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losophie immer abwärts, und sie geräth aus einer Narrheit in die andere.,,Was Sie von ihr wissen", sagte er zu mir,,,ist gerade das Beste, was sie hat, und was Sie nicht wissen, verlohnt sich nicht der Mühe, kennen zu lernen. In diesem Gewühl von Systemen, die einander bekämpfen, halte ich mich an dasjenige, das, auf welchen spekulativen Prinzipien es auch beruhen mag, der Tugend Vorschub thut und in dem Gemüth der Jugend den Schatz des christlichen Glaubens erhält. Daub, Profeffor der Theologie in Heidelberg, 3. B. ist einer der tugendhaftesten Philosophen in Deutschland, und Sie sollten nach Heidelberg gehen, um seine Bekanntschaft zu machen."

Manuel, ein junger Waldenser, war Geistlicher an der reformir ten Kirche zu Frankfurt. Ein guter, unterrichteter Kopf, war die Literatur seine vorherrschende Neigung. In der Theologie war er Kalvinist mit den Schattirungen der Duldsamkeit und der Mystik, welche das schöne Gemüth Manuel's ihr unwillkürlich beimischte. Er nahm die heilige Schrift streng nach dem Buchstaben. Seit Adam ist der Mensch von grundaus gesunken, verderbt an Geist und Gemüth. Die Vernunft allein kann die Wahrheit nicht ergründen, der Wille allein die Tugend nicht erwerben. Die Vernunft ist unfähig, Gott zu erkennen. Die Werke des Menschen sind ohne Werth; sie können nicht selig machen; selig werden kann man nur durch Christi Verdienste. Es giebt keine Philosophie: die einzige Philosophic ist das Christenthum.

Man begreift den traurigen Eindruck, den eine solche Lehre auf mich machen mußte. Ich erkannte darin mit Schmerz die Sekte der Methodisten, die glücklicherweise damals in Frankreich wenig verbreitet war, gegenwärtig aber sehr mächtig ist. Aus Höflichkeit verbarg ich vor Manuel das peinliche Gefühl und bezeigte ihm blos mein Erstaunen, wie ein so heller Kopf und ein so warmes Herz sich von vorgefaßter religiöser Meinung in dem Grade beherrschen lassen können, um solche trostlose Dogmen in sich aufzunehmen. Wie, Aristi des, Epaminondas, Sokrates haben die Tugend nicht gekannt, nicht geliebt, nicht geübt? Plato hat Gott nicht erkannt? Da hat doch die katholische Kirche eine weit beffere Meinung von der Vernunft der Philosophie. Sie unterscheidet die wahre und die falsche Philosophie; jene läßt sie sich gefallen, diese weist sie zurück. Bei uns ist man des Glaubens, daß wir beim natürlichen Lichte die gewisse Erkenntniß der Freiheit, der Tugend, der Geistigkeit unsrer Seele, Gottes und seiner Haupteigenschaften finden können. Daher haben wir auch Lehrstühle der Philosophie in unseren Schulen. Mit Ihren Dogmen verträgt sich keiner, Sie anerkennen keine andere Philosophie, außer dem Christenthum: ein Grund mehr, dieses recht zu erkennen. Die Lehre des heiligen Augustin von der Gnade ist schon stark genug, fie braucht nicht noch auf die Spiße getrieben zu werden; sie sollte lieber gemil dert und so erläutert werden, wie es die Kirche gethan hat." - Die ewige Antwort Manuel's war: „Ich bilde mir nicht ein, ein Gelehrter oder ein Philosoph zu sein; ich bin nichts Anderes, und will nichts Anderes sein, als ein Christ, und ein Christ nach meiner Kirche."Sonntag hörte ich ihn predigen, und er gefiel mir durch den Adel und die Milde seiner Sprache. Im Dogma unduldsam, war er in den praktischen Lehren die Duldsamkeit selbst. Wir verlebten in einer wahrhaft brüderlichen Traulichkeit fast alle Abende mit einander. Er liebte sein Geburtsland aus tiefster Seele; sehnsuchtsvoll seufzte er nach seinen Alpen, nach seinem schönen See; der Rhein, die Gebirge mahaten ihn schmerzlich daran. In der Folge hörte ich, daß dieser wahre evangelische Christ, in seine Heimat zurückgekehrt, als Direktor des Zuchthauses zu Lausanne in einem obskuren, aber heiligen Amt seine Talente begraben hat. Die Menschen werden demnach Manuel nicht kennen; braucht es das aber? Dieser Ruf, oft der Tugend so gefährlich, was thut er zum Glück! Ich bin nicht start genug, Manuel's Geschick zu beneiden; aber auch nicht schwach genug, es zu beklagen. (Schluß folgt.)

Ostindien.

Die Religion des Buddha.
(Schluß.)

Was ein solches System, nachdem es einmal allseitig abgeschlossen war, auf den Geist seiner Anhänger für einen Einfluß ausüben mußte, läßt sich durch einfache Schlußfolgerungen errathen. Man stelle sich den quietistischen, apathischen Morgenländer vor, der seinen Glückselig keitstrieb so gut hat, wie jedes menschliche Wesen, wie er von den Aussichten auf das Jenseit gefoltert wird: Welten auf Welten, Him mel auf Himmel, Höllen auf Höllen, Millionen von Göttern, daß von der Ungeheuerlichkeit der Uebertreibungen der Kopf schwindelt, und nun die arme, ruhebedürftige Seele in endloser Hast durch diese Millionen von Jahren und Welten gejagt und ewig von der Gefahr bedroht, durch eine von den hunderttausend möglichen Sünden und

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in eine der vielen Höllen hinunter zu stürzen, aus denen wieder nur Millionen von Jahren erlösen konnten, oder doch durch zahllose unreine Thiere u. s. w. hindurchzuwandeln.

Den besten Schuß gegen die Unsinnigkeit einer solchen Religion gewährte noch viehische Roheit, die auch immer in Indien zuhause geblieben ist neben der brahmanischen Kultur, und in dieser Hinsicht sind die niederen Kasten noch am besten daran gewesen, da ihre Seelenangst jedenfalls nur eine vorübergehende war. Den besten Beweis von dem schrecklichen Seelenzustande der höheren Kasten (denn Betrüger sind die Brahmanen keinesweges, sondern Selbstbetrogene), der in einen chronischen religiösen Wahnsinn ausartete, geben die Ungeheuerlichkeiten der indischen Büßer und Waldfiedler; man sieht daraus, daß die Verzweiflung muthig macht; diese Asketen trogen dem Schmerze, sie suchen ihn und spielen mit ihm, und demüthigen dadurch die Götter, die überhaupt in der indischen Mythologie eine klägliche Rolle spielen.

Wie furchtbar dieses brahmanische Religionssystem auf den Geist der Indier gedrückt hat, beweist die Entstehung des Buddhismus, da er wohl das menschliche Herz und das natürliche Gefühl dagegen zur Geltung brachte, dagegen mit seiner Vernunft vollständig in den Schlingen dieses geistigen Nézes hängen blieb.

Um 500 v. Chr. Geburt°) lebte der Stifter der Buddha-Religion und predigte, indem er mit seinen Schülern im Gangeslande umherzog, seine Lehre, welche die Befreiung von allem Schmerz und Weh, die Erlösung von dem Zwange der Wiedergeburten zum Zweck hatte. Wenn auch seine Gestalt durch die Fabelsucht der Indier ins Allgemeine verschwimmt und nur durch einen farbigen Nebel grotesker Legenden hindurch scheint, so ist doch kein Zweifel, daß wir in ihm einen der edelsten, gefühlvollsten und, nach indischem Maßstabe, verständigsten Menschen ehren dürfen. Sein eigentlicher Name ist vielleicht unbekannt. Er stammte aus einem Kriegergeschlechte (Rschatrija) mit dem Geschlechtsnamen Schäfja (Çâkja), welches angeblich wegen Familienftreitigkeiten aus Pôtâla (Tatta) am Indus-Delta nordostwärts über den Ganges, in das Land der Köfchala, im Vorlande des Himalaya eingewandert war. Sie führten ihr Geschlecht zurück auf Jrvaku, den Stammvater der Sonnenkönige von Ajôdschâ oder Aud, jenes von den Engländern neuerdings annektirten Königreichs. Von diesem seinem Geschlechte Schâkja wird der Stifter des Buddhismus gewöhnlich Schâkja-muni (mongol. Echigemuni), der Einsiedler der Schâtja, genannt, während er sonst auch Gautama heißt, vielleicht von einem ihrer alten Ahnherrn, dem Rischi (Herren) Gotama. Buddha (der Glänzende) ist der Name seiner Würde, wie etwa Messias, Prophet, weshalb auch zahllose andere Buddha noch erwähnt werden. Sein Vater war König des kleinen Reiches Kapilavastu; er wurde daher als Königssohn in allem Glanz und Ueberflusse erzogen und kostete alle Freuden dieser Welt, bis er endlich bei einer! Spazierfahrt durch den Anblick menschlichen Elends bewegt und im Tiefsten erschüttert wird. Das Elend aller Wesen, der Grund alles Uebels und die Erlösung von demselben, das ist es, was fortan seine Seele beschäftigt und ihm alle Freuden und Genüffe feines Standes verhaßt macht. Vergeblich sucht er im Brahmanenthume, seiner väterlichen Religion, einen genügenden Aufschluß; alle gelehrten Brahmanen, die er fragt, mit denen er disputirt, können seine Zweifel nicht lösen, ihm keine Befriedigung schaffen Endlich, nach vielen harten Seelenkämpfen, nach langem Meditiren und Suchen findet er Ruhe. Vertrauend auf diese von ihm gefundene Wahrheit, verläßt er alle irdische Herrlichkeit, kleidet sich als Bettler und durchzieht das Land, um allen Hülfs. bedürftigen seine Lehre mitzutheilen und aus allen Kasten, aus Brahmanen und Tschandala's, aus Kriegern und Gewerbetreibenden, aus Männern und Frauen sich Anhänger zu sammeln.

Welches die Gedanken und Vorstellungen waren, welche die Seele Schäfjamuni's so heftig aufregten und hin und herrissen, können wir recht gut begreifen, wenn wir uns die Lehren des Brahmanismus vergegenwärtigen. Sein Zustand ging aus der Verzweiflung über die Heßjagd der Seele durch das endlose All hervor! Ewig dreht sich das Rad der Wesen (buddh. Ausdruck), ewiges ruhelofes Wandern entweder durch endlose Qualen, oder durch ein ewig prekäres, von Furcht bedrohtes Glück. Wird das nie enden? ist keine Ruhe, keine Erlösung, kein Stillstand in dieser endlosen Phantasmagorie traumhafter Welten, die nach der brahmanischen und buddhistischen Theologie nicht einmal eine Wesenheit haben? Was ist das einzig Existirende, das einzig Wirkliche und Wesenhafte? -- Alles ist Schein, Alles ist Traum, Alles ist Phantasmagorie nur der Schmerz, die Seelenangst, der Jammer der Wesen ist eine schreckliche, unableugbare Wirklichkeit. Woher kommt die Wirklichkeit dieses Elends?

*) Nach Herrn Köppen, der den Buddha (sein Ende) mit Darius und Xerres gleichzeitig seßt, nachdem er die Gleichzeitigkeit des ersten buddhistischen Königs Açeka Pijādāju mit den ersten Diadochen Alexander's des Großen ur kundlich (aus Inschriften) nachgewiesen. Sonst segt man Buddha noch etwas

Doch wohl aus dem Bewußtsein!

Woher das Bewußtsein? - Aus dem denkenden Jh. — Will man also das Elend loswerden, so muß Ich. man sich von dem Ich, von seinem eigenen Selbst zu befreien suchen, und das geschieht dadurch, daß man die Lebensluft (die Begier, wie gewöhnlich übersezt wird) durch einen entschiedenen Willensakt abthut. Diese Lebenslust ist die Erbsünde, der Grund alles Bösen in der Welt; tödtet man die Lebensluft ab, so verliert sich die Sinnenluft; ist diese abgethan, so wird die Zeugung beseitigt; ist keine Zeugung, so ist keine Wiedergeburt, ist keine Wiedergeburt, so ist wenigstens ein leidendes Geschöpf erlöst. Mit Abtödtung der Lebensluft fängt die Beruhigung des Geistes an, Sinnenluft schwindet, Denken vergeht allmählich, Gefühl schläft ein, endlich verhimmelt das Ich in ein seli ges Nichts (Nirvana); es verlischt wie ein Licht; der Geist hat den ewigen Frieden gefunden und ist aller Wanderungen und folglich aller Möglichkeit neuer Leiden überhoben.

Um diese Abtödtung zu ermöglichen und zu vollenden, ist eine Askese nöthig; deshalb ist der Buddhismus eine Religion der Asketen, reich an Ordensgenossenschaften, an Mönchs- und Nonnenklöstern (den sogenannten Lamaserien) mit Gelübden, zahlreichen Observanzen 2c., eine Sache, die durch viele Augenzeugen, darunter vor allen katholis sche Missionare, beglaubigt ist, und es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß das Aeußere des ganzen Kultus viele auffallende Aehnlichkeiten mit dem Katholizismus aufzeigt.

Diese Askese ist indeffen von den Ungeheuerlichkeiten der brah manischen fern und auf ein bescheidenes Maß zurückgeführt, weil der Religionsstifter einsah, daß er seine Erlösung nicht durch neue Unmöglichkeiten illusorisch machen dürfe.

Einen Gott kennt der Buddhismus nicht; die ausdrücklichsten Aussprüche ihrer Theologen (anders können wir nicht sagen), die von Herrn Köppen in Fülle angeführt sind, sprechen sich darüber klar aus. Es scheint mir indeß immer noch sehr die Frage zu sein, ob das abfolute Nichts den Buddhisten als letter Erklärungsgrund alles, wenn auch nur scheinbar, Vorhandenen gilt; vielmehr glaube ich, daß jener vollkommene Nihilismus nur auf eine weitere scholaftische Interpretation des Nirvana beruht, in dessen Erklärung nicht Alle übereinstimmen. Dieses Nirvana (das Auslöschen), was wir im Deutschen recht gut durch Verhimmelung geben können, ist ursprünglich doch weiter nichts, als ein subjektiver Zustand jeder einzelnen Seele, nicht aber eine kosmogonische Potenz, obgleich man sie leicht dazu machen könnte, wenn der Gesezgeber z. B. die Kosmogonie ganz außer seinem Zwecke Liegend gefunden hatte. Wenn man nur zwischen dem praktischen Theile der Lehre und den philosophischen Systemen, in welche der erstere eingekleidet wurde, unterscheidet, wenn man feruer erwägt, daß der Buddhismus allen möglichen Anschauungen und Systemen weiten Spielraum in feinem Busen gewährt, so wird die Möglichkeit troß Allem geboten, die pantheistische Weltseele (Brahma) auch hier als Grund aller Erscheinungen anzusehen. Uebrigens ist faktisch auch der Buddhismus in einen Theismus umgeschlagen, die rohen Mongolen, Lübetaner u. s. w. verehren nach klaren, unzweideutigen Zeugnissen den ins Nirvana eingegangenen Buddha als Gott und Urwesen. Die Buddhisten beten --wo aber gebetet wird, ist mehr oder minder bewußter Glaube an ein höchstes Wesen und in dieser Form eines quietistischen Theismus muß auch die Buddha-Religion ihre großen, welthistorischen Fortschritte gemacht haben. Man muß nur bedenken, daß er meist Völker berührte, die in roher Sinnlichkeit befangen, noch ohne tiefes Gottesbedürfniß dahinlebten und zufrieden waren, wenn nur ihr traumähnliches Bewußtsein durch eine einzige, große Gottesahnung angeregt wurde. Der phantastische Wechsel der Erfcheinungen, die zahllosen Buddha- Incarnationen, die feenartigen Himmel, die zum Nirvana führten, die dem Brahmanenthum wieder abgeborgten Götter und Dämonen, der Kultus, namentlich die Verehrung der Reliquien des Religionsstifters, alles dieses beschäftigte hinreichend ihre rohe Einbildung und täuschte sie über den traurigen Grund, während die fanfte, menschenfreundliche Moral, die er gepredigt hatte, die milden Sitten, die schönen Gebräuche, die er eingeführt, ihren heilsamen Einfluß geltend machten. Denn es muß anerkannt werden, daß von Seiten der Moral, der theilnehmenden, mitleidigen Liebe gegen alle Geschöpfe, selbst gegen die niedrigsten Thiere, der ängstlichen Scheu, irgend einem Wesen überflüffigen Schmerz zu bereiten, der Buddhismus sehr hoch steht und in frühester Zeit schon Dinge durchgeführt hat, auf welche erst die moderne Humanität gerathen, z. B. die Abschaffung der Todesstrafe.

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Man muß sich erinnern, daß Buddha das indische Kastensystem brach, daß er, der Königssohn aus edlem Kriegerstamme, den armen, unter dem Hunde gehaltenen Tschandala, den der Brahmane selbst, aus Furcht, sich zu beflecken, nicht anspuckte, daß er Millionen buchftäblich in den Koth getretener Wesen zu Menschen machte, daß er fie als Brüder in seinen Bettelorden aufnahm, um die Größe des Fortschrittes zu begreifen; andererseits ist nicht zu verkennen, daß diese Lehre von der schließlichen Verhimmelung aller Seelen ins Nirvana

den Geist der asiatischen Völker, die diese Religion bekennen, in einen Opiumtaumel versenkt hat, aus dem sie schwer zu erwecken sein werden. Der Buddhismus ist zweifelsohne die Religion der vollkommensten Toleranz, unbefleckt durch blutige Verfolgungen und Kämpfe mit Andersgläubigen; aber auch die Religion des vollkommensten Indifferentismus, der vollendeten Apathie. Alle Religionen passen in den Buddhismus; sein schwammiges, weitzelliges System ist groß genug, um Christenthum, Brahmanenthum und Muhammedanismus in sich aufzunehmen, weil ihre Gegensäße sich gar nicht stoßen und reiben können. Bei einiger Kenntniß von dem Systeme und den Lehren desselben begreift man vollständig, warum die Mühe selbst der eifrigsten Missionare so vollkommen verloren ist; denn so lange er einem Buddhisten Moral predigt, so lange er Grundsäße der Menschenliebe, der Rechtlichkeit u. s. w. aufstellt, wird derselbe Alles aufmerksam hören und vollständig billigen; kommt er dagegen auf Dogmatik zu sprechen, so wird er ihm bald freudig zurufen, wie das im Ganzen vollkommen mit seiner Religion stimmt, und nur in Einzelheiten abweicht; denn fast jedes chriftliche Dogma hat im Buddhismus sein fabelhaft vergrößertes und verzerrtes Gegenbild. Der Schluß wird immer sein: „Warum soll ich deinen Glauben annehmen, da so vollständig der meine bereits ist?" — Ein singhalesischer Häuptling ist?“ schickte seinen Sohn in die christliche Schule, „in der Ueberzeugung, daß das Christenthum eine vortreffliche Stüße des Buddhismus sei". Mangelnder Wunderglaube ist nicht die Schuld; denn mit den fabelhaften, alles Maß überschreitenden Wundern der buddhistischen Legenden verglichen, erscheinen alle Wunder des alten und neuen Testamentes außerordentlich bescheiden. Sie können also einen Buddhisten nicht bestimmen, seinen Glauben zu ändern.

Uebrigens thäte man Unrecht, aus dem Buddhismus Argumente gegen das Christenthum, resp. den Katholizismus, zu entnehmen; denn so sehr auch, wie nicht in Abrede gestellt werden kann, das Aeußere des Kultus und manche Lehren zu Vergleichen reizen und auffordern, so ist doch diese Aehnlichkeit, wie gesagt, eine äußerliche, und in den Lehren etwa der Art, wie ein Affe einem Menschen gleicht. Die Erlösungslehre des Buddha ist aus einer Verzweiflung am Dasein, einem Ekel an allem Leben hervorgegangen und verläuft in einem fumpfartig stagnirenden Quietismus; das Christenthum ist thatkräftig; sein Stifter überwindet die Welt und den Tod (Worte der Schrift), ja, sein Leiden und Sterben ist nur äußerlich passiv, in der That aber der Sieg des Geistes, und als solcher die Entfesselung des in der Welt gebundenen Göttlichen.

Weshalb übt der Buddhist die Tugend, weshalb treibt er Askese? Einfach darum, weil er der Verzweiflung und dem endlosen Schmerze entgehen will, der ihm aus den Wiedergeburten und dem Dasein erwächst? - Warum soll der Christ das Gute üben? ,,Werdet vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist", sagt Christus. Das ist wohl wie Tag und Nacht. Hieraus ergiebt sich auch der Unterschied zwischen buddhistischer Nächstenliebe und christlicher Nächstenliebe, den der Herr Verfasser in Abrede stellt. lu objecto mag er Recht haben, denn derjenige, dessen Nothdurft gestillt worden, empfindet jedenfalls dasselbe, mag die Abhülfe nun von einem Buddhisten, Christen oder einem Ifraeliten kommen; in subjecto find dagegen sie so sehr verschieden, wie das Nirvana vom christlichen Gotte, vorausgeseßt, daß man die christliche Liebe in reinster, höchster Potenz faßt, nicht in ihrer bisweilen sehr kläglichen Gestalt. Denn das geben wir Herrn Köppen ohne Widerrede zu, daß sie heutzutage meist nur sehr mit Kupfer legirt auftritt, selbst wo viel Geschrei darüber ist. Daß das Christenthum, selbst abgesehen von der rein kirchlichen Lehre, eine ganz andere Erlösung und Befreiung des menschlichen Geistes bewerkstelligt hat, dafür liegt der offenkundigste Beweis in der Thatsache, daß wir den Buddhismus und andere Religions-Systeme so objektiv und vorurtheilslos zu beurtheilen im Stande find.

Eine Reclamation Karl v. Holtei's.

An den Herausgeber des ,,Magazin" c.

Hochgeehrter Herr!

Ihr,,Magazin" enthält in seiner Nummer 139 vom 19. November 1857 einen mich betreffenden Aufsaß, mit F. v. H. unterzeichnet, der theils auf einem Mißverständniß zu beruhen scheint, theils zu mannigfachen Mißverständnissen Anlaß giebt und mich nöthigt, Sie um Aufnahme nachstehender Zeilen zu bitten.

Ich verkenne gewiß nicht die günstigen Gesinnungen des mir unbekannten Berichterstatters und bin ihm dankbar dafür; aber ich fasse doch nicht, wie die Vorrede zu dem Buche: „Bilder aus dem häuslichen Leben“, so gedeutet werden konnte? Ich habe mich bei denen entschuldigt, mit denen ich die Korrespondenz abbrechen mußte,

weil meine Augen leidend find, und weil meine, literarischen Arbeiten gewidmete Zeit mir nicht gestattet, viele Briefe zu schreiben. Ich habe das meines Wiffens in einem durchaus nicht larmoyanten, mehr scherzhaften Tone gethan, und am allerwenigsten kam es mir in den Sinn, als Bettler aufzutreten. Meine Verleger hätten auch alle Urfache, so etwas recht übel zu nehmen; denn sie bezahlen mich anftändig und ich erwerbe, was ein deutscher Schriftsteller meiner Gattung, der eben nicht ungern gelesen wird, den Umständen gemäß, ohne Selbstüberschäßung, begehren darf. Auch war ich immer noch in der Lage, nach meinen schwachen Kräften für Andere und für wohlthätige Zwecke wirksam zu sein, ohne deshalb die mir nächstliegenden Pflichten vernachlässigen zu dürfen, wenn ich auch, wie die Beilage") dar thut, nicht so viel leisten kann, als von mir verlangt wird.

Komisch ist es nun allerdings, daß in verschiedenen Journalen gleichsam zu einer Kollekte für mich aufgefordert und an das großmüthige Gedächtniß der Theatervorstände (!) appellirt wird,' - während ich mich genöthigt sehe, eine für alle Fälle" paffende Antwort drucken zu lassen, (f. unten) um solche unter Kreuzband denjenigen zuzustellen, die von mir Unterstüßung haben wollen!

Diese Leßteren befinden sich offenbar noch in dem Stadium glücklicher Naivetät, welche annimmt: der deutsche Romanschreiber werde bezahlt wie seine Herren Kollegen in Frankreich und England.

Jene Ersteren aber feßten, troß ihrer Theilnahme für mich, doch wieder gar zu wenig Vertrauen in mein bescheidenes Talent, in meinen redlichen Fleiß. Ohne den geht es freilich nicht; doch ohne den möchte ich auch nicht leben.

Es sind mir übrigens bei dieser Gelegenheit so viele Zeichen wohlwollender Erinnerung zugekommen, daß ich mich dadurch freudig erhoben fühle, und diese Erfahrung lieferte die angenehme Seite des im Ganzen für mich unangenehmen Ereignisses. Verzeihen Sie, hoch geehrter Herr, daß ich hier so viel von mir geschwaßt, was nicht zu umgehen war, — vergönnen Sie dem Geschwäß die Aufnahme in Ihre Blätter, und bewahren Sie die freundliche Zuneigung, die Sie mir schon gönnten, als wir in Berlin unsere schlesischen Feste feierten, Ihrem

Gräß in Steiermark, den 28. Dezember 1857.

Mannigfaltiges.

ganz ergebenen Holtei.

- Rachel's Lehrjahre. Einem im Courrier de Paris enthaltenen Rektologe der am 4. Januar 1858 verstorbenen Dlle. Rachel entlehnen wir folgende Notizen: Am 24. März 1820 gebar Esther Haza, Frau des jüdischen Haufirers Felir, in einem armseligen Wirthshause zu Mumpf im Kanton Aargau eine Tochter, die den Namen Rachel erhielt. Zwei Schwestern von ihr, eine ältere und eine jüngere, trugen die beiden anderen Namen der Erzmütter Israels, Sarah und Rebekka. Die Familie erwarb sich mehrere Jahre lang mühsam ihr Brod durch Herumziehen und Hausiren in den Dörfern der Schweiz und des Elfaffes. Endlich ließen sie sich in Lyon nieder, wo die Mutter einen Kleiderhandel betrieb, während der Vater Unterricht im Deutschen ertheilte und Sarah, die eine schöne Stimme hatte, in den Kaffeehäusern fang, wo die kleine Rachel sie auf der Guitarre begleitete und mit dem Notenblatt herumging. Der Erfolg, den die musikalischen Leistungen der Kinder hatten, bewog die Familie, um das Jahr 1830 nach Paris zu gehen. Hier seßten Sarah und Rachel, die stets ein sehr gefälliges, in den Schranken

frånklich *) Ein bejahrter Schriftsteller, an den Augen leidend, lebe ich, auf emfigen Fleiß, auf Broderwerb durch meine Feder angewiesen, außerhalb des eigentlichen literarischen Verkehrs, gewissermaßen außerhalb Deutschlands, und habe vollauf zu thun, will ich mich erhalten, will ich meine nächsten Pflichten redlich erfüllen. Deffen ungeachtet werde ich unaufhörlich mit Zuschriften und Sendungen aus der Ferne beehrt, die mitunter unmögliche Dinge von mir begehren. Man schickt mir, obgleich meine Beziehungen zum Theater längst aufgehört haben, Schau- und Luftspiele zu, denen ich Eingang auf die Bühnen, man vertraut mir Manuskripte der verschiedensten Gattung an, denen ich Verleger verschaffen soll. Man verlangt Geld- Unterstüßungen von mir mit einer Zuversicht, als ob ich im Golde wühle. Ich habe Jahre lang erwiedert, vermittelt, geschrieben, geschenkt und geschickt, so weit meine Kräfte, meine Augen, meine kleinen Einnahmen reichen wollten. Ich habe Ganz fremden Personen so viel Seit geopfert, daß ich meine eigenen dringenden Arbeiten (von deren Ertrage ich leben soll) darüber versäumte.

Es geht nicht weiter. Bald bin ich nicht mehr im Stande, auch nur die Porto-Auslagen zu erschwingen, die aus diesem Verkehre entstehen.

Von jest an werde ich auf dergleichen Ansprüche nur durch ein Eremplar vorliegenden Blattes antworten und füge dieser Erklärung die Bitte bei:

"

Wem es um Rath, Urtheil, literarische Förderung zu thun ist, wende fich an Männer, deren kritische Stimmen, deren Einfluß entscheidend find. Wer pekuniäre Hülfe sucht, klopfe bei Wohlhabenderen an!"

Ich stehe nicht so, daß ich für Andere sorgen könnte; ich habe genug für mich zu sorgen.

Holtei.

der ftrengsten Sitte sich haltendes Benehmen zeigten, ihre kleinen Kaffeehaus - Konzerte fort und erregten sie zunächst die Aufmerksamkeit des Musik-Direktors Charon, der in der jüngeren Schwefter ganz außerordentliche musikalische Anlagen zu entdecken glaubte. Er nahm Rachel in seine Schule für Kirchengesang auf, wo sie den christlichen Namen Elisabeth führte. Bald hatte er sich jedoch von seinem Irrthum überzeugt; so groß ihr Talent für die Declamation war, so unbedeutend erwies es sich für den Gesang. Sie kam darauf in die Declamations-Schule des Herrn Pagnon St. Aulaire, wo fie erst ordentlich Französisch lesen lernte. St. Aulaire, der ihre großen dramatischen Anlagen sofort erkannte, studirte ihr einige große Tragödien-Rollen ein, doch hatte sie anfangs eine viel größere Vorliebe für das Lustspiel. Sechzehn Jahr alt, spielte sie am 26. Oktober 1836 in einem kleinen, von St. Aulaire geleiteten Theater die,,Her= mione" und an demselben Abend eine Soubretten-Rolle in einem Molièreschen Lustspiel. Ein Regisseur des Théâtre Français, zufällig anwesend, war so entzückt von ihrem Spiel, daß er am folgenden Tage ihre Aufnahme unter die Eleven dieses Theaters veranlaßte. Bald darauf starb jedoch dieser ihr erster Beschüßer, und so kam es, daß sie nicht sofort bei jener klaffischen Bühne, sondern zunächst am ,,Gymnase" engagirt wurde, wo sie gleich bei ihrem Debüt 3000 Fr. (800 Thlr.) Gehalt zugesichert bekam. Hier war fie unter dem Namen Rachel aufgetreten, und diesen Vornamen, ohne Beiseßung des Familien-Namens Felix, behielt sie auf den Theaterzetteln bis zu ihrem Lebensende. Auf diesem kleinen Theater fand sie jedoch nur wenig Anerkennung; sie selbst war darüber in Verzweiflung, und ohne die Theilnahme des berühmten Schauspielers Samson, der sie an das Ziel ihrer Wünsche, an das Théâtre Français, brachte, würde ihre Kunst für die französische Bühne vielleicht ganz verloren gegangen sein. Am 12. Juni 1838 trat fie in den,, Horaces" auf, und bereits am folgenden Tage kannte man den Namen Rachel überall, wo man sich noch zu den Verehrern des alten, klassischen Theaters der Franzosen zählt. Im März 1840 wurde ihr jährliches Einkommen auf dem Théâtre Français durch kontraktliches Engagement auf 60,000 Fr. (16,000 Thlr.) festgestellt. Sie fand aber auch bald Gelegenheit, durch Gastspiele in Frankreich und im Auslande ein kolossales Vermögen zu sammeln.

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Statistik der Leibeigenen in Rußland. Nach dem offiziellen Bericht des russischen Ministeriums des Innern belief sich im Jahr 1855 die Zahl der Leibeigenen oder herrschaftlichen Bauern (Kрестьяне помьшичьи), wie man sie euphemistisch nennt, auf 11,800,000 männliche Seelen. Die Hauptmasse derselben lebt in den mittleren und westlichen Theilen des Reiches; im Gouvernement Tula z. B. bestehen drei Viertel der ganzen Bevölkerung aus Leibeigenen, in Simbirsk, Kaluga, Jaroslawl, Nijni-Nowgorod, Mohilev, Kiev über zwei Drittel, während sie in Aftrachan, Stawropol, Wjatka und Bessarabien nur 3 Prozent der Bevölkerung bilden und im Gouvernement Archangel nicht mehr als ein Leibeigener auf 1000 Seelen kommt. Seit dem Jahre 1803 haben 103,891 Bauern von den Herrschaften die Freiheit nebst dem Besiz des von ihnen bewirthschafteten Landstückes, entweder durch Kauf oder als Schenkung, erhalten; nach dem lezten Census betrug die Zahl folcher freigelafssenen Bauern 145,000 männliche Seelen. Auf Grund des Ukas vom Jahre 1842 find 26,868 Leibeigene männlichen Geschlechts mittelft Kontrakts mit den Gutsbesißern zu freien Pächtern erhoben worden. Unter den wohlwollenden Edelleuten, welche freiwillig den Rechten entsagten, die ihnen ein barbarisches Gefeß auf Kosten ihren Mitmenschen verlieh, verdient insbesondere der verstorbene Fürst Schirinski-Schichmatov genannt zu werden, der nicht allein den Bauern des ihm gehörigen Dorfes die Freiheit schenkte, sondern ihnen auch sein ganzes Erbgut gegen ein geringes Jahrgeld als Eigenthum überließ und sich blos einen kleinen Acker vorbehielt, den er mit einigen gemietheten Knechten bebaute, wobei er ihnen nur die Bedingung ftellte, im Dorfe eine Schule zu gründen, in der er selbst das Lehreramt übernahm und die Kinder seiner ehemaligen Leibeigenen unterrichtete. Ueber diese edle Handlung hat unlängst der Profeffor Poroschin in St. Petersbung die näheren, sehr interessanten Details in einer kleinen Schrift mitgetheilt,) welche zugleich auf die von den Gegnern der Emancipation aufgeworfene Frage, ob die Freiheit den mit ihr Beschenkten auch wirklich in sittlicher und materieller Hinsicht zum Heil gereichen werde, die befriedigendsten Aufschlüsse giebt.

*) Дворяне благотворители, сказаніе В. С. Порошина. Спб. 1856.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sɣr, und viertelsfährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 7.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Poft-Aemtern, angenommen.

Literatur des des Auslandes.

England.

Berlin, Sonnabend den 16. Januar.

Literatur-Briefe aus England. Erster Monats - Bericht. 1858.

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Rückblick auf das vorige Jahr. Färbung der Literatur durch Indien. Geschichte Indiens, von Harriet Martineau. — Die richtige Erkenntniß Indiens und der wahren englischen Politik daselbst, von Thomas Roe. - Professor Neus mann's deutsche Geschichte Indiens. Livingstone, Barth, Güglaff, Fortune, die Eroberer, wie sie sein müssen. Störung und Verwickelung der germanis schen Mission und Wirksamkeit für den Kosmopolitismus durch englische Politif. ,,The Virginians", von Thackeray. Die Weihnachts-Nummer der Household Words. Polemischer Roman von A. Trollope. ,,Vor zwei Jahren", von Ch. Kingsley. Reman-Literatur und deren zahlreiche, bes stimmte Kunden. Biographisches und kritisches Lerikon von 30,000 engli schen und amerikanischen Schriftstellern. — Englische und deutsche Lerikographie.

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London, Anfangs Januar.

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Die Epochen in der Kultur- und Literaturgeschichte zählen nicht nach Kalenderjahren. Aber ein neues solches Jahr will doch gern wiffen, was es eigentlich von dem geschiedenen erbe und was lezteres geleistet, zu weiterer Fortbildung geschaffen. Fragen wir uns, was die blätterreichste Literatur, die englische, im vorigen Jahre Bleibendes, Dauerndes hervorgebracht, so sind wir in der That um eine Antwort verlegen. Es ist zwar sehr möglich, daß wir und englische Kritiker selber unter der Blätter- und Büchermasse dies und jenes übersehen, unterschägt haben könnten, das sich später als ein dauernder Gewinn ,,als Saamenkorn eines großen Fruchtbaumes" entwickeln mag; aber es ist uns eben bis jezt keine wirkliche Production der Art bekannt geworden, so daß wir sie auch nicht mit in Anrechnung bringen können. Statistisch gemessen und gezählt - wie Aus- und Einfuhr, auf den Viehmarkt gebrachte Ochsen, Schweine und Schafe u. f. w., mit Vergleichung dieser Summe mit früheren und dem heraus gerechneten Zuwachs - wonach die Engländer arithmetisch ihren Fort schritt" nachweisen, ohne die anderen, oft furchtbar mächtigen Subtrak toren in die,,Balance" aufzunehmen - so statistisch genommen ist die Literatur des vorigen Jahres vielleicht wieder reicher ausgefallen, als die im vorhergehenden Kalender-Abschnitte. Dies ist schon ohne Rechnung Indiens wegen wahrscheinlich. Jeder alte, pensionirte Nabob" wollte etwas über Jndien schreiben, jeder Verleger etwas drucken. Aber der Gewinn daraus? Indien war stets ein,,steigendes Defizit". Mit Flinte und Feder wieder erobert, welch ein Geier an der Leber des wieder daran gefesselten Prometheus! Mehr Schulden, mehr Soldaten, mehr Beamte, mehr Festungen, mehr Polizei, mehr Bestechung der Mächtigen in jenen verwüsteten Reichen, mehr Ausbeutung des engen Englands, um den nach Tausenden von Quadratmeilen und vielen Hunderttausenden von Todten messenden indischen Ruhm Großbritanniens wieder zu befestigen und das alte, Defizit machende, die Bank von England fuderweise leerende Geschäft der Compagnie und der Privilegirten, welchen Kolonial- Aemter überwiesen werden (um sie zuhause loszuwerden), wieder herzustellen.

Wir wollen uns hier an die literarische Seite der Sache halten, die ja ohnehin die Literatur fast des ganzen Jahres so schreckenhaft bunt auf blutigem Grunde färbte. Hat man auf diesen endlosen Maffen von Druckpapier Indien endlich begriffen und so den Grund zu einer soliden, produktiven Eroberung gefunden? Spuren davon wurden vielleicht laut, ich habe öfter Stimmen der Erkenntniß ver nommen, aber sie wurden vollständig überschrieen. Die Times, welche früher oft genug kein gutes Haar an der ganzen indischen Verwaltung fand und einmal entschieden nachwies, daß England noch nicht einmal so weit gekommen sei, nur so zu thun, als ob es auch an das Wohl Indiens dächte, gewann aus den Fudern Kredit, welche die Ostindische Compagnie aus der Bank fuhr, die Ueberzeugung, daß es nichts Befferes gäbe für Indien, als diese Compagnie. Lord PalLord Palmerston scheint auch nichts Besseres zu wissen. Und über die Weisheit dieser beiden Großmächte Englands geht es nirgends hinaus. Ich hoffte bei dieser Gelegenheit wenigstens auf eine solide Geschichte

1858.

Anglo-Indiens, allerdings, wie ich nun sehe, dem Papiere nach, nicht vergebens, aber in der Sache, im Interesse geschichtlicher Erkenntniß des englischen, europäischen, indischen Wohles, der Kultur, des Friedens, des soliden, kaufmännischen Verkehrs? Da liegen zwei Geschichten Indiens vor mir, aber sie kommen auf die Ueberzeugung der Times hinaus, daß es für das materiell und moralisch ruinirte Indien nichts Besseres gebe, als Fortseßung, Ausdehnung und Befestigung derselben Macht, welche Indien so weit brachte, wie jezt. Die eine Geschichte Indiens ist von einer Frau auf Bestellung gearbeitet und im Intereffe, wenn nicht auf Rechnung der Compagnie:,, Britische Regierung in Indien. Eine historische Skizze. Von Harriet Martineau",°) parteiisch für diese britische Regierung, aber doch in Aufzählung der Thatsachen richtig, so weit ich es beurtheilen kann, so daß sie als ein einbändiges, die Geschichte eines Jahrhunderts in Kürze zusammenstellendes Werk, bei sonstigem Mangel, als verdienstlich bezeichnet werden muß.

Harriet Martineau giebt die wesentlichsten Thatsachen im Zusammenhange, und das ist viek werth. Freilich hüpft sie, ihrer Aufgabe gemäß, über die groben Verbrechen und Fehler (die bekanntlich in der Diplomatie schlimmer sein sollen, als erstere) hinweg und freut sich der Resultate: doch so und so viel erobert, gewonnen, dem Christenthume, der Civilisation zugänglich gemacht. Auf Widersprüche kommt es ihr dabei noch weniger an, wie dem größten Hiftoriker Macaulay in Schilderung der beiden Haupthelden Clive und Hastings. Harriet Martineau giebt in Darstellung eines alten, angloindischen Faktums den Schlüssel zur ganzen Kritik der Geschichte Indiens unter England. König Jakob fandte 1615 einen Bevollmächtigten, Sir Thomas Roe, an den Hof des Großmoguls in Delhi. Dieser studirte die Indier sehr gründlich und schrieb einmal nach England: ,,Schickt besonders historische Gemälde hierher, Nachtstücke, Landschaften, aber nur sehr gute, denn sie verstehen sich hier auf Kunft ebenso gut, wie wir". In einem anderen Briefe warnt er (und. dann wiederholt) vor allen Eroberungsversuchen: „Es sind nicht eine Menge Stellen und Aemter, Residenzen und Faktoreien, die Euch Nußen bringen. Diese werden nur Eure Ausgaben vermehren, aber keinen Ersas dafür bieten. Krieg und Handel sind unverträglich mit einander. Erst dachte ich an ein Fort, aber jeßt würde ich nicht eins annehmen, wenn mir auch der Kaiser zehn böte." Das ist's. Hätten die Engländer nur einfach nach der mathematisch und staatswirthschaftlich unumstößlichen Wahrheit gehandelt: Krieg und Handel sind unverträglich, würden sie Indien und England stets durch Handel bereichert, aber niemals durch Krieg und Plünderung ausgehungert und demoralisirt haben. Die Folgen dieser Blindheit gegen den eigenen Vortheil, der Mißachtung des Rathes von ihrem ersten Forscher in Indien rollen sich vor uns auf in dem Buche von Harriet Martineau in einer ununterbrochenen Reihenfolge von Monopolen, Krieg, nichts als Krieg, Schulden, nichts als Schulden, neuem Krieg, um die Schulden zu decken, größeren Schulden, mehr Schulden, um Gränzen zu decken, noch hundertmal mehr Schulden, um die weiteren, weiten, weiten Gränzen zu schüßen, die mit jeder Eroberung natürlich immer weiter und unsicherer und kostspieliger werden, von Verlusten ganzer Armeen (Afghanistan), von Rebellionen und Meutereien, Wüsten, wo früher Tausende von Dörfern und Städten sich an breiten Strömen spiegelten, Hungersnoth mit Hunderttausenden von ausgetrockneten Leichen, und endlich das Jahr 1857 und dessen Folgen das ist die Geschichte Englands in Indien, natürlich zum Schluß des Buches der Stolz Englands, die segensreichste Heldenthat der Christenthum und Civilisation verbreitenden anglo-sächsischen Raçe.

Wir nehmen das der Verfasserin nicht übel. Macaulay ist der größte Geschichtschreiber und hat den Grund zu dieser Anschauung und Phraseologie gelegt, gegen welche kein Adam Riese, kein Adam Smith so bald aufkommen wird. Ich dachte, mein lie*),, British Rule in India". A historical Sketch. By Harriet Martineau. London: Smith, Elder and Co.

bes Deutschland würde sich einmal mit seiner gründlichen unparteiischen Forschung der Sache annehmen und eine Geschichte Indiens schreiben, aber an dem mächtigen England und an der Blume dieses indischen Reiches scheitert auch sie.,,So muß es kommen", sagt C. F. Neumann in einer zweibändigen,,Geschichte des englischen Reiches in Asien". Da ist sie schon, meine erwartete deutsche Geschichte Ostindiens, rief ich frohlockend, als ich den Umschlag des zweibändi gen Neumann sah. Ich suchte sofort einige mir näher bekannte Partieen auf, las sie durch und dann den Schluß, ohne ein Wort zu fagen, als man mich fragte, wie mir Neumann gefiele? Macaulay aufgeweicht zu zwei Bänden und mit einer kosmopolitischen Schmeich ler-Sauce übergossen. Die Kultur Europa's geht um die Erde herum. Selbst Australien und Afrika seien angekultivirt, große, freie anglo-sächsische Raçe Hauptagent dieses Kosmopolitismus, glorreichst in Ostindien. So schließt Neumann, nachdem er länger und gelehrter, als Macaulay und Martineau, die hundertjährige Klimar von Verbrechen und Fehlern der Engländer in Ostindien geschildert. Herr Prof. Neumann ist ein ehrlicher Deutscher und nicht von der Ostindischen Compagnie bestochen, sondern nur, wie das ganze an England und nicht an sich glaubende Deutschland, von seinem Glauben, an welchem selbst solche horrende Thatsachen machtlos abprallen. Ich weiß, daß sich gegen den Glauben nichts mit Thatsachen ausrichten läßt, dafür bürgt mir nichts so sehr, als Herr Professor Neumann. Auch bitte ich den anständigen Deutschen, die an England, und nicht an sich glauben, um politisch selig zu sein, meine unanständige Zumuthung ab, sie möchten an Thatsachen und auch ein Bischen an sich glauben.

die Philosophie und die Religion durch einander, und verwirrt die eine
durch die andere. Bis jeßt wenigstens kam mir Baader's Christenthum
nicht vom echten Korn vor. Anfangs Schüler der Naturphilosophie,
mischte er ihr später ein Stück von Böhme's und Saint-Martin's
Mystik, bei und jezt ist er einer von den Koryphäen des bayerischen
Katholizismus. Passavant, um mich zur Lehre seines Meisters zu be-
kehren, lich mir ein Schriftchen, das Baader über das Abendmahl
französisch abgefaßt. Ich flog es eilig durch, und ich muß sagen, daß
es mir als ein Meisterstück
es mir als ein Meisterstück von Unsinn erschien. Es heißt darin:
dies Abendmahl sei ein reales, physisch und moralisch, Schußmittel
gegen den Teufel, der den Leib frißt und der das Blut, das ist die
Seele, fäuft. Eva hat uns ins Verderben gebracht, Ave erlöst uns;
denn Ave ist umgekehrt Eva.
denn Ave ist umgekehrt Eva. Was dünkt euch von diesem Christen.
thum? - Die Erbsünde erklärt Passavant auf das wunderlichste. Er
nimmt eine Präeristenz der Seelen an; Adam ist ihm nicht das
Menschen-Ideal, sondern die Verleiblichung der Materie. Wir Alle
haben als Geister in Adam, d. h. in der Materie, gesündigt und
büßen jezt mit Recht für diese Erbsünde. Wie Manuel, sieht auch
Passavant überall Beweise von der Erbsünde, verschuldet von, und be-
straft in Allen. Wir Alle waren Engel, höhere Wesen, und haben
uns selbst zum Jrdischen erniedrigt. Platon hat die christliche Lehre
geahnt. Wir können uns nicht tief genug die Worte Pauli einprä-
gen: „Wir leben in Gott und bewegen uns in ihm“. Der Glaube
an Gott geht dem Glauben an das Ich voran; denn das Ich ist nur
in Beziehung auf Gott begreiflich.
in Beziehung auf Gott begreiflich. Ja, gewißlich, dem ist so;
allein, um Gott øder Irgendwas zu erkennen, muß man ja auch sich
selbst erkennen. Die Erkenntniß Gottes kann also nicht der Erkennt-
niß des Ich vorausgehen, sie muß ihr folgen; oder höchstens ist an-
zunehmen, daß beide Erkenntnisse gleichzeitig sind; sie bedingen, stüßen,
vervollständigen einander. Passavant gebrauchte im Laufe unserer
Unterhaltung oft das Wort: Offenbarung. „Nehmen Sie denn“,
fragte ich,,,außer der einfürallemaligen Offenbarung für das ge-
sammte Menschengeschlecht, auch noch eine besondere Offenbarung an?"
,,Hat Sokrates diese zweite Offen-

Auch Afrika ist schon kosmopolitisch in Angriff genommen, sagt Neumann, und kann dabei mit seiner Anschauungsweise natürlich blos an die Kaffern denken, welche durch „Kaffernkriege" und den Umgang mit Engländern so demoralisirt wurden, daß nun auch sie Verträge brachen und sie sogar ihre Muster und Meister in dieser Rechnung mit Brüchen übertreffen. Afrika ist der Kultur geöffnet, nicht durch englische Waffen und Politik, sondern durch die waffenlose, durch, Allerdings“, war die Antwort. Ehrlichkeit, Bildung und Liebe mächtige Wissenschaft und Forschung eines Barth, eines Livingstone u. s. w.

Unter diesen vielen Forschern in Afrika ist mir Livingstone der liebste, der praktischste, just weil er so recht einfach und einsichtig studirt hat und angiebt, wie man mit seinen liebenswürdigen Wilden und gegen sie handeln müsse, um sie zu civilisiren und den schönsten Profit dabei zu machen. Bringt Waaren auf den Zambesi hinauf, legt Handelsstationen an, sagt er. Das ist Alles. Die Leute dort kaufen gierig europäische Waaren und geben dafür gern ihre uns werthvollen, ihnen überflüssigen Produkte her. Beide Parteien gewinnen dabei auf eine solide, merkantile Weise und lernen sich gegenseitig lieben, da beide Parteien immer zugleich Kunden und Käufer find. Wenn sie sich so mit der Zeit an baumwollene Hemden und englische Vatermörder gewöhnt haben, lernen sie auch etwas A B C und Katechismus, und der Missionar hat einen Boden, auf dem er mit Erfolg stehen, gehen und wirken kann. Das sind die kosmopolitischen Grundgedanken Livingstone's für die Civilisirung Süd-Afrika's. Kein Gedanke an Kap - Kolonie - Politik, keine Spur von Palmerston's funfzigjähriger Weisheit und Praxis, die darauf hinauslief, daß die Völker, besonders Indier und Chinesen, Geld und Waaren hergeben sollen, ohne etwas dafür zu kaufen.

Güzlaff und Fortune (von dem jezt ein dritter Band erschienen ift) in China, Barth, Overweg, Richardson, Livingstone u. s. w. in Afrika, Thomas Roe, einst in Indien, Deutsche einzeln und in Gemeinden schon vielleicht alle bewohnten und bewohnbaren Fleckchen der Erde durch Arbeit, Fleiß und Geschicklichkeit für den Kosmopolitismus und den Weltfrieden, den ehrlichen materiellen und ideellen Austausch aller Völker verbreitend das sind Civilisations-Missionare und die Mächte und Kräfte, durch welche Völker zugleich erobert und befreit, für einander gewonnen, Kosmopoliten werden.

(Schluß folgt.)
Frankreich.

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barung gekannt?" Ja. -,,Und Kon-fu-tse?“ Auch.-,,Aber das ist ja nicht die Offenbarung Jesu Christi; ist es also eine rein persönliche, durch besondere Gnade, an irgend einen Bevorrechteten ergangene?" - Darauf eine Antwort, die ich nicht verstand. Passavant erwartete reiche Aufschlüsse und eine Art Erlösung aus den Banden der Materie vom Lebensmagnetismus, mit dem er sich viel beschäftigte und worüber er später eine Schrift herausgab. Auch auf Träume hielt er viel.

Friedrich Schlegel gehört, wie sein Bruder August Wilhelm, zu den größten Kritikern Deutschlands. Wie dieser, ja noch vor ihm, hat er die orientalischen Sprachen studirt und darüber ein geschäßtes Werk:,,Sprache und Weisheit der Indier", veröffentlicht. Anfangs war er einer der eifrigsten Schellingianer, und um diese Zeit verfaßte er pantheistisch gefärbte Romane von einer sehr zweideutigen Moral. In der Folge gab er der Philosophie den Abschied und wurde orthodorer Christ. Er bekehrte seine Frau, eine geborne Jüdin, zum Protestantismus, und als er selber später katholisch wurde, bekehrte er sie zum zweiten Mal zum Katholizismus; gegenwärtig bekehren sie gemeinschaftlich weiter um die Wette. Fr. Schlegel ist österreichischer Legationsrath beim Bundestage; er gilt für einen Günstling Genz', der selbst Günstling des Fürsten Metternich ist... Es ist ein Mann von schöner, regelmäßiger Gesichtsbildung und von schlichtem Wesen. Er nahm mich freundlich auf und lud mich zu einem Abendspaziergang um die Stadt ein. Er spricht das Französische vortrefflich und drückt sich mit vollkommener Klarheit aus.

,,Haben Sie Acht auf den Weg, den Sie einschlagen wollen", sagte er zu mir. „Sie ahnen schon, daß nach Kant Fichte unvermeidlich und nach Fichte Schelling nicht zu umgehen ist. Die Vernunft kann nur zum Pantheismus führen.“

,,Man meinte anfangs, Jacobi würde nicht in den Pantheismus verfallen, er, der das Gefühl an die Stelle der entthronten Vernunft. feßen wollte; allein als er sich über das, was er unter dem Gefühl des Göttlichen versteht, klar ausgesprochen hatte, da fand sich, daß dieses Gefühl der Vernunft gehöre, und daß Kant's Gegner sein Jünger sei. Jacobi ist nun fertiger Rationalist, und wenn er konsequent sein will, muß er Pantheist, d. h. Atheist, werden.

,,Das Wahre ist, daß es einen besonderen Sinn des Göttlichen, ein inneres Organ, eine unmittelbare Offenbarung religiöser Thatsachen giebt. Der Empirismus ist das einzige vernünftige System; nicht aber der Empirismus Locke's und Condillac's, sondern ein hö herer Empirismus; es giebt außerordentliche Visionen des Bewußtseins, welche den berechtigten und untrüglichen Glauben geben, den die Vernunft nicht zu geben vermag. Dieser Sinn muß entbunden, diese Visionen müssen erhellt werden." diese Visionen müssen erhellt werden.",,Bacon hat das recht gut gesehen, bis jezt hat ihn aber keiner verstanden. Er weist oft auf zwei völlig unterschiedene Arten von Untersuchungen hin: die alltäg

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