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ist. Marschall Vaillant, Kriegsminister and Mitglied der Akademie der Wissenschaften, hat erklärt, daß seine Verwaltung bereit sei, die verlangte Mitwirkung zu leisten. Ein russischer Geometer, Perewosch tschikov, hat aus den Berechnungen des Pariser Meridians nachgewiesen, daß die Abplattung der Erde nur betrage, während nach den in Indien angestellten Rechnungen und den am Pendel gemachten Beobachtungen auf sie s des Erddurchmessers käme. Dergleichen Fragen dürften ihre Lösung finden.

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Der zweite Abschnitt ist der Physik gewidmet. Als wichtig wird. das Werk eines englischen Privatmannes, feines Gelehrten von Pro feffion, angezeigt und besprochen, das von dem Abbé Moigno ins Französische überseht worden ist. Es würde im Deutschen den Titel führen: Die Wechselwirkung der Naturkräfte". Der Name des Verfaffers ist W. R. Grove, Mitglied der königlichen Gesellschaft zu London, seinem Berufe nach ein hochstehender Jurist und königlicher Rath. Man verdankt den Beschäftigungen seiner Muße eine große Anzahl wichtiger Erfahrungen und neuer Thatsachen in der Physik und Chemie. Ueber den Zweck seines Buches spricht er sich in der Vorrede folgendermaßen aus:

,,Die Aufgabe, die ich in diesem Versuche mir gestellt, geht auf die Feststellung des Saßes hinaus, daß die verschiedenen Raturkräfte, welche den Gegenstand der Experimental-Physik ausmachen, das heißt Wärme, Licht, Elektrizität, Magnetismus, chemische Verwandtschaft und Bewegung, unter sich innige Verwandtschaften zeigen und wechsel weis von einander abhängig sind. Keine dieser Kräfte fann im un bedingten Sinne die nothwendige und wesentliche Ursache der anderen genannt werden; aber jede von ihnen kann alle anderen hervorbringen oder von ihnen hervorgebracht werden; alle können unter gewissen Bedingungen in einander übergehen."

Diese Säße werden nun durch eine Menge Beweise und Erperimente erhärtet Bewegung, plötzlich gehindert, tritt als WärmeErzeugung auf, Wärme wird Bewegung — überall, wo die Bewegung aufhört in sichtbarer Form der Ortsveränderung zu erscheinen, wird sie die genauere Beobachtung in ihrer unsichtbaren Erscheinungsweise als Wärme wieder auffinden. Umgekehrt ist Minderung der Tempe. ratur das Anzeichen einer nachlaffenden oder gehemmten Bewegung. — Ebenso wie die Bewegung Wärme hervorbringt, kann sie Elektrizität, Magnetismus, Licht und chemische Verwandtschaft erzeugen.

Das Buch des Herrn Grove ist also wesentlich ein Beitrag zu dem, was wir in Deutschland Naturphilosophie genannt haben. Nach dem, was wir aus der uns vorliegenden Mittheilung entnehmen können, bleibt es auf dem gesicherten Boden der Thatsache und zieht allgemeine Schlußfolgerungen nur nach festen Vordersägen und nicht ohne zwingende Nothwendigkeit, was unstreitig auch der richtige Weg ist. Denn unsere deutsche Naturphilosophie hat sich durch ihre Ungeheuerlichkeiten, durch ihre haltlosen Schlüsse selber das Urtheil gesprochen; der jeßige anscheinend ungeheuer verständige und nüchterne, aber der Sache nach ebenso phantastische Materialismus bildet den natürlichen Rückschlag. Die Naturforscher sollten sich doch vor Allem recht klar und deutlich zu machen suchen, was man weiß und was man nicht weiß, und was man nicht wissen kann. Es ist richtig, wir bestimmen eine Menge einfacher Kräfte, Wärme, Licht, Elektrizität, chemische Verwandtschaft wir sehen, wie sie im Zusammenhang, in Wechselwirkung stehen und nach allen Experimenten, Versuchen, Erfahrungen, Berechnungen, was haben wir? einen ganz allgemeinen, nicht näher bestimmbaren Saß, den Thales und Anaximander so gut einsehen und begreifen konnten, wie wir. Was wir Kräfte nennen, Find Erscheinungsformen, die Proteuswandlungen eines unbekannten X, über das sich nichts weiter sagen und behaupten läßt. — Man hat diesem Urproteus eine Menge seiner Kniffe abgelernt; es ist richtig: man weiß jezt vielleicht, wie er den kleinen Finger bewegt, während man im Alterthum nur das Schütteln seines Hauptes beobachtet aber Proteus ist der Alte und enthüllt sich unseren neueren Retorten-Zauberern ebensowenig, als jenen alten Beschwörern. Was ist Kraft, was ist Stoff, was Bewegung - ja, wenn wir das wüßten. Ich las vor einiger Zeit den Aufsaß eines der entschiedensten MateriaListen über die Natur des Stoffes. Weder die Atomen- Theorie, noch die neuere Lehre, nach welcher die Materie aus sogenannten Kraft centren besteht, fand Gnade vor den Augen des Gewaltigener verwarf beide mit dem Donner seiner Rede und dekretirte dann: „Die Materie ist Bewegung". Macte virtute, generose puer! sehr gut die Materie ist Bewegung Thales, Anarimenes, Heraklit, Plato, Aristoteles und zahllose andere würdige Graubärte erhoben sich im Philosophenhimmel und schlugen sich an ihre haarlosen Stirnen mit dem Ausrufe: „D, über mich Dummkopf, daß ich darauf nicht gekommen bin!" ich aber, in meiner philiftrösen Beschränktheit, stellte die einfältige Betrachtung an, daß zur Bewegung bisher immer zweierlei gehört habe, ein Bewegendes und ein Bewegtes; wie die Bewegung das Ding selber sein könne, das sich bewegt, das begriff ich nicht, es ging mir, wie dem Strepsiades in der Spintisirbude bei

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Sokrates, und so wird es auch vielen Anderen ergangen sein. Man giebt dem mathematischen Punkte Bewegung, und siehe da, man hat die Weltman imponirt mit Taschenspielerstückchen, und das große Publikum legt einer Sache ungeheure Wichtigkeit bei, die so hohl und windig ist, wie nur eine.

Wir wissen nur soviel, als erperimentirbar ist. Die Gründe des Daseins sind in Dunkel gehüllt und offenbaren sich nur gleichsam wie die Muskeln, die unter der Haut laufen und sich bewegen. Die Erkenntniß dieser Wahrheit würde vielen Naturforschern von Nußen sein, sie würden von falschen Theorieen, von Selbsttäuschung, namentlich von dem verbissenen Fanatismus befreit werden, der sich so unangenehm bemerklich macht; sie würden nicht auf Gebiete über schweifen, auf denen sie nicht stimmfähig sein können. Demnächst werden in diesem Abschnitte Mittheilungen über den sogenannten Kugelzustand (état sphéroïdal) gemacht, den Boutigny, der Entdecker (wenn man so will) desselben, gern als vierten Elementar-Zustand (fest, flüssig, luftförmig) geltend machen möchte: eine Sache, die noch einigen Bedenklichkeiten unterliegen dürfte. Da von dieser neuen physikalischen Theorie, die durch eine Gruppe von WärmeErscheinungen und darauf gegründeter Experimente entwickelt wurde, bereits mehrfache Mittheilung geschehen ist, so können wir uns eines näheren Eingehens wohl überheben. Interessant ist ferner die Art und Weise, wie ein junger Gelehrter (Lissajour) darauf gekommen ist, die Tonschwingungen sichtbar zu machen. Sein Verfahren, das wir hier nicht umständlicher auseinanderseßen können, läuft darauf hinaus, daß von einer schwingenden und folglich tönenden Saite ein photographisches Bild aufgefangen wird - je nach Höhe und Tiefe der Töne sind diese Bilder verschieden. Andere Erfindungen und Verbesserungen auf dem Gebiete der Physik (neue Dampfmaschinen in verbesserter Construction, Voltaische Säulen mit dreifacher Berührung, neue Barometer, Zuckergehaltmesser u. s. w.) gehören zu sehr der Technologie und strengen Fachkenntniß an, als daß wir hier auf sie näher eingehen könnten. Mit Anerkennung wird einer deutschen Erfindung gedacht, des Teleftereoskops von Helmholz, welches Alerander v. Humboldt in seinem Kosmos bereits lobend erwähnt. Sie besteht bekanntlich darin, auch in der Ferne den Eindruck des natürlichen Vorspringens hervorzubringen, was das gewöhnliche Stereoskop in der Nähe leistet; man sieht dadurch z. B. ferne Berge in Relief.

Auch der nächste Abschnitt, der die Ueberschrift,,Chemie" trägt, bietet des Interessanten nicht wenig; doch müssen wir uns genügen lassen, nur einige der Hauptartikel namhaft zu machen: Neue Verfahrungs-Arten bei der Eisenfabrication. Die bisherigen Systeme: die englische Puddlingsmethode; die preußische Methode von Bromme und Krupp die von Bessemer in London u. f. w. Die künstliche und Krupp Erzeugung von Edelsteinen – das Bor und seine Anwendung beim Schneiden und Poliren der Edelsteine Anwendung des trockenen Collodiums in der Photographie die Mumien von Peru die Balsamirkunst der alten Peruaner u. f. w.

Im nächsten Abschnitt (Art de construction) ist vom Suezkanale die Rede, worüber wir gleichfalls bereits ausführliche Mittheilungen gebracht haben; ferner von dem Durchstich der Alpen in Piemont zum Zweck der Weiterführung der Viktor - Emmanuel - Eisenbahn. Bekanntlich soll sie über den Mont Cenis führen.

Sehr interessant ist ferner das umständlich mitgetheilte Projekt eines unterseeischen Tunnels zwischen Frankreich und England, das sogar durch eine sehr schön gestochene Karte und Abbildungen und Pläne nach allen Seiten hin erläutert wird. - Wie gesagt, auf dem Papier sieht es sehr schön aus, das Profil des Meeresbodens nimmt sich sogar recht gemüthlich und ungefährlich aus. — Westwärts von Calais, beim Städtchen Marquise, mündet der Tunnel ein in eine Schicht von Orfordthon, Dolith u. s. w. und senkt sich dann allmäh. lich bis über die Mitte des Kanals hinaus, woselbst unter einer Untiefe, die nahezu an die Oberfläche des Meeres stößt, eine Station der unterseeischen Eisenbahn sich befindet; von hier steigt die Bahn allmählich wieder und kommt westlich von Dover bei Eastware ans Tageslicht. Außerdem werden über dem Laufe der Bahn noch zwei kleine Inselchen geschaffen - auf dem Kap Grinez in Frankreich, wo die erfie Station hinter Marquise ist und ein senkrechter Stollen in den Tunnel führt, und über der unterseeischen Eisenbahnstation steht ein Leuchthurm - Urheber dieses Projektes ist der französische Jugenieur Thomé de Gamond. Uebrigens ist, Me wir bei dieser Gelegenheit erfahren, der Plan einer solchen unterirdischen Verbindung durchaus nicht neu, indem ein ähnlicher bereits 1802 dem ersten Konful Bonaparte von dem Genie - Offizier Matthieu vorgelegt wurde, natürlich damals nicht mit der Aussicht auf eine Eisenbahn. wird schwer sein, in heutiger Zeit, wo man sich Alles zutrqut, wo man Unerhörtes unternimmt und auch ausführt, die Gränze zu bestimmen, wo die Möglichkeit aufhört und die Chimäre anfängt. Es ist möglich, daß wir zu schüchtern und befangen urtheilen — aber das scheint denn doch eine Chimäre zu sein, ähnlich derjenigen, worin, sich die

Franzosen kurz vor der französischen Revolution gefielen, wenn sie auf Luftballons eine Armee nach England werfen und von oben her bombardiren wollten. Und was könnte ein solcher Tunnel, der ohne Zweifel mit großen Unbequemlichkeiten und Gefahren verbunden fein würde, für einen besonders praktischen Nugen haben? — den Passagieren die Seekrankheit ersparen, um sie dem Erstickungstode preiszugeben?! Der Londoner Themse-Tunnel soll, nach einstimmigem Urtheile, heutzutage eine bloße Kuriosität sein. Es giebt doch Manches in der heutigen Welt-Industrie, was an Laputa, was an die Insel der Ueberstudirten von Swift erinnert — wie schön Swift geometrisch den Beweis führt, daß jene Insel vermöge der Wirkung des Magneten in der Luft schweben könne! (Schluß folgt.)

Türkei.

Drakel der Türfen.

3weiter Artikel.*)

Die türkische Flotte.

Ein Fall, wo man den Ausspruch des Mufti, ob er sich gleich alle Mühe gegeben hatte, seiner Meinung Eingang zu verschaffen, nicht mit Beifall aufnahm, ihn ignorirte und ihm zuwiderhandelte, er eignete sich im Jahre 1647 unserer Zeitrechnung, wo der Großwesir Kutscha Muhammed Pascha zur Verwaltung der Angelegenheiten des ottomanischen Reiches berufen worden war und eine Berathung über den Zustand der Flotte angestellt wurde. Mehrere trugen hier die Ansicht vor: weil die Nicht-Muslemen auf Galionen die Meere durch wanderten und diese in der Schlacht, vom Winde getrieben, den Kaderghen, d. h. Galeeren von 24 Ruderbänken, vorkämen, die ottomanische Flotte also, um nicht umzingelt zu werden, nothwendigerweise zurückweichen müßte; weil es bei diesem Nachtheile nicht verbliebe, die Feinde sogar es wagten, vor dem Bosporus von Konstantinopel Anker' werfend, den türkischen Schiffen den Ausgang zu verlegen, indem die Galeeren ihnen nicht die Spiße bieten könnten, so sei es verständig, daß auch von ihrer Seite Galionen erbaut würden, damit mit der Galion gegen die Galion gekämpft werde.

: Da wurde der Scheicho' l Islam, Abdo'rrahim Efendi, ein Fakir, herbeigerufen, über diesen Gegenstand zu Rathe gezogen und ihm die Frage vorgelegt: „Ob zur Zeit der Vorfahren die Kapudane des ottomanischen Volkes mit Galionen auf ihre Expeditionen zur See ausgegangen wären?" Er antwortete:,,In den Chroniken sei geschrieben, daß, wenn große Flotten ausgelaufen wären, wie zur Eroberung der Insel Cyprus und des Schlosses Chalko' I wad, zum Transporte der Armee, der Kanonen und der Bedürfnisse, Galionen, Portonen und alle Arten von Schiffen angewandt worden wären; zum eigentlichen Kriegsgebrauche jedoch wären blos die Galeeren und die Maonen bestimmt gewesen; Chairo'ddin Pascha habe mit 104 GaLeeren so vielen Galionen und Galiotten gegenüber gestanden, mit ihnen gekämpft und den Sieg davongetragen. Wenn man spreche: "Jeht aber ist es nöthig, Schiffe zu bauen"", so sei dies kein Ruhm. Nach Vervollkommnung der Kanonen und der nothwendigen ZurüstungsGegenstände beschaffet dienstthuende gescheidte Schiffsleute und Kanoniere! Indem ich dies sage, bediene ich mich der eigenen Worte des Verewigten". So sprach er mit Eifer und Ergriffenheit. Man vermochte es aber nicht, ihm beizupflichten, und zog wirklich, an das Fetwa fich nicht kehrend, das Bauen größerer Schiffe vor.

Dieser nicht berücksichtigte Ausspruch eines Mufti dient wiederum zu einem Zeugnisse und Kommentare über das türkische Volk, seine Führer und insbesondere seine Marine in den späteren Zeiten. Denn man kann gar nicht sagen, daß der Mufti Abdo’rrahman sich hier als ein Unberufener in den Rath der weltlichen Obern gedrängt und den Forderungen der Klugheit und Sachkenntniß gegenüber, aus bloßem Fanatismus, eine Meinung, wie sie ein Fakir haben kann, durchzuseßen versucht habe. Auch waren seine Citate aus der Geschichte ganz richtig und führten natürlich zu der von ihm am Schlusse seiner Beantwortung mit Wärme ausgesprochenen Ermahnung.

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Mit der großen Flotte, die man zur Eroberung der Insel Cypern sandte, war es augenscheinlich zunächst auf keine See-Expedition ab gesehen, hauptsächlich vielmehr darauf, das große Heer mit seinen Geschüßen und Vorräthen dorthin zu verseßen. Die Aufzählung der Schiffsarten von Chadschi Chalifa und v. Hammer könnte den Mufti der Untreue des Gedächtnisses zeihen, da Beide bei diesem Zuge gar keiner Galionen Erwähnung. thun, wenn nicht von Portonen darin die Rede wäre. Diese gehören nach Chadschi Chalifa's Beschreibung der türkischen Schiffarten zu dem Geschlechte der Galionen, sind nach ihm die von Alters her einzig gebräuchliche Art derselben bei den Türken und geben sich durch ihren Namen schon als Transportschiffe zu er kennen. Als aber im Jahre 1573 eine Expedition nach Chalfo' I wad unternommen wurde, einer Festung, welche die Spanier auf einer *) Vgl. Nr. 36 des,,Magazin".

kleinen Insel gerade vor Tunis angelegt und stark armirt hatten, um Tunis und die ganze Umgegend sich damit zu sichern, da waren ebens falls keine bedeutenden Seetreffen in Aussicht, weil die Venezianer kurz zuvor mit den Türken Frieden geschlossen hatten, die Spanier aber allein sich nicht in eine Seeschlacht mit ihnen einzulassen Lust haben konnten. Wiewohl man also die große Zahl von 268 Galeeren und Galioten, 15 Maonen und 15 Galionen mit 48,000 Ruderern dahin sandte, so war doch auch hier der Hauptzweck, die große, aus allen Ländern des türkischen Reiches in Europa, Asien und Afrika zu sammengezogene Armee mit ihrem Gepäcke hinüber und zurück zu führen. - Niemals aber hatte, auch das war richtig, die türkische Flotte bedeutendere Siege erlangt, einen größeren Namen gehabt und fich furchtbarer gezeigt, als unter der Anführung des ehemaligen Pi raten Chairo'ddin, der, von seinem rothen Barte,,,Barba rossa" ge nannt wurde, und dieser hatte immer nur mit Ruderschiffen der kleineren Gattung gegen seine zahlreichen Feinde gefochten. Die Schlacht, wo er am meisten in Gefahr war, und aus der er am glänzendsten hervorging, fiel im Jahre 1538 n. Chr., den 25. September, einige Meilen von der Stadt und dem Meerbusen von Prevesa, an der Küste Albaniens vor. Es hatten sich hier gegen ihn vereinigt 52 spanische Galeeren unter Andrea Doria, 70 venezianische, 30 von Seiten des Papstes, 10 von Seiten der Insel Rhodus; außerdem 60 portugiesische und spanische Partschen (Briggs), 10 venezianische Karaken, wovon jede 2000, Streitern und 50 Galeeren gewachsen gewesen sein soll, und eine große Galion des Andrea Doria, die einen unermeßlichen Vorrath von Kriegswerkzeugen und Munition an Bord führte. Mit den noch von anderen Orten her gekommenen kleineren Schiffen belief sich die Zahl der Segel auf mehr denn sechshundert. Die Islamiten dagegen unter Anführung des Chairo'ddin hatten nur 122 Galeeren.

Wenn der türkischen Erzählung, die im Wesentlichen mit der der Christen übereinstimmt, Glauben beizumessen ist, war der Verlauf der Schlacht dieser: Die Flotte der Alliirten fam des Morgens ungefähr um 9 Uhr mit günstigem Winde in den Anblick der türkischen und hatte das Unglück, daß, gerade in dem Momente der Gegenüberstellung, dieser sich legte, ein Umstand, den die Islamiten einer übernatürlichen Einwirkung ihres Anführers zuschrieben. Die Schlachtordnung der Alliirten begann nun eine heftige Kanonade, in der sie meistentheils mit ihren Kugeln die Schiffe der Türken nicht erreichten. Die große Galione des Andreas Doria wurde demnach weiter vorgeführt. Chairo'ddin verfuhr dagegen nach seinem stets befolgten Grundsaße, ein sehr starkes Schiff nicht in der Nähe anzugreifen, sondern durch Schüsse aus der Ferne zu schwächen und unbrauchbar zu machen. Durch diese Methode zur Zielscheibe unzähliger wohlgezielter und kräftiger Schüsse geworden gezielter und kräftiger Schüsse geworden denn die Piraten waren geübte Schüßen, und Barbarossa hielt, beiläufig gesagt, vornehmlich auf gutes Pulver — mußte sich das Riesenschiff zurückziehen. Hierauf ließ man die Partschen oder Briggs, deren die Alliirten eine so große Zahl besaßen, weiter vorrücken und die Kanonade aufs neue eröffnen. Auch mit diesen ließ sich der türkische Feldherr vor der Hand auf keinen näheren Kampf ein, sondern wehrte sie gleichfalls durch wohlgezielte Schüsse aus der Ferne ab, die sie bald genug schwächten und zum Rückzuge veranlaßten. Jezt führten Andrea Doria und der venezianische General die Galeeren hervor, zu fechten in tapferem Kampfe. Als Chairo'ddin diese erblickte, befahl er, sogleich auf sie loszurudern; sie erschienen ihm als die zum näheren Kampfe passenden Gegner. Man gehorchte, und im hißigen Anstürmen hatte man bereits, nach einer früher gegebenen Anweisung, zuerst die Geschüße zu lösen und dann sich nach seinem Beispiele zu richten, d. h. die Schiffe mit dem Säbel in der Hand anzugreifen, die Feuerschlünde ihre Flammen speien lassen, als die feindlichen Briggs, einen Regen von Kanonenkugeln ausschüttend, die islamitischen Schiffe umsegelten. Im Rauche des Feuers beider Flotten konnte Keiner den Anderen sehen, während die Galeeren der Alliirten ebenfalls mehr als einen Versuch machten, die Schiffe Chairo'ddin's zu umzingeln und zwischen sich selbst und den Briggs eingeschlossen zu halten. Vergeblich! Auf einmal wandte sich Chairo'ddin und fiel nicht blos fie und die Briggs von einer anderen Seite an, sondern kam sogar diesen durch ein schnelles Manöver in den Rücken. Neun dieser Schiffe, die früher die des Chairo'ddin umsegelt hatten und die jegt zusammengefettet, untrennbar, wie eine Festung, vor ihm dastanden, umzingelte nun der türkische Pascha, ließ Feuer auf sie geben, enterte sie unter muhammedanischem Kriegsgeschrei, versenkte mehrere von ihnen und bahute sich mitten durch sie hindurch einen Weg zu den Galeeren. Diese verseßte der löwenartige Angriff der Türken in Bestürzung; es war ihnen nicht möglich, stehen zu bleiben; sie flohen, und Andrea Doria hinter ihnen her. Die meisten Briggs sanken, von Kanonenkugeln durchlöchert; einige, die auf dem Kampfplage liegen geblieben waren, wurden von ihren eigenen Leuten angezündet und zerstört. "Die Briggs sind in unserer Hand, doch wir suchen die Galeeren",

so sprechend, verfolgte man auch diese und erbeutete zwei derselben, eine venezianische und eine päpstliche, da alle Plünderung der Briggs verboten worden war, mithin jeder Aufenthalt, der den Sieg hätte schwächen können, verhindert wurde. Den anderen Morgen fandte Chairo'ddin feinen Sohn mit dem Siegesbriefe und zwei gefangenen Capitanen an den Sultan, ihm selbst wurde zu Prevesa von den Beyen ehrfurchtsvoll die Hand geküßt.

Darin hatte der Mufti Abdo'rrhaman also auch Recht, daß in früheren Zeiten Chairo'ddin, troß seiner kleinen Schiffe, über eine aus viel mehreren und viel größeren und stattlicheren Schiffen be stehende Flotte der Nicht-Muslemen den Sieg davongetragen hatte. Die Mittel indessen, wodurch Chairo'ddin's Flotte gesiegt hatte, waren feine kluge Vorsicht, der Muth und das Vertrauen, die der alte Pirat den Seinigen einzuflößen gewußt hatte, die Geschicklichkeit und Uebung im Rudern und in den Schiffs-Manövern, die er ihnen beigebracht, die strenge Disziplin, womit er die Raubgierigen in Ordnung hielt, die gute Einrichtung und Ammunition der Schiffe. Diese Dinge auf der türkischen Flotte wieder einzuführen, war gewiß bei weitem wich tiger, als der Bau großer Schiffskörper. Durch den Mangel daran war es geschehen, daß damals die chriftliche Flotte besiegt wurde; durch den Mangel daran, daß später die türkische Seemacht immer tiefer gesunken war; durch diesen Mangel, daß man die türkische Flotte im legteren Jahre in den Bogâs, oder die Straße der Dars danellen, eingesperrt hatte und der Sultan, der es dem bösen Willen des Befehlshabers, Amar Sade, zuschrieb, diesen hinrichten ließ. Wenn es aber einerseits sehr beschämend war, sich dies eingestehen zu müssen, so war es andererseits bei weitem schwieriger, diese Herzhaftigkeit, die der bedeutend gefahrvollere Krieg auf dem Meere erfordert, diese besonnene Vorsicht, diese Geschicklichkeit, Uebung, Ordnung und Fürforge den Türken beizubringen, als größere Schiffe zu erbauen, was nach den von Chairo'ddin selbst gemachten Erfahrungen allerdings auch als ein Bedürfniß, aber keinesweges als ein so dringendes und unabweisbares anzusehen war; darum fand man sich dem sehr weifen, eine Reformation der türkischen Marine fordernden Fetwa abgeneigt, baute Galionen und Maonen und ließ das Andere in seinem vorigen Zustande. Und so enthält der verachtete Ausspruch des Mufti Abdo'rrhaman, außer einem redenden Zeugnisse von der schlechten Beschaffenheit des damaligen Zustandes des Seewesens bei den Türken, auch einen Kommentar über seine spätere, durch Jahrhunderte fortwährende schlechte Verfassung und deren Ursachen.

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Man liest mit Erstaunen unter den vierzig Korfaren-Regeln, die am Schluffe der Beschreibung der türkischen Seekriege von Chad schi Chalifa beigefügt werden, um einem Befehlshaber der ottomanischen Flotte zur Beachtung zu dienen, unter Nr. 21: Der türkische Admiral folle nie sich in eine Schlacht einlassen, wenn seine Schiffe dem Gestade von Rum Jli oder Anadoli nahe ständen und der Feind in dieser Stellung ihm sichtbar würde. Er solle sich stellen, als sähe er ihn nicht. Nur wenn die feindliche Flotte am Ufer stände, oder wenn beide Flotten auf dem hohen Meere sich befänden, sei es ihm erlaubt, den Kampf zu wagen." Diese Vorschrift schöpft aus der Kriegsgeschichte selbst ihr Motiv in der Furcht, welche die Gefahr des Kampfes auf dem Wasser einflößte, und der durch Beispiele gerechtfertigten Besorgniß, die Neigung der Seefoldaten werde im Falle der Ufernähe überwiegend sein, sich auf das Land zu werfen und davonzulaufen. Schlechter kann man die Luft des türkischen Seefoldaten zu seinem Berufe, feinen Kriegsmuth, seinen Willen, für Vaterland und Glauben zu kämpfen, nicht schildern. Wie stimmt dics mit der Begeisterung für ihr Volk und ihre Religion, deren sonst die islamitischen Völker sich rühmen!

Das war die Frucht davon, daß man als den Vorzug einer Flotte die großen Schiffskörper, nicht die tapferen, biederen Männer-Seelen betrachtete und folglich kein geeignetes See-Corps bildete; daß man den Timarioten und Zaims, welchen, wegen ihrer Besizungen, es zukam, zur See zu dienen, gestattete, an ihrer Stelle Knechte zu schicken; daß man erst, je nach dem Drange der Umstände, Sklaven zusammenraffte und rohe Bauerburschen aushob, um einen Sommer Tang für Geld den Flottendienst zu versehen; daß man, weil diefe das Rudern nicht verstanden, allerhand Seeräuber und anderes Spiß. buben-Gesindel an die Ruder stellte, die beständig bewacht werden mußten; daß man zu Schiffsbauleuten und Artilleriften fast nur Ausländer, Italiäner und Franzosen nahm, die in eigener Sprache, dem sogenannten Fränkischen, kommandirt werden mußten; daß man trügerische Renegaten zu Kapitänen machte; daß man die Stelle des Tersana Emini, oder Aufsehers des Arsenals, von dem die Verproviantirung und Ausstattung der Schiffe abhing, für eine hohe Kauf

fumme bewilligte, die geborgt und durch Defraudation getilgt zu werden pflegte.

Kaum stand unter solchen Umständen die richtige Behandlung und Leitung der Schiffe zu erwarten, geschweige daß man die Treue und Vaterlandsliebe und patriotische Begeisterung hätte hoffen können, die uneigennüßig fich den größten Gefahren unterzieht. Unzählige Un glücksfälle entstanden aus Nachlässigkeit. Feigheit, Unkenntniß der Geographie, Tollkühnheit, und nicht selten machte man die Erfahrung, daß Schiffe, die meist mit früheren Freibeutern bemannt waren, mitten in der Schlacht davonfuhren. Endlich kam es dahin, daß man, wie sehr man für den Bau großer Schiffe gewesen war, erschöpft durch den langen Krieg gegen Kandia, sich gern mit kleineren bea gnügte, weil man entweder gar keine Matrosen hatte, größere zu bemannen, oder gegen die Venezianer und anderen Seemächte nichts ausrichten zu können fürchtete, die Maonen ganz abgeschafft wurden, hinsichtlich der Galionen aber in der 36ften Schiffregel festgestellt wurde, daß man sie niemals zur Begleitung der Schiffe außerhalb des Bogas mitnehmen solle, weil sie nur ein Hinderniß wären und eine Fessel. Wahrlich, also ein sehr gerechtfertigtes Fetwa! Wenn es ein Ruhm der Drakelsprüche war, durch die Zukunft gerechtfertigt zu werden, so hat dies diesen Ruhm vollständig geärndtet!

Deffenungeachtet können wir Europäer mit dieser Verblendung, welche unsere östlichen Nachbarn die Wahrheit anzuerkennen hinderte, sehr zufrieden sein. Giebt es doch kein Reich, das eine schönere, mächtigere Flotte zu haben geeignet wäre, als das türkische. Kein Land ift ringsum mit bequemeren Häfen und Buchten versehen, keines ift geeigneter, die zwischen Europa, Asien und Afrika wogenden Meere zu beherrschen, keine Nation hatte eine so bequeme Gelegenheit, die indischen Meere zu beschiffen, als die, welche sich den Türken im Hafen von Suez darbot, den man auch deshalb durch Durchstechung der Landenge noch bedeutender zu machen, schon früh den Plan faßte. Dazu hat dies Reich die herrlichsten Wälder längs des Schwarzen Meeres und im Hintergrunde des Meerbusens von Nikomedien, um das beste Schiffsbauholz daraus zu ziehen, und jedes andere Material bis auf die Mund- Provision in Ueberfluß. Selbst am Gelde, dem nervus rerum gerendarum, hat es nicht immer gefehlt. Als nach einer verlorenen Schlacht im Jahre 1571 ein neuer Schiffsbau angeordnet wurde und der Kapudan Kalidsch Pascha immer äußerte: „Das Schiffsgefäß zu bauen ist leicht, aber für 200 Schiffe 5 bis 600 Anker, die dazu gehörenden Taue, Segel und übrigen Geräthschaften vollkommen darzustellen, ist unmöglich!" erwiederte der Wesir Muhammed Pascha: Die Macht des Sultans ist von der Art, daß er alle Anker der Flotte von Silber, ihre Taue von Seide und ihre Segel von Atlas könnte fertigen lassen. In welchem Schiffe du ein Utensil nicht findest, nimm es in dieser Art von mir!" - Aber welch ein Glück, daß ein Reich, dessen Grundfaß die Eroberung ist und welches das kräftigste Hülfsmittel dazu in einer tüchtigen Flotte gehabt haben würde, immer mehr seine Schiffsmacht und Herrschaft zur See verlor! D. P―r.

Mannigfaltiges.

Afrikanische Archäologie. Die archäologische Gesellschaft der algerischen Provinz Konstantine hat soeben den dritten Band ihrer,,Annalen" herausgegeben, die ein ebenso reiches, als wiffenschaftlich interessantes Material enthalten. Es befinden sich darin unter Anderem folgende Artikel:,,Schreiben des Dr. Judas über die libyschen, punischen und berberischen Inschriften in Numidien. -Notiz über das Madr'acen, oder das Gravmal des Syphar, vom Kommandanten Foy. - Arabische Inschriften der Provinz Konstantine.— Notiz über die Lage mehrerer römischer Städte in dem Gebiete von Batna, vom Hauptmann Payen. Batna, vom Hauptmann Payen. Neu entdeckte Inschriften und eine byzantinische Wafferkammer in Lambessa, vom Hauptmann Moll. Verzeichniß der in der Provinz Konstantine 1857 und 1858 entdeckten lateinischen Inschriften, von Cherbonneau."

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Preisfrage, das Theater betreffend. Die Akademie der ,,Jeux Floraux" in Toulouse hat für das Jahr 1859 die folgende Preisfrage ausgeschrieben: Woher kommt es, daß in unseren Tagen das feinere Luftspiel von der. Bühne verschwunden ist, und zwar um dramatischen Arbeiten Plaz zu machen, in welchen die Sittlichkeit nicht minder als die Kunft verlegt wird?" - Herr Alex. Dumas der Jüngere wird vielleicht mit Hülfe feines Herrn Vaters diese Frage am erschöpfendsten beantworten föunen..

Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Dreie jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 gr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

N® 67.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallfir. Nr. 21), sowie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Frankreich.

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Berlin, Sonnabend den 5. Juni.

Louis Blanc's neueste Schrift über die Februar-Revolution.*) Vor einiger Zeit hatte der Marquis von Normanby, ehemaliger Botschafter Englands in Paris und später Gesandter in Florenz, und vortheilhafter bekannt durch seine fashionablen Romane als durch seine diplomatische Thätigkeit, es für gut befunden, dem Publikum seine Erinnerungen aus dem Revolutionsjahr 1848 mitzutheilen, die sich durch eben so große Vorsicht in Bezug auf die jest in Frankreich herrschenden Persönlichkeiten, wie durch schonungslose Be- und Verurtheilung der gefallenen Parteien der Orleanisten wie der Republikaner, der Blauen" wie der Rothen" - auszeichnen. Die auszeichnen. Die schärfften Pfeile des edlen Marquis find gegen die Mitglieder der provisorischen Regierung und namentlich gegen Louis Blanc gerichtet, den er gleichsam als den Prügelknaben für alle Fehler und Verirrungen des,,tollen Jahres" zu behandeln scheint. Der federfertige Erulant ist jedoch nicht der Mann, dergleichen Beschuldigungen auf sich figen zu lassen; er hat vielmehr ohne Säumen eine 500 Seiten lange Gegenschrift veröffentlicht, die, während sie zunächst die Grundlosigkeit der von Lord Normanby auf ihn gemachten Angriffe nachzuweisen sucht, zugleich mancherlei Details von allgemeinerem Interesse über die Februar-Revolution sowohl als die ihr unmittelbar vorhergehende Periode enthält und das Verhältniß Louis Napoleon's zu der republikanisch-sozialistischen Partei in ein neues und pikantes Licht stellt.

In seiner Vorrede erklärt sich Louis Blanc über die Ursachen, die ihn bewogen haben, seine Rechtfertigungsschrift in englischer, statt in seiner Muttersprache abzufassen. Es wird", sagt er, stets der Ruhm Englands sein, daß es in Europa in der Mitte des neunzehn ten Jahrhunderts das einzige unbezwingbare Asyl für den Verbannten ist, den der Absolutismus oder die Usurpation aus seinem Vaterlande vertrieben haben. Die unerschütterliche Energie, mit der das englische Volk das Asylrecht behauptet hat, ist um so ehrenwerther, da es die Meinungen derjenigen nicht theilt, die es beschüßt, und weder ihren Ansichten Vorschub leistet, noch ihre Hoffnungen ermuthigt. Wie imponirend ist das Schauspiel einer Nation, die, von so eminent praktischem Geiste, doch eher die Gefahr eines Krieges wagt, als daß fie sich zu der unedlen Nolle hergäbe, die Heimatlosen niederzuhehen! Und nicht allein ist England ein sicherer Zufluchtsort für jeden Fremden, der in seinem Geburtslande ein Opfer bürgerlicher Zwiftigkeiten geworden, es ist in der That die lehte Freistätte, die in Europa dem menschlichen Geiste selbst offen steht. Daß die jeßige Regierung Frankreichs sich vor Komplotten und Verschwörungen fürchtet, ist ganz natürlich, aber diese sind es nicht, was ihr den ärgsten Schrecken ein flößt. Am meisten beunruhigt und erbittert sie der Gedanke, daß es einen Punkt in Europa giebt, wo ihre Gegner sich frei aussprechen können. Die Verschwörung, die sie im innersten Herzen erzittern macht, ist die des menschlichen Gedankens. Sie weiß, daß alle ihre Armeen und alle ihre Schäße machtlos sind gegen jenen unbeugsamen Feind des Despotismus, die freie Rede..

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Welches daher auch die Politik Englands gegen die Flüchtlinge sein mag, es kann von Louis Bonaparte keine Verzeihung hoffen, so lange es ihre Schuld theilt, indem es ihr Recht der freien Rede in Schuß nimmt. Glücklicherweise ist England stark genug, um dieses geheiligte Recht gegen alle Anfechtungen zu behaupten. Unterdeffen gereicht es diesem Lande zu nicht geringer Ehre, daß seine Sprache in diesem Augenblick die Muttersprache der Freiheit ist, die einzige Sprache, in welcher freie Männer jeder Nation ihre Ideen austauschen und ihre Gedanken durch den Druck veröffentlichen können, mit der Aussicht, ein Publikum zu finden, dem es gestattet ist, sie zu lesen. Dieses sind die Ursachen, warum ich mein Buch englisch und in England herausgebe.”

1858.

Es ist bekannt, daß Louis Napoleon zur Zeit des Attentates von Boulogne Verbindungen mit der republikanischen Partei angeknüpft hatte, von der ein Theil geneigt war, seinen Versprechungen Gehör zu schenken, während der andere sich von ihm fern hielt. Zu leßterem gehörte auch Louis Blanc, welcher in der von ihm herausgegebenen ,, Revue du progrès politique, social et littéraire" einen Artikel über den Bonapartismus publizirte, der bei den Anhängern des Prätendenten solches Aergerniß erregte, daß sie dem Verfasser eines Abends beim Nachhausegehen auflauerten und ihn für todt auf das Pflaster streckten. Dies hielt ihn jedoch nicht ab, als die abenteuerliche Erpedition nach Boulogne gescheitert war und die öffentliche Stimme, die nur dem Erfolge huldigt, die sofortige Hinrichtung des unglücklichen Abenteurers als eines unverbefferlichen Meuterers und Ruhestörers verlangte, ihn aus Gründen des Nechts und der Menschlichkeit in Schuß zu nehmen, indem er die aufgeregten Gemüther daran erinnerte, daß auch der ärgste Verbrecher den Schuß der Geseze nicht verwirkt habe und nur auf Grundlage derselben gerichtet werden müsse. Für diese unverhoffte Vertheidigung inmitten eines Chorus von Verwünschungen und Sarkasmen war Louis Napoleon so dankbar, daß er seinen bisherigen Gegner zu sich nach Ham einlud, wo eine lange Unterredung mit dem erlauchten Gefangenen den Gast mehr als jemals überzeugte, daß die Republik durchaus nichts von ihm zu hoffen habe, und daß er sich ihrer nur als eines Deckmantels für ganz andere Entwürfe bedienen wolle.

Ueber den Ex-König der Franzosen, den er einst in der „, Histoire de dix ans" fo hart angriff, lautet das Urtheil des Verfaffers jezt weit milder. Louis Philipp", schreibt er,,,war ein mit vielen guten Eigenschaften begabter Fürst. Seine häuslichen Tugenden mußten Achtung einflößen. Es fehlte ihm keinesweges an erleuchteten Anschauungen. Sowohl in Folge einer von Natur mildherzigen Gemüthsart, als aus einer philosophischen Rücksicht auf den Werth des menschlichen Lebens, war er dem Blutvergießen so abgeneigt, daß er seinen Ministern stets einen fast verzweifelten Widerstand entgegen. feste, wenn sie ihm ein Todesurtheil zur Unterschrift vorlegten. Zm Ganzen war er ein Mann von überaus mäßigem Charakter. Auch erhielt unter seiner Regierung die Freiheit keine tödtliche Wunde. In Zeiten auswärtiger und innerer Zerwürfnisse gelang es ihm, drohende Gefahren abzuwenden, und die Mittelklassen verdankten ihm die Nuhe, die sie so hoch schäßten. Doch als seine Schicksalsstunde schlug, wurde kein Wunsch laut für die Erhaltung seiner Krone; keine hülfreiche Hand streckte sich ihm entgegen; die Geldaristokratie wich zurück; die Soldaten weigerten sich entweder zu fechten oder fochten widerstrebend; zum erstenmal schienen die Boutiquiers vergessen zu haben, daß Revolutionen dem Handel schaden; der rührigste Theil der Nationalgarde begünstigte sogar die Insurgenten; um sich blickend und nichts als eine traurige Dede sehend, verlor der alte König den Muth, und eine Regierung, welche nicht weniger als siebzehn Jahre gedauert hatte, wurde durch Einen Stoß über den Haufen geworfen."

Der Straßenkampf vom 24. Februar wird nur mit einigen furzen Strichen gezeichnet, wogegen die Wahl der provisorischen Regierung zur Widerlegung der irrigen Angaben Lord Normanby's mit großer Ausführlichkeit beschrieben wird. Sie ging nach Herrn Louis Blanc in folgender Weise von Statten:

,,Kaum war der Kampf am 24. Februar zu Ende, als das Volk von allen Richtungen nach den Bureaur der beiden republikanischen Zeitungen strömte, eine Central-Leitung suchend. Eine ungeheure. Menschenmasse umringte die Expedition der Réforme, wovon nur ein kleiner Theil im Hofe des Hotel Bullion zusammengedrängt war, während die Uebrigen die benachbarten Straßen, und besonders die Rue Jean Jacques Rousseau, überschwemmten. Eine Art entschloffener Besorgniß war auf den Zügen eines Jeden sichtbar. Der einzige Ruf, der sich vernehmen ließ, war: Vive la République! — ein Ruf, der immer mehr anschwoll, der jedoch in feierliches Schweigen über

*) 1848. Historical Revelations: inscribed to Lord Normanby. By ging, als ich, ein Papier in der Hand, mich an dem Fenster zeigte. Louis Blanc. London: Chapman & Hall. 1858.

Ich las nun die nachstehende Liste, über welche der National und die

Réforme sich verständigt hatten: Dupont (de l'Eure), François Arago, Ledru Rollin, Flocon, Marie, Armand Marrast, Crémieur, Garnier Pagès, Lamartine, Louis Blanc. Die Verkündigung dieser Namen wurde mit lauten Acclamationen begrüßt, bald gefolgt von dem allgemeinen Ruf: Albert! Albert!

sorischen Regierung sei es einem Mitgliede derselben eingefallen, zu fragen:,,A propos, Messieurs, qu'est devenu Louis Philippe?" eine Erkundigung, die kein anderes Gefühl hervorgerufen habe, als menschenfreundliche Besorgniß für seine Sicherheit.,,Herr Marrast wurde demnach beauftragt, den entflohenen König aufzusuchen, um ihn zu geleiten und, wenn nöthig, zu schüßen. Dem Herrn Marrast sollten die Herren Ferdinand Lasteyrie und Oskar Lafayette zur Seite stehen. Er lehnte es ab, der Odilon Barrot eines anderen Karl X. zu sein, aber er entfendete Agenten nach Havre de Grace mit bestimmten Anweisungen, über den gefallenen Monarchen zu wachen und seine Einschiffung zu erleichtern. Die Herzogin von Montpensier hatte eine Zuflucht bei Herrn Lasteyrie gefunden. Nach längerem Aufenthalt in dem Hause dieses Herrn verließ sie Paris und reifte in vollkommener Sicherheit durch Frankreich. Der Herzog von Nemours blieb zwei Tage in Paris, ohne im geringsten beunruhigt zu werden. Als man uns anzeigte, daß er in einem Hause unweit des Luxembourg verborgen sei, machten wir es uns zur Pflicht, die Sache zu ignoriren. Lord Normanby glaubt natürlich nicht, daß dergleichen Thatsachen einer Erwähnung verdienen. Seine Lordschaft ist nicht der Mann, den es rühren konnte, wenn von Seiten einer Schaar von Revolutionsmenschen eine Politik verfolgt wurde, die an Milde und Selbstvertrauen in der Völkergeschichte ohne Beispiel ist. Er hat höchstens zugeben können, das unter den Mitgliedern der provisorischen Regierung vielleicht ein einziger, Herr v. Lamartine, humaner Gefühle fähig war. Nun wohl, möge der edle Marquis einen Umstand erfahren, der ihm zeigen wird, wie gefährlich es ist, der Anerkennung der Wahrheit zu enge Gränzen zu stecken. Es hatte sich ein falsches Gerücht verbreitet, daß man die Herzogin von Orleans in Nantes verhaftet habe, worauf Herr Ferdinand Lasteyrie, ernstlich beunruhigt, nach dem Stadthause eilte, mit der Bitte, daß wir Befehl ertheilen möchten, die Prinzessin in Freiheit zu sehen. Diesem Gesuch willfahrten sämmtliche Mitglieder der provisorischen Regierung, mit Ausnahme des Herrn v. Lamartine. Seine Antwort auf die dringenden Bitten des Herrn Ferdinand v. Lasteyrie war: Le salut public repose sur ma popularité; je ne veux pas la risquer. Hierauf trat ein Mitglied vor und widersezte sich mit solcher Wärme Allem, was einer kleinlichen Verfolgung, gerichtet gegen eine Frau und eine Mutter, gleichen konnte, daß Herr v. Lamartine nachgeben mußte. Das Judividuum, von dessen ritterlicher Dazwischenkunft ich hier rede, war Herr Albert".

„Albert war nie als ein politischer Führer betrachtet worden; noch weniger hatte er jemals die Hoffnung oder den Wunsch genährt, daß man ihn zu einem solchen wählen werde. Er war Handwerker. Persönlich war er uns wenig bekannt; was mich betrifft, so hatte ich ihn nie gesehen. Aber seine Rechtschaffenheit, sowohl des Herzens als des Geistes, seine gränzenlose Ergebenheit an die Sache des Volkes, die uneigennügige Jnnigkeit seiner Ueberzeugungen, feine anspruchslosen Sitten, sein Muth hatten ihn den Arbeitern theuer gemacht. Für sie war die Theilnahme eines Mannes von diesem Schlage an der provisorischen Regierung eine Bürgschaft, daß keine Maßregel getroffen würde, ohne sorgfältig überlegt und, wenn mit ihren Intereffen unverträglich, entschieden beanstandet zu werden. Was konnte außerdem mehr darauf berechnet sein, den Beginn eines neuen ZeitAbschnittes einzuweihen was konnte in schlagenderer Weise die was konnte in schlagenderer Weise die offizielle Anerkennung der Rechte der Arbeit bezeichnen, als diese unerhörte Erhebung eines einfachen Arbeiters zu einem Posten von so hoher Wichtigkeit? Ich ergriff eine Feder; ich schrieb mit einem Gefühl von tiefer Rührung den Namen Albert nieder und eilte nach dem Bureau des National, wo es mir ohne Schwierigkeit gelang, ihn der Liste hinzufügen zu lassen, die sogleich über ganz Paris verbreitet würde und, was die übrigen Namen betraf, zufällig mit denjenigen übereinstimmte, die von allen anderen Mittelpunkten des Volksaufstandes ausgingen, nur daß auf einigen der Name des Herrn Recurt, nachherigen Ministers des Innern und zur Zeit sehr beliebt im Faubourg St. Antoine, an der Stelle von Crémieur oder Garnier Pagès figurirte. Als ich nach dem Bureau der Réforme zurückkehrte, fand ich denselben Volkshaufen dort versammelt und ganz entrüstet über die soeben eingegangene Nachricht, daß die Anhänger der Regentschaft in der Deputirtenkammer für das Kind der Herzogin von Orleans jenen Thron in Anspruch nähmen, den die Flucht Louis Philipp's leer gelassen hatte und der just von einigen der Insurgenten im Triumph durch die Straßen getragen wurde. Man rief: „Die DeputirtenKammer hat keine gefeßlichen Rechte mehr. Sie gehörte zu jenem System der Corruption und der Erniedrigung, das wir in Stücke ge schlagen haben. Sollte so viel Blut umsonst vergossen worden sein? Sollen wir uns von neuem dem abgelebten monarchischen Joch unter- Ueber den Ursprung der rothen Fahne, deren Aufpflanzung den werfen? A bas la Régence! A bas les Corrompus!" Les Corrom-Schrecken aller ruhigen Bürger erregte, die sie durch eine sehr natürpus dies war unter der Regierung Louis Philipp's die im Volke gangbare Benennung der Deputirtenkammer".

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Es ist schon früher gesagt worden und wird von Lord Normanby wiederholt, daß Albert in der That ein reicher Fabrikant gewesen sei und daß man den Titel: Ouvrier, seinem Namen nur beigefügt, um die Arbeiter durch den Wahn zu ködern, daß man einem ihrer Standesgenossen einen Sih in der provisorischen Regierung zuerkannt habe. Diese Infinuation wird von Louis Blanc auf das Bestimmteste in Abrede gestellt; es habe zwar auch einen Fabrikanten des Namens ge= geben, der aber an der Revolution ganz unbetheiligt war, und das Mitglied der provisorischen Regierung sei nichts als das gewesen, wofür man ihn ausgab - ein gewöhnlicher Handwerker. Ferner beHauptet Lord Normanby, daß Marraft, Flocon, Louis Blanc und Albert in der ursprünglichen Liste nur als Secretaire aufgeführt worden seien und daß sie in der allgemeinen Verwirrung diesen Charakter allmählich fallen gelassen und sich als wirkliche Mitglieder in die Regierung eingedrängt hätten. Diese Anschuldigung beantwortet der Verfasser durch ein fac simile des ersten, von der neuen Regierung erlassenen Dokuments, auf welchem sich seine Unterschrift ohne den angeblichen Zusaß „, Secrétaire" befindet, so wie durch eine Hinweisung auf das offizielle Journal des französischen Gouvernements. Sollte einer von meinen Lesern", schreibt er, zu erfahren wünschen, mit welcher Dreistigkeit die Geschichte von Leuten, die in Amt und Würde stehen, verfälscht wird, so bitte ich ihn, das erste Mal, daß er nach dem British Museum geht, dort den Moniteur vom Februar 1848 nachzuschlagen. Er wird darin sehen, daß die im Moniteur vom 26. publizirten und mithin am 25., d. h. schon am Tage nach der Bildung der provisorischen Regierung, die am 24. spät Abends stattfand, unterzeichneten Dekrete alle auch von jenen,,vier Anderen", und zwar nicht als Secretaire, sondern als Mitglieder der besagten Regierung, unterzeichnet sind, und daß es daher ein unbegreiflicher Irrthum ist, von ihnen zu behaupten, daß sie sich nach und nach" eingeschlichen hätten."

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Auch in Bezug auf die Flucht des entthronten Königs und seiner Familie tritt der Verfaffer einigen Angaben des englischen Diplomaten entgegen. Man habe sie weder zu erschweren, noch zu beschleunigen gesucht; weder das Volk, noch deffen Häupter hätten sich darum bekümmert, und erst sechs oder sieben Tage nach Errichtung der provi

liche Ideenverbindung als das Symbol des Blutes und der Plünde= rung betrachteten, giebt der Verfaffer eine neue Version, die jedenfalls ziemlich plausibel erscheint. Was in den entfernteren und dunkleren Zeitaltern der französischen Geschichte die Nationalfarben waren, ist ein Punkt von keiner besonderen Wichtigkeit. Wenn wir jedoch zu einer späteren Periode herabsteigen, so finden wir, daß die rothe Fahne, Oriflamme genannt, von der Regierung Heinrich's 1. bis zur Zeit Karl's VII. die National - Standarte war, während das weiße, mit Lilien geschmückte Banner von Froissart als „, bannière souveraine du roy" bezeichnet wird. Die weiße Fahne begann unter der Regierung Karl's VII. an die Stelle der rothen zu treten, d. h. in derselben Periode, als das schädliche System der stehenden Heere in Frankreich eingeführt wurde, um den Despotismus zu stüßen. Im Jahre 1789, als die Mittelklassen sich auf den Ruinen der Feudalherrschaft zu dem Gipfel der politischen Macht erhoben, trug Lafayette am 13. Juli im Stadthause auf die Annahme einer neuen Fahne an, die aus einer Verbindung von Weiß, als der Farbe des Königthums, mit Roth und Blau, den Farben des Pariser Tiers Etat, gebildet werden sollte. Die Trikolore war also das Ergebniß und das Sinnbild eines Kompromisses zwischen König und Volk. Da man nun die Könige abgeschafft hatte, so war kein Grund mehr da, ihre verschwundene Macht zu symbolisiren. Die Arbeiter von Paris handelten selbstverständlich nicht auf Grund subtiler historischer Untersuchungen, aber sie wußten, und das war für sie hinreichend daß Weiß die königliche Macht bedeute, und daß Noth schon längst die nationale Farbe gewesen sei. In ihren Augen war der Zauber der Trikolore unwiederbringlich verloren, seitdem sie unter Louis Philipp die entehrte Flagge des Paix à tout prix geworden. Indem man sie aufgab, verwarf man zugleich siebzehn Jahre einer korrupten Politik, und zwar in der Weise, die dem Ideengange und den Gefühlen des franzöfifchen Volkes am meisten zusagte. Einen so starken Eindruck hatte dieser Gedanke auf die Bevölkerung von Paris gemacht, daß während des Kampfes keine andere Fahne aufgepflanzt wurde, als die rothe. Nach dem Siege wollte man begreiflicherweise die Standarte beibehalten, unter der man die Schlacht geschlagen hatte.“

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Am ausführlichsten verbreitet sich Louis Blanc über die Ereignisse der Junitage - die Insurrection des Hungers, wie er sie nennt, die seiner Partei so verderblich wurde und die seiner eigenen poli

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