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verallgemeinern wollen? Haben sie eine neue Religion, eine neue Kunst, nene Wissenschaften, neue Erfindungen, denen die unsrigen nicht vorgearbeitet haben? Ift ihr Christenthum bildungsfähiger als das unsrige, oder ist es nicht im Gegentheil eine Verknöcherung des Geistes? Ihr Wahn selbst ist ein Beweis, daß sie die Tiefen der neuen Welt noch nicht ermessen haben und eben darum noch in einer alten stehen. Allerdings! auch die Zeit ihrer Herrschaft in Europa kann kommen, aber unter welchen Bedingungen! Die ganze Lebenskraft der westlichen Völker müßte zuvor erschöpft sein, und selbst dann würde eine flavische Ueberschwemmung immer noch einen Rückschritt des Weltgeistes ausmachen.

Die alten Bildungszustände unterlagen den Geißeln der Barbaren-Horden, weil diese naturwüchsig und weil die Vertheidigungsmittel der feingefitteteren Völker nicht ausreichend waren. Jezt sind die Westeuropäer aber nicht allein die Helden in Kunst und Wissenschaft, sondern auch die Helden, im Kriege und die Anstalten für unsere Weiterbildung sind zugleich Anstalten für unsere Vertheidigung. Wenn das Schicksal uns Zerstörungen vorbehält, so werden sie sich in anderen Erscheinungen offenbaren als früher; eine scythische Ueberschwemmung fürchten wir vorläufig nicht, und was um die Mitte des neunzehnten Jahrhundertes, ganz dicht an der Wiege unserer Bildung, geschehen ist, giebt uns ein Recht dazu.

60) Mag uns der Orient auch immerhin entzweien: er lohnt uns die Zucht, die wir ihm zu Theil werden laffen, indem er unseren Thatengeist rege erhält. Nach den ewig waltenden Geseßen des Gleichgewichtes wird eine vernünftigere Eintheilung unserer Staaten, wahrscheinlich bei Gelegenheit späterer Kämpfe um den Orient, statt finden. Die Enttäuschung der Slaven, zu welcher sich die jüngsten Begebenheiten wahrlich eignen, ihr Erkennen: daß sie zu Schülern Europa's und zu Lehrern Asiens bestimmt sind, kann viel zum Annähern an dieses große Ziel beitragen.

Frankreich.

Briefwechsel zwischen Boileau und Brofsette.

Es existirt ein Briefwechsel zwischen dem berühmten franzöfifchen Kritiker oder, beffer gesagt, kritischen Dichter, Boileau Despréaur, und einem Advokaten und Literaturfreunde, Claude Broffette, der zuerst im vorigen Jahrhundert, 1770, von Cizeron-Rival veröffentlicht worden ist. Neuerdings hat man in Frankreich noch 15 Briefe von Boileau und 9 ganz oder zum Theil unbekannte Briefe von Broffette aufgefunden; in einer Versteigerung des Nachlaffes eines Herrn A. Renouard ist das Manuskript (aller Briefe? oder blos der neuen?) für 4200 Francs von dem jeßigen Herausgeber, August Laverbet, erstanden worden. - Die neue, mit großer Sorgfalt gemachte Ausgabe führt den Titel: „Correspondance entre Boileau. Despréaux et Brossette, publiée sur les manuscrits originaux, par M. Auguste Laverdet. Première édition complète en partie inédite. Paris, Techener 1858.

Im Jahre 1698 machte Claude Brossette, Herr von VarennesRapetour, Advokat im Parlamente von Lyon, ein junger Mann von 27 Jahren, eine Reise nach Paris; da er ein Liebhaber der Literatur und besonders ein Bewunderer von Boileau war, so machte er diesem einen Besuch, wiederholte ihn und erlangte seine Freundschaft troß des großen Unterschiedes, den das Alter zwischen ihnen machte, indem Boileau bereits 62 Jahr alt war. Die Freundschaft hatte aber noch besondere Gründe. Broffette war einer der Verwalter des HôtelDieu zu Lyon, auf das Boileau 1500 Livres in laufenden Renten gekauft hatte, und war mit deren Verlufte bedroht. Broffette hatte im Rathe die Vertretung Boileau's übernommen und ihm eine ausnahmsweise Wiedererstattung seiner bedrohten Rente erwirkt - BoiLeau konnte sich also eine enthusiastische Freundschaft schon gefallen laffen, wenn er selbst auch nicht zur Entgegnung sehr aufgelegt war.

Dieser Briefwechsel ist insofern interessant, als er Beiträge zu einer Charakteristik jener so hoch gepriesenen und wieder so hart angefeindeten Literaturperiode giebt. Herr Claude Brossette scheint gerade kein hervorragender Geist gewesen zu sein und eben genug Einsicht beseffen zu haben, um einen Weg ausfindig zu machen, auf dem er sein Wägelchen an den Triumphwagen eines größeren Geistes anhängen könnte. Ueberzeugt, daß Boileau Despréaur ein großer Dichter sei, und hinlänglich in den klassischen Studien bewandert, um zu wiffen, daß zu einem Autor (etwa Horaz) Scholien und Kommen tare gehören, die ihn erklären, hatte er seinen Ehrgeiz darein gesezt, Boileau's erster Kommentator und Scholiaft zu werden. Eine persönliche Bekanntschaft und Freundschaft mit dem berühmten Manne müßte ihn vor Allem dazu befähigen, dem andererseits gewiß auch daran gelegen war, ein Gefäß zu finden, ubi exspueret hanc tristitiam ex animo. Es war also ein ähnliches Verhältniß, wie wir es zwischen Goethe und Eckermann gesehen haben. Brossette wollte einen Kommentar über die Werke Boileau's schreiben, die bereits der Commentation

würdig erachtet worden waren, um, wie er sich ausdrückt, „künftigen Salmafiusen Qualen zu ersparen". Er bedurfte dazu, namentlich in jenen Zeiten, wo die Verbindungen der Provinz mit Paris noch so zurück waren, wo keine eigentliche Tages-Literatur so leicht mit Vielem vertraut machte, was zur Erklärung des Pariser Lebens dienen konnte er bedurfte dazu, wie gesagt, der Belehrungen von Seiten des Autors selbst, um tausend Anspielungen zu verstehen, die Bezug auf das Leben am Hofe, in der Hauptstadt u. f. w. hatten. Brossette sammelte sorgfältig Boileau's Briefe und ließ die feinen gleichfalls, ehe er sie abschickte, von seinem Secretair kopiren. Diese Briefe, die von 1699 bis 1711 reichen, ließ er in einen Band binden; späterhin noch einen zweiten, in welchen auch die Papiere eingeheftet wurden, die der Abbé Boileau ihm nach seines Bruders Lode übermacht hatte. Das sind die beiden Bände, die Herr Laverdet erstanden und veröffentlicht hat. Man weiß nun nicht, wonach der erste Herausgeber, Cizeron Rival, seine Ausgabe gemacht hat, und wie es kommt, daß ihm so viele Briefe fehlen. Unser franzöfifcher Gewährsmann, Herr Alexander Blanchet, macht Miene, als ob er eine Unterschiebung nicht für ganz unmöglich halte, und tadelt, daß der neue Herausgeber so gar nichts gethan, um mehrere Schwierigkeiten zu heben und nöthige Erklärungen hinzuzufügen. Doch scheint diese Unterstellung, die schüchtern genug ausgesprochen ist, nach dem, was wir beurtheilen können, nicht gerechtfertigt.

Boileau mochte bei Eingehung dieser Freundschaft, abgesehen von den persönlichen Dankverpflichtungen, wirklich etwas daran gelegen sein, einen Mann gefunden zu haben, der sich dem Geschäfte der Erklärung seiner Gedichte unterziehen wollte. Es ist ja das sicherste Zeichen der Berühmtheit eines Dichters, wenn man anfängt, ihn zu kommentiren; wenn man seine Erzeugniffe für würdig erachtet, darüber nachzugrübeln. nachzugrübeln. Glückliche Dichter, die, großen Kometen ähnlich, einen Schweif von Scholiasten, Auslegern und endlich gar von Philologen hinter sich herschleppen! - sie sind ihrer Unsterblichkeit gewiß und retten noch so viele Hunderte kleinerer Berühmtheiten, die einander gegenseitig refutirt und ad absurdum geführt haben, ins Jenseits hinüber. Indes Boileau scheint bald eingesehen zu haben, daß Herr Brossette nicht der Mann sei, den er brauche, und nur aus Rücksichten des Anstands mag er sich bewogen gefühlt haben, einen Briefwechsel fortzuführen, der ihm im Grunde lästig gewesen sein muß. Broffette ist ohne Zweifel ein ziemlich beschränkter Pedant, dem das Gefühl für Poesie und Kunst, dem der eigenthümlich französische Sinn für Wiß und feine Anspielungen abging. Die Fragen, über die er aufgeklärt zu werden wünscht, find häufig im hohen Grade läppisch, und es muß dem feinen, wißigen Boileau Ueberwindung gekostet haben, darauf zu antworten.

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"Hat Bochart (der berühmte Orientalist) Recht, aus einem Verse bei Homer zu schließen, daß die Sonnenuhr zur Zeit des trojanischen Krieges erfunden worden ist?"

Muß man aussprechen Trevoux, oder Trévoux?

Wie lautet genau der Titel des Werkes, das Samuel Werenfels soeben veröffentlicht hat? De meteoris orationis?

Wie muß man, wenn man eine lateinische Inschrift verfassen will, darin das Wort rétablir ausdrücken? — (Boileau schlägt vor instaurare, Broffette will restituere).

Ferner soll ihm Boileau die Frage lösen, was besser sei, blind sein oder taub sein. Boileau erklärt sich für die Blindheit, Broffette mit seiner Partei zu Lyon, da diese Untersuchung damals die ganze Stadt beschäftigte, für die Taubheit. In dem Gedichte:,,Le Lutrin" (das Chorpult), hat Boileau zwei Verse:

Tel qu'on voit un taureau, qu'une guêpe en furie A piqué dans les flancs aux dépens de sa vie. Wie man den Stier erblickt, den in die Seiten jach, Sich selber zum Verderb, die zorn'ge Wespe stach.

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Broffette tadelt ihn darüber, da man nur von der Biene wiffe, daß sie ihren Stachel in der Wunde zurücklaffe, aber nicht von der Wespe, und beruhigt sich erft, als ihm ein Naturkundiger in der neugegründeten Akademie zu Lyon gehörige Auskunft gegeben. Er schickt richtig an Boileau einen zwischen zwei Gläsern gepackten Wespenstachel, damit er sich durch das Mikroskop von der Wahrheit feines Bildes überzeuge. — Jedenfalls muß Broffette bedeutende Anlage zum Kleinigkeitskrämer und Silbenstecher gehabt haben. — Boileau, dem dieser Briefwechsel nach und nach sehr läftig gewesen sein muß, hält sich ihm gegenüber auch nicht innerhalb der Schranken er Höflichkeit und jener Achtung, die ihm ein tieferer Kopf eingeflößt hätte er wird unter Umständen das, was wir mit dem kürzesten deutschen Ausdrucke,,grob" nennen, bisweilen sogar impertinent grob und malitiös, was indeß den guten Broffette nicht besonders aufgeregt zu haben scheint. So antwortete ihm z. B. Boileau auf eine allzu haarspaltende Kritik folgendermaßen:

"Alle Ihre Briefe sind seit einiger Zeit nur Kritik meiner Verse, worin Sie bis zum Uebermaß der Feinheit gehen. Sie haben von

mir eine kleine gereimte Erzählung erhalten, die ich auf Ersuchen des Herrn Le Verrier verfaßt, um einen Vers aus der Anthologie anzubringen, und Alle, denen ich sie, einschließlich seiner selbst, mitgetheilt habe, waren davon sehr befriedigt. Weit entfernt indeffen, zufrieden zu sein, geben Sie mir nicht undeutlich zu verstehen, daß fie nichts tauge, und ohne mir zu sagen, was Sie Mangelhaftes darin gefunden, gehen Sie zu Charpentier, d. h. in den Stall des Augias, um Mittel zu ihrer Verbesserung zu suchen. Dann wollen Sie auch eine Zweideutigkeit in einem Verse finden, in welchem niemals eine gewesen ist....."

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Ein ander Mal entledigt er sich dieser ungeschickten Anfragen auf eine noch unzartere Weise: „Ja, diese (dichterischen) Reize sind Geheimnisse, welche Apollo nur denen lehrt, die wahrhaft in seine Kunft eingeweiht find“.

Ueberhaupt ist der ganze Briefwechsel, wie es den Anschein hat, von vorn herein darauf berechnet gewesen, einft öffentliche Parade vor den Augen des Publikums zu machen. Keine lebendige Hingebung, tein Humor, keine jener kleinen Zufälligkeiten, die das Zwiegespräch in die Ferne so interessant machen. Es treten hier zwei Schauspieler auf, die hinter den Coulissen gehörig Toilette gemacht und jede Falte zurecht gelegt, die nie aus ihrer Rolle herausfallen, in dem Bewußt fein, ein klassisches Stück zu spielen. Boileau spielt den herab laffenden, seiner Ueberlegenheit bewußten Lehrer, Brossette den von bewundernder Hochachtung erfüllten blöden Schüler; Alles bewegt sich mit jener steifen Eleganz, die nur dem Zeitalter der Allonge-Perücken als eigenthümlich zuzuerkennen. Spaßes halber wollen wir einen Brief Broffette's herseßen, den dieser als Neuvermählter zwei Tage nach der Hochzeit schrieb.

„Da es Niemanden auf der Welt giebt, den ich ebenso ehre und achte und, wenn ich es zu sagen wage, ebenso sehr liebe, als Sie, so würde ich glauben, noch mehr gegen meine Neigung als gegen meine Pflicht zu verstoßen, wenn ich Sie nicht von meinen Private Angelegenheiten in Kenntniß sezte. Ich bin seit zwei Tagen mit einer Person verheiratet, die mir ein sehr bedeutendes Vermögen zu bringt, aber noch mehr Geist und Tugend. Bin ich bei alledem nicht verpflichtet, bei Ihnen eine Aufführung zu rechtfertigen, die, wie die meinige, Ihrer Zuneigung so fern liegt; denn zulegt werde ich niemals mehr Ihre mir so theuren Werke lesen, ohne darin meine Verdammung zu finden, die an mehr als einem Orte darin geschrieben ist, und die schönste Ihrer Satiren ist gerade diejenige, welche gegen ein Verhältniß gerichtet ist, wie ich es eben eingegangen. Alles dies indeß hat mich nicht zurückgehalten, weil ich wohl ges dacht, eine kleine Schwachheit, die alle meine Freunde billigen, würde mich ihrer Freundschaft nicht unwürdig machen".

Das ist das erste und lehte Mal, daß er von seiner Frau spricht. — Wir thun Broffsette vielleicht Unrecht, wenn wir nach diesem Briefe auf ein kaltes, frostiges Verhältniß zu seiner Frau schließen. Wenn es Mode und guter Ton geworden, keine Gefühle zu haben, wird ein Mann, der soviel auf Anstand hält, der offenbar ein beschränkter und im Formellen befangener Kopf war, keine Ausnahme machen. Ein Anderer, mit mehr Wiß und Laune begabt, hätte dem großen Weiber- und Ehefeinde seine Verheiratung vielleicht mit humoristischem Spotte über seine Unfolgsamkeit u. f. w. mitgetheilt. Man wird dem Briefe, selbst in der Ueberseßung, anmerken, mit welcher Kunst die Worte gestellt und die Redensarten gedrechselt find, ehe er für würdig erachtet wurde, an den großen Mann abzugehen und in dieser eintönigen Förmlichkeit und Feierlichkeit ist der ganze Briefwechsel abgefaßt.

Entwicklungsgang, seine Schicksale gemacht haben wird, und man wird ungefähr den Maßstab zur Beurtheilung dieses Briefwechsels haben. Ueber das Leben und den Charakter des französischen Horaz erfährt man nichts Neues, nichts, was nicht bereits bekannt wäre. Klagen des Dichters über die Beschwerden des Alters, über die überhand nehmende Schwäche und Krankheit, namentlich über sein nervöses Kopfzucken u. f. w., Alles mit Anstand und in würdiger Fassung er zählt, scheinen so ziemlich das Wichtigste zu sein, was er ihm über feine Privat-Angelegenheiten mittheilt. So schleppt sich der Briefwechsel fort, wird matter und matter, bis er endlich mit Boileau's Tode aufhört, der bekanntlich im Jahre 1711 erfolgte.

Mannigfaltiges.

Das Treiben der,,Spiritualisten" in Amerika und Deutschland. Herr Rendant Hornung in Berlin hat einen zweiten Band spiritualistischer Erfahrungen feinen neuen Geheimnissen des Tages" folgen laffen,) von dem wir im Magazin" nur deshalb Notiz nehmen, weil er uns die neuesten Nachrichten über das Treiben der Spiritualisten in Amerika bringt. Es sind allerdings sehr merk würdige Erscheinungen, welche sich in Folge des Tischrückens herausentwickelt haben und über deren thatsächliches. Vorhandensein wir kaum mehr zweifeln dürfen. Auch Herr Hornung hat uns in diesem Bande eine große Zahl zum Theil hochgestellter Persönlichkeiten als Zeugen namhaft gemacht. Ob aber die Deutung des Phänomens durch die Annahme des Einfluffes eines Geisterreiches auf die Mens schen in irgend einer Weise gerechtfertigt sei, ist eine andere Frage, die durch das Hornungsche Buch keinesweges gelöst ist. Wir stellen uns entschieden auf die Seite derer, welche die spiritualistischen. Erscheinungen für eine mit anderen magischen Zuständen im innigsten Zusammenhange stehende Thätigkeitsrichtung des eigenen Geistes halten, deren Durchforschung noch eine dringende Aufgabe der Wissens schaft bleibt. Die spiritualistischen Erscheinungen sind bereits eine geschichtliche Thatsache, und ihre Stellung ist ihnen auch wissenschaftlich anzuweisen. Wir rathen deshalb jedem Leser der neuesten Erfahrungen aus dem Geisterleben", das Buch des Dr. Schindler: "Das magische Geistesleben“, dabei zu Rathe zu ziehen und sein Urtheil bis nach Durchlefung des leßteren Buches zu suspendiren.

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Ein Lord Byron zugeschriebenes Gedicht. Die „Defterreichische Zeitung“ vom 9. Mai d. J. (Nr. 105) enthält ein, angeb lich dem Fremdenbuche von Chamouny entlehntes, englisches Gedicht, mit der einleitenden Bemerkung, „daß Jedermann, der mit dem Geiste der Dichtungen Lord Byron's nur halbweges vertraut sei, dasselbe augenblicklich als eine Schöpfung des Dichters der ,,Hebrew Songs" (soll heißen:,,Hebrew Melodies") erkennen müffe". Die „Defter reichische Zeitung" hätte wohlgethan, vor dem Abdrucke dieses Ges dichtes und der einleitenden Bemerkungen sich darüber mit einem, wenn auch nur „halbweges", der englischen Poesie und LiteraturGeschichte vertrauten Kritiker zu berathen. Dieser würde ihr ohne große Mühe dargethan haben, daß das Gedicht unmöglich von Lord Byron, ja nicht einmal von einem Engländer, herrühren könne. Man denke sich Lord Byron:

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Yet I will bravely dare my lot

Until I die and be forgot"!!!

Wenn das nicht eine sentimentale deutsche Dame, oder ein franzö fischer Spaßvogel geschrieben, so ist Lord Byron auch wohl als der Verfasser von „Ein gebildeter Hausknecht“ zu betrachten.

*),, Neueste Erfahrungen aus dem Geisterleben". Von dem Rendanten D. Hornung in Berlin. Leipzig, bei Friedr. Fleischer. 1858.

In unserem Verlage ist erschienen:

Boileau wußte, wie schon oben angedeutet wurde, daß seine Briefe an die Deffentlichkeit treten würden, ja, daß sie bereits zu seinen Lebzeiten in Lyon Ereignisse waren; daher ist es nicht zu verwundern, wenn er im Zeitalter der Klassizität auf möglichst korrekten Ausdruck sah und sie gleichfalls kopiren ließ, ehe er sie abschickte. Nach seinem Tode fand man den ganzen Briefwechsel retouchirt und für die Oeffentlichkeit zugerichtet. Er hatte alle Persönlichkeiten unterdrückt, nicht blos solche, welche Anstoß hätten erregen können, sondern die allerharmlosesten Eigennamen, als ob er gefürchtet hätte, die literarische Würde und die Regeln des erhabenen Stiles zu verlegen. Peinliche Korrektheit im Ausdrucke, wie von dem eigentlichen Gefeßgeber des französischen Klassizismus wohl zu erwarten steht, sucht jeden Eindruck des Flüchtigen, des Nachlässigen zu beseitigen; Boileau schreibt 3. B. nicht mehr une longue déduction, wie er Anfangs geschrieben, sondern un long récit de sa maladie, gewiß weil déduction, das man. in der gewöhnlichen Unterhaltung anwenden möchte, nach der Lehre von den Synonymen nicht ganz an seinem Plaße war. Dazu nehme man, daß unser Dichter und Kritiker, ein alter, verständiger, mißtraui Gegenstand der Darstellung in der eben erschienenen Lieferung, mit scher Herr, seinem jungen, geistig weit zurückstehenden Verehrer gewiß keine tiefer gehenden Mittheilungen über sein inneres Leben, seinen

Die

Malerschule Hubert's van Eyk

von

H. G. Hotho.

-Zweiten Theiles erste Lieferung. 244 Seiten.

Elegant broch. Preis 1 Thlr.

Die Werke Hubert's, Johann's und Lambert's van Eyk sind der
welcher der Herr Verfasser in den Mittelpunkt seiner Aufgabe tritt.
Berlin, Juni 1858.
Veit & Comp.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgt. und vierteljährlich 25Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 73.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin be Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Riederwallfr. Nr.21), sowie von allen königl. Poft-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

England.

Berlin, Sonnabend den 19. Juni.

Piazzi Smyth's astronomische Reise nach Teneriffa. Im Monat Mai 1856 betrauten die Lords der Admiralität auf Antrag des königlichen Astronomen, Profeffor Airy, Herrn Piazzi Smyth, Profeffor an der Universität Edinburg und königlichen Astronomen für Schottland, mit einer wissenschaftlichen Sendung nach dem Pik von Teneriffa und stellten ihm mit großer Freigebigkeit 5000 Pfund Sterling zur Verfügung, um die Reisekosten zu bestreiten. Besondere Instructionen und Anweisungen in Bezug auf die vorliegende Aufgabe wurden nicht gegeben, sondern Alles dem freien Ermessen des Betrauten anheimgestellt, so daß diefer einzig seinem wissenschaftlichen Drange nachzugehen nöthig hatte. Der Hauptzweck der Reise war ein astronomischer, nämlich: um durch die Erfahrung festzustellen, ob wirklich, wie Newton behauptet hatte, die Beobachtung der Sterne durch einen möglichst freien Standort auf hohen Bergen wesentlich gefördert werde, oder nicht denn auch die Ansicht hat Vertreter, denn auch die Ansicht hat Vertreter, daß nämlich Observatorien niedrig liegen müßten, weil Berge,,ein nebliches und veränderliches Klima" hätten.

Also um diese Streitfrage auszumachen, ging Herr Piazzi Smyth auf der Jacht „Titania“, die ihm der Besißer derselben, Herr Robert Stephenson, zur Verfügung gestellt hatte, am 10. Juli nach Leneriffa ab. Freunde der Aftronomie hatten ihn von allen Seiten mit den ausgezeichnetsten aftronomischen Instrumenten versehen. Ein Aequatorial-Teleskop und andere Geräthe waren schon einen Monat früher auf derselben Jacht vorausgeschickt, und mit Zustimmung und Beist and der spanischen Behörden von Teneriffa auf den Berg geschafft worden, wo man sie in vertikalen Höhen von 8900 und 10,700 Fuß aufstellte. Auch hatte man nicht unterlassen, einen photographischen Apparat mitzuschicken, um später an Ort und Stelle die geeignetsten und werthvollsten Aufnahmen zu machen - ein Gegenftand, auf den wir noch einmal zurückkommen werden.

Seine Frau und die rauhen, aber dienstwilligen Matrosen der „Titania“ waren die einzigen Gehülfen, die Herr Smyth mit sich nahm, und diesem Umstande muß in bedeutendem Maaße der gleichartige Erfolg der Expedition beigemessen werden. In den ertem porirten Zelten und Häusern aus rohen Steinen, worin die kleine Gesellschaft mehrere Wochen lang lebte, würde jede größere Zahl von Personen nur hinderlich gewesen sein.

Bei seiner Rückkehr von dieser Expedition überreichte Herr Smyth der Regierung einen kurzen Bericht über das, was gethan worden war; im Frühjahr 1857 wurde auch die Abschrift der Original-Beobachtungen mit den darauf gegründeten Refultaten eingereicht und die selben, mit Gutheißung der Regierung, vor der königlichen Gesellschaft am 2. Juni gelesen und demnächst publizirt. Da einige Freunde ihn angingen und den Wunsch äußerten, auch über die persönlichen Erlebnisse und die Umstände, unter welchen jene Beobachtungen gemacht wurden, etwas Näheres zu erfahren, so schrieb Herr Smyth demgemäß einen ausführlicheren Bericht über seine Reise, die nun unter dem Titel vorliegt: „Teneriffe, an Astronomer's Experiment: or Specialities of a Residence above the Clouds. By C. Piazzi Smyth &c. Illustrated with twenty photo-stereographs".

Das Buch ist also keinesweges rein wissenschaftlich; Profeffor Smyth, der nicht blos Aftronom, sondern auch Geolog und Botaniker ist, besißt einen Schatz von allgemeiner Bildung, Geschmack und sprachlicher Fertigkeit, wie sie selten einem Gelehrten zu Theil geworden. Nehmen wir z. B. die Beschreibung seiner ersten Landung zu Santa Cruz:

,,Unser Boot war klein und gebrechlich, aber die Spanier führten es geschickt seinen Weg, durch die es umgebenden kleinen Fahr zeuge, die, mit jeder Woge auf- und abrauschend, wechselnd stiegen und fielen. Zuleht berührten wir ziemlich das Geftade, und den Augenblick wahrnehmend, wo wir auf der Spiße einer Woge waren, — gewannen wir mit Leichtigkeit festen Fuß auf einem Lande, das,

1858.

wenn auch die See draußen ganz anders gewesen, hinlänglich seine 'füdliche Breite und tropische Sonne verrieth. Die Scene, welche plöglich auf uns hereingebrochen, die wir den harten Winter von 1855 zu 1856 auf den britischen Inseln verlebt und bis zum letzten Tage des Juni starken Regen gehabt hatten, war, in Bezug auf Farben-Abstufung, die einer anderen Hemisphäre. Es würde ein Paradies gewesen sein für einen Maler aus dem rauhen und düsteren Norden. Farben, so blendend lebhaft und doch so harmonisch fich vereinigend, und hoch ideale Formen begegneten dem Auge auf allen Seiten. Männer, Frauen und Kinder waren da, von denen die bloßen Portraits vollkommene Gemälde gewesen sein würden - reiche dazu, in diesem poetischen Elemente. Die besonderen Tinten der spanischen Gesichtsfarbe lassen sich leicht verwenden und in Harmonie seßen mit anderen Farben; Beweis dafür die Vorliebe selbst von Landschaftsmalern für braune Bäume, braunes Gras, braunen Grundton. Nun wohl, auf diese Farbe sind hier weiße Kleider gefeßt, die im hellsten Sonnenlichte glänzen, und die hellrothe Schärpe, die der ärmste Lastträger um seinen Leib trägt. Als wir im Laufe des Tages in das Gewölbe eines schottischen Kaufmannes in der Stadt eintraten, sahen wir einen Ballen des prächtigften Scharlach-Atlas- den Purpur der römischen Kaiser ausgelegt vor einigen Landleuten, ärmlich genug gekleidet im Allgemeinen, aber keinesweges aufgelegt, sich etwas abgehen zu lassen bei einem Prunkftücke, das vielleicht zu Glasgow oder Macclesfield gearbeitet war, aber dort nie den Augen des Publikums bloßgelegt wurde. Sollte nicht jeder Maler, und namentlich jeder Teetotaller, solchen Leuten Dank wissen, die von Gerste, Waffer und Seidenprunk leben, statt ihre Mittel auf üppige Speisen und starke Getränke zu verschwenden, die praktisch mit rohem und unliebenswürdigem Leben identisch sind?

,,Wir müssen sorglichst unseren Weg durch Trupps beladener Maulthiere und Haufen schärpentragender Männer und behuteter Weiber suchen, die aufrecht in ihrer Haltung und schimmernd in ihren bunten Kleidern daherschreiten. Die Verheirateten unter ihnen scheinen allgemein einen dunklen oder scharlachfarbenen Shawl um ihren Kopf zu tragen mit einem schwarzen Hut darüber. Dieser Shawl hängt in anmuthigen Falten auf den Nacken herab, und die jungen Mädchen entfalten in ähnlicher Weise ein weißes oder gelbes Tuch, aber erscheinen im Allgemeinen mehr ohne Hut. Diese Kopf-Draperie, die hinten hinabhängt, dürfte als nothwendiges Anhängsel der weiblichen Tracht in Teneriffa erscheinen — ohne Zweifel, weil sie in diesem brennenden Klima das Rückenmark der betreffenden Personen vor den heißen und durchdringenden Strahlen der Sonne schüßt.

,,Bei all diesen zerstreuenden Neuigkeiten, die nach einer langen Seefahrt ganz besonders anziehend find, laffet uns aber auf unserer Hut sein, daß wir uns nicht auf die Hörner der Ochsen aufspießen, die ruhig die ruhig man kann nicht sagen träge ihren Weg verfolgen durch Haufen von Laftträgern und hinter sich winzig kleine Schlitten ziehen, auf denen Kisten oder Fäffer stehen. Welche klassische Modelle von Symmetrie find diese kleinen Ochsen! — von Kopf bis Fuß sind fie alle von einer schönen lohbraunen Farbe. Nichts von jenen plumpen, scheckigen Flecken, welche die Hausthiere unserer fächsischen Heimat kennzeichnen und einen Bildhauer verhindern, das Spiel der Muskeln vollkommen zu erkennen, keine solche häßlichen Beulen erscheinen an diesen ungemein gutmüthig aussehenden Thieren. der Gleichheit der Farbe und jener höchlich zu bewundernden Grundtinte haben sie alle das fürstliche Ansehen ungeknechteter Freibürger des Waldes, womit sie jenen zarten und frommen Ausdruck in dem vollen, feuchten, dunklen Auge und den hängenden Augenlidern verbinden, welcher die Einbildungskraft der Griechen so sehr ent flammte.

In

,,Ein Kameel, das jest geschritten kommt, mit einem großen Flügel, der an seiner Seite befestigt ist, und einem schweren Sack Zucker, um ihm das Gleichgewicht zu halten, auf der anderen, scheint eher außerhalb seiner Zone sein. Und das ist in der That der Fall, denn obwohl dieses Oft-Ende der Insel, welches nach Afrika hinschaut und, wie bekannt, in der Parallele der großen Wüfte liegt, heißer und trocke

ner ist, als der westliche Theil so ist es doch fern davon, den ,,Kirchen- und Privilegien-Partei" endlich in die Lage gekommen ist, Hisegrad der festländischen Sahara zu erreichen. Wir haben hier als siegende und unterliegende Partei zugleich um fremde, amerikani Licht und Hiße im vollsten Maaße, aber zum Glück für den Mensche Hülfe zu bitten, wird wohl der Zeitpunkt nicht mehr fern sein, wo schen und sein Wohlbefinden - auch ein wenig Feuchtigkeit.

,,Wenn wir dann um Mittag in einer der mit Basalt gepflaster ten Straßen wandern, während jeder glißerude Stein die vollen Strahlen der senkrechten Sonne zurückwirft und die schimmernden Häuser zu beiden Seiten eine sich gleichbleibende Weißglühhiße erbarmungslosen Sonnenscheines entwickeln welche Worte in einer nördlichen Sprache können die entzückenden Gefühle ausdrücken, wenn wir durch das offene Thor einer dieser halbmaurischen Wohnungen hineinblicken in einen Hain von Bananen. Einen zarten grünen Einen zarten grünen Schatten über den inneren Hof werfend, erheben sich ihre stolzen und fein gegliederten Blätter, fangen die feindlichen Strahlen der Sonne auf, bevor sie Unheil anrichten, nehmen sie auf in ihre Subftanz, lassen sie aus sich das mannigfachst abgestufte Gelbgrün erzeugen, und von Blatt zu Blatt gezähmter und sanfter, leiten sie zu der Oleanderquelle von Rosalackblumen und dem Dunkelgrün der Orange, der Myrthe und des Lorbeers, und lassen zuleßt gerade Licht genug in der grünen Höhle unten, um das Plätschern eines kleinen Brünn leins zu zeigen, dem lebenden Herzen dieser Feen-Dase."

Sowohl die natürlichen als künftlichen Charakterzeichen von Santa Cruz müssen sich entweder gänzlich verändert haben, seit Humboldt seine Reise beschrieb, oder diese Erzählung muß sehr ungenau sein; denn wo Humboldt ein „Städtchen fand, aus Häusern von blendender Weiße bestehend, mit flachen Dächern und Fenstern ohne Glas hart an einer senkrechten schwarzen Felswand ohne Vegetation erbaut" fand Professor Smyth eine hübsche Stadt, fürstliche Gebäude mit Glasfenstern und von Gärten umgeben. Die schwarze senkrechte Felswand" war ganz verschwunden, und an ihrer Stelle war eine leicht geneigte Ebene voller Gärten und Bauerhäuser, die sich meilenweit erstreckten.

Weiterhin bemerkt der Verfasser, daß Spanier in Teneriffa die Weise des afrikanischen Häuserbaues angenommen haben, welche dem Klima so ganz angemssen ist, während die Engländer in der KapKolonie unter fast gleicher südlicher Breite einen Bauftil eingeführt, der nur für das kalte und neblige britische Inselland paßt. Ein innerer Hof, von dem Wohnhause umgeben, verschafft Menschen und den gewählten Pflanzen eine sichere und kühle Zuflucht vor dem blendenden Lichte und den heftigen Staubwinden der Tropen, denen ein englisches Haus von allen Seiten ausgeseßt ist.

Der Glanz und der gute Geschmack der Kirchen in Santa Cruz sind besonders bemerkenswerth und könnten leicht den englischen Architekten in ihren Entwürfen für Jndien und andere Oftländer gute Fingerzeige geben.

Der größere Theil des Gebäudes war in Dunkel gehalten noch vertieft durch düstere Farben, während der Altar nur eine ein zige große Pracht vergoldeter Verzierung war. Nicht, wie gewöhnlich, blos flach aufgelegt, eine gedankenlose Oberflächlichkeit, war hier diese Verschwendung des edlen Metalles, sondern Kranz- und Flechtwerk erschien wie eine unentwirrbare Maffe tropischen Laubwerks; aber gemäßigt, geordnet und stilisirt mit ungemeinem Geschmack, um eine geordnete und harmonische Wirkung in Verbindung mit der Architektur zu ermöglichen." (Schluß folgt.)

Korrespondenz-Berichte aus London.

Ausländische und englische Literatur. Asien und
Amerika.
(Schluß.)

Das zweite touristische Werk neuen Datums ist von einem Deut schen und betrifft das spanische Nord-Amerika. Der Verfasser, G. F. v. Tempsky, war drei Jahre in Kalifornien und machte von da einen kühnen Ausflug in die großartigen, wilden, malerischen Territorien Mexiko's, wo er sich, besonders in Mitla, antiquarischen Studien alter merikanischer Denkmäler hingab.

Der Verfasser scheint sein Werk gleich für Publication in engli scher Sprache geschrieben zu haben, da es blos als von einem Engländer herausgegeben, nicht als überseßt, bezeichnet wird Ist es eine verkappte Ueberseßung, was man auf dem deutschen Büchermarkte sofort ermitteln wird, kann ich damit natürlich auf keine Neuigkeit der englischen Literatur aufmerksam gemacht haben. Das Werk führt den Titel: Mitla: a Narrative of Incidents and Personal Adventures on a Journey in Mexico, Guatemala and Salvador in the years 1853-1855. With Observations on the Modes of Life in these Countries. By G. F. v. Tempsky. Edited by J. S. Bell.")

dieses alte, giftige Nest unaufhörlich fauler Revolutionen unter der Regierung der Vereinigten Staaten Schuß und Ruhe vor sich selbst suchen wird..

Meriko besteht aus einem Gemisch unbeschreiblich prächtiger, erhabener Naturscenerie und niedriger, verkommener, heißblütiger, fauler spanisch-schwarzer und spanisch-indianischer Mischraçen und unendlicher Bastardspielarten, in denen immerwährend giftige Leidenschaften, Intriguen und Empörungen kochen. Das ist ein böses Terrain für den Moralisten, Politiker und Menschenfreund, aber interessant und farbenreich für den Touristen, der viel sehen und schreiben will. So konnte es nicht fehlen, daß Herr v. Tempsky ein inhaltreiches Buch voller malerischer Scenen und feuriger Thatsachen lieferte. Er reiste am 1. Juli 1853 von Kalifornien nach Mazatlan an der merikanischen Westküste, wo man besondere Anstalten gegen räuberische Einfälle der Comanche-Indianer traf. Mit seinem Freunde, Dr. S., fuhr er in einem Boote bis zur Stadt Urias, die wie ein Adlernest auf einem steilen Felsen gebaut ist. Der Felsen steigt steil aus einem üppigen Thale auf, das sich in einem breiten Flusse spiegelt und von fernen majestätischen Gebirgen umsäumt wird. Liebliche Häuser und Villen leuchten überall aus üppigem Wald- und Blumenwerk hervor, aber im Innern ist es todt, armselig, lumpig, baufällig und verfallen. Einige Paläste ehemaliger Herrlichkeit ragen noch aus dem Verfalle hervor, aber ihre steinernen Korridore, Gärten und Springbrunnen waren todt und verlassen. „Vergebens sahen wir hinter die Eisenbarren vor den Fenstern nach schönen Augen oder flatternden, weißen Gewändern in den Gärten. Was wir in einzelnen Fällen Lebendiges sahen, erschien häßlich und abstoßend. Wir wurden der leeren, todten Straßen und der wenigen anständigen, verfallenen Familien, die von berühmten Vorfahren nichts geerbt hatten, als stupide Formalitäten, bald überdrüssig, und wir brachen nach Panuco auf, einer verfallenen Silbermine, die aus Mangel an geschlagenem Silber nicht mehr bearbeitet werden kann." Unweit davon „das kleine Paradies“, mit der Stadt Santa Lucia zwischen Tausenden von Arten üppig blühender Vegetation, ehemals Asyl und Markt aller Răuber dieses Distriktes, die aber von den überlegenen indianischen Räubern von hier vertrieben wurden. Einige hier ansässige Räuber wagen dann und wann noch einen Ausfall, werden aber von der Nachbarschaft und den Comanche-Indianern sehr in Schach gehalten. Kurz vor unserer Ankunft war eine Partie beim Viehstehlen ertappt und zum Theil erschossen, zum Theil gefangen worden. Leztere wurden nach Durango transportirt. Die Eskorte fand es aber zu langweilig, die Sünder so weit zu schaffen, so daß man, um sich die Mühe zu sparen, sie unterweges aufhing und in das kleine Paradies zurückkehrte. Durch und über die großartigste Gebirgsscenerie nach Chavarias, wo die Comanche's Spuren ihrer Wirksamkeit zurückgelassen hatten: halbverbrannte Säulen, schwarze Wände, todte Brandstätten, verstümmelte Leichname und Grabhügel. In dieser Gegend hielten unsere Reisenden ihre Gewehre stets schußbereit, besonders eines Abends im Mondschein, in welchem sie einen mit dem Dhre am Boden lauschenden Indianer entdeckten. „Eine nackte, menschliche Gestalt, also ein Indianer, hatte die Lage eines am Boden Lauschenden; ohne Zweifel ein Vorposten einer großen Bande. Es wäre also unklug gewesen, auf ihn zu schießen. Ich zog mein Messer und maß vorsichtig meis nen Sprung, mit welchem ich ihn bei der Kehle packte und zugleich mein Messer in seine Brust stieß. Da fühlte ich zu meinem Schrecken an der Kälte und Steifheit seines Halses, daß die Hand des Todes mir längst zuvorgekommen war. Der Mond stieg aus den Wolken hervor und schien auf den hautlosen Schädel eines mit Wunden bedeckten Leichnams. Schaudernd gehen wir weiter und finden einen Leichnam nach dem anderen in verschiedenen Verrenkungen, bis wir neunundzwanzig gezählt haben. In einem erkannten wir einen Zúristen von Mazatlan, der uns eingeladen hatte, uns seiner Expedition anzuschließen. Der Haufen Leichname, das war Alles, was von seiner tapferen und reichlich ausgestatteten Expedition übrig geblieben." Das ist auch eine Mondscheinscene, aber eine mexikanische.

Durango mit einer sechsthorigen Alameda, schattigen Bäumen, Blumenbeeten, kühlen Steinsigen und Rosse tummelnden Caballeros, schönen, aber größtentheils unmoralischen Frauen und Mädchen, Stiergefechten, Musik, Leidenschaft, materieller und sittlicher Maffen-Zerlumptheit. Zuweilen reiten Judianer mit langen Lanzen durch die Straßen, fangen Weiber und Mädchen weg und spießen Andere auf. Soldaten, zerlumpt und nicht bezahlt, stehlen und rauben, find feig und grausam und werden in leßterer Eigenschaft nur von den Indianern übertroffen, wofür Thatsachen sprechen, die wir hier gar nicht

Da Merito nach seiner neuesten Revolution und dem Siege der anzuführen wagen. *) London: Longmans. Berlin, A. Asher & Comp.

Die Hauptstadt Mexiko's, physiologische und geographische Phyflognomie der Umgegend, Klüfte und steile Bergriesen, zwischen welchen

nur der arriero, Mauleseltreiber, gedeiht, mexikanische Räuber und Kampf mit ihnen, Städte, zwischen Klüfte eingepreßt, Abenteuer mit indianischen Räubern und endlich der Haupttitel: Mitla, alte Ruinenstadt (ießt ein indianisches Dorf) aus den Zeiten der Montezuma's, die ausführlich geschildert und durch Illustrationen anschaulich gemacht wird. Die alten Ueberbleibsel ehemaliger original merikanischer Kultur liefern dem Verfaffer soviel Stoff und Zu tereffe, daß er sich mit Liebe dabei aufhält und das Charakteristische derselben genau zu bezeichnen sucht. Wegen dieser Ausführlichteit können wir uns auf eine bloße Nomenklatur nicht einlassen und machen blos auf die hier, wie es scheint, noch rein erhaltene, alte Original-Bevölkerung aufmerksam. Die Leute sind klein und reizend delikat gebaut. Das weibliche Geschlecht erschien ihm überraschend graziös, da es sich noch durch malerische Bekleidung zu verschönern weiß. Die Gesichtszüge sind regelmäßig, fein ausgemeißelt, scharf hervortretend und ausdrucksvoll. Kohlschwärzes, feines, seidenes Haar umflattert ihre lichtbraunen schönen Köpfe und Gesichter, auf denen in der Jugend ein warmer, rother Hauch den Glanz der Augen unter scharf gezogenen Augenbrauen und zwischen langen, horizontalen Wimpern verschönert. Sie sind gutherzig und leidenschaftlich, vertrauungsvoll und großmüthig, obwohl ihre Moral in beklagenswerthem Zustande erscheint. Die verfallene Moral scheint importirt zu sein, nur daß fich die alte Originalraçe hier, besonders in und um Tehuantepec, noch selbst erhalten hat, um Zeugniß abzugeben, was für eine hohe Kultur und ein schöner Menschenschlag durch das allerchristlichste, auch Civilisation verbreitende Spanien ausgerottet und ruinirt ward, um dem brutalsten, verdorbenften Getriebe verlotterter Mischragen und alter spanischer Traditionen Plag zu machen.

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Die,,anglo-sächsische Raçe", wie die gemünzte Phrase lautet, hat sich angewöhnt, mit einer offenbaren Bestimmung" zu heucheln und sich und Andere (besonders Deutsche) damit zu betrügen. Diese soll in Verbreitung der „Civilisation“ über die ganze Erde bestehen. Damit entschuldigt man die hundertjährige Ausbeutung und Demoralisation Indiens, den Raub en gros, die Confiscation des Grundes und Bodens ganzer Königreiche, den Opiumkrieg, das Bombardement Cantons und den neuen Krieg gegen China. Warum machen sie nicht gutwillig auf? heißt es. Wir wollen ja mit ihnen handeln. Das ist eine hübsche Moral. Die eigene Heimat wird vernachlässigt und für Kriegsschiffe und Kanonenfutter ausgesteuert, damit hinten in Asien Völker gezwungen werden, englischen Kattun, Opium 2c. zu kaufen. Sind es nicht auch Menschen, und zwar Menschen, die das Pulver ein Jahrtausend früher erfunden hatten, als wir? Wer hat denn das Recht, ihre Thüren aufzubrechen und ihnen Waaren meuchlings zu verkaufen? In England treiben sich Tausende von Handelsleuten herum, welche durch ganze Armeenreihen grimmig verschloffen gehaltener Thüren verhindert werden, sich Kunden zu verschaffen, ihnen die Faust vor die Nase zu halten und zu schreien: Kauf, Hallunke, oder stirb! Kaufen und Verkaufen sind Akte freien Wahl zwischen Käufern und Kunden. Wer diese Grundbedingung allen menschlichen Zusammenlebens, aller Civilisation irgendwie brutal verlegt, sei es im Kleinen oder im Großen, ist ein Barbar der gemeinsten Sorte, ein Feind der Menschheit im Allgemeinen, Räuber 2c., aber kein mit offenbarer Bestimmung Civilisation verbreitender Christ und Geschichtsführer. Im Gegentheil, statt Civilisation zu verbreiten, wird er durch dieses Geschäft selbst eine Bestie, für die nur eine Corrections-Anftalt als Aufenthalt rathsam wird.

„Doch ,,Doch willst du immer weiter schweifen? Sich, das Gute liegt so nah!" Ist in London selbst nicht manches Gute und Neue passirt, um darüber anerkennend zu berichten? Welche Maffe von Vorträgen, Aus- und Schaustellungen, Konzerten, Theater-Ereignissen! O ja, ganz gewiß, nur daß man hier den Wald vor Bäumen nicht sehen kann. Ich bin auch kein „,3000-a-year-gentleman", der nichts zu thun hätte, als diese 20,000 Thaler jährlich durchzubringen und noch 20,000 Thaler Schulden dazu machen. Ich sehe den Wald, aber auch in der Regel die Bäume nicht. Nur als Mr. Albert Smith seinen Vortrag: eine Reise auf den Mont Blanc, mit den Touren und Scenen im Hintergrunde vorbeiziehend, zum zweitausendsten Male wiederholte und mit der Bemerkung schloß, daß er nun doch ein Bischen müde geworden, wenn auch das Publikum noch nicht, ließ ich mich verführen, diese seit mehreren Jahren als immer neu ziehende Schaustellung zum ersten Male zu besuchen. Während dieser ganzen Stunde kam ich nicht aus Verwunderung und Staunen über diesen Helden und dieses heroische Publikum heraus, daß Ersterer diese Erzählung zum zweitausendsten Male wiederholen, Lesteres sie zweitausend Mal mit Enthusiasmus anhören konnte. So etwas ist noch gar nicht da gewesen. Zweitausend Mal! Es war ganz hübsch und interessant. Der ehemalige Freund Barnum's mit dem großen, rothen Demokraten Barte, Albert Smith, trägt wißig, anmuthig vor, und die Bilder dahinter waren ganz schön. - Das Ganze eine ganz praktische und originelle Art zu reisen aber zweitausend Mal bei diesen schlechten

Zeiten, in welchen das Jahr, wenn nicht Schalt-, blos 313 Tage hat, da die Sonntage in England bei nichts Interessantem und Anmuthigem mitzählen. Welch ein Nervensystem oder gar keins gehörte dazu! Mr. Woodin ist mit seinem „Olio of Oddities", einer bunten Reihe rascher Verkleidungen mit entsprechender Personification, Rede und Gesticulation, auch schon im zweiten Tausend. Die Oddities find eine schlecht zusammengekoppelte Maffe von Persönlichkeiten und Darftellung derselben auf eine ziemlich bajazzoartige Weise, aber Woodin und das Publikum werden nicht müde. Es ist ein etablirtes Geschäft mit Renommée, das desto berühmter wird, je länger es sich hält. Und unter drei Millionen Menschen giebt es auch stets auf mehrere Jahre ein stets frisches Publikum. Solche Geschichten sind blos in der beispiellosen, gigantischen Abnormität Londons, mit einer stehenden Bevölkerung von 24 Millionen und einer kommenden und abfahrenden halben Million mit diesen Nerven, diesem Magen, dieser Unproduktivität möglich.

Das magische Geistesleben, nach Dr. H. B. Schindler.

Das im vorigen Jahre, zur physiologischen Erklärung des in der Geschichte der Menschheit, von ihren ältesten Traditionen bis quf die Gegenwart, vorkommenden „magischen“ Geisteslebens, erschienene Buch von H. B. Schindler) hat, wie jede Vermittelung zwischen zwei sich einander gegenüberstehenden und gegenseitig negierenden Extremen, den größten Widerspruch von beiden Seiten gefunden. Auch uns, die wir zuerst auf dieses gedankenreiche Buch eines Mannes der Naturwissenschaft, der zugleich tiefe Studien der Geschichte des menschlichen Geistes gemacht, in diesen Blättern hinwiesen, find mannigfache Gegenbemerkungen und Antikritiken zugegangen. Wir theilen hierunter eine dieser Einsendungen mit, jedoch nicht ohne eine Erwiederung des Verfaffers des vielbesprochenen Buches folgen zu lassen, mit dem unsere Zeitschrift die Ehre hat, in älteren persönlichen Beziehungen sich zu befinden.

I.

Das unter dem obigen Titel erschienene Buch des Dr. Schindler hat in der gebildeten Welt ein nicht geringes Aufsehen erregt. Auch das „Magazin“ hat durch einige gehaltvolle Artikel nicht wenig dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit auf daffelbe zu lenken. Sollte aber wirklich das Lob, welches dem Verfaffer in so glänzender Weise zu theil geworden, durchweg begründet sein? Wir glauben es nicht. Das Buch des Herrn Verfassers ist vom theoretischen Standpunkte aus von Wichtigkeit gewesen. Es drängt nämlich die Ueberzeugung auf, daß Niemand über ein psychologisches Thema schreiben dürfe, der nicht unbedingt eine tiefe philosophische Naturanlage und ́eine durch gründlichstes Studium der Philosophie herangebildete Begriffs- und Urtheilskraft besißt. Auch wir glauben, daß die Psychologie, bisher ausschließlich in den Gründen der Philosophen traktirt, in nebelhafte und unreelle Gestalten und Gedankendinge verflüchtigt worden ist, und daß die bloßen Philosophen ihres Prinzips wegen die Seele und ihr geheimnißvolles Weben und Leben durch Anwendung von Kategorieen entweder in etwas Todtes und Starres umgewandelt, oder wie Herbart und die Materialisten Moleschott und Büchner, in ein bloßes Aggregat von Stoffen umgeschaffen und verdreht haben. Die Seele und der Körper find innerlich und äußerlich in sich verschlungene Dinge. Es fragt sich: welches von beiden hat die Präponderanz? Wir glauben, weder die eine, noch der andere. Beide Faktoren des Menschen sind gleichberechtigt. Ist dies der Fall, so wird die Psychologie auch die Medizin bei ihren Forschungen schwesterlich zu Rathe ziehen müssen, und wahrscheinlich wird es mit der Zeit dahin kommen, daß neben einem Rosenkranz, Erdmann und gleichen Denkern reine Aerzte und Fachmänner wie Burdach, Clarus u. f. w. vom Erforschen des Psychischen auch das wahre Wesen des Lebens der Seele nicht blos erläutern, sondern auch erkennen und in eine systematische Gliederung werden bringen helfen. Der Arzt Schindler mag Manches wissen, Manches erfahren und Manches gehört und gelesen haben. Ein Schriftfteller über ein Kapitel der Psychologie ist er seinem inneren Berufe nach nicht (?). Uns ist es bei der Lektüre seines magischen Geistesleben ergangen, wie jenem alten Oberförster, der plößlich in einen Blumengarten schöner Nedensarten geführt wird, nicht recht weiß, was man von ihm will, allmählich Magendrücken bekommt und erst nach und nach inne wird, daß er an Indigestion leidet, weil er den Wortschwall unausgeführter Gedanken und die Häufung geborgter Citate nicht verdauen kann und sich nach dem majestätischen Dom seines Forstes sehnt, wo die Gedanken über Gott, Freiheit und Unsterblich. teit in ernsten, aber zugleich heiteren Zügen an feinem Geiste vorüberziehen und ihm zurufen: „Nicht jenseits, sondern diesseits des Grabes ist die Gerechtigkeit, Mensch, du stehest mitten drinnen im

Breslau, B. G. Korn, 1857.

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