Billeder på siden
PDF
ePub

lichen Thatsachen, für die er so schöne Methoden vorzeichnet, und die religiösen Thatsachen, die er nicht entwickelt hat, die er aber als den reichen und neuen Theil der menschlichen Wissenschaft anerkennt."

Ich erinnerte mich bei der Gelegenheit, daß im vorangegangenen Winter in Paris sein Bruder Aug. Wilhelm mir faft daffelbe gesagt hatte.,,Es giebt keinen Beweis für das Dasein Gottes. Kant hat uns damit einen unermeßlichen Dienst geleistet, daß er die Philosophie auf immer von jener hohlen Argumentation für oder wider die Existenz Gottes befreit hat. Allein die praktische Vernunft bringt ebenso wenig wie die spekulative Vernunft einen Gott zu Stande, weil ja noch immer Vernunft dabei im Spiele ist. Nur der Glaube kann zu Gott führen. Das haben Hemsterhuis und Jacobi wohl eingesehen; nur schillert Jacobi's Glaube, und man unterscheidet keine Farbe. Die menschliche Seele ist eine Kugel, deren eine Hälfte der äußeren Welt zugekehrt ist, deren andere uns Gott und das jenseitige Leben offenbart. Man muß Bacon nicht mit seinen Schülern verwechseln. Er ist ihnen sehr überlegen, er ist von ihnen weit unterschieden. Ein tieferes Studium Bacon's würde neue und unerwartete Resultate geben."

Und so wären wir denn, mit den beiden Schlegel, auf Bacon und auf einen nagelneuen Empirismus zurückgebracht. Bacon_ver= wirft nicht schlechtweg das Studium gewisser Thatsachen, die man gemeinhin dem Aberglauben und dem Blödsinn zuschreibt, es findet sich darüber manche bemerkenswerthe Aeußerung in seinem Buche:,,De scientiae utilitate et progressu"; z. B. folgende:,,Die Wahrsagung hat ihren natürlichen Grund in der Macht der Seele, die, sich in sich selber zurückziehend, die Zukunft vorahnt; diese Vorahnungen zeigen sich besonders im Traume, in der Verzückung, bei der Annäherung des Todes..... Möglich, daß das Göttliche selbst unmittelbar auf uns einwirkt und das entschlafene Verständniß in uns erweckt"..... Diese Stellen find allerdings bei Bacon überraschend, aber zu vereinzelt und sparsam, um darauf eine vollständige philosophische Theorie zu gründen, und nirgend findet sich bei Bacon die geringste Tendenz zur Mystik. Wer diese dem Bacon aufbürdet, sucht das Paradore, verpfuscht die Geschichte der Philofophie, die Philosophie selbst.

Die schottische Schule findet feine Gnade vor Fr. Schlegel; er meint, man müsse entweder philosophiren, oder nicht philofophiren, als wenn ein nüchternes Philosophiren innerhalb der Gränzen der menschlichen Kräfte kein Philosophiren, und zwar der weisesten Art wäre! In dem Falle würde Sokrates nur ein armer Philosoph sein. Nur zwei Männer haben, nach Schlegel, Anspruch auf philosophischen Geist: Saint-Martin und Bonald; nur sei es von diesem unverzeihlich, die Vernunft dem Glauben zuhülfe gerufen zu haben, sie, die ihn zerftört. Es sei ein Schmach für Frankreich, daß Saint-Martin dort nicht mehr Eindruck gemacht habe.

[ocr errors]

Schlegel's Urtheil über die deutschen Philosophen der Zeit lautete: Fries und Krug sind mittelmäßige Köpfe; Bouterweck ist oberflächlich, Hegel spißfindig. In Berlin sind Solger und Schleiermacher aufzusuchen. Die drei hervorragendsten Denker seien: Jacobi, Schelling und Baader.“

Nach Baader's Schrift über das Abendmahl mochte ich ihm diese Stellung nicht einräumen; auch gegen die Theorie Jacobi's, soweit ich sie begriff, machte ich meine Einwürfe und verfocht Platon's Lehre über die Vernunft. „Die Vernunft! und wieder die Vernunft!" rief Schlegel. Nehmen Sie sich in Acht; noch ein Schritt, und Sie sind dem Pantheismus verfallen!" Aber das machte mir gar nicht bange; war ich doch schon seit lange mit diesem Spiel der katholischen Partei vertraut, die, anstatt uns von dem Christenthum zu überzeugen, indem sie mit den großen Kirchenlehrern den Sieg der Vernunft darin nachweist, im Gegentheil, nach einem von Pascal erfundenen und neulich von Lamennais wieder aufgewärmten Kunststück, uns auf dem Wege des Zweifels zum Glauben zurückführen will, indem sie die Ohnmacht der Vernunft selbst durch Vernunftgründe beweist!.... Ist Schlegel überzeugt? Ist feine Theorie nach allen Seiten abgeschlossen? Ist noch etwas von dem alten Menschen in ihm, und, ohne Heuchler zu sein, treibt er nicht ein wenig sein Spiel mit seinem Kopf und seinem Wissen im Dienste der neuen Sache, wie man es im Dienste einer entgegengesezten Sache gethan hat? Ich bin nicht anmaßend genug, darüber zu entscheiden, aber auch nicht begierig, es zu untersuchen. Man kann sehr aufrichtig seine Meinung, und doch nicht seine Natur geändert haben. Ohne mich zu bekehren, hat mir Schlegel, ich gestehe es, sehr gefallen. Ich konnte in ihm nicht den Mephisto finden, vor dem man mir bange gemacht, und ich entging leicht den Schlingen, die ihm nicht in den Sinn kamen, mir zu Legen.....

In Heidelberg führte mich Schlosser bei Daub, dem philosophi. schen Theologen ein, den er mir so sehr gerühmt hatte. Es war ein Mann von männlich ernstem Aussehn. Das Wenige, was er sprach, hatte den Ton der Ueberzeugung und des Nachdrucks. Zu einer geregelten Unterhaltung konnte es nicht kommen, da er das Französische kaum verstand. Ueberdies erklärte er mir mit einer bewundernswerthen

Bescheidenheit, daß, wenn es mir um Philosophie zu thun fei, ich mich nicht an ihn, sondern an den Profeffor der Philosophie, Hegel, wenden müßte. Ich hatte diesen Namen zwar mehreremal, aber nur schwach betont, aus Schlegel's Mund gehört und war daher nicht ganz mit mir einig, ob ich den Träger dieses Namens besuchen sollte, da ich überdies für den Abstecher nach Heidelberg nur zwei oder drei Tage bestimmt und Eile hatte, nach Frankfurt zurückzukehren. Die wenigen Stunden indeß vor Abgang des Wagens wollte ich auf den Besuch verwenden. Aber der Wagen ging an diesem Tage und am folgenden ohne mich ab, und am dritten Tage erst verließ ich Heidelberg, mit dem festen Entschluß, wiederzukommen und vor meiner Heimkehr einige Zeit dort zu verweilen.

Was war denn aber vorgegangen? Ich hatte, ohne zu suchen, den Mann gefunden, der mir zusagte. Nach den ersten Worten gefielen wir einander, faßten wir Vertrauen zu einander, und ich hatte in ihm einen jener Menschen erkannt, denen man sich anzuschließen hat, nicht um ihnen blindlings zu folgen, sondern um sie zu studiren, sie zu begreifen.

Hegel hatte damals noch nicht den Ruf, der die Imagination eines jungen Mannes blenden mochte; er galt damals nur für einen ausgezeichneten Schüler Schelling's. Noch weniger war es die Macht des beredten Wortes, die mich hinriß des beredten Wortes, die mich hinrißer drückte sich nur mühsam im Deutschen aus und sprach das Französische sehr schlecht. Ich erkläre mir nun die rasche und starke Sympathie, die mich für den Philosophen wie im Sturm gewonnen, auf folgende Weise. Der einzige überlegene philosophische Kopf, dem ich in Frankfurt begegnet, war Schlegel, und Schlegel, wie die ganze katholische Partei, hatte sich laut für die unbeschränkte Gewalt in Kirche und Staat erklärt; er verabscheute die Prinzipien der französischen Revolution, während ich diese, die Freiheit und die Philosophie anbetete. Mein jugendlicher Spiritualismus hatte sogar Mühe, gegen den Mystizismus nicht ungerecht zu sein. Hegel liebte Frankreich, liebte die Revolution von 1789. Er war sehr liberal und sehr monarchisch zugleich, und diese beiden Gesinnungen nahmen auch in meinem Herzen wie in meinem Kopfe den höchsten Rang ein. Für die Geschichte der Revolution, die mir so geläufig war, hatte er eine besondere Vorliebe, und sie war fortwährender Gegenstand unserer Gespräche. Ich war entzückt, in einem Manne von seinem Alter und seinem Verdienste auch mich wiederzufinden, und er, der an Jahren Vorgerückte, schien seine Seele an dem Feuer der meinigen zu erwärmen. Dann war Hegel ein Denker von schrankenloser Freiheit. In den Schmelztiegel feiner Speculation brachte er Alles: Religionen, Verfassungen, Künste, Literatur, Wissenschaften, und über Alles stellte er die Philosophie. Er ließ mich, so zu sagen, die Nebelbilder großer und umfassender Ideen schauen; in der ihm eigenen, etwas scholastischen Sprache stellte er eine Masse allgemeiner Säge auf, einer immer kühner und befremdender als der andere, die auf mich den Endruck der sichtbaren Finsterniß Dante's machten. Ganz verständlich war mir Alles nicht; allein was ich verstand, machte mich um so begieriger auf das Uebrige. Einen Berührungspunkt hatten wir mindestens: Der Glaube an die Philosophie, die Ueberzeugung, daß es für den menschlichen Geist hat oder haben kann, ein Wissen, das dieses Namens wahrhaft würdig ist; ein Wissen, das nicht blos den Schein, sondern die Realität der Dinge erfaßt, das nicht blos die beweglichen Träume der Imagination (des Meinens, wie Hegel fagt), sondern die innersten Merkmale der Wesen ausdrückt. der Wesen ausdrückt. Hegel war dogmatisch, und ohne daß ich mich in seinem Dogmatismus zurecht finden konnte, zog er mich durch diesen an. Er wiederum fah mit Wohlgefallen mein Bestreben, ihn zu verstehen, und meine Neigung für das spekulative Denken. So bildete sich unsere Freundschaft, und dieses Band, an Herz und Geist geknüpft, verleugnete sich niemals, auch dann nicht, als unsere metaphysischen Richtungen immer weiter und weiter aus einander liefen und die Politik allein unser einziger und lehter Berührungspunkt blieb.

Nach wenigen Tagen hatte ich die Ueberzeugung gewonnen, daß die Heidelberger Universität in Hegel einen Denker ersten Ranges, Schöpfer einer Theorie besiße, die, meiner Faffung noch nicht erreichbar, des ernsten Studiums würdig sei. Zugleich drängte sich mir die Unmöglichkeit auf, ganz Deutschland in wenigen Monaten zu durchfliegen, wenn man zu gewärtigen hat, an der geringsten Universität solchen Männern zu begegnen. Ich theilte mir daher Deutschland in zwei Theile, in den Norden und in den Süden; jenem sollte die diesjährige Reise gewidmet sein und dieser für das künftige Jahr vorbehalten bleiben. Der Reiseplan war folgender: nach Göttingen, Aufenthalt einige Zeit, nach Berlin, durch Sachsen über Dresden, Leipzig, Jena, Weimar; zurück an den Rhein über Würzburg nach Heidelberg und von hier über Straßburg nach Frankreich heimkehren. Für drei oder vier Ferien-Monate war das schon eine anständige Fahrt; sie umfaßte die verschiedensten Länder, Universitäten und Schulen von entgegengesetter Richtung, die Hauptheerde des Protestantis

mus, man bekam einen Vorschmack des bayerischen Katholizismus in Würzburg und lernte überhaupt zahlreiche Männer kennen, deren Ruf damals Deutschland erfüllte. Endlich hatte sie zum Ausgangs- und Ziel punkt Heidelberg und den neuen Freund, den mir der Zufall geschenkt.

Die Biron's-Burg.

In sehr fernen Zeiten bewilligte ein französischer König seinen Edelleuten nicht so leicht Titel, Ländereien und Hörige, denn trog ihres Eides konnten sie heute oder morgen vergessen, was sie früher gewesen, und dem Lehnsherrn die Gewalt streitig machen. Daher ift, bis zur Zeit der Kreuzzüge, die Zahl der Betitelten sehr beschränkt. Sowie aber das Königthum an Festigkeit zunahm, wuchs auch die Menge der Baronieen, und der Monarch hatte keinen Grund, den Grafen, den Gutsherrn, den Seneschall zu fürchten, die sich eine Ehre daraus machten, den König von Frankreich bei Tafel zu bedienen, sowie dieser wiederum es nicht unter seiner Würde hielt, den Baldachin des Bischofs zu tragen, der unter feierlichem Gepränge in seine neue Diözese einzog.

Schon seit der Mitte des elften Jahrhunderts ragten unter dem Adel von Perigord vier Barone an Ansehn und Macht hervor: die Barone von Biron, von Bourdeille, von Mareuil und von Breyrac. Oft machten sie einander den Vorrang und die königliche Gunst streitig. Indeß erhob sich das Geschlecht der Biron's zu überwiegender Bedeutung. Von ihrem Stammschloß wird Nachstehendes berichtet:

In einer unermeßlichen, mit Gebüsch und Eichenwald bedeckten Ebene, in tiefer Einsamkeit, erhebt sich, frei nach allen Seiten, gleich einem Adlerhorst, die Biron's-Burg, schwarz und düster, wie die Zeiten, die darüber hingegangen sind, imposant und edel, wie die Krieger, die ihre Angriffe dagegen gerichtet haben. Der Boden, auf dem sie jezt noch steht, ist völlig roth und mit wildem Gesträuch bewachsen; diese Farbe sticht nun von der dunklen Tinte des Schlof ses mit seinen Schieferdächern scharf ab und steigert den feierlich ernsten Charakter des Gebäudes. Es gehörte seit undenklichen Zeiten (und gehört noch heute) dem seit dem elften Jahrhundert in Guienne hochangesehenen Geschlecht Gontaut und war schon damals eine Baronie. Der Graf von Montfort hatte es belagert, als die von ihm verfolgten Albigenser darin Zuflucht suchten. In Folge mannigfalti= ger Ereignißwechsel wurde es den Herren von Bergerac eingeräumt, bevor es endlich an die Gontaut von Agenais überging. Heinrich IV. erhob die Baronie zum Herzogthum mit Pairswürde, und zwar zu Gunsten des Marschalls Gontaut-Biron, der später mit Turenne und Mornay als Hochverräther durch Henkershand fiel.

Die gegenwärtigen baulichen Zustände des Schlosses sind nicht ganz dieselben, wie ehemals. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß die von dem Haupt der Kreuzfahrer angegriffene Veste bedeutende Veränderungen, wie sie Zeit und Bedürfnisse heischten, erlitten hat. So ist, wie es scheint, an die Stelle des Hauptthores ein Wallthurm gekommen, der im Nenaissance-Styl aufgeführt und mit einer Kappe überdeckt wurde, wie man sie an den Thürmen des Justizpalastes zu Paris sieht. So wurde das schwerfällige, viereckige romanische Schloß von einem anderen des funfzehnten Jahrhunderts verdrängt, das seinen Vorgänger an Umfang bei weitem übertrifft, das auf allen Seiten von eingescharteten Thürmchen verschiedener Höhe gedeckt ist und Spuren nach einander vorgenommener Ausbesserungen aufweist. Das vierseitige, große, majestätische Sommerhaus in einfach strenger Bauart, auf Mauern von funfzig Fuß Höhe ruhend, beherrscht die ganze Ebene, die es mit seinen Kanonen bestrich, und scheint noch heute ein Schrecken der Feinde.

Architektonische Ansprüche muß man an die Biron's-Burg nicht machen. Alles ist vorzüglich auf hartnäckige Vertheidigung und wohlgeleiteten Angriff berechnet. Vom eigentlich künstlerischen Gesichtspunkte bietet die nach dem Muster der heiligen Kapelle" im Justizpalaste zu Paris erbaute Schloßkapelle viel Interessantes. Wenn das Aeußere auch nicht durchweg tadellos ist, so erscheint das Schiff im Innern defto bemerkenswerther; hier erheben sich zwei prachtvolle Grabmäler mit liegenden Bildern im schönen Renaissance-Styl. Das eine umschließt die Reste Pons de Gontaut's, Barons von Biron, des Erbauers der Kapelle. Die Skulpturen und Arabesken am Altar find vollkommen gut erhalten. Vor Allem macht sich Biron's Waffenrock mit seinen Feldern in Gold und Roth, wie das Wappenschild bemerklich; das Wappen der ersten Schloßherren ist unbekannt.

Cicero erzählt, daß, als er zum ersten Mal nach Griechenland reiste, das Kap Sunium einen ebenso tiefen Eindruck auf ihn gemacht habe, als wenn er Platon's Stimme in einer Unterredung mit seinen Schülern gehört hätte. In der That, an Plägen, wo ruhmgekrönte Männer gelebt haben, zeigt die Einbildungskraft ihre Allmacht, ruhm

volle Erinnerungen in die Seele zu rufen. Die Zeit hat ihr Leichentuch über sie geworfen, und doch, so oft wir wollen, erwecken wir sie zum Leben, und die Gluth der Sehnsucht läßt niemals die demüthi gende Bitterkeit über den Verluft aufkommen. Der Eindruck, den ein Besuch der Biron's-Burg in der Seele zurückläßt, ift tief, unwiderstehlich; die großen und andauernden Ereignisse, wovon sie Zeuge war, ihr glänzender Ruhm und der Heldenmuth ihrer Krieger treten unabweislich vor unser Gedächtniß.

Mannigfaltiges.

--

,,Die

Ein französisches Buch des neunzehnten Jahrhun derts. Durch Erkenntniß des Pariser Zuchtpolizeigerichts vom 30. Dezember 1857 ist das im vorigen Jahre bei Louis Bestel in Paris erschienene Buch,,Wahre und falsche Katholiken" (Vrais et faux catholiques), von Louis Aug. Martin, als ein Angriff auf die Freiheit des Kultus erklärt und der Verfaffer demnach zu sechswöchentlichem Gefängniß und zweitausend Francs Geldbuße, der Buchdrucker jedoch, in dessen Offizin das Buch gedruckt worden, zu tausend Francs Strafe verurtheilt worden. In dem Erkenntnisse wird ausgeführt, daß der Verfaffer an verschiedenen Stellen seines Buches die „Toleranz in Sachen der Religion“, welche er mit dem Worte „Tolerantismus“ bezeichnet,,,für eine Frucht des Atheismus- in der bürgerlichen und politischen Gefeßgebung des Landes und für eine nothwendige Konsequenz der verabscheuungswürdigen Freiheit der Kulte" erklärt; daß er ferner die Kirche auffordert,,,nicht länger passiv zu bleiben bei der Verlegung des göttlichen Gesezes, die darin liegt, daß feinds felige Kulte ihre Altäre neben denen der Kirche aufbauen." Kirche", fährt Herr Martin in seinem Buche fort, „hat die Pflicht, den Gößendienst (wie er jeden anderen Kultus, als den römischen, nennt) mit Stumpf und Stiel auszurotten" und, wie es in früheren Jahrhunderten geschehen,,,zur Besänftigung von Gottes Zorn, nöthigenfalls ganze Nationen von der Erde zu vertilgen." Er liefert eine förmliche Apologie der Inquisition, der Autodafé's und der mittelalterlichen Juden-Verfolgungen. Wer nicht den Muth habe, sagt er, sich zu solchen Grundsäßen zu bekennen, der sei ein „lauer Katholik“ und ihm ebenso, ja noch mehr verhaßt, als ein Kezer selbst. Der Staat endlich, welcher die Kirche hindere, wieder ad majorem dei gloriam Keger zu verfolgen und zu bestrafen, mache sich zum Mitschuldigen der Kezerei, möge er sich scheinbar auch noch so sehr zum Katholizismus bekennen. Nicht minder ist ihm der Begriff der „gallikanischen Kirche“ zuwider, da man ebenso gut von einer „österreichischen“, oder von einer „spanischen“ und „Hinesischen“ Kirche sprechen fönnte. Diese und ähnliche Lehren des Buches sind es, welche den Pariser Gerichtshof veranlaßten, dasselbe in obengedachter Weise zu verurtheilen.

[blocks in formation]

Je regarde effrayé, mais rien dans la nature,
Le ciel est gris, le vent est froid,
La feuille en tombant tourbillonne,
Et le ruisseau suit monotone
Son lit étroit.

Et pourtant un oiseau vient de perdre la vie,
Du tout universel il avait sa partie,

Il tombe et rien n'en est troublé.

Et qu'importe qu'un être ait terminé sa course?
Qu'importe à l'Océan qu'on tarisse une source,

Ou qu'un abîme soit comblé ?

Qu'importe que les jours d'un savant, d'un monarque
Avant l'hiver des ans soient tranchés par la parque?
Atôme dans les infiuis,

Subissant, comme tout, la loi de la nature,
La grâce, la beauté, le savoir, la droiture,
Sont tour à tour ensevelis.
Quand après les grandes batailles,
On fait d'immenses funérailles,

Ou qu'une révolution

Défait ou refait un empire,
Quand un peuple tombant expire
Dans une convulsion,

Rien n'est changé des lois universelles,
Et nos débats et nos querelles

N'ont rien arrêté dans les cieux.

Sur nos vertus et sur nos crimes,

Sur les persécuteurs comme sur les victimes,

Le soleil, chaque jour, se lève radieux!

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 gr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

® 8.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Türkei.

Berlin, Dienstag den 19. Januar.

Türkischer Wiß und türkischer Wein.

Eine Gregese des Korans.

,,Als im Jahre 1606 der Pascha Hafis Ahmed mit der kaiserlich türkischen Flotte ins Mittelländische Meer gegangen war und den in Aegypten für den Sultan angehäuften Schaz abgeholt hatte, ereignete es sich, daß er auf seiner Rückkehr, nachdem schon die Insel Rhodus erreicht worden war, die Schiffe, die den Schaz trugen, drei oder vier Gallionen und mehrere Landungsboote, verlor. Diese Schiffe hatten sorglos und unbewacht vor Anker gelegen; da hatten bewaffnete Korsaren sie erblickt, überfallen und als gute Beute davongeführt. Alles war verloren, und nirgends ein Mittel, das Unglück gut zu machen. Der Pascha ging, als die Zeit der Schifffahrt vorüber war, nach Konstantinopel und wurde dort zur Strafe abgefeßt. Darauf Darauf kam der Pascha einst mit dem Kadhi von Konstantinopel, Ghani Sada Efendi, zusammen und fragte den gelehrten Mann, der ein Weintrinker und Randglossen zu einem Kommentar des Koran zu schreiben befliffen war, bis zu welcher Stelle des Korans er wohl gekommen sei?" Der Kadhi wollte Jenem unter der Blume einen Stich verseßen und antwortete: „Ich bin eben bei den Worten: Das Verderben ist offenbar geworden auf dem Lande und auf dem Meere". Der Pascha, um den Stich von sich abzuwenden und auf den Richter zu übertragen, erwiederte: „Ich hörte vielmehr, Ihr beschäftigtet Euch mit dem Kommentare zu den Worten: Der Wein und das Würfelspiel“. So benutte er geschickt dieselbe Blume, die Worte der Schrift, zur Erwiederung."

"

Diese Anekdote, erzählt in Chadschi Chalifa's Tochfeto' Ikibar, dem ersten in Konstantinopel gedruckten Buche (S. 46), zeigt, daß das Weintrinken auch in früheren Zeiten unter den Muslemen nichts Unerhörtes war, daß auch Männer, die ganz eigentlich bestimmt waren, über das Gesez zu wachen, und die höchste Achtung in Anspruch nahmen, fich dies erlaubten. Unter den asiatischen Muslemen, an denen das Weintrinken gerügt wurde, verdient besonders der als Philofoph, Arzt, Dichter und Staatsmann bekannte Jbn Sina (Avicenna) genannt zu werden. Er bediente fich des Weins, um sich bei seinen nächtlichen Studien munter zu erhalten. Er erzählt in seiner Autobiographie von sich selbst: So oft ich eine Frage nicht verstand oder das Mittelglied eines Schlusses nicht fand, begab ich mich in den Tempel und flehte demüthig zu dem Schöpfer aller Dinge, bis mir das Dunkle klar wurde. Dann zur Nachtzeit in mein Haus zurückkehrend, stellte ich ein Licht vor mich hin und war eifrig im Lesen und im Schreiben. Wenn ich aber vom Schlafe angewandelt wurde oder eine Schwachheit merkte, nahm ich einen Becher Wein und trank so lange, bis meine Kräfte zurückkehrten; dann begab ich mich wieder zu meinem Studium. Wenn mich etwa ein leichter Schlaf überfiel, träumte ich von jenen Fragen so lebhaft, daß ich die Lösung vieler im Traum fand. Und so hörte ich nicht auf, bis ich eine gründliche Kenntniß der Dialektik und Physik erlangt hatte." Die hinterlassenen Werke des Jbn Sina, die namentlich in Mauritanien gesammelt und von da nach Spanien verpflanzt und in Europa bekannt wurden, beweisen, daß der Ruhm seiner Gelehrsamkeit und Geistesschärfe Grund hatte, wenn auch die heutige Wissenschaft über seine Leistungen weit hinaus geschritten ist. Dabei hatte er das Verdienst, bei seinen Patienten auf die physischen Zustände Rücksicht zu nehmen, und leistete damit Unerwartetes.

Mystiker, wie Jbno' lfaredh und Dschelalo'ddin, hielten es nicht für Sünde, die Liebe zu Gott mit dem Weine zu vergleichen, ja sogar die ewige Seligkeit als den Zustand zu schildern, wo der Vorhang endlich schwindet und im unverhüllten Anschauen des Geliebten die Becher kreisen. Hafis insbesondere, der den glorreichen Beinamen "Zunge der unsichtbaren Welt" empfing, ist überschwänglich im Preise des Rubins des Weins und hat sich dadurch, daß er auch gern und häufig den Saft der Traube genoffen haben soll, in den Verdacht ge

1858.

bracht, als habe er damit nicht die heilige Liebe, sondern den wirklichen Rebensaft gepriesen.

Hariri legt dem Helden seiner ,,Makamen" mehr als ein Mal Loblieder auf die Tochter des Weinstocks in den Mund. Auch die Chalifen und Sultane, wiewohl einige gegen die Weintrinker wütheten, waren nicht alle so streng gegen sich, daß sie sich den Genuß des Weins selbst versagt, noch gegen ihre Völker, daß sie ihnen diesen verwehrt hätten.

Und so sieht man, wie es gar nicht ohne vorhergegangene Beispiele war, wenn die Wechhabiten in Arabien den Genuß des Weins als eine erlaubte Sache in Anspruch nahmen. Fragt man aber, wie bei den Muslemen, die sonst so fest an ihren Gefeßen und Gebräuchen halten, gerade in dieser Hinsicht so mancherlei Umgebungen und Uebertretungen stattfinden konnten, so wird man auf eine Wahrheit geführt, die von Zedem, der Anderen Geseze giebt, zu beherzigen ist: daß man nämlich Gefeße, die der Natur nicht angemessen sind, leicht geben, doch schwerlich bewirken kann, daß sie nicht gebrochen oder nicht auf nur heuchlerische Weise gehalten werden. Das Gewächs des Weinstocks mit seinen grünen, zackigen Blättern und dem Reichthume seiner schimmernden Früchte, ist nicht blos ein liebliches Bild; die Erfahrung bestätigt auch, wie der Genuß des Getränkes, das er spendet, zur Stärkung und Heilung des Körpers, zur Belebung und Erheiterung des Geistes, ja zur Erweckung erhabener Gedanken und Gefühle geeignet ist. Man findet sie daher auch anerkannt in dem Buche der Bücher in den Worten: „Gebet Wein den betrübten Herzen!" und in der bedeutsamen Stelle, wo die zur gesehlichen Reinigung bestimmten Krüge, zuvor bis zum Rande mit Waffer gefüllt, sich in Rebensaft metamorphosiren müssen, um die Hochzeitleute zu ergößen. Was so offenbar eine Gabe der Freigebigkeit und Liebe des Schöpfers ift und auch nicht ohne die Absicht hervorgebracht worden sein kann, einem Bedürfen und Sehnen entgegenzukommen, ließ sich nicht von Allen verkennen, und in dem denkenden Muslemen mußte, gerade je größer seine Meinung von Muhammeds Weisheit und Inspiration war, desto mehr der Zweifel erwachen, ob denn auch wirklich dieser den Genuß des Weins unter allen Umständen versagt habe.

Dieser Zweifel nun findet auch wirklich in den eigenen Worten des Muhammed, wie sie der Koran giebt, Anhalt und Nahrung. Zu der zweiten Sure, im 219. Verse, spricht er, Gott habe zu ihm gesagt:

,,Sie werden dich fragen über den Wein und das Würfelspiel. Große Sünde und Vortheile sind in ihnen für die Menschen; aber ihre Sünde ist größer, als ihr Nußen."

Offenbar liegt in diesen Worten kein absolutes Verbot des Weins und Würfelspiels, sondern nur eine Warnung, weil die Sünden, die damit begangen werden können, größer sein können, als die zugegebenen, damit zu erreichenden Vortheile. Die Erwähnung der Vortheile kann zu dem Gedanken führen, der Gesetzgeber habe es darauf abgesehen, die Vorsicht zu schärfen, damit man sich dieser Dinge nur eben, in so weit es nüglich ist, bediene.

Ein andere Stelle, woraus das Verbot des Weins gefolgert worden ist, steht in der fünften Sure, Vers 99 und 100.

,, ihr Gläubigen! Wein, Würfelspiel, Bildfäulen, Pfeilspiel find Unreinheit (rigs) hinsichtlich des Werkes des Satans. Wendet euch davon ab, daß es euch wohlgehe! - Durch den Wein und das Spiel will der Teufel nur Haß und Feindschaft unter euch werfen, um euch vom Andenken an Gott und vom Gebete zurückzuhalten. Wollt ihr nicht davon ablaffen?“

Diese Uebersehung ftüßt sich, wie auf die Bedeutung der einzelnen Wörter, auf die gegründete Annahme, daß der Redner im zweiten Verse sich näher über das erklären wollte, was er im ersten gesagt hatte. Angenommen indeffen, diejenigen hätten Recht, welche überseßen, Wein, Würfelspiel u. f. w. find ein Gräuel und)Werk des Teufels, so würde dies nicht wohl mit dem 103. Verse zusammenstimmen, wo Muhammed fortfährt:

", ihr Gläubigen! für die, welche Gott fürchten und glauben, ist keine Sünde in dem, was sie genießen, wenn sie Gott fürchten

und glauben und fromme Thaten vollbringen, (d. h. wenn sie) dann Gott fürchten und glauben, (oder) dann Gott fürchten und Gutes thun. Denn Gott liebt diejenigen, die gut handeln."

Denn, wenn einmal der Wein ein Gräuel und Werk des Teufels ift, so bleibt es unter allen Umständen Sünde, sich damit einzulassen. Man hilft sich nun freilich damit, daß man behauptet, statt ge nießen" müsse überseßt werden: genossen haben", und giebt den Vers so wieder, als stände da: Diejenigen, die in früheren Zeiten dieser unerlaubten Dinge sich erfreut haben, ehe noch ein Verbot gegeben wurde, haben deshalb keine Sünde auf sich geladen. Allein abgesehen davon, daß es unthunlich erscheint, Ein Zeitwort als die vergangene Zeit andeutend zu erklären, während man alle andere Zeitwörter, die ganz in derselben Zeitform gesezt sind, auf die Gegenwart oder Zukunft zu beziehen sich gestattet, so hatten die, die ein Gräuel und Teufelswerk geübt hatten, sich immer den Vorwurf zu machen, daß fie etwas Abscheuliches und Teuflisches getrieben, und der passendere Ausbruck wäre gewesen, sie hätten wegen ihrer Unwissenheit für das früher Begangene keine Strafe zu befürchten. Und wozu konnte es frommen, den Arabern, welche die Gewohnheit hatten, ganze Nächte hindurch dem Weine und Spiele zu fröhnen, die eine Ehre darein feßten, unmäßig zu trinken, und die dann im Rausche die grausenhaftesten Thaten vollbrachten denn es soll vorgekommen sein, daß ein trunker Beduine, der sich von den Trinkgenoffen beleidigt glaubte, fie alle bei ihren Weinschläuchen tödtete und dann triumphirend davonzog wozu konnte es frommen, diesen Wüstlingen zu sagen, in dem bisher Vollbrachten wäre keine Sünde für sie? Ueberdies finden gerade die gelehrtesten und sprachkundigsten Erklärer des Korans kein Verbot des Weins in diesen Stellen. Dschelali und Samachschari behaupten, es sei nur vor der Uebertreibung (taathi) gewarnt worden, vor dem Trinken bis zur Berauschung. Die Vertheidiger der entgegengesezten Meinung nehmen, in der Ueberzeugung, daß der Koran allein ihnen nicht zum Siege verhelfe, ihre Zuflucht zu mündlichen Ueberlieferungen, deren Sicherheit aber nicht unbestritten ist.

[ocr errors]

England.

Literatur-Briefe aus England. Erster Monats-Bericht. 1858. (Schluß.)

Dr. P-r.

Ich behauptete, es sei mir in der englischen Literatur des vorigen Jahres keine wirkliche Production, die Blüthe und Frucht verspreche, bekannt geworden. Insofern aber die Werke von Livingstone, Barth, Fortune dazu gerechnet werden (sie sind jedoch Produkte großartigster, reeller Arbeit und das gedruckte Buch nur eine Aufzählung derselben, deshalb eigentlich nicht literarisches Produkt), gehören sie juft zu den werthvollsten, um welche sich je eine Literatur und das Leben dazu bereichern kann. Namentlich sind Livingstone und Fortune (und Lesterer just als Reisender der Ostindischen Compagnie) durch weg praktische direkte und indirekte Ankläger und Widerleger aller auswärtigen englischen Politik. Sie erobern als einzelne, ehrliche, waffenlose Personen mehr, als alle Kriegsschiffe und Land-,, Heroes" der englischen Armee, als alle Lügen, auf Grund welcher man Für ften beerbte, Länder annektirte und Canton bombardirte. Sie erwarben sich die Liebe der Eingebornen, weil sie die wirkliche europäische Civilisation und Humanität personifizirten, während die Früchte der englischen auswärtigen Politik darin bestehen, daß sich in China und Indien kein weißes Gesicht mehr vor den tief erbitterten Eingebornen sehen lassen kann, ohne daß sie fliehen, morden oder sich selbst entleiben, wie dies die Chinesen vieltausendweise thaten, als sie den englischen Gesichtern nicht mehr entgehen konnten. So schufen sie etwas noch Schlimmeres, als chinesische Mauern gegen Weltverkehr, Weltfrieden, Civilisation und Kosmopolitismus. Sieht man in diefen Hindernissen Beförderungen, muß man eben glauben und nicht

räfonníren.

Auch die beiden bedeutendsten Schriftsteller Englands sind wieder vors Publikum getreten: Thackeray hat in beliebter und viel Geld durch Anzeigen" bringender Form monatlicher Fortseßungen „The Virginians" angefangen, deren erste Theile von der Kritik nicht besonders günstig aufgenommen wurden, und Dickens durch seine Weihnachts-Nummer der Household-Words, welche aber so sehr nur die Eigenthümlichkeiten dieses individuellsten Schriftstellers zur Schau trägt, daß sie zu Schwächen werden und man mit Recht vermuthet, die Erzählung sei nicht von ihm selbst, sondern blos von einem Jün ger des Household-Words-,,Stabes". Thackeray ist in seiner heilsamen Realistik, diesem Gegengifte wider die abgestandene englische Realität, die sich in steifleinene Respektabilität verliert, zu weit gegangen. Er führt uns seinen gelungensten, edelsten Helden, Esmonde, als einen hülflos gewordenen Greis vor, dessen Schwächen er wie ein Photograph portraitirt, um hernach die Falten und die Gebrechlichkeit

noch durch Schärfung und Vermehrung der Linien noch auffallender zu machen. Das ist häßliche und ungerechte Realistik. So einen Helden müssen wir in der Würde und Ehre seines Silberhaares sehen, selbst wenn ein wirkliches Original zum kindischen Greise dahingewelkt wäre. Die Behandlung der Neger ist sogar übertrieben vornehm gemein, als wäre das Buch für die Sklavenhalter geschrieben mit dem Motto: Ich danke Dir Gott, daß ich weiße Haut habe und von Dir auserwählt bin, von schwarzem Schweiße zu schwelgen. Thackeray ist ein zu feiner Kopf, als daß wir nicht hoffen sollten, er werde vor Vollendung feines Werkes uns noch mit diesen Härten und Häßlichkeiten des Anfangs versöhnen.

Anthony Trollope, deffen satirisches und malerisches, charakterisirendes Talent mir noch aus seinen früheren Romanen,, The Warden" und,, Barchester Towers" erinnerlich war, wurde neuerdings in der sonst sehr scharf kritischen „, Saturday Review" so sehr gepriesen, daß ich mir sofort diesen seinen neuesten Roman: Die drei UnterBeamten" (The Three Clerks. A Novel. By Anthony Trollope. London: Bentley), kommen ließ und las. Ich fand bald, daß es ein Tendenz-Roman sei und er der ganzen Civil-Verwaltung Englands zu Leibe gehe, Notabene der reformirten, welche nach Verdienst und nach einem Eramen beseßt wird. Er zeigt, daß dies blos ein verkappter Napoleonismus der regierenden Klassen sei und die reformirte Verwaltung das Staatsleben noch ärger vergifte als die frühere. Von den drei,,Clerks" kommen Harry Norman und Alaric Tudor in das Departement,, of Weights and Measures", d. h. das Schazamt, und machen ihre Sache ziemlich, bis der dritte die bête noire des Romans und die gelungenste Figur Charley Tudor, erscheint, die trunkene, lügende, schleichende, unwiffende, intriguirende, eigentliche Injurie gegen die Civil-Verwaltung, speziell die „innere Schifffahrts-Verwaltung" in Somersethouse. Um uns mit grober Satire und hoffentlich Uebertreibung zu versöhnen, die außerdem sehr flüchtig und unklar schildert, entwickelt er sein ganzes Talent in Ausmalung häuslichen Lebens und der Liebe, durch welche die drei Clerks endlich versöhnt und zu anständigen Menschen erhoben werden. Sie heiraten drei Schwestern, die und deren verwitwete Mütter mit wahrer Meisterschaft und schönem Pathos gezeichnet und ausgemalt werden. Als Ganzes aber verdient der Roman durchaus nicht den Hymnus, den ihm die sonst gern geißelnde Saturday Review singt. Vieles ist flüchtig, mit lüderlichen Strichen gezeichnet, Manches roh und unbehauen, geschweige polirt, und nur in den Haupt- und SchlußScenen der frische, derbe, treffende Charakter - Zeichner wieder zu erkennen.

Unter den mindestens anderthalbhundert selbständigen Romanen, welche, nach der Times, jährlich erscheinen (ohne die unzähligen in Journalen) ließe sich natürlich noch mancher anführen, der über die übliche Fabrication hinausgeht und seine ästhetischen Verdienste haben mag. Aber wessen physische Kräfte reichen hin, jährlich 4-500 Bände (die Mehrzahl der Romane füllen je ihre drei üblichen Bände) zu lesen, um dann sagen zu können, hier und dort steckt etwas Driginelles, noch nicht Abgebrauchtes? Diefem embarras de richesse gegenüber bleibt nichts übrig, als sich damit zu begnügen, daß einem der Zufall diese und jene Schöpfung in die Hände spiele, auf die man mit gutem Gewissen aufmerksam machen kann. Dahin gehört wohl der neueste Roman von dem Verfasser der „, Hypatia" und „, Westward Ho!" dem Reverend Charles Kingsley: Two Years Ago" (Cambridge: Macmillan.), „Vor zwei Jahren“, das heißt während der Zeit des Krieges und der Cholera, die als tragische Mächte benußt werden, um den Heldinnen und Helden Moral beizubringen. Man merkt dabei allerdings zu sehr Reverend, den Geistlichen, der die Moral aufzwingt. Nur in Lokal Schilderung und Charakter-Zeichnung erkennen wir den frischen Dichter des Westward Ho!" wieder.

[ocr errors]
[ocr errors]

Es ist bekannt, daß in England Damen die meisten Romane schreiben. Unter diesen Damen- Productionen wird,, Riverston”, von Miß Craik, mit Beifall hervorgehoben und enthusiastisch gelesen. Die Verfasserin gehört der realistischen, in der Malerei der präraphaelitischen Schule an, die in England unter den eigentlichen Malern so viele Jünger zählt. Ein Auge und ein graziöser Pinsel für die unzähligen kleinen Realitäten und Details der modernen Gesellschaft und der modernen Menschen, die im Großen und Aeußerlichen sich alle so erschrecklich langweilig ähneln, daß man sie nur unterscheiden lernt, wenn man sie gleichsam unter dem Mikroskop studirt, durch welches man ja auch noch allein rein Leinen von der sich überall einschmuggelnden Baumwolle unterscheiden kann. In dem Roman Riverston" ist natürlich auch, wie fast immer, eine Gouvernante die Heldin (die meisten Roman-Schreiberinnen sind oder waren Gouvernanten, arm, in der Bildung der Herrschaft weit überlegen, verachtet, mißhandelt, überarbeitet, schlecht bezahlt und geistig gedrückt), aber sie ist eine gut behandelte Gouvernante, die nun einmal eine heitere, oft idyllisch klingende Gouvernanten-Geschichte, ihre eigene, erzählt und mit so hübschen, nied

lichen Details und Beobachtungen, wie sie nur das gebildete Auge des weiblichen Geschlechts machen und nur die graziösen Finger edler Frauen niederschreiben können. Dabei fehlt es nicht an Drama und Effekt, einem Selbstmord im ersten, einem klirrenden Duell im zweiten Bande und einem schwarzen Charakter durch alle drei Bände hindurch, welche dabei zu sehr an,, Vilette" erinnern, als daß wir sie im vollen Sinne für original passfiren lassen könnten.

[ocr errors]

Was an den ebenfalls unlängst erschienenen Romanen:,,The White House by the Sea" (genannt eine „,Love Story"),,, Gaston Bligh", vom Verfasser des Erlesmere" (gerühmt),,The Three Erlesmere" (gerühmt),, The Three Chances",,,The Moors and the Fens" u. f. w. sein mag, weiß ich nicht, werde es auch wohl nicht aus eigener Lektüre erfahren. Diese jährlich 4-500 Bände Romane haben eine bestimmte Klasse von Kunden, Damen, die nichts zu thun haben, als sich aus- und anzukleiden und im drawing room zu figen, alle zurückgezogene Gentle men und Staatshämorrhoidarier, fashionable,,gentlefolks" aller Art, die nicht mit Spielen und Schnupfen und „,bigh life" ihre Zeit todtschlagen können.

Diese Klaffe (oder mehrere) ist in England ungemein zahlreich, so daß sich der Absah dieser Menge Waare nur aus diesem Umstande erklären läßt. Ich für meinen Theil komme nie in den Fall, mich nach Mord-Instrumenten gegen die langweilige Zeit umzusehen, so daß ich schwerlich je unter diese Kunden gerathen werde. Die alten römischen Patrizier, welche die Gunst der Menge brauchten, hielten sich mnemotechnische Sklaven, welche sich alle mögliche Namen umher merken und sie dem Herrn zuflüstern mußten, sobald dieser einem Unbekannten in die Hände fiel, so daß nun der Unbekannte sich auf das schmeichelhafteste überrascht fand, sich als der gekannte Bürger So und So von dem hochgestellten Manne an geredet zu hören. Solche mnemotechnische Sklaven find jezt in den meisten Gebieten des Wissens nöthig, die nicht gerade unser Fach bilden. Wer zeigte nicht gern etwas nähere Bekanntschaft mit der englischen Literatur? Aber wie leicht kann man sich in diesem Labyrinthe von mehr als dreißigtausend Schriftsteller- und DichterNamen (inklusive einiger Hundert amerikanischer) der englischen Literatur irren und blamiren? Unter diesen Umständen kommt ein Lerikon der englischen Literatur sehr gelegen, zumal, da es so kritisch gewissenhaft und unparteiisch belehrend angelegt und ausgeführt ist, wie das vorliegende: Ein kritisches Dictionair der englischen Literatur und britischer wie amerikanischer Schriftsteller, lebender und verstorbener, von den ältesten Zeiten bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, enthaltend 30,000 Biographieen 2c. Von Austin Allibone.“°) Als das vollständigste, neueste und kritische wie biographische Lexikon hat es einen hohen Werth vor den vielen Werken ähnlicher Art. Die alphabetische Ordnung macht es leicht, jede Schwierigkeit und Ungewißheit sofort zu beseitigen. Dabei ist der stets gegebene biographische Aufschluß von großem Werthe.

dieser Vorzüge, mit Einschluß der bis zur neuesten Zeit fortgeführten
Vollständigkeit, fallen bei früheren ähnlichen Werken zum Theil fort.
Die 32 Bände von,, Chalmers' Biographical Dictionary" foften über
kosten
60 Thaler, enthalten blos 9000 Namen und keinen, der nach 1817
seinen Ruhm gewann. Watt's,, Bibliotheca Britannica", 4 Quart-
bände, 1824, giebt nur 22,800 Namen ohne Biographieen. Zu der-
selben Zeit erschien Lowndes',,Bibliographer's Manual", in vier
Oktavbänden mit nur wenigen biographischen Notizen. Es ist mehr
ein Katalog von Titeln und wurde zuleßt für 40-60 Thaler ver-
kauft, jest sehr selten. „, The New Biographical Dictionary", von
Rose, 12 Bände 1848, schloß alle lebenden Schriftsteller aus und ent-
hält blos 3700 Namen Verstorbener.
hält blos 3700 Namen Verstorbener.,,Chambers's Cyclopaedia of
English Literature" ist gut durch charakteristische Auszüge aus den
behandelten Autoren, aber blos aus 832. Die Hunderte und Tausende
dieser Lerika sind alle in dem Werke von Allibone genauer charakteri-
firt, außerdem aber alle die Tausende, die in den älteren Wer-
ken fehlen.

So ein mnemotechnischer Sklave, der uns in dem dreißigtausendfachen Labyrinthe immer gleich aus der Noth hilft, ist also gewiß eine große Wohlthat, eine um so größere, als eine Menge neuer und neuester lexikalischer Unternehmungen wahrhaft jämmerlich und in den bekanntesten englischen Dingen sogar hundertfach lückenhaft sind und uns ganz im Stich lassen. Ich habe mir eines angeschafft, das als das beste gepriesen ward, und aus welchem ich fast nie erfuhr, was ich just wissen wollte. Sehr oft fehlt der Name ganz und gar, nicht selten giebt der gefundene weniger, als ich schon weiß. In ausländischen Angelegenheiten kann man sich nun vollends gar nichts holen. Nur die Deutschen haben ein wahrhaftes Conversations-Lexikon, aus welchem sich schon öfter Engländer über ihre eigenen Kolonieen und Notabilitäten Belehrung holten. Mehrere große Verleger hatten oder haben noch den Plan, das Brockhaussche Conversations-Lexikon übersehen zu lassen. Wie ich höre, ist der Plan an dem Geldpunkte gescheitert oder wenigstens aufgeschoben. Sie rechneten mit Engländern, die übersehen sollten und auf ihre Tare, 5 Pfund aus dem Deutschen (aus dem Englischen ins Deutsche zu Leipzig 1 Thr. 10 fgr. und drum herum) und 4 Pfund aus dem Französischen pro Manuskriptbogen hielten und für den Druckbogen sogar 10 Pfund verlangt haben sollen.

Die armen Teufel von professionellen Ueberseßern aus dem Englischen ins Deutsche im Brodte oder Hunger deutscher UeberseßungsFabrikanten sind tief zu bedauern, aber ihre 30 Sgr. pro Bogen find doch eine Ehre Deutschlands gegenüber England, das einen zwanzigbis dreißigfachen höheren Preis für schlechte Uebersehungen aus dem Deutschen zahlen muß, weil nur eine sehr kleine, ziemlich monopolisirte Zahl von Gelehrtesten die Zauberkunst verstehen, aus dem geliebten Deutsch zu übertragen. Nur in den höheren und höchsten Kreisen, besonders den jugendlichen, versteht man Deutsch. Und die jungen Damen sprechen es allerliebst zaghaft, bescheiden und verlegen.

Spanien.

Das moderne Drama der Spanier. *)

III. Don J. E. Harzenbusch.

Juan Eugenio Harzenbusch, gegenwärtig Unterbibliothekar der Nationalbibliothek zu Madrid, ist der Sohn eines Tischlers aus der Umgegend von Köln, von wo Letterer vor längerer Zeit nach Madrid auswanderte. Wie er im Aeußeren und Charakter das deutsche Element bewahrt hat, so glaubt man auch in seinen Schriften deutsche Romantik und Gemüthlichkeit wahrzunehmen. Er gilt gegenwärtig als einer der ersten Dichter Spaniens, was er besonders dem großen Erfolge seiner „Liebenden von Teruel“ verdankt.

Die größeren Schriftstellernamen sind bei aller Kürze ausführlich geschildert und jedem Namen und dessen Werke von irgend einer Bedeutung Urtheile großer Männer und kritischer Autoritäten beigegeben. Diese zusammengestellten Urtheile, sonst überall herum in Zeit und Ort verstreut, sind schon deshalb werthvoll, weil sie eben zusammengestellt sind, noch mehr, wenn der Beurtheilte sowohl wie der Kritiker zugleich bedeutungsvoll sind. Da ist z. B. Edmund Burke. Wer hätte nicht von diesem feurigen Redner für Recht und Aufstand gegen beschönigtes Verbrechen, z. B. gegen Warren Hastings, gehört? Aber wer war der Mann, und was hielten berühmte Männer von ihm? Nun da ist erst Burke und darunter, was For, was Mackintosh, Dr. Johnson, Wilberforce, Dr. Parr, der leßte Kaiser von Deutschland, französische Prinzen, der König von England, Lord Brougham, Lord John Russell, Sir Robert Peel, Lord Macaulay u. f. w. von ihm urtheilten und drucken ließen. Wie interessant, oft wichtig und neue Aufschlüffe gewährend, find die ebenso zusammengestellten Ur- An Originaldramen und Bearbeitungen hat man etwa zweiundtheile berühmter Männer über Addison, Asham, Bacon, Byron, Bryant, zwanzig von ihm, wovon die bedeutendsten:,,Los amantes de Teruel”, Chaucer, Chillingworth, Clarendon, Cowper, Davy, Dryden, Dwight,,,Doña Mencía", „La ley de raza" und „La madre de Pelayo". Franklin, Gibbon, Hallam, Irving, Johnson, Leighton, Locke, Milton, More, Newton, Otway, Pope, Savage, Sedgwick, Shakspeare, Southey, Taylor, Walpole, Young und einige Tausend ebenso behandelte Schriftsteller ersten oder hohen Ranges! Noch ein Vorzug. Seltene und seltenste, oft blos in wenigen oder manchmal nur einem Erem, plare vorhandene Bücher oder Manuskripte sind mit eingeschaltet und Alles, was man darüber ermittelte. Ein anderer besteht in einem fachlichen Inder, welcher uns auf einen Blick zeigt, wer Alles über die einzelnen Wissenschaften und Künste, wer über Chemie oder Geschichte, über Drama oder Jurisprudenz u. s. w. geschrieben, so daß man die betreffenden Autoren sofort aufschlagen und erfahren kann, wer sie waren und was berühmte Leute über sie drucken ließen. Viele

*) A Critical Dictionary of English Literature, and British and American Authors, Living and Deceased &c. London: Trübner & Co.

Außerdem beschäftigt sich Harßenbusch noch mit der Herausgabe der dramatischen Werke Lope de Vega's, wozu ihn seine Stellung als Bibliothekar ebenso sehr als sein gründlicher, geduldiger Fleiß befähigen, denn der Lücken und Druckfehler sind in den alten Ausgaben zahllose.

[ocr errors]

Die Liebenden von Teruel". Das Schicksal der Liebenden von Teruel ist in Spanien so populär wie das Romeo's und Julia's in Italien; es soll der Geschichte angehören. Wenigstens zeigt man ihr gemeinsames Grab zu Teruel. Jedenfalls wird der bizarre Ausgang dieser Tragödie durch die Geschichte oder die Sage gerechtfertigt. In Teruel, einem Städtchen in Aragonien, lebten um das Jahr 1217 Diego de Marsilla und Isabel de Segura. Aus einer gemeinsam verlebten Kinderzeit entspann sich eine zärtliche, leidenschaftliche Liebe;

*) Vgl. Nr. 76 und Nr. 117 des „Magazin“ von 1857.

« ForrigeFortsæt »