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ausführlich, besonders gut in Ausarbeitung der Details, vertreten, und tein Theil wird vernachlässigt oder stiefmütterlich behandelt.

der Art aus allen möglichen Sphären des Wissens, von den Bewohnern der Sonne bis zum Zollverein, von Pumpen, Pfannenkuchen und Stubenfliegen bis zu den erhabensten Wahrheiten der Astronomie. Alles sehr interessant; aber ich wette darauf, daß, wenn ein gehöriger Bücherwarm und Vielwisser Deutschlands sich über den weisen Vater Timbs hermachte, er sich selbst viele Berichtigungen und Zurechtweisungen müßte gefallen lassen. In einigen seiner naturwissenschaftlichen Abhandlungen schien es mir hier und da etwas zu hapern. Aber lieb habe ich ihn doch recht herzlich den alten, ehrlichen, lebendigen Kuriositäten-Baden, John Timbs. Er hat außerdem noch eine ganze, große Sammlung historischer Kuriositäten in einem Buche aufgestapelt:,,Curiosities of History. With New Lights". Geschicht

Ich habe jezt nur allgemeine Neminiszenzen an unzählige, theils glänzende und kostbare, theils in illustrirten Penny-Lieferungen erscheinende populär naturwissenschaftliche Werke, die mir gelegentlich zu Geficht kamen, jezt aber nicht vorliegen. Aber das sind die grünften Zweige der englischen Literatur, von der Deutschland viel im Detail und in Behandlung der Details lernen könnte, und sei es nur die Kunst und Bescheidenheit, statt kühner und auf fabelhaften Konjekturen beruhender Weltall-Constructionen und sogenannter allgemeiner physischer und chemischer Gefeße (die Niemand selber sehen und als fest, sicher und abgeschlossen zu Bausteinen für stupide Abstractionen verwenden kann, wenn er ein Jünger der Naturwissenschaft bleiben will)_liche Kuriositäten mit ganz neuen Lichtern in bisher dunklen Winkeln. Thatsachen als solche zu studiren, darzustellen und dem geheimnisvollen Weltall, ja den geheimnißvollen Elementen selbst gegenüber die Bescheidenheit und Beschränktheit der Empirie und unseres erperimen tellen Wissens begreifen zu lernen.

Ich denke dabei an Faraday, der fein ganzes naturwissenschaftliches Leben fast ganz der Elektrizität widmete und, nachdem er vier dicke Bände und Tausende von Erperimenten darüber geschrieben, neulich in einem öffentlichen Vortrage ehrlich und rund heraus fagte, daß er noch keine Ahnung davon habe, was die Elektrizität selbst sei. Die Experimente, welche irgend eine Wirkung der Elektrizität offenbaren, lassen sich nie so weit durchschauen, daß man auf die legten Ursachen und das Wesen derselben schließen könne. Das ist wiffenschaftliche Ehrlichkeit und Bescheidenheit. Nur der junge Doktor und der Tertianer wissen Alles genau und erschöpfen mit vornehmem Lächeln ihrer Gelehrsamkeit Alles mit einigen Wendungen von Positiv, Negativ, Galvanismus, Leiter, Nichtleiter u. f. w.

Soviel von Natur und Naturwissenschaften in England. Ich höre auf, davon zu sprechen, blos um noch einige Lesefrüchte aus einem kuriosen, gelehrten Schriftsteller mitzutheilen. Dies ist der alte, gelehrte Bücherwurm und Kenner von allerhand interessanten Winkeln der Geschichte und der Wissenschaften, überhaupt der alte John Timbs, ehemals Redacteur der Illustrated London News, mehr jähriger Herausgeber des „Year-Book of Facts" und Verfasser der „Curiosities of London". Ueber diese beiden Werke habe ich früher berichtet. Nun hat aber der alte, gelehrte Fellow der Society of Arts auch noch andere kurios gelehrte Bücher geschrieben, welche die Geschichte von Menschen und des Landes in ganz besonderen, dunklen Winkeln durchstöbern und eine Menge der interessantesten Details über Bekanntes und Unbekanntes zu Tage fördern oder bisher umlaufende Irrthümer berichtigen.

Ungemein viel interessante Beiträge zur Geschichte Englands und der großen Männer in Staat, Kirche und Wissenschaft liefern die "Schultage großer Männer": „School Days of Eminent Men". By John Timbs, F. S. A. London: Kent (früher Bogue) Fleet-street. Der erste Theil führt uns in die Details und Winkel der ältesten und alten Zeiten, die der Druiden, der alten Briten, die alten AngloSachsen-Schulen, macht uns mit dem Dichter Kanut dem Großen - bekannt, der Erziehung Wilhelm's des Eroberers, dem ErziehungsReformator Roger Bacon, den Schultagen der Eduard's und Richard's, der Augustäischen Zeit Anna's, Milton's Erziehung, Locke's ErziehungsSystem u. s. w.; der zweite Theil schildert die Schul- und CollegeZeiten berühmter Schriftsteller, Dichter, Philosophen, Erfinder, Entdecker, Geistlichen, Kriegshelden und Staatsmänner. Wir finden Sir Christopher Wren, den Herzog von Marlborough, Addison, Pope, Lord Clive, Gibbon, Nelson, Sir Walter Scott, Davy, Byron, Coleridge, Edmund Burke, Dr. Johnson und unzählige andere bekannte und berühmte Männer in ihren respektiven Privat-, Bürger, College- und Universitätsschulen geschildert, stets gewürzt mit bisher unbekannten Details, Zügen und Anekdoten. Alle diese antiquarischen Winkel haben zwar nur für das höhere England ein spezielles Interesse und seßen die Bekanntschaft mit den geschichtlichen Thatsachen, Perfönlichkeiten und Verhältnissen größtentheils voraus; aber Details von Männern wie Walter Scott, Byron, Pope u. s. w. und Königin nen wie Maria, Elisabeth, Anna. auf ihren Schulbänken werden gewiß überall von Gelehrten und Gebildeten gern gelesen. Auch das populärste Buch von Timbs:,,Things not generally known. Familiarly Explained", wird in vielen Theilen außerhalb viele Freunde finden und manchen Irrthum durch kuriose Wahrheiten kuriren. Viele berichtigte Irrthümer sind antiquarischer Natur und geben über nur dunkel oder im Allgemeinen Gehörtes ganz bestimmten Aufschluß, wie z. B. über den Farthing der Königin Anna, über Experimente und Gebräuche des Aberglaubens in verschiedenen Gegenden Englands; dann findet man eine ganze Menge naturwissenschaftliche Abhandlungen, populär gemeine, irrthümliche Vorstellungen berichtigend, vielleicht noch mehr antiquarische Notizen über Meffer und Gabeln, WeiberVerkauf u. s. w., industrielle und technische Expositionen, nationalökonomische, kurz, etwa 120 Abhandlungen berichtigender und detailiren

Wer war der Mann mit der eisernen Maske? Hole Limbs aus dem Bücherschranke, er sagt Dir's haarklein. Wie war es mit dem Ringe der Königin Elisabeth und des Grafen von Effer? Ich weiß es nicht, aber Timbs weiß es, Timbs weiß Alles. Wie kam es, daß die Jungfrau von Orleans acht Jahre nach ihrem Tode auf dem Scheiterhaufen noch lebte? Timbs sagt und erklärt es, wie es zuging. Auch weiß er, wie Babylon fiel und Nom erbaut ward, wie die Jesuiten und die Augiasställe entstanden, wie Argus hundert Augen bekam und ob Belisar blind war, daß Jane Shore nicht vor Hunger und Clarence nicht im Weine starb. Kurz, ebenfalls wieder seltsame Kuriositäten der Geschichte mit dem Hunde des Alcibiades in treuer Abbildung an der Spise. Neuerdings trat er nochmals mit mehr als hundert berichtigten und illustrirten Zrrthümern vor das Publikum:,, Popular Errors Explained and Illustrated", z. B. daß der Mensch nicht von einem Erdenkloß zurechtgeknetet ward, sondern dazu mehr gehörte; wie der Puls schlägt; warum die Neger schwarz sind und sich nicht weiß waschen können; Kukkuksspucke, Taubenmilch und Krokodilsthränen, Phönir, Einhorn, Greife, Drachen, Seeschlangen, Tischdreherei und Mormonismus u. s. w., wobei der alte Mann allerdings manchmal recht greisenhaft schwäßerisch wird und seinen Lesern zuviel Dummheit zumuthet, blos um sie berichtigen zu können; aber er kennt seine Engländer, die auch, wenn sie auf den Standpunkt gekommen sind, Irrthümer zu vermuthen und sie berichtigen zu wollen, kein Converfations-Lerikon nachschlagen können und deshalb lange fuchen müffen, ehe sie in den Labyrinthen lerikalischer Stümpereien und der englischen Literatur überhaupt die rechte Quelle finden. Timbs ist der Mann, diesen Mangel an lerikographischen Quellen in ein paar tausend bestimmten Fällen zu ersehen. Freilich kann man nicht kurz und klar alphabetisch nachschlagen, sondern muß suchen, wo und ob er über eine dunkele Stelle des elementaren Wissens Auskunft giebt.

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Die ehrlichen, nicht voluminösen, aber inhaltvollen Bücher vom alten Timbs find große, englische Wohlthaten gegenüber der Sündfluth von biographischen und memoirenartigen hypokritischen, dicken Bänden. Timbs ist so liebenswürdig bei aller Trockenheit, weil er immer ganz naiv und ehrlich Wahrheit sucht und nachweist und den Jrthümern der Dummheit oder bornirter Partei-Intereffen immer ganz rücksichtslos, ganz unbewußt und deshalb um so wirk famer zu Leibe geht. Ein großes Buch ist ein großes Uebel", sagt der weise Salomo; ich glaube, er giebt auch den Grund an: die vielen, dicken Bücher machen den Menschen müde und matt, stumpf und dumm. Dies gilt besonders von den voluminösen Biographieen, Memoiren, Geschichtsbüchern und Romanen Englands. Es wird so schrecklich viel langweiliges Zeug darin ausgesponnen und unverschämt gelogen. Timbs findet seine größten Verdienste darin, tausenderlei interessante und wichtige Dinge aufzusuchen und immer in möglichst kurzer und konziser Form zum Besten zu geben. Deshalb find seine Bücher verhältnißmäßig sehr dünn und wohlfeil und geben Substanz, welche in tausenderlei Formen und Gestalten auftritt, sich aber stets durch eine noble, naive Ehrlichkeit vor den meisten literarischen Erscheinungen Englands vortheilhaft auszeichnet.

Ich hätte nun noch Vieles zu sagen, z. B. über sechs große und mehrere kleinere Kunst-Ausstellungen der Del- und WasserfarbenGesellschaften und die Ausstellung der Gesellschaften und die Ausstellung der „Gesellschaft weiblicher Künstler“ (über 350 Delgemälde und mehrere Skulpturen), die der Franzosen u. f. w. zu berichten, aber wo soll die Zeit herkommen, sie alle mehrmals zu besuchen und ein gerechtes Urtheil daraus zusammen zu finden? Ich bin durch mehrere hindurchgeflogen, muß aber ehrlich gestehen, daß mir aus keiner ein bestimmter Eindruck, ein großes, erfreuliches Bild nachgeflogen ist. Ich erinnere mich nur, in der Ausstellung der Society of British Artists" einen alten Kunstkritiker getroffen zu haben, der mir versicherte, daß er hiermit in seiner einhundertunddreißigsten Ausstellung sich als Berichterstatter umsehe, und diese,,the worst, the dullest, and most emphatically the most conventional I ever saw" genannt werden müsse.

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Sonach wird wohl Deutschland nicht viel verlieren, wenn es über diese großen Bildermärkte der diesjährigen season im Dunkel gehalten wird.

Ostindien,

Der Krischna-Kultus.

Ehe die Geschichte der indischen Religionen zu einem befriedigen den Grade von Durchsichtigkeit und pragmatischer Klarheit kommen wird, dürfte noch eine geraume Zeit vergehen; denn einestheils macht die fast unübersehbare Fülle von Material, diese bunte Mannigfaltigkeit von Kulten, Göttern, Fabeln ungeheuerlichster Art, diese ganze phan tastische Welt üppigster Einbildungskraft, welche aller verständigen Betrachtung zu spotten scheint, selbst dem rüftigsten und geduldigsten Forscher die größten Schwierigkeiten, indem sie vielfach seinen spähenden Blick zu trüben und irre zu führen geeignet ist; andererseits fehlen fast alle äußeren, historischen Stüßpunkte, durch die man leichter im Stande wäre, Früheres und Späteres zu sondern und Ordnung und Maaß in dieses Chaos zu bringen. Man ist also ganz darauf angewiesen, zuvörderst die Hauptgestaltungen aus der Masse herauszuheben und möglichst zu einem Bilde abzurunden, das relative Alter dieses oder jenes Kultus, dieser oder jener Lehre aus pragmatischen Indizien im Allgemeinen zu bestimmen und ihr Verhältniß zu verwandten Erscheinungen zu zeichnen - ein Weg, der natürlich schlüpfrig genug ist, um nicht die größte Vorsicht wachzurufen. Mit Freude muß man daher jede Arbeit willkommen heißen, die einiges Licht in diesem Urwalde schafft, die einen Pfad bahnt durch seine dichten Wildnisse. Seit einiger Zeit bringt die Revue des deux Mondes eine Reihe von Studien über das alte und neuere Indien, deren Verfaffer, Herr Th. Pavie, ein ausgezeichneter Gelehrter, jenes Wunderland aus eigener Anschauung kennt und deshalb seine gelehrten Betrachtungen, die wir nicht überall unterschreiben werden, auf das anschaulichste mit Bildern der Wirklichkeit zu beleben weiß. Da auch unser „Magazin" in leßter Zeit mehrfache Mittheilungen über indisches Religionsleben gebracht hat, so scheint es am Orte zu sein, hiermit eine kleine Fortsehung zu geben.

Krischna ist eine der Incarnationen des milden und freundlichen Vischnu, eines der drei Hauptgötter in der bekannten Trimurti, dessen Verehrung bei den arischen Hindu's erst aufgekommen zu sein scheint, als sie bereits geraume Zeit im Gangeslande geseffen; denn er ist kein Gott der Nomaden, wie Indra u. f. w. in den Veden, sondern wesentlich eine Gottheit der vegetativen Naturkraft, deren natürliche Verehrer die Ackerbauer sind eine Art Dionysos, wie ihn die Griechen nennen könnten.

Der Kult des Vischnu und Krischna gilt als brahmanisch: denn er wird in dem System, welches die Brahmanen ihrem Pantheon zu Grunde gelegt haben, anerkannt indeffen ist zu bemerken, daß nur eine kleine Anzahl derselben dem Kulte selbst anhängt, während in den anderen Klassen der Gesellschaft die Krischna-Verehrer nahezu die Hälfte der ganzen indischen Bevölkerung bilden; in allen Provinzen Indiens, unter den Radscha's wie unter dem gemeinen Volke, findet man häufig einen der Namen des Gottes angenommen, die der Sekte heilig sind: Krischna (der Dunkle), Gopâla, der Hirt, Gopînâtha, Herr der Hirtinnen, Mohan, Bezauberer, Murâri, Mura's (eines bösen Geistes) Feind, Dschagan-nâtha, Herr des Weltalls, Radhakanta, der Geliebte der Radha u. s. w.

Es ist richtig: Krischna ist der Schußgott des gemeinen Volkes, der Patron der Hirten und Ackerbauer, er ist selbst, wie Herr Pavie bemerkt, kein arischer Gott, sondern ein Gott der schwarzen Urbewohner; fein Name bedeutet einen dunkelfarbigen; auf Bildwerken wird er mit den Gesichtszügen des gemeinen Volkes, nicht mit denen der höheren Kasten dargestellt, so daß er offenbar als Prototyp der niedrigsten Kasten selbst erscheint; Krischna ist kein vornehmer, aristokratischer Gott, keiner der schrecklichen Tyrannen, die Blut lecken, Leiber zerstampfen, entsegliche Höllenstrafen drohen: er ist ein gutmüthiger, freundlicher Gott, der sich mit dem Volke abgiebt, sich gemein macht mit den Gemeinen und auch nicht bedeutende Schwierigkeiten erhebt, wo es sich um den Eintritt in seinen Himmel handelt. ,,Welches auch die Verbrechen sind, mit denen ihr befleckt seid, Brahmanen, Krieger, Kaufmann oder Ackerbauer, rufet an meinen Namen in Bezug auf den Tod, und ihr werdet gerettet sein."

Der Sage nach stammte Krischna von dem alten Geschlechte von Yadu und war ein Neffe des Königs Kans, der zu Mathura regierte (in der heutigen Provinz Agra). Seine Mutter, die Schwester deffelben, hatte ihn als Kind in den Wald Vrindavan (zwei Meilen von Nathura) geflüchtet, um ihn vom Tode zu retten, weil König Kans, eine Prophezeiung fürchtend, den ihm gefährlichen Knaben umbringen wollte. Kans war dabei ein großer Feind des Vischnu - Kultus. In diesem Walde wuchs der Knabe auf, und zeitig offenbarte sich der in ihm inkarnirte Vischnu durch allerlei Wunder, obgleich er nebenbei ein Taugenichts ist und den Hirten und ihren Kindern allerlei koboldartige Possen spielt. Als ihn endlich seine Mutter auf zahlreich eingelaufene Klagen einmal züchtigen will, offenbart er sich ihr in seiner göttlichen Gestalt mit allen Attributen des Vischnu, worüber die Mutter natürlich in Entzücken geräth. Als er größer wird, stellen ihm die bösen Geister unter allerlei Gestalten nach; aber Krischna, der den Wald mit seiner Genossenschaft durchstreift, erkennt fie fogleich aus ihren Thiermasken heraus und tödtet sie. Dadurch wird er Liebling, König und Gott der Hirten, die anfangen, ihm göttliche Ehre zu erweisen. - Die Hirtinnen verlieben sich alle in den schönen, jungen Gott, der sie bezaubert; sie vergehen vor Jnbrunst — und er läßt sich auch erbitten um der Zärtlichkeit aller dieser Tausende von Geliebten (drunter thut es der Jnder nicht) genug zu thun, vertausendfacht er seine leibliche Gestalt, und jede der Beglückten glaubt - Wenn Herr Pavie diesen lehteren Zug ihn allein zu besigen. mystisch aufgefaßt wissen will und darin ein Bild der Gottesliebe sieht, die auch bei aller unendlichen Theilung dem Einzelnen gleich stark wie Allen zu Theil wird, so kann ich mit ihm in dieser Ansicht nicht übereinstimmen und gebe nur soviel zu, daß man dieser plumpen und lasciven Hirtensage nachträglich einen höheren Sinn untergeschoben haben kann, wie das ja in unzähligen Fällen geschehen ist. Die Krischna-Verehrer, welche diesen Zug aufbrachten, beabsichtigten offenbar nichts Anderes, als die Liebenswürdigkeit ihres Gottes recht hoch zu erheben und anschaulich zu machen. — Das thaten sie denn im echt indischen Geschmacke der niedrigsten Kaste.

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(Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

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Aug. Brizeur. Dieser liebenswürdige Dichter, einer der weni gen Lyriker, die sich in neuerer Zeit den Beifall und die Theilnahme des französischen Publikums zu erwerben wußten, ist zu Anfang dieses Monats in Montpellier, wohin er sich zur Herstellung seiner Gesundheit begeben hatte, im kräftigsten Mannesalter gestorben. Bald nach der Juli-Revolution war seine erste Dichtung, Marie", erschienen, deren einfacher, ergreifender Stoff, verbunden mit einer anmuthigen, kunstvollen Bearbeitung, ihm sofort die Gunft der Kenner und insHistoires Poébesondere der Frauen erwarb. Nicht mindere Anerkennung erwarben fich die ,,Bretons",,,Primel und Nola" und die tiques". Brizeur, der in der Bretagne geboren war, bearbeitete vorzugsweise gern Stoffe, die dieser eigenthümlich gearteten Provinz, dem alten Armorika, angehören, und hörte sich auch am liebsten den Dichter der Bretagne nennen. Die Natur, den häuslichen Heerd seiner Provinz feierte er vor Allem, aber dabei vergaß er auch das gerneinsame große Vaterland nicht, und niemals unterließ er auch dem Geber Er alles Guten, dem unsichtbaren Herrn der Natur, in seinen Liedern zu danken. An seinem Sarge hat Herr St. René Taillandier, der in Montpellier als Professor angestellt ist, eine Rede voll Wärme und Verehrung gehalten. Die Leiche des Dichters wird, seinem Wunsche gemäß, nach der Bretagne gebracht werden.

Was das Alter des Kultus betrifft, so ist er in seiner noch be= ftehenden Form nach Colebrooke's und Burnouf's Behauptung jünger als der Buddhismus, dessen Entstehung man etwa 500 v. Chr. anzusehen hat. Das Vorkommen des Krischna und des Vischnu in den Heldengedichten (ersterer im Mahabharata) hat nicht viel zu sagen, da die Stellen, wo dieses geschieht, späterer Einschiebung dringend verdächtig sind und sich ohne Schwierigkeit aus dem Terte ausscheiden laffen. Was nun die Entstehung dieses Kultes betrifft, so ist Herr Pavie zu der Ansicht gekommen, sie müsse auf ähnliche Weise erklärt werden, wie die des Buddhismus, nämlich aus einer Reaction des natürlichen Gefühls gegen die Unnatur des brahmanischen Systems; er hält deshalb den Krischna für eine wirkliche Person, für einen Vorgänger des Buddha, der noch nicht ganz mit dem Brahmanenthum gebrochen, aber doch eine weit mildere und volksfreundlichere Lehre aufgestellt habe. Die von ihm gehenden groben Fabeln und Mythen hält er für die Erfindungen seiner Verehrer, die damit den wirklichen Verlauf seines Lebens beinahe unkenntlich gemacht hätten. nimmt an, daß dieser historische Krischna einen reineren Monotheis mus gelehrt, namentlich die mystische Vereinigung der Seele mit der Gottheit, die mehreren indischen Systemen zu Grunde liegt; daß er eine Art Erlöser des gemeinen Volkes, ein Ankämpfer gegen die Unmenschlichkeit des Kaftenthums gewesen, daß aber später seine Lehre durch die Rohheit des Volkes selbst verunftaltet und wieder in einen plumpen Sensualismus ausgeartet sei.

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Berlin, Donnerstag den 27. Mai.

Ein italiänischer Satiriker des sechzehnten Jahrhunderts. Von jeher hat die Satire ein reiches Feld für ihre Thätigkeit vorgefunden, denn es fehlt nie an einem Kampf zwischen dem Bestehen den und der Reform. Obgleich die festere hin und wieder einen wenn auch nicht vollständigen Sieg erreicht und dann die Geister zu erschlaffen scheinen, um der Reaction fast theilnahmlos Raum zu geben, so sorgt diese doch bald wieder dafür, dem Satiriker nenen Stoff darzubieten. So war denn auch im sechzehnten und zum Theil noch im siebzehnten Jahrhundert die Satire auf theologischem, politischem und literarischem Gebiet in großer Regsamkeit, um so manchen Nimbus zu verscheuchen, der gleich dem beängstigenden Höhenrauch die Sonne der Wahrheit verbunkelte, um so manches Gözenbild zu stürzen, deffen lug- und trugvolle Priester sich auf Kosten der Einfalt zu bereichern und vermöge der ihnen zu Gebot stehenden Mittel jeden Fortschritt zu hemmen fuchten.

Unter den Satirikern, welche damals einen europäischen Ruf erfangten, verdient Trajano Boccalini besondere Beachtung. Geboren 1556 zu Loreto, woselbst sein Vater Architekt bei der heiligen Cafa war, zeigte er schon in frühester Jugend einen lebhaften Geift, Luft und Liebe zu ernftem Studium erwachten dagegen bei ihm erst später. Seine Bekanntschaft mit den Klassikern des Alterthums, mit der Philosophie und Geschichte führte ihn ein in die geselligen Kreise Roms, welche sich so recht eigentlich auf der Höhe ihrer Zeit befanden und mit höhnender Verachtung auf das gemeine Treiben der übrigen Welt herabschauten. Wehe aber dem, der sich in Rom unterfing, über seine nächste Umgebung irgend einen Tadel auszusprechen. Papst Paul V. ließ den Verfasser der Lebensgeschichte Clemens VIII., Picci nardi, auf der Engelsbrücke enthaupten, weil er in diesem ungedruckten, kaum einigen vertrauten Freunden mitgetheilten Werke jenen Clemens mit Tiber verglichen hatte.

Boccalini möchte ein gleiches Schicksal befürchten. Nachdem er in mehreren Städten des Kirchenstaates, unter anderen auch zu Beneś vent, bedeutende Aemter bekleidet, sich jedoch mehr Feinde als Freunde erworben hatte, zog er im Jahre 1612 nach Venedig, wahrscheinlich, um unter dem Schuße einer freifinnigen, von ihm hochgepriesenen Regierung ungefährdet seine Schriften drucken lassen zu können. Hier starb er bereits 1613 in einem Alter von dreiundfunfzig Jahren. Seine älteren Lebensbefchreiber erzählen, daß er in seinem Bett von bewaffneten Männern überfallen und vermittelst Säcke, die mit Sand gefüllt waren, todtgeschlagen wurde, weil er die Spanier durch eine feiner Schriften,,,Pietra del Paragone", politischer Probierstein ge nannt, auf das höchste beleidigt hatte. Allein diese Schrift, deren Manuskript er vor Unberufenen sorgfältig verborgen hielt, wurde erst zwei Jahre nach seinem Tode gedruckt, und das noch vorhandene Todtenregister der Parochie, in welcher Boccalini starb, giebt als Ursache seines Todes eine Kolik mit hinzugetretenem Fieber an.

Seine Schriften, welche erst nach seinem Ableben eine größere Verbreitung fanden, sind:

1),,I Ragguagli di Parnasso", "Berichte vom Parnaß", seit 1612 öfter gedruckt, bereits 1615 ins Französische, 1617 ins Deutsche, 1690 ins Englische und 1683 wahrscheinlich ins Lateinische überseht; 2) der bereits erwähnte politische Probierstein, Pietra det Paragone", zuerst 1615 und dann öfter gedruckt, ins Deutsche über segt 1617, ins Englische 1624, ins Franzöfifche 1626 und ins Lateini sche 1640;

öfter.

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Das ihm gleichfalls zugeschriebene Sekretariat des Apollo ist wahrscheinlich von seinem Sohn verfaßt worden.

Die Berichte vom Parnas" enthalten einen Schaß geistreicher Einfälle und find zugleich eine wohl zu berücksichtigende Quelle der Geschichte Italiens (und Europa's), zumal im sechzehnten Jahrhundert.

1858.

Es ist daher zu verwundern, daß weder Leo noch Ranke, anderer Geschichtschreiber zu geschweigen, denfelben eine Beachtung gegönnt haben, da aus ihnen mehr zu-lernen ist, als aus manchem nüchternen Gesandtschaftsbericht. Auf dem Parnaß, woselbst Apoll mit den bedeutendsten Geistern älterer und neuerer Zeit Hof hält, werden allerlei Angelegenheiten zur Sprache gebracht und verhandelt, welche für die Zeitgenossen Boccalini's ein Interesse haben konnten; die Geistlichkeit bleibt fast ganz unerwähnt, was bei einem italiänischen Schriftsteller sehr auffallen muß, und der Juden wird kaum gedacht. Indem nun einige Proben aus diesen Berichten hier mitgetheilt werden sollen, war bei Auswahl derfelben die Absicht maßgebend, diejenigen Ansichten hervorzuheben, welche das sechzehnte Jahrhundert mit seinen vielfachen Mängeln und Gebrechen der Regierenden und Regierten charakterisiren; dem unbefangenen Leser wird es leicht fallen, zu ermessen, wie viel seitdem zur Beseitigung diefer Mängel und Gebrechen geschehen ist.

Daß Boccalini die Erfindung des Schießpulvers und der Buchdruckerkunst, sowie die Entdeckung Amerika's, als Satiriker geißelt, wird diesen großartigen Ereignissen ihren Werth nicht rauben; jeden falls ist es interessant, zu sehen, wie der Spötter die Schattenseiten derfelben hervorzuheben weiß.

Ein von Apoll berufenes Blutgericht verurtheilt den Deutschen, welcher das Pulver erfunden, lebend in ein geladenes Geschüß gesteckt und in alle Lüfte zersprengt zu werden. Der Unglückliche vertheidigt sich in der Todesangst auf folgende Weise: Seine Erfindung habe durchaus nicht die Schädigung der Menschheit beabsichtigt, sondern habe in der übergroßen Liebe ihren Grund gehabt, welche er zu derselben trug. Mich kränkte es, fährt er fort, wenn ich sah, wie der Ehrgeiz und die Hagier der Gewaltigen der Welt die Menschen durch allerlei Ränke auf die allergrausamste Schlachtbank des Krieges zu schleppen wußten. Nun dachte ich bei mir selbst: nimmt man den Fürsten die Soldaten, so werden sie sich mit dem, was ihnen Gott befcheert hat, genügen lassen. Deshalb erfand ich die teuflischen Instrumente, die Geschüße, um die Menschen, die ja schon durch Blig und Donner in Furcht und Zagen verfeßt werden, vom Kriege ab wendig zu machen. Nie habe ich es ahnen können, daß sie ihre eigenen Feinde und so verrückt sein würden, sich mit freudigem Herzen dem Artilleriefeuer entgegenzuftürzen, um für tapfer zu gelten.

Hierauf begnadigt Apoll den Deutschen, der belohnt zu werden verdiente, und erklärt mit weinenden Augen, er wolle gestatten, daß noch viel scheußlichere Erfindungen gemacht würden, um diejenigen, welche ihr Leben für ein paar Kreuzer täglich verkaufen, gänzlich vom Erdboden zu vertilgen.

Aldus Manutius und mehrere der berühmtesten Buchdrucker ers suchen Apoll, ihnen die Anlegung einer Druckerei auf dem Parnas zu gestatten; sie werden abgewiesen, denn nach der Ansicht des Gottes hat die Erfindung der Buchdruckerkunst den Ruhm der freien Künste verdunkelt, die Bibliotheken, die nur dem Unwissenden Gegenstand der Bewunderung sein können, zwar vermehrt, aber nicht verbeffert. Früher schrieb man nur solche Bücher ab, die dies wirklich verdienten, jezt werden so thörichte, von folcher Unwissenheit strogende Bücher gedruckt, daß Wissenschaften und Gelehrte dadurch in Schimpf und Schande gerathen. Die Wunderwerke menschlichen Geistes, die göttlichen Schriften eines Homer, Virgil, Cicero, die nur an hohen Festtagen den Leuten gezeigt werden sollten, sind durch den Druck dermaßen vervielfältigt worden, daß sie jezt in den Buchläden von den Fliegen besudelt werden; deshalb jagt Apollo die Drucker von dannen.

Columbus, Fernando Cortez, Magelhaens, Pizarro und Andere, die mit faurer Mühe und Arbeit und unter unfäglichen Gefahren dem Menschengeschlecht eine neue Welt eröffnet haben, erscheinen vor Apoll. Columbus macht den Sprecher und rühmt sich und seine Gefährten, der Erdbeschreibung, der Astronomie, der Physik, der Medizin und allen übrigen hochgepriesenen Wissenschaften neue Bahnen eröffnet, der alten Welt die köstlichsten Heilmittel überbracht und Europa Flüffe zugeleitet zu haben, welche ihm Gold und Silber, sowie die herrlich

ften Edelsteine zuführen. Die kühnen Seefahrer bitten daher um den Titel der Unsterblichkeit. Apoll entspricht dieser Bitte, da tritt Francesco Maria Molza hervor, ein italiänischer Dichter, der 1544 zu Modena auf die elendeste Weise starb. Er verschied nämlich an einer Krankheit, welche, dem Alterthum unbekannt, nach Boccalini's und vieler seiner Zeitgenossen Ansicht aus der neuen Welt stammte und nach der galantesten Nation Europa's benannt wurde. Molza zeigt die traurige Beschaffenheit seines Körpers und ruft: seht hier die Edelsteine, die Perlen, die Spezereien, die Gold und Silber führenden Flüsse, mit denen diese unglückseligen Argonauten die Welt bereichert und erfüllt haben. Wie kann ich mich an dem Geruch der neuen Gewürze legen, wenn mir das dazu erforderliche Organ fehlt? Haben nicht Pfeffer, Zimmet, Nelken jeßt einen dreifach höheren Werth, als früher? Das Gold und Silber, welches uns aus der neuen Welt zukommt, ist die wahre Ursache alles unseres Jammers und Elends; denn Alles, was zur Leibesnothdurft gehört, wird immer theurer, und die Armuth verbreitet sich immer mehr und mehr.

Da verjagt Apoll die neuen Argonauten aus dem Parnaß, denn die Glückseligkeit des Menschengeschlechts besteht darin, daß es dichtgedrängt in einer kleinen Welt lebt; große Landgebiete zu besigen, die von Menschen verlassen und nur von Thieren bevölkert sind, solch ein Wunsch kann nur im Gehirn eitler Thoren entspringen.

Der Herzog von Rhodus beschwert sich über das ruchlose, durch kein Gefeß zu steuernde Leben seiner Unterthanen, worauf man ihm entgegnet: Es kann dies nicht anders sein, denn die Völker sind die Affen der Fürsten; doch wirst du bessere Zustände herbeiführen, wenn du selbst dem Müßiggang, der Unzucht, dem Spiel, dem Blutdurst entsagst. Lebt der Herr nach Art des Teufels, so werden seine Unterthanen noch schlimmere Teufel sein. Die deutsche Uebersetzung fügt hinzu: Wenn der Abt die Würfel auf den Tisch legt, so ist dem Kon vent erlaubt, zu spielen.

Die besten Schulen der jungen Fürstensöhne sind nach Apoll's Aeußerung die Arsenale, die Zeughäuser und die Sigungen des Staatsraths; die Wissenschaften, welche dergleichen Herren zu studiren haben, beschränken sich auf diejenige Philosophie und auf diejenige Poetik, über welche in dem hochweisen Senat von Venedig allwöchentlich mehrmals Vorlesungen gehalten werden, und die rechten Fürstenerzieher find Kriegsobersten, Minister und Staatssecretaire. Die rechte Zuchtruthe endlich für die Prinzen ist die Erinnerung an ihre Vorfahren und an die rühmlichen Thaten, die sie im Krieg und Frieden ausgeführt haben und die der Bewunderung und Nachahmung würdig sind. Das allergefährlichste Werk, welches Unterthanen beginnen können, ist die bewaffnete Auflehnung gegen ihre Herren. Wo gäbe es wohl einen Fürsten von so milder Gesinnung, daß er eine schwere Beleidigung zu verzeihen geneigt wäre, und wenn er dies anscheinend thut, so wird er sie doch nie vergessen.

Das ist nämlich die Folge einer jeden Beleidigung, daß man sie aus Klugheit übersieht oder aus Noth vergiebt; zur rechten Zeit und am rechten Drt wird man sie um so schärfer zu rächen wissen, je länger man die Rache aufschieben mußte. (Schluß folgt.)

Ostindien.

Der Krischna-Kultus. (Schluß.)

Troß des großen Herzeleides seiner so zahlreichen Geliebten, die ihn gar nicht fortlassen wollen, macht sich Krischna endlich auf, um feinen bösen Onkel zu bestrafen der eine Art Riese und Ungeheuer ist denn er hat das Kind bei seiner Geburt und später im Walde Vrindavan durch alle jene Höllenbreughelschen Ungeheuer bekämpfen laffen, über die er so glücklich Sieger geworden ist. - Bei seinem Einzuge in Mathura manifeftirt er seine Göttlichkeit durch sichtbare Wunder; der Herold (Akrura, der Nicht-Grausame), der ihn eingeladen hat, mit seinen Genossen zu den Festen des Uebel sinnenden Königs zu kommen, erfährt, an seiner Seite im Wagen stehend, durch den göttlichen Einfluß eine plögliche Sinnesänderung; er wird der erste Krischna-Diener, und nachdem er sich in der Dschumna gewaschen, wie es Religionsvorschrift ist, erkennt er mit dem geistigen Auge das gött liche Bild des Krischna unter den Zügen des Herrn des Weltalls. Beim Einzuge in die Stadt selbst verwandelt er eine ihm begegnende verkrüppelte Alte in eine schöne Frau u. s. w.

Wenn der Kult des Krischna, troßdem, daß er den niederen Kasten angehört und mit dem Kastenwesen und der Brahmanenmoral in großem Widerspruche zu stehen scheint, dennoch eine anerkannte Stellung in dem brahmanischen System erhalten hat, so erklärt sich dieses, wie gesagt, dem französischen Gelehrten daraus, daß Krischna ein Vorgänger des Buddha war, der diese mehr volksfreundliche Religion gestiftet, und daß es später die Brahmanen in ihrem Intereffe fanden, ihn zum Gotte zu erheben, um den üblen Folgen zu entgehen,

welche dieser Kult, in feindlicher Stellung bleibend, auf ihr Syftem ausüben könnte.

Soll ich meine unmaßgebliche Meinung hierüber äußern, so weiß ich wirklich nicht, ob eine solche Erklärung die Schwierigkeiten nicht eher vermehrt, als vermindert, und es will mir faft scheinen, als ob diese Ansicht aus einer zu weit gehenden Folgerung hervorgegangen sei, die durch die neueren Ermittelungen über die Entstehung des Buddhismus angeregt worden. Ich will durchaus nicht in Abrede stellen, daß nicht schon von Schakjamuni mehrfache Versuche gemacht worden sein können, eine Aenderung der starren brahmanischen Religion und der daraus hervorgegangenen gesellschaftlichen Uebelstände zu erzielen; daß aber Krischna einer dieser Propheten, daß der Krischna-Kult aus der Lehre dieses Propheten hervorgegangen, dagegen spricht zu Vieles und Wichtiges, als daß wir sofort dieser Ansicht beitreten könnten, abgesehen davon, daß die ganze Erklärungsweise stark euhemeristisch klingt. Der Krischna-Kult und seine Mythen finden ihr Verständniß, wie mir scheint, weit leichter durch die Annahme, daß Krischna ein uralter einheimischer Gott der ländlichen Bevölkerung von Mathura sei, deffen Verehrung durch äußere, uns fremde Veranlassungen religiöser Art sich über die Gränzen feines Geburtslandes verbreitete und den Brahmanismus jedenfalls zu bedeutenden Konzessionen zwang. Die Krischna-Mythen haben wenigstens durchaus nichts, was zu der Annahme berechtigte, ein bestimmter historischer Kern liege ihnen zu Grunde.

Ein interessantes Gegenstück bietet z. B. die griechische Mythologie in ihrem Dionysos, der in mehrfacher Hinsicht die größte Aehnlichkeit mit Krischna bietet, und den doch Niemand, wenigstens in Deutschland nicht, für eine historische Person halten wird, obwohl die von ihm gehenden Sagen zum Theil weit nüchterner und historischer klingen, als die von Krischna. Auch Dionysos oder Bacchos ist kein adliger, sondern ein plebejischer Gott, ein Schuhgott seiner Verehrer, der Hirten und Weinbauern, die in Ziegenfelljacken gekleidet gehen; wie Krischna der Dunkle, Schwarzblaue bedeutet, hat auch Dionysos örtliche Beinamen, welche Schwärze anzeigen (Méλaç, Mɛhavdɛv≤ 2.). Wie Krischna, giebt sich auch der zu Theben geborne Dionysos (also bestimmter Geburtsort) mit niedrigem Volke, mit den Silenen und Satyrn, d. h. den Bauergöttern ab und zieht, ganz wie Krischna, mit einer Bande lüderlicher Dirnen (den Mänaden, Thykaden, Mimallonen u. s. w.) umher, die sich alle ausgelaffener Luftigkeit hingeben, Pauken schlagen, rafen und toben und alles das thun, was höheren Ständen der Anstand verbietet.

Dem Krischna werden Schaukelfeste, nächtliche Orgien u. s. w. gefeiert, dem Dionysos ebenso, und ich glaube mit Anderen, daß die Griechen, als sie zu Alexander's des Großen Zeit nach Indien kamen, ihren Dionysos in Krischna (oder irgend einer landschaftlichen Abart desselben) fanden und in keinem anderen Gotte. Dichteten sie doch bekanntlich seit dieser Zeit, ja schon früher (seit Euripides), einen Siegeszug des Bacchos, der von Judien ausging und sich über das ganze Morgenland bis Griechenland erstreckte.

Noch bei Homer ist Dionysos (ebenso Demeter) ein ländlicher Gott, dessen Kultus dem herrschenden Heroenadel fern steht und kaum in Betracht kommt. Wenn das Landvolk emporkam und sich und seinem Kultus eine mehr oder mindere Geltung erzwang, was schon in heroischer Zeit geschehen sein muß, trug es den Dank dafür seinem Schußgotte ab und hielt dieses Ereigniß gewöhnlich in Sagen fest, die mit den erwähnten Krischna-Mythen die größte Aehnlichkeit haben. Der Gott ist es, der durch Wunderthaten, durch seine begeisternde Kraft den starren Troß der vornehmen Stände bricht; seine Verächter, gewöhnlich grausame Könige, wie Lykurgus Pentheus, werden hart bestraft für ihre Verfolgungswuth, oder die adligen Frauen (die Töchter des Minyas in Orchomenos z. B., in Argos 2c.) werden von Taumel ergriffen und gesellen sich zu dem früher verachteten Schwarme der Bacchantinnen, um die nächtlichen Feste bei Schwärmen, Toben und Paukenschlagen mitzumachen. Kurz, man sieht, die niedere Volksklaffe fand eine Genugthuung darin, die höheren Stände zu dem Dienste, zur Anerkennung ihres Gottes bekehrt zu sehen; denn dadurch war die trennende Scheidewand wenigs stens in so weit gebrochen, als der Verehrer sich wenigstens in seinem Gotte anerkannt fah. Wie sich aus dem Krischna-Kulte eine mystische Lehre entwickelte, ganz ebenso aus dem Dionysoskulte auch der Bacchischen Begeisterung, d. h. dem rohen Weintaumel, wurde ein tieferer, geheimnißvoller Sinn untergelegt. Die beiden Lehren werden sich von einander unterscheiden, wie die indische Gemüthsanlage von der griechischen die erstere wird mehr quietistisch, die leßtere draftischer und energischer sein.

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Es ist also nicht ohne Wahrscheinlichkeit, daß der Krischnakult, ganz abgesehen vom Buddhismus, von Brahmanen und Kschatrija's angenommen worden ist, weil er ihrem Gemüthe und ihren natürlichen Neigungen mehr zusagte, als die troftlose Brahmanenlehre, und daß er durch sie eine mehr theologische Form erhalten hat, als ihm die rohen Urbewohner geben konnten. Nicht unmöglich ist es,

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daß das Umsichgreifen des Buddhismus den Zweimalgeborenen bringend rieth, dieser beliebten Volksreligion ein Zugeständniß zu machen, und sie für sich zu gewinnen, um die niederen Kasten vom Buddhismus abzuziehen. Die Sache mußte sich leicht genug machen. Sie brauchten blos - und das haben sie gethan — den Krischna als einen Avatar eines schon rezipirten Gottes zu erklären, der deshalb herabgekommen, um den Weg zum Himmel besonders leicht zu machen. Als Gott hatte er dann eo ipso die Gewalt, von der Befolgung des brahmanischen Ceremonial-Gefeßes zu entbinden. Die Thatsache, daß nur wenige Brahmanen der Sekte angehören, beweist hinlänglich, daß der Kastenstolz stark genug war, um die Erlangung des Heils auf dem bei weitem mühevolleren Wege des Brahmaglaubens vorzuziehen. Die Brahmanen mögen viel zu gewissenhaft und furchtsam gewesen sein, um dieser plebejischen Lehre zu glauben, und wenn die Krischna-Verehrer den Stolz als die größte Sünde betrachten und verabscheuen, so verstehen sie darunter wohl den Kastenstolz, keines weges aber den Stolz, wie er im christlichen Sinne gefaßt wird, d. h. als den diabolischen Egoismus.

Wie es jest um den Krischna-Kult aussieht, davon giebt, abgesehen von zahlreichen anderen Nachrichten, die man davon hat, der Verfasser interessante Beispiele. Er ist in die scheußlichste Bestialität herabgefunken, wofern er nämlich, was die Frage ist, jemals beffer gewesen ist. Das Loslaffen aller viehischen und dämonischen Triebe eines auf der niedrigsten Kulturstufe stehenden Volkes das ist Gottesdienst. Der milde, freundliche Gott, wie ihn die Sagen wenigftens schildern wollen, wird nicht allein mit rohester Obscönität, wie der griechische Dionysos er wird mit Bräuchen verehrt, die aus den Folterkammern der scheußlichsten Tyrannen entlehnt zu sein scheinen. Das berüchtigte Dschaggeruaut an der Küste von Brissa, wo Krischna's Götterwagen noch vor nicht langer Zeit die freiwillig sich hinstreckenden Pilger zermalmte, ist sein Hauptverehrungsort. Wer hätte nicht von diesen blutigen Festen gehört? Unser Gewährsmann giebt von einem derselben als Augenzeuge eine so wahre und doch so poetische Schilderung, daß wir uns nicht enthalter konnten, sie zum größeren Theile herzusehen. So muß man sich (mutatis mutandis) die griechischen Pannychien, die Dionysosfeste vorstellen, wenn man sie in ihrem innersten Wesen verstehen will eine solche Schilderung erseßt hundert Noten und Erklärungen.

,,Der Gott von Vrindavan (dem Walde, wo er aufgezogen wurde) empfand ein großes Vergnügen, sich von den Hirtenmädchen schaukeln zu lassen, ein Zeitvertrerb, der unter dem brennenden Klima der Tropen sehr angenehm ist, wenn während der ersten Stunden der Nacht ein frischerer Hauch die breiten Blätter des Palmbaumes durchschauert. Das Andenken an diesen wichtigen Akt im Leben des Krischna fällt auf den elften Tag des Mondes im Monat Schrâvana (Juli-August). An der Decke einer Pagode ist ein Seil befestigt, an welchem ein thronförmiger Lehnstuhl aufgehängt wird, worauf man die Puppe des Gottes seßt, mit ihren reichsten Kleidern bekleidet. Ein Brahmane giebt der Schaukel einen Schwung, und wenn das Bild des Gottes hinreichend in der Luft geschaukelt worden ist, trägt man es in das Heiligthum zurück, wohin sich die Menge drängt, es anzubeten und ihm Früchte, Wohlgerüche und Süßigkeiten zu opfern. Bis hierher ist die Sache nur kindisch und höchst unschuldig.

Licht der Feuerwerke und die wankenden Schimmer der Illumination zurück. Mitten in der Volksmenge, die sich drängt und stößt, um es zu sehen, erhebt sich das Gößenbild mit seinen großen, traurigen und ernsten Augen, die man fast nur mit Furcht ansehen kann. Jung und Alt stürzt nieder zu seinen Füßen und betet an. Dann, wenn die schwarzen und weißen Köpfe, die den Staub berührt haben, sich nach und nach wieder erheben, scheint es, als ob ein elektrischer Schlag sie der Reihe nach getroffen hätte. Eine ungewöhnliche Aufregung bemächtigt sich der Menge; diejenigen, deren Leidenschaften kaum im Keime vorhanden sind, wie die, bei denen das Alter sie erkältet hatte, geben sich, hingeriffen von einem trunkenen Entzücken, den ganz finnlichen Eindrücken hin, welche in ihnen die unendliche Lieblichkeit der tropischen Nächte und das lebendige Andenken an den zärtlichen Krischna erweckt. Welche heidnische Seele würde dergleichen Lockungen widerstehen, wenn Klima, Religion, äußere Anregung, ja selbst der Drang der Frömmigkeit sie antreibt, sich in grobsinnliche Gedanken zu stürzen? Die Tänze versezen vollends diese berauschte Einbildungskraft in das Delirium. Die Gesänge entsprechen den Tänzen; die Bewegungen der Tänzer, die Verse der Sänger, das wahnwißige Geschrei der Frauen und Kinder, der Ton der Saiten-Instrumente, das Rollen der Handpauken, alles das drückt ein und dasselbe aus, die Verherrlichung des Sinnengenusses. Und wenn dann der Tag diesen Ceremonien ein Ende macht, wenn die Musik schweigt, die Menge sich zerstreut, dann gehen diese indischen Familien schlafen, abgejagt und abgestumpft von diesem nächtlichen Herensabbat, unzufrieden darüber, daß er zu Ende ist, und schon wieder an den denkend, den die nächste Jahreszeit bringen wird. Doch da die Idee der Abtödtung untrennbar mit der Idee der Gottesverehrung bei allen Völkern verbunden ist, haben sich die frommen Gläubigen zu diesen schimpflichen Bacchanalien — durch eine Faste vorbereiten müssen."

Rußland.

Klinger, nach Bulgarin.

"

Das neueste Heft der Minerva"") enthält einige Bruchstücke aus den Memoiren des bekannten russischen Schriftstellers, Thaddeus Bulgarin, von denen bald nach ihrem Erscheinen auch das ,,Magazin" einige Auszüge geliefert hat. Unter Anderem schildert Lesterer darin seinen Aufenthalt im Petersburger Kadettenhause, in den lezten Jahren des vorigen Jahrhunderts, als Friedrich Maximilian Klinger, der deutsche Dichter, damals Oberst in rusfischen Diensten, Inspecteur der Kadetten-Anstalten war. Klinger, zu Frankfurt am Main 1753 in demselben Hause geboren, in welchem vier Jahre vorher Goethe das Licht der Welt erblickt hatte, war durch des Leßteren Freundschaft und Einfluß auch nach Weimar gezogen worden, wo es ihm jedoch bald zu eng wurde und seine Phantasie nicht Nahrung genug fand. Der Ruf der Kaiserin Katharina II. lockte ihn nach Rußland, und er ging nach St. Petersburg, um dort sein Glück zu versuchen. Wir lassen nun Bulgarin selbst über ihn berichten:

er ihn zum Oberst befördert hatte, ernannte er ihn zum zeitweiligen Klaffen-Inspektor....

„Die Kaiserin erinnerte sich, das er ihr in Deutschland vorgestellt worden war; °°) sie nahm ihn freundlich auf und stellte es ihm anheim, irgend eine Stellung zu erwählen, die seinem Charakter und seiner Aber draußen vor den Thoren des Tempels erschallt eine be- Neigung zusagte. Mit Erstaunen vernahm die Monarchin, daß er täubende Musik; man glaubt ein höllisches Konzert zu hören, das von die militärische Laufbahn betreten wolle. Sogleich, 1780, als Offiallen Thieren des Waldes aufgeführt wird. Die Menge tanzt und zier eingereiht, wurde Klinger bald darauf bei Sr. kaiserlichen Hoüberläßt sich scheußlichen Bacchanalen. Man darf nicht vergessen, heit dem Thronfolger Paul Petrowitsch als Vorleser angestellt. Als daß diese tollen Ceremonien immer nach Sonnenuntergang anfangen der Prinz von Württemberg nach Rußland gekommen war und sich und bisweilen während der nächsten fünf Nächte erneut werden. Gegen entschlossen hatte, an dem Feldzuge der Unterwerfung Tauriens Theil zwei Uhr Morgens, wenn die Brahmanen mit einem prächtigen Gast- zu nehmen, wurde Klinger seinem Stabe zugezählt und, von dort mit mahle von der reichen Person bewirthet worden sind, welche die Kosten dem Range eines Majors zurückgekehrt, erhielt er Anstellung beim des Festes bestreitet, beginnen junge Leute, in die Tracht des Krischna_Land-Kadettencorps. Der Kaiser Paul achtete Klinger, und nachdem und seiner Geliebten, der Radha, gekleidet, zwei und zwei den Tanz und rasen dermaßen darauf los, daß man sie erfüllt glaubt von dem Geiste des Gottes, dessen läppische Abenteuer fie feiern. Um Mitte Dezember begeht man ähnliche Ceremonien, indem man auch zu dieser Zeit die Spiele des Krischna mit den Hirtenmädchen darstellt. Die Vergnügungen dauern drei Nächte unter Lärm und ewigen Tänzen bei dem größten Durcheinander. Die laue Sommernacht, die frische Heiterkeit der Winternächte, der sanfte Mondenschein an dem dunkelen, von Sternen besäeten Himmel, der seltsame Anblick der Pagoden mit ihren zahlreichen fragenhaften und grotesken Bildsäulen, die dem Jdole zur Gesellschaft beigegeben sind, das durchdringende und kreischende Getöse der Musik - Instrumente, denen aus der Ferne das Kläffen des Schakals zu antworten scheint, Alles trägt dazu bei, dem Zuschauer die Täuschung eines Traumes beizubringen. Nichts Bestimmtes in den Umrissen der Gegenstände, überall ein Gegensah von Licht und Schatten, der das Auge verwirrt, ein Murmeln dumpfer Stimmen und lustiges Jauchzen, welches die Ohren betäubt. Die vergoldete Kuppel der Pagode spiegelt inmitten der Finsterniß das bläuliche

,,Klinger theilte, ungeachtet der diesfälligen Bitten seiner Freunde, niemals irgend welche biographische Angaben über sich mit, wahrscheinlich, wie Viele vermutheten, um seine bürgerliche Herkunft zu verheimlichen, die er selbst zu vergessen suchte. Diesen Vorwurf machte ihm, wenn auch mit Zartgefühl, selbst sein Freund Goethe, der sich über Klinger's Charakter und den Geist seiner Werke lobend geäußert hat. Uebrigens hatte Klinger keinen Grund, vor seinem früheren Lebensverhältnisse zu erröthen, denn er war ein zärtlicher Sohn, ein treuer Bruder und Wohlthäter seiner Familie, gleichwie er sich in allen Lebensverhältnissen durch Redlichkeit und Biedersinn auszeichnete. Wohl enthalten Klinger's Werke erhabene Ideen, durchdringenden Verstand, kräftige Charaktere, Reichthum der Phantasie bei

*),,Minerva" (Neue Folge) Weimarisch- Jenaisches Jahrbuch 2c., redis girt von Dr. Friedrich Bran. II. Band, 1. Heft, 1858. Jena, Bran. **) Dies ist nicht gut möglich, da Katharina acht Jahre vor Klinger's Geburt Deutschland auf immer verlassen hatte. D. R.

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