicht der Seen, ihrer Höhen über der Meeresfläche, ihrer Tiefen 2c.; Meerestiefen; Niveau des Meeres; Bestandtheile des Meerwaffers; Seebäder; Meereswellen und Strömungen (welcher leztere Gegenstand besonders erschöpfend, mit Benußung der Forschun gen des Amerikaners Maury u. A., behandelt ist); Ebbe und Fluth; Scylla und Charybdis (worüber der Verfasser sehr interessante, aus einem seltenen, in Messina erschienenen, italiänischen Werke geschöpfte. Notizen mittheilt); Wirkung der Winde und des Luftdruckes; Seewege auf dem großen Ocean, im Atlantischen Meere und im Indischen Ocean (ebenfalls mit großer Vollständigkeit, und zwar nach dem neuen großen Werke des franzöfifchen Marine-Schriftstellers Kerhallet, bearbeitet) u. f.w. Unsere Leser werden hieraus auf die Reichhaltigkeit und Gründlichkeit dieses Handbuches schließen können, welche selbst von Alex. v. Humboldt anerkannt worden, der, ebenso wie der große Geognost, Leopold v. Buch, schon den ähnlichen, älteren Arbeiten Klöden's seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Der Ver. faffer ist dadurch veranlaßt worden, sich in der (noch nicht gedruckten) Vorrede seines jeßigen Werkes folgendermaßen zu äußern:,,Der. älteste aller jezt lebenden Reisenden, der Verfaffer des „Kosmos", hat mich ausdrücklich berechtigt, in dieser Vorrede auszusprechen, daß er mich dazu aufgefordert habe, meinen von ihm so oft belobten,, Abriß der Geographie" zu einem „Handbuch der Erdkunde“ dergestalt wissenschaftlich zu erweitern, daß sich das Hauptmaterial des jeßigen Wissens darin reflektire. Möge ich mir schmeicheln dürfen, einem solchen Vertrauen einigermaßen entsprochen zu haben.“

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Zur Sprachforschung in Ungarn. Die uns vorliegenden Hefte 2 bis 5 des dritten Jahrganges des Magyar Nyelvészet ent halten manche Abhandlung von allgemeinerem Interesse, unter welchen wir zuerst die des Herausgebers (Herrn Hunfalvy's) namhaff machen. Es sind folgende: Wort-Erklärungen" (szófejtések, d. h. Erklärungen ungarischer Wörter, deren Wurzeln bis jest zweifelhaft gewesen);,,Orientirung in der sanskritischen, griechischen und lateinischen Sprachwissenschaft" (hier weist der Verfasser gelegentlich nach, daß gewiffe, bisher für ausschließlich indoeuropäisch gehaltene Wörter oder ihre Stämme entweder mit größe rem Rechte dem altaischen Geschlechte zu vindiziren sind, oder daß leßteres mindestens gleich großen Anspruch auf Ursprünglichkeit ihres Besizes hat, wie das erstere); Die Sprachforschung beweiset mehr als die Chroniken" (a' nyelvtudomány többet bizonyit mint a' krónikák), welches eine linguistische Ergänzung ist zu einem vorangeschickten Artikel des Herrn Rosty: Von den ehemaligen Beziehungen zwischen Magyaren und Finnen“ (a' magyarok és finnek közt volt vizonyokról); „Ueber das Samojedische, besonders die objektive Conjugation dieser Sprache" (hier find Caftrén, dem Verfaffer der ersten samojedischen Grammatik, mehrere unverkennbare Irrthümer nachgewiesen); Vom rechten Gebrauche der Zeiten des magyarischen Verbums" (noch unvollendet, beginnt mit einer strengen Revision und Beurtheilung der Theorieen älterer Grammatiker). Unter den übrigen Beiträgen erwähnen wir außer dem schon genannten Artikel Rosty's: „Das Wort für Mensch in den arischen (indo-europäischen) Sprachen" (az ember neve az árja nyelvekben), von Imre, mit Zusäßen des Herausgebers; die Analyse einer (finnisch geschriebenen) finnischen Sprachlehre Eurén's, von Fábián; die, mit vollständiger Darstellung des dako-romanischen Verbums schließende Uebersicht der grammatischen Formen der dako-romanischen Sprache, von Fekete; eine ziemlich ausführliche Anzeige, der Grammatik der griechischen Vulgärsprache" unseres verdienstvollen Professors Mullach, von Télfy, u. s. w.

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Das mit dem 30ften d. M. zu Ende gehende Abonnement wird Denjenigen in Erinnerung gebracht, die im regelmäßigen Empfange dieser Blätter keine Unterbrechung erleiden wollen.

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Jung, 1858.

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Zur Geschichte der polnischen Leibeigenschaft. Wer die polnische Geschichte durchgeht, wird einzelne Blätter leer finden. Es muß etwas vergeffen worden sein. Die vaterländi schen Archive werden jest danach durchsucht, werden aber wenig ent halten, denn was man zu finden hofft, ist die Geschichte einer tausend jährigen Leibeigenschaft, und was hat diese mit der „Nation" (naród) - und Bürgerschaft" (obywatelstwo), d. h. mit dem Adel und seiner Geschichte, gemein? Vielleicht doch etwas! Sehen wir zu. Die leßt vergangenen Jahrhunderte haben viele jener Stellen verwischt; es bleibt uns aber wohl noch soviel, als wir brauchen, um uns ein oberfläch. liches historisches Bild des Bauernstandes in Polen zu entwerfen.

1858.

Schenkungen von Gütern und Ländereien der Könige an die Herren gingen die fürstlichen Unterthanen in die unmittelbare Gewalt der Mächtigen über, verloren Freiheit und Schuß, denn auch die Kirche vermochte nicht, den Bedrängten Hülfe zu bringen. Es war ein drohender Zustand, der mit der Niederlage der Aristokratie und Monarchie endete.

Wir überspringen einen Zeitraum und begeben uns auf den denkwürdigen Reichstag von Chęciny (1331). Hier treffen wir zum ersten Mal in Polens Geschichte die gesammte „Nation“, von dem greifen und vielerfahrnen Władysław Łokietek berufen, in ihren Abgeordneten versammelt. Es begann Krasicki's Streit der Mäuse mit den Ratten (Myszeidos, 2. Ges.), der nicht mehr enden sollte bis zum Untergange des Reichs. Der Senat verlor von da ab immer mehr von seinem Ansehen, das Reich verwandelte sich allmählich aus einer Die Leibeigenschaft ist in Polen älter, als die Geschichte und als aristokratischen Monarchie in eine Abelsrepublik, mit einem König an das finnreiche Märchen von Lech, Czech und Rus; beim Beginn der der Spize, ohne andere Bedeutung, als Repräsentation des äußeren geschichtlichen Zeit war sie bereits vorhanden. In ganz ähnlicher Ge- Glanzes. Ueber diesen Punkt sind verschiedene Ansichten aufgestellt ftalt, wie sie uns da entgegentritt, hat sie sich bis zu unseren Tagen worden. Ich bezeichne mit Adelsrepublik das zuleßt wirklich erreichte erhalten. „Die nicht adligen und nicht geistlichen Bewohner des Ziel des Adels: uneingeschränkte Regierungsgewalt für sich selbst. Landes bestanden in der frühesten Zeit theils aus Freien, theils aus Der Ruhm, welchen sich spätere Könige noch erwarben, beruht entHörigen und Leibeigenen. Wahrscheinlich gab es außer dem Adel weder auf der Bekämpfung der ihrer Macht feindlichen Adelsrepublik, nur sehr wenige Freie, die auf ihrem eigenen Grund und Boden oder auf Verdiensten, die zwar von dem Glanz der Krone übergossen faßen. Die hörigen und leibeigenen Bauern und Leute bestanden wurden, aber nicht als Ausfluß einer königlichen Autorität betrachtet aus folchen, welche erblich auf berrschaftlichem Grunde faßen und werden können, sondern lediglich in persönlichen Eigenschaften ihre den Acker gegen Dienste und Fruchtlieferungen bauten. Zu ihnen Quelle haben. So war z. B. die Berufung des kriegerischen Johann dürften die Smurden und auch die durch der Herren Gnade frei Sobieski auf den Thron in einer durch die Türken hartbedrängten gelaffenen Lasanken gehören, ferner in einem günstigeren Verhältnisse Zeit faktisch nichts mehr als eine Berufung zum Feldherrn des Reichs. die Zehntbauern und die sogenannten Gäste, wahrscheinlich von einem Er schlug die Türken als Feldherr, hielt seinen Einzug in Krakau Gute auf ein anderes übersiedelte hörige Bauern, welche zum Theil, als Triumphator, und der Umstand, daß er den Königstitel führte, auch als Knechte dienten. Außer diesen hatten vorzüglich die Fürsten vermehrte den Prunk des Festes; die Königsrechte des Siegers vor und die geistlichen Herrschaften noch Leibeigene, welche als Gesinde, Wien blieben aber nach wie vor auf Null. Bis dahin hatte es zum Theil zu besonderen Diensten oder auch als Handwerker auf den einzelne Privilegirte gegeben, von da ab gab es einen privilegirten Höfen der Herren lebten oder abgesonderte Grundstücke inne hatten. Stand. Der Adel übernahm die Vertheidigung des Vaterlandes°) Das eigentliche Gesinde bauete die Aecker, welche der Herr sich als und die Berathungen über dessen Schicksal. Der Adels- oder RitterVorwerk zurückbehalten, und die er, wie man es nannte, unter dem stand, noch ohne Gleichheit, waltete seitdem in allen Dingen vor. Pfluge hatte. Unter den fürstlichen leibeigenen Bauern gab es wohl- Neben ihm bildeten die reichen Städter einen eigenen Stand, der habende, ja reiche Leute. Die Leistungen der Hörigen und Leibeigenen durch deutsches Recht von den anderen abgesondert war. Der dritte vom Grunde und Boden waren natürlich sehr verschieden, an Abgaben Stand schließlich waren die Bauern oder Hüfner (Kmeten), meist auf von Honig, Getraide, Vich und an Lasten so unbegränzt, daß man adligem Grund und Boden anfässig, und darum, obgleich frei nach kaum begreift, wie der Landmann überhaupt noch leben konnte, und polnischem Rechte, in gewiffer Weise doch vom Abel abhängig". Von man es als ein Glück betrachten muß, daß die Verwaltung nicht mächtigem Einflusse auf Polen war jener Zeit die Einwanderung der regelmäßig genug eingerichtet war und sein konnte, um den Druck Deutschen, meist Handwerker, die sich in den Städten niederließen. völlig unerträglich zu machen“. (Stenzel, älteste Geschichte Schle-,,Es war dem Lande von großem Vortheil" (ich berichte hier nach fiens). Die Dienstleistungen der Bauern beschränkten sich damals nicht auf solche gegen die eigenen Herren, sondern Fürsten, Adlige,,,geschickte und arbeitsame Leute zu gewinnen; allein, um sie anBeamte oder Boten von Beamten forderten auf Reisen und Heeres zügen, was sie brauchten. Später find die Abgaben und Laften der Landleute vielfach verändert worden, ja fie find in Polen niemals und nirgends ganz dieselben gewesen. Im zwölften Jahrhundert waren die Bedrückungen des Bauernstandes so arg, daß, nach dem Willen König Kasimir's des Gerechten, auf der Gnesener Provinzial-Synode zu Lęczyca (1180) die Strafe des Kirchenbannes auf erzwungenen Vorspann oder beffer, willkürliche Hinwegnahme von Wagen und Pferden durch reisende Beamte gefeßt wurde. Das mochte helfen, aber wenig,,,denn der Synodalbeschluß mußte noch öfter wiederholt werden".

Um dieselbe Zeit hatte Polen den ersten Wechsel seiner Regierungs form erfahren; feine Könige waren nicht mehr Alleinherrscher, eine Aristokratie, aus,,Prälaten und Baronen" zusammengefeßt, umgab fie, und Gesetzgebung, Kriegführung, Beschlußfaffung und selbst die höchste Gerichtsbarkeit befanden sich bald in den Händen des „Senats" sowohl, als in denen des Königs. Diese Herren standen durch zahlreiche,, Privilegien" über dem Gesez, waren von allen Landesdiensten und Abgaben frei, und diese fielen um so schwerer auf den niederen Abel, die Städte und Bauern. Durch vielfache

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Joachim Lelewel "") und die angemerkten Stellen sind von ihm),

zulocken, wurden sie von den Fürsten mit Privilegien und deutschem. Rechte begabt. Ganze Städte und Dorfgemeinden hörten auf polnisch zu fein und wurden deutsch. Diese Privilegien vermehrten sich seit Mitte des dreizehnten Jahrhunderts außerordentlich und ganz Lechien wurde damit überschüttet. Einzelne Fürsten zeigten sich dem Deutschthum so geneigt, daß sie sich auf deutsche Weise kleideten, deutsch sprachen, ihre Höfe mit Deutschen anfüllten. Ihrem Beispiele folgten die Großen, fie wurden deutsch; denn dadurch beabsichtigten die Aristokraten sich von dem gemeinen Polen oder dem Reste der Nation ab zusondern. In Schlesien verbreitete sich die deutsche Sprache, in den großen Städten, Posen und Krakau, sprach und schrieb man deutsch". Die Piaften liebten es, mit deutschen Prinzessinnen sich zu vermählen, und diesen klugen und edlen Frauen muß jene Umwälzung zu Gunsten des Deutschthums hauptsächlich zugeschrieben werden. Wenn es wahr ist, daß Polen dadurch seine „Unabhängigkeit und Nationalität ver

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lieren" konnte, so ist es nicht minder richtig, daß sich in derselben Hinneigung zum Deutschen die glücklichste Periode Polens und die freieste der Unfreien im Lande vorbereitete.

Es konnte den Königen schon jest nicht mehr verborgen sein, wonach der Adel strebte. Sie sahen sich von diesem unausgesezt zu Zugeständnissen und Verleihungen von Privilegien genöthigt. Aus den Vorgängen in Deutschland mochten sie die Lehre ziehen, daß eine aufstrebende Macht nur durch eine zweite eingedämmt werden kann, und die Befestigungen der Städte durch Kasimir den Großen, Sohn Łokietek's, hatten sicher nicht blos den Schuß gegen äußere Feinde zum Zweck. Unter den Jagiellonen des funfzehnten Jahrhunderts erreichte der Adel die vielbegehrte Gleichheit, welche von Ludwig, Nachfolger Kasimir's d. Gr. und zugleich König von Ungarn, durch gleichmäßige, Besteuerung, wozu auch die Geistlichkeit herangezogen wurde, 1374 bereits ausgesprochen worden war, mit der Klausel, ohne Bewilligung des Reichstages keine andere Abgabe als die festgefeßte fordern zu dürfen. Die unruhige Regierungszeit Władysław's Jagiello und die kurze seines Sohnes, Władysław's III., des Varnesen, konnten den Wünschen des Adels nur günstig sein. Unter Kasimir, dem zweiten Sohne Jagiello's, gab es keinen Unterschied mehr im Adel; weder Herr noch Beamter durfte sich den Titel Comes oder Graf beilegen". Zu Nieszawa wurde 1454 die Reichstagsordnung festgestellt; man sezte Wahlversammlungen (sejmiki, Diminutivum von sejmy, Reichs tage) an, von denen die Reichstagsboten bevollmächtigt und abgesandt wurden; der Adel trennte sich vom Senat und bildete die,,Stube der Abgeordneten", wohin auch die Nepräsentanten der Städte zu gelaffen wurden.,,Geseze, welche von beiden Stuben angenommen worden waren, wurden auch vom Könige angenommen; was aber von der Abgeordnetenstube verworfen wurde, erlangte keine Gefeßeskraft". Bis hierher waren die siegreichen Angriffe des Adels nur gegen den Senat und die Königsmacht gerichtet gewesen. Polen stand in seiner Blüthe, innen wie nach außen. Ein luxuriöser Wohlstand machte sich, verhältnißmäßig bei allen Ständen bemerkbar. In Krakau war von Jagiello 1400 die Universität fundirt worden; Schulen wurden in Menge errichtet, und die Kinder der Landleute und Städter besuchten fie zugleich mit den Söhnen der Adligen. Allen standen Aemter und Würden, offen.,,Janicki, vom Bauernstande, schrieb lateinische Verse, die ihm einen ausgebreiteten Ruf erwarben; Dantyszek, der Sohn eines Seilers, gleichfalls Dichter, wirkte auch als Abgeordneter und. im Senat als begabter Mann; Kromer, der Verfasser einer Chronik Polens, Schriftsteller und Redner in der lateinischen und polnischen Sprache, Bischof von Warmien (Ermeland), war ebenso von niederer Herkunft", u. s. f. Polen hatte einen guten Anlauf genommen, mit dem Vorgehen der europäischen Civilisation gleichen Schritt zu halten. Allein die Köpfe der großen, Mehrzahl des Adels waren allzusehr mit Privilegien und Reichstagsgeschäften angefüllt, als daß sie noch weitere Lehren hätten aufnehmen können. (Schluß folgt.).

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(Schluß.)

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Mir ward, ich muß es gestehen, etwas schwer, ums Herz, als ich daran dachte, wie manchesmal die liebe Sonne noch auf und unter gehen müsse, ehe der Quartal-Abschluß herangerückt sei. Das Kamin feuer im Schulzimmer glimmte nur noch matt und verdroffen und war dem gänzlichen Verlöschen nahe. Müde und abgespannt suchte auch ich mein Lager auf, nachdem ich vorher — der Hausvorschrift gemäß den jungen Leuten das Nachtlicht weggenommen hatte. Ich fand sie dieses Mal nicht auf den Knieen, da sie mir vermuthlich angemerkt haben mochten, daß ich auf Beobachtung dieser Ceremonie schwerlich bestehen würde. Sie waren vielmehr auf den Beinen und jagten sich wie junge Kagen zwischen und unter den Betten, herum. Im Weggehen rannte ich fast mit Mrs. David, zusammen, die eben zur Thür hereinwollte, aus der ich herauszuschreiten im Begriff stand. Sie flötete den jungen Gentlemen zu, daß sie ihre Kin der aufwecken würden, wenn sie soviel Lärm machten. Als ich mich wieder umwandte, lag mein ganzes Peloton auf den Knieen und betete inbrünstig.

Ich weiß nicht, durch welchen Zufall sich meine Gedanken meinem Freunde, Monsieur Frédéric Hausman aus Schwaben, zuwandten, als ich mich endlich in meine Kammer zurückgezogen und bereits in meine Deden gewickelt hatte, aber das weiß ich, daß durch eine naheliegende Ideen-Affociation mir plößlich meine kurze Meerschaumpfeife einfiel, die ich vor einem halben Jahre noch in den einsamen Urwäldern Minnesota's geschmaucht hatte. Ich sprang daher rasch wieder auf, holte den Tröster in mancher trüben Stunde aus seinem alten Futterale hervor, lud ihn mit dem Reste meines Bird's-eye von Wishart & Lloyd

Haymarket, London und mich wiederum in meine Decken hül lend, begann ich die blauen Wolken in meine kalte Fammer hineinzublasen, mich dabei im Geiste weit weg von Shinderford-Hall in ferne Länder und Zonen versehend, bis sich endlich der milde Engel des Schlafes mitleidig meiner erbarmte.

Der nächste Tag, ein Mittwoch, verging genau so wie der vorhergegangene und ein für allemal sei es gesagt wie alle folgenden Wochentage bis zum Quartal-Abschluß. Am Morgen kam mir indeß gleich nach genossenem Frühstück der Pastor in den Garten nachgeschritten, woselbst ich wiederum meine Gliedmaßen behufs deren Erwärmung ererzirte, und ersuchte mich dringend, mich ja des Nauchens für die Zukunft gänzlich zu enthalten. Er theile zwar für seine Person, das Vorurtheil gegen selbiges keinesweges; ja, er habe fogar einen Seemann zum Schwager, der ein sehr starker Raucher sei, aber er wisse, daß die jungen Gentlemen hierüber an ihre Aeltern Bericht erstatten würden, und daß es Einigen unter diesen Anstoß geben könne. Ich war erst ganz überrascht und wußte nicht recht, ob ich dem Manne etwa diejenige Eigenschaft zuschreiben solle, die doch, wie ich ihn selbst beim gestrigen Religions-Eramen hatte berichtigen hören, nur dem höchsten Wesen innewohnt die Allwissenheit nămlich, als er, meine Veränderung gewahrend, mir auseinanderseßte, wie der Tabacksrauch sich aus meiner Kammer über die ganze Hall verbreitet und darin so festgesezt habe, daß er bis zur Stunde noch nicht habe daraus entfernt werden können, obgleich er alle Fenster und Thüren habe öffnen lassen. „Schade, daß Wishart & Lloyd unser Zwiegespräch nicht hören", dachte ich bei mir,,,sie hätten Ursache, stolz auf die ihrem felbft fabrizirten Kraute inwohnende Intensität zu sein“. „Geschieht dir aber schon recht“, raisonnirte ich weiter, ,,wer heißt dich, nicht einmal soviel Wiz haben als Monsieur Frédéric Hausman? Was nugen dir jezt deine offiziellen und nichtoffiziellen Zeugnisse über vierjährige Profeffur an einer königlichen Militair-Akademie? Der schwäbische Oberkellner mit dem schwarzen Schnurrbarte giebt dir zur Zeit gewiß für den ganzen Plunder auch nicht eine Unze Bird's-eye.”

Die Tage vergingen einer nach dem anderen, und ich athmete etwas freier, als endlich auch der Sonnabend zu Ende war und ich für den kommenden Tag doch einer kleinen Abwechselung entgegen sehen durfte; dabei war ich nicht wenig auf die Predigten begierig, an denen der Herr Pastor die ganze Woche lang so emsig gearbeitet hatte. Als ich mich am Abend wie gewöhnlich im Schlafzimmer der jungen Gentlemen einfand, gewahrte ich zu meinem Erstaunen daselbst die Anwesenheit zweier weiblicher Wesen aus dem Chore, welche damit beschäftigt waren, den jungen Herren die Beine zu waschen und abzutrocknen.,,'Tis washing day on Saturdays", meinte Mr. Martin der Bärtige, sein nacktes Bein aus dem Wasserfaffe herauslangend und dem jungen Dienstmädchen überreichend, welche sich beim Abtrocknen desselben nicht eben sehr zu übereilen schien, während Mr. Martin diese Operation mit größter Geduld an sich vollziehen ließ. Nun, dem Reinen ist Alles rein, dachte ich.

Der ersehnte Sonntag brach endlich an, aber ich sollte bald Urfache finden, die Ungeduld zu bereuen, mit der ich ihn erwartet hatte. Die Wochentage waren eine wahre Erholung im Vergleich mit der Strafe, des frommen Mannes eigens fabrizirte Predigten am Vorund Nachmittage mit anhören zu müssen. Ich hoffe, fie wird mir zugute geschrieben irgendwo. Die Congregation war überdies wenig zahlreich und bestand in ihrer größeren Hälfte aus den Bewohnern der Hall. Unser Chor hatte hier buchstäblich die Rolle des Chores zu übernehmen, nämlich die vorgeschriebenen Gebete nachzusagen, worin derselbe eigentlich nur von Miß Calf kräftig unterstüßt ward, da die übrige Gemeinde sich schon bei diesem Theile des Gottesdienstes ziemlich schläfrig erwies. Die Predigten des frommen Mane nes anlangend, so sollte ich bald gewahren, daß ich dem Vaterlande stilles Unrecht abzubitten hatte. Ich hatte immer geglaubt, die kirchliche Reaction beklagen zu müffen, die in den lezten Jahren über uns gekommen und von der es hieß, daß sie Deutschland um die schwer erkämpften Früchte seiner Reformation bringen werde. Hier saß ich aber mit einem Male mitten im blühendsten Mittelalter mit all seis nen Teufeln und Gespenstern, und die donnernden Zornesworte eines Dr. H., die so beredt von dessen Lippen floffen und die ich noch vor zwei Jahren als das non plus ultra orthodorer Auffaffung betrachtet, hatte, erschienen mir jeßt wie vom Lichte der Aufklärung umftrahlt im Vergleich mit der Philippika, die Rev. David von dem nämlichen Papiere ablas, welches er die Woche über so emsig beackert hatte. Der milde Mann, mit den heute wo möglich noch sorgfältiger gescheitelten Haaren, rief nicht nur die ewige Verdammniß herab auf all die unglücklichen Millionen armer Menschenkinder, die sich statt des Holy wie des Korans Prayer-book etwa eines anderen Katechismus oder Talmuds, zu bedienen angewiesen waren, sondern die Wucht seines Zornes traf auch diejenigen irrenden Schafe der eigenen Mutterkirche, die sich dem verderblichen Wahne hingaben, den Tag des Herrn etwa

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