Billeder på siden
PDF
ePub

Böchentlich erscheinen 3 Rümmern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., balbsährlich 1 Thlr. 20 Sgt. und vierteljäörlich 25 Sgr., wofür das Blart im Julande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird,

No 60%

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buckhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Riederwallfr. Rr. 21), sowie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslande s.

China.

Berlin, Donnerstag den 20. Mai.

Ueber den Einfluß der Gelehrten in China auf die
Regierung des Landes.*)

Giebt es wohl auf der Erde ein dem chinesischen ähnliches Land, wo Talent und persönliches Verdienst zur Anerkennung gelangen, ohne daß dadurch der Staat irgendwelche Erschütterung zu befürchten hätte; wo der Adel durch ausgezeichnete Leistungen für den Staat und durch Tugenden erworben wird, und zwar nicht blos auf die Lebensdauer des Geadelten, sondern auch für dessen Aeltern und Vorfahren; wo die Liebe zu den Aeltern eine Leidenschaft ist, die sich unter tausenderlei Gestalten offenbart und die Grundlage der öffentlichen Moral bildet; wo man sich nicht darauf beschränkt, Verbrechen zu bestrafen, sondern löbliche Handlungen durch ehrenvolle Auszeichnungen fördert und die Tugend zu belohnen weiß; wo man dem Staats-Oberhaupt nicht blos Verehrung, sondern Anbetung zollt, aber zugleich ungescheut in öffentlichen wie in Privat-Angelegenheiten ein offenes Wort mit ihm reden kann; wo man den Kaiser nach seinem Tode dem strengsten-Gericht unterwirft und seinen Namen mit der dem Urtheil gemäßen Bezeichnung der Nachwelt überweist

Alle diese Inftitutionen äußern jedoch nur einen indirekten Einfluß auf die Regierung des unermeßlichen Reiches, welche lediglich in den Händen einer auf fester Grundlage errichteten Oligarchie von Gelehrten ruht. Der Grund einer so eigenthümlichen Erscheinung verdient sicher näher erwogen zu werden, und hat dies gegenwärtig ein um so größeres Intereffe, als das uns in vieler Beziehung immer noch so unbekannte China wie in seinem Innern so von außen Erschütterungen erleidet, deren Folgen kaum zu ermessen sind.

Daß das Reich der Mitte eine Monarchie ist ohne erbliche Aristokratie, daß hier Jeder, wie durch Kenntnisse so durch Tugend, Aemter und Würden erlangen kann, verdient unsere Bewunderung, ob aber daffelbe in den hierauf bezüglichen Inftitutionen anderen Staaten als Muster dienen kann, müssen wir unbedingt verneinen, da wir uns sonst als taub gegen alle Lehren der Geschichte erklären würden.

Indem wir einige dieser Inftitutionen näher ins Auge faffen, ist es keinesweges unfere Absicht, ängstlich ins Detail einzugehen; vielmehr liegt uns nur daran, Standpunkte zu gewinnen, von denen aus uns ein allgemeinerer Ueberblick ermöglicht wird.

[ocr errors]

Die Sprache der Chinesen ist von den Sprachen aller übrigen Völker durchaus verschieden, und die chinesische Schrift beruht auf einem ganz eigenthümlichen Prinzip. Die Charaktere dieser Schrift ftellen nämlich Gedanken dar, fie haben mit der Bedeutung unserer Buchstaben nichts gemein. Sinnliche Gegenstände werden durch ein ihnen einigermaßen entsprechendes Bid oder durch die ihnen eigen thümlichen, charakteristischen Kennzeichen in der Schrift dem Auge vorgeführt, abftratte Begriffe dagegen durch ein einzelnes Symbol oder durch eine Zusammenstellung mehrerer. Eine so absonderliche Schrift konnte nicht ohne Einfluß bleiben auf die Sprachformen, auf den Charakter der Literatur und vielleicht gar auf den Volksgeist felbft. Bei keinem anderen Volle stehen Gedanke und Schrift in so unmittelbarer Nähe, und hiervon ist die nothwendige Folge, daß der Chinese schon durch das bloße Lesenlernen in den Besiß einer Menge von Kenntnissen gelangt. Wenn bei uns die Kinder die Buchstaben und die denselben entsprechenden Laute sich eingeprägt haben, so können fie Wörter lesen, ohne daß fie nöthig haben, den Sinn und die Bedeutung dieser Wörter zu erfaffen; fie gleichen den Papageien, welche reden ohne zu denken. Wer dagegen in China ein Schrift zeichen in seinem Gedächtniß aufbewahrt, der fördert zugleich sofort feine Erkenntniß. Handelt es sich um einen Gegenstand aus der Natur, so erfährt das Kind zugleich mit dem Zeichen für denselben wie er ungefähr aussieht oder doch eine seiner besonderen Eigenthüm * Vergleiche Mélanges posthumes d'histoire et de littérature orien tales", par M. Abel Rémusat. Paris 1843.

و

[ocr errors]

1858.

lichkeiten; handelt es sich um einen Gegenstand der Kunst, so erhält das Kind zugleich eine Ansicht von dem Nußen, von dem Zweck deffelben; soll dagegen das Zeichen ein Gefühl, eine Pflicht, einen Gebrauch ausdrücken, so lenkt es selbst die Aufmerksamkeit auf eine moralische Lehre, auf einen sozialen Grundsaß oder auf eine alte Ueberlieferung hin. Man will z. B. dem Kinde das Zeichen für Unterricht einprägen; zu dem Ende macht man es darauf aufmerksam, daß dasselbe aus zwei Theilen besteht, deren erster: ein alter Mann' über seinem Sohne, den kindlichen Gehorsam, deren zweiter soviel als beleben, in Bewegung, in Thätigkeit versehen, bedeutet und daß dies soviel heißen soll als: durch den Unterricht erfährt man, wie man kindliche Liebe zu erweisen hat. So wird der Zorn dadurch in der Schrift bezeichnet, daß sich über einem Herzen ein Sklave befindet. Zwei Perlen von gleicher Größe bezeichnen einen Freund. Wie schwer ist es, Perlen aufzufinden, die einander vollkommen gleicht sind! Eine Frau mit der Hand über einem Besen bedeutet eine Gattin und erinnert dies Schriftzeichen zugleich an die Besorgung des Haushaltes.

Hat ein Chinese, welcher zwei bis dreitausend solcher Zeichen: kennen lernte und zugleich deren Bedeutung, deren Etymologie erfaßte, fich mit einem todten Studium beschäftigt? Hat er nicht, indem er dieselben seinem Gedächtniß einprägte, mit diesem zugleich seine Urtheilskraft geübt, einen Schaß von moralischen Begriffen und historischen Kenntnissen erworben und sich auf diese Weise befähigt, tiefer in die verschiedenen Zweige des Wiffens einzubringen?

Wenn man also behauptet, daß ein chinesischer Gelehrter sein Leben lang lesen lernen muß, so will man damit nichts Anderes sagen, als er muß bis an sein Lebensende denken und urtheilen lernen.

Nachdem der junge Chinese fich mit den eigenthümlichen Charakteren der Schrift einigermaßen bekannt gemacht hat, geht er zum Lefen über, und beabsichtigt er, zu Aemtern und Würden zu gelangen, so beginnt er fofort das Studium von Werken, die sechsmal so umfangreich sind als der Code civil der Franzosen. Er muß diese Werke fließend lesen können; demgemäß muß er alle in denselben vorkom mende Schriftzeichen auswendig wiffen; er muß im Stande sein, jedes Wort zu erklären und dessen Ursprung nachzuweisen, die Parallelen aufzufinden, d. h. die verschiedene Art und Weise, einen und denselben Gedanken auszudrücken. Der junge Chinese muß ferner neben der Wortkenntniß sich Einsicht in die Sachen zu verschaffen bestrebt sein,** er muß Bescheid wiffen um Pflanzen, Thiere, Geräthschaften, Künste, Gebräuche und Gefeße, von denen allen in den erwähnten Werken die Rede ist; er muß den Inhalt derselben, indem er ihnen den Rückenzukehrt, schriftlich wiederzugeben im Stande sein, auch über schwierige Fragen auf der Stelle fich schriftlich äußern können.

Uebrigens entsprechen die Werke, welche das eigentliche Studium der Chinesen bilden, weder dem Geschmack noch den Bedürfniffen der Europäer, denn fie find theils unvollständig, theils enthalten fie allerlei Irrthümer. Die Lehren, welche sie über Politik und Staatsverwaltung aufstellen, entbehren aller Begründung, find zum Theil antiquirt und eben deshalb unpraktisch. Das eigentliche Ergebniß alles Studiums bei den Chinesen ist die Richtung auf das Moralische, die den jungen Gemüthern eingeprägt wird, und die tiefe Achtung für das Alterthum. Indem sie auf die Quelle der alterthümlichen Sitten und Gebräuche zurückgehen, erhalten sie einen Anflug von Gefeß- und Geschichts- ~ Kenntniß, der ihnen bei politischen Verhandlungen als Nichtschnur dient. Höchft oberflächliche Mathematiker und Ingenieure, haben ältere » chinesische Kaiser dennoch dem gelben sowie dem großen Fluß einen bestimmten Lauf anweifen können. Bei Anlegung der hierzu erforderlichen Deiche und Kanäle sind die schwierigsten Nivellements auszuführen gewesen. Noch Größeres hat die chinesische innere Politik mit unverhältnißmäßig geringen Mitteln geleistet. Mit etwas, Moral und mit Schriften, die nichtssagendes Geschwäß zu enthalten scheinen, hat sie ein Reich, an Flächen-Inhalt Europa gleich, jedoch viel stärker bevölkert, in Ruhe und Ordnung zu erhalten gewußt und seine Bewohner im Großen und Ganzen nicht darben lassen.

1

J

Die Kunft zu lesen ist bei den Chinesen auf das engste mit dem Verständniß des Gelesenen verbunden; es ist bei ihnen unmöglich, fich statt mit positivem Wissen mit bloßen Worten und Redensarten zu begnügen, sich als einen Gelehrten zu geriren, während man seine Weisheit lediglich der Journallektüre verdankt, und am besten über dasjenige zu sprechen, von dem man gar keinen Begriff hat. Gelänge es, was jedoch rein unmöglich ist, ähnliche Einrichtungen bei uns zu treffen, so würde man sich erst mit den bestehenden Gesezen bekannt zu machen haben, bevor man neue in Vorschlag brächte, man würde die Geschichte feines Landes studirt haben müssen, bevor man es wagen dürfte, seine Verfassung zu ändern; die Kritiker würden sich zunächst die Wissenschaften anzueignen haben, über welche sie jest ohne Weiteres ein Urtheil abgeben, kurz, es würde eine Umkehr stattfinden, freilich nicht in dem Sinne, in welchem eine gewisse Partei die Umkehr der Wissenschaft fordert.

Der Elementar-Unterricht®) ist nirgend so verbreitet wie in China; öffentliche Lehrer findet man überall thätig in Dörfern und auf einsamen Pachthöfen, in den beweglichen Häusern auf den Flüssen und Kanälen, wie in den bevölkertsten Städten, und in vielen Familien wird Privat-Unterricht ertheilt. Daher kommt es, daß fast alle Chinesen, insoweit das gewöhnliche Leben es erfordert, lesen und schreiben können, daß Handwerker und Ackerbauer sich über tägliche Vorkommnisse Bemerkungen in kleine Hefte eintragen, ihre Korrespondenz selbst besorgen und den Almanach, die Verordnungen der Mandarinen und sogar Erzeugnisse der Tages-Literatur zu lesen im Stande sind. Der Unterricht beginnt mit dem Kennenlernen der Schriftzeichen, die deutlich ausgesprochen und mit dem Pinsel nachgemalt werden müssen. Damit das Leßtere ermöglicht wird, muß der Schüler zunächst die Linien und Züge darzustellen suchen, aus denen die Schriftzeichen zusammengesezt sind. Ein Kalligraph oder, wie die Chinesen sich auszudrücken pflegen, ein schöner Pinsel wird von aller Welt bewundert und gepriesen.

Jan-the-king heißt das von einem Schüler des Confucius verfaßte Buch, welches die chinesischen Schüler zuerst in die Hände bekommen. Unter dem Titel: „Lehrsaal des Mittelreichs", wurde es von C. F. Neumann in deutscher Ueberseßung hcrausgegeben.") Es besteht aus metrischen, Säßen von je vier Zeilen, deren jede durch drei Schriftzeichen gebildet wird. Der Verfasser war daher an manchen Stellen zu Ellipsen genöthigt und mußte deshalb dunkel werden, ein Grund, der die Ausarbeitung mehrerer Kommentare veranlaßte. Der erste Saß dieses Werkes lautet in Schott's Ueberseßung: Bei der Geburt des Menschen ist seine Natur gut; der folgende: Von Natur einander nahe, der Gewohnheit nach einander fern, das will sagen: Der Natur nach sind die Menschen kaum von einander verschieden (weil sie eben ohne Ausnahme von Natur gut sind); erst Studium und Erziehung begründen den Unterschied, indem ein Theil der Menschen durch Verwahrlosung oder verkehrten Unterricht böse wird. Dieser Lehrsaal" enthält einen gedrängten Auszug aller Kenntnisse, welche das chinesische Wissen ausmachen. Nachdem die Schüler denselben auswendig gelernt haben, gehen sie zu dem Studium anderer Bücher über, welche politisch-moralische Lehren enthalten. Eines der felben prüft die Tugenden des Einzellebens und die des verwandtschaftlichen Verkehrs, bespricht die Ordnung der Geschäfte, die Pflichten, welche dem Kaiser wie den niedrigsten Beamten obliegen, die Arbeiten der Gelehrten, der Bauern, Künstler und Kaufleute, die Geseße der physischen Welt, die Eigenschaften des Himmels, der Erde und der Berge, der Flüsse, der Vögel, der vierfüßigen Thiere, der Fische, der Insekten, der Pflanzen, der Bäume u. f. w. Das Studium erstreckt sich sodann auf die heiligen Bücher, welche zum Theil historische Nach richten sowie die alten Nationallieder und pffizielle Nationalgesänge enthalten.

Ursprünglich wurden die Beamten vom Volk ernannt, seit dem achten Jahrhundert wurden Prüfungen, wie sie jest üblich sind, angeordnet, und im elften Jahrhundert erhielt die Corporation der Ge lehrten ihre bestimmte Organisation. Zu den Prüfungen kann sich Jeder melden, der nicht Sklave oder Dienstbote ist; auch solche, die ein entehrendes Gewerbe treiben, werden nicht zugelassen. Da das Ergebnis der Prüfungen die Existenz derer, welche sich denselben unterziehen, bedingt, so bilden dieselben einen Gegenstand allgemeinsten. Interesses. Die erste Prüfung findet unter dem Vorsiz eines Beamten an einem Hauptort eines Bezirkes ftatt; wer dieselbe glücklich übersteht, kann sich zu einer weiteren Prüfung in einer Kreisstadt melden. Zweioder dreimal im Jahre giebt es dann ein Eramen in der Hauptstadt

*) Vergl.,,Voyage en Chine, par Aug. Haussmann". Paris, 1847 à 1848, besonders Band 2, S. 215 ff. und,, L'empire Chinois", par Huc. Paris 1854, beutsch unter dem Titel: „Das chinesische Reich“. Leipzig 1856. B. 1, S. 66 ff.

**) Vergl. Schott's Kritik in den,,Berliner Jahrbüchern für wissenschaft liche Kritik" 1836; II, 813 und den ,,Entwurf einer Beschreibung der chinefischen Literatur" in den philologischen und historischen Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin", 1853, S. 293 ff.

"

der Provinz in Gegenwart des General-Direktors des öffentlichen Unterrichts. Diejenigen, welche dies Examen bestehen, erhalten den ersten Universitätsgrad. Um den zweiten zu erlangen ist gleichfalls in der Provinzial-Hauptstadt eine alle drei Jahre vorzunehmende Prüfung angeordnet, welche ein Mitglied der Akademie zu Peking, unterstüßt von dem General-Gouverneur der Provinz und einem zweiten Examinator, leitet. Zu dieser Prüfung melden sich 7000 bis 10,000 Personen, die sich bei dem Direktor des öffentlichen Unterrichts einschreiben und dabei den Namen ihres Vaters, ihrer Groß- und Urgroßväter, ihren Geburtsort und ihr Alter angeben müssen.

Man versammelt sich in dem Gebäude der Akademie. Jeder Kandidat wird beim Eintritt auf das strengste untersucht, da er weder Bücher, noch Papier bei sich haben darf. Man weist darauf Jedem ein kleines Zimmer an, in welchem die Kandidaten zweimal vierundzwanzig Stunden in völliger Einsamkeit und bewacht von Soldaten zubringen müssen. Die Wacher besorgen die Lebensmittel und hindern jeden Verkehr nach außen. Mit der ängstlichsten Vorsicht sucht man jedem Betrug vorzubeugen. Der zu Prüfende hat vier Arbeiten über Gegenstände aus den heiligen Büchern, eine Arbeit über eine Stelle aus den alten Klassikern, ein Gedicht und fünf historische und politische Arbeiten anzufertigen. Alles muß in einem eleganten und gedankenreichen Stil abgefaßt sein; Gemeinpläge sowie Anspielungen auf die Politik der regierenden Dynastie müssen vermieden werden. Die Arbeiten werden von Secretairen mit rother Dinte abgeschrieben, so daß die Examinatoren die Handschriften der Kandidaten gar nicht zu Gesicht bekommen. Der geringste Fehler reicht hin, um die Zulassung zu weiterer Prüfung unmöglich zu machen. Diejenigen Kandidaten, welche dieses Unglück nicht trifft, haben, nachdem sie einen oder zwei Tage sich erholt, in den erwähnten Zimmern nun noch drei schwierige politische Fragen zu behandeln. Wird dieser Aufgabe genügt, so fertigen sie alsdann noch drei Abhandlungen über die Gefeße und Gebräuche des Landes an, und nun erst wird in dem Zeitraum von vierzehn Tagen festgestellt, wer das Examen überstanden hat. Die Namen dieser Glücklichen werden nach der Reihenfolge ihrer dargethanen Kenntnisse auf einen großen Anschlagzettel geschrieben, den man feierlichst unter Geschüßsalven von dem Hause des Gouverneurs nach der Akademie trägt. Hier wird der Zettel wirklich angeschlagen, und dreimal verbeugt sich der Gouverneur vor den auf ihm befindlichen Namen. Diese gehen bereits von Mund zu Mund, und Jeder sucht unter ihnen den eines Freundes oder Verwandten ausfindig zu machen.

Es machen ungefähr hunderttausend Kandidaten zu gleicher Zeit in den verschiedenen Provinzen des Reiches dies Examen, allein kaum funfzehnhundert sind so glücklich, ihre Namen auf den gedachten Zetteln prangen zu sehen, Hut, Kleid, Stiefel, die Zeichen ihres Grades, zu empfangen und an einem glänzenden Festmahl theilzunehmen, welchem die höchsten Beamten der Provinz beiwohnen.

Die auf diese Weise Graduirten gelten als Personen von äußerfter Wichtigkeit; da man in ihnen bereits die zukünftigen Mandarinen erblickt, so zollt man ihnen ehrerbietige Achtung. Sie zeigen sich öffentlich von nun an nur in Sänften oder zu Pferde.

Der dritte Grad kann nur in Peking selbst erlangt werden, wo alle drei Jahre zu diesem Ende eine Prüfung stattfindet. Diejenigen, welche dieselbe glücklich überstehen, werden dem Kaiser vorgestellt, und die drei Vorzüglichsten unter ihnen erhalten aus seinen Händen Belohnungen. Die Prüfungen zum vierten Grad finden gleichfalls alle drei Jahre, aber im Palast und in Gegenwart des Kaisers statt. Wer diesen höchsten Grad erlangt, wird mit dem allbeneideten Titel Hanlin beehrt. Han-lin heißt auch die kaiserliche Akademie, welche aus. graduirten Gelehrten besteht. Aus der Mitte derselben werden die Redner bei den öffentlichen Festen und die Examinatoren für die Provinzen ernannt. Eine Kommission dieser Akademiker verfaßt die offi- : ziellen Dokumente, eine andere revidirt die auf Regierungskosten veröffentlichten chinesischen und tatarischen Werke. Ein Kollegium der Historiker bearbeitet die Geschichte aller Reiche und Zeiten, und außer diesem schreiben zweiundzwanzig Akademiker jeden Tag die Annalen der regierenden Dynastie, welche jedoch erst veröffentlicht werden, wenn eine andere Dynastie den Thron bestiegen hat.

Nach den Mittheilungen des sehr unterrichteten Missionars Huc find die Prüfungen im Verfall begriffen. Mit Geld kann man alle die Vorsichtsmaßregeln unwirksam machen, welche die völlige Jsolirung des Kandidaten ermöglichen sollen. Durch Bestechungen kann man die zu bearbeitenden Aufgaben erfahren und die Meistbietenden erhalten die besten Censuren. Es kommt auch wohl, vor, daß ein her: untergekommener Graduirter den Namen eines Kandidaten annimmt, der sich nicht getraut, die Prüfung selbst zu bestehen, und auf diese Weise einen Grad erlangt, indem der bereits Graduirte sich einem nochmaligen Examen unterzieht.

Merkwürdig aber ist es jedenfalls, daß dreihundert Millionen Menschen, die gegenwärtige Bevölkerung des chinesischen Reiches, in

[merged small][ocr errors][merged small]

er hält zwei Talismane, und das Emblem der himmlischen Begeisterung schimmert über seinem Haupte: der Tod flößt ihm keine Furcht ein; er ist niedergestreckt, von einem Pfeil durchbohrt und von einem Geier angefressen: er ist entschlossen, dem Tode zu troßen.

So sind die Indianer Amerika's dahin gelangt, unsinnliche Wesen, Gedanken, den Menschengeist mit seinen Kräften, die Genien

Symbolische Denkmäler, geheime Brüderschaften und Alterthümer mit ihren Einflüssen, den großen Geist mit seinen Attributen, religiöse

der Indianerstämme. (Fortseßung.)

Bei den üblichen Feierlichkeiten zur Aufnahme und Einweihung neuer Mitglieder in die Brüderschaft verfahren die Medas nach einer Art Programm, das in zweiundzwanzig auf eine Tafel gemalten Figuren abgefaßt ist; es sind dieses zugleich Symbole und Mnemata. Als Symbole ftellen sie die geheimnißvollen Kräfte der Weihefeier dar; als mnemonische Zeichen erinnern sie an die Lieder, die dabei gesungen werden müffen. Der große Geift, der Kandidat, das Zimmer der Einweihung, die endliche Aufnahme, der geheimnißvolle Baum der Medas, verschiedene symbolische Vögel, der Himmel u. a. m. find... die auf der Tafel dargestellten Gegenstände. Merkwürdig ist eine Art metaphorische Bedeutung dieser Figuren. Ein Pfeil bezeichnet die Schnelligkeit des Geistes, der im Moment von einem Orte zum anderen fliegt. Eine andere Figur drückt in ebenso symbolischer Weise aus, daß Gott überall, daß er größer als das materielle Universum ist; wieder eine andere, daß Gott von der Welt unterschieden ist, daß er sie beherrscht. Sinnliches ist hier der Ausdruck des Nichtsinnlichen, des Gedankens. So nähern sich die Zeichen der Medas den ägyptischen Hieroglyphen. Als mnemonische Zeichen haben diese Figuren viel` Aehnlichkeit mit dem, was die Alten zò uveμonxóv oder τù prɛpovizá, memoria artificiosa, nannten und worüber wir noch nicht im Klaren sind. Wir wissen nun aus Quinctilian, daß man bei dieser dem Simonides zugeschriebenen Erfindung durch ein Schwert z. B. an den Krieg, durch einen Anker an die Schifffahrt erinnert wurde. Und gerade so machen es die Medas.

Die Geheimgesellschaft des Wabeno macht ebenfalls weitläufigen Gebrauch von der Piktographie. Nach dem Muster der MedasBrüderschaft gebildet, ist sie ein schlechter Nachdruck derselben. Ihr Zweck scheint eine lärmende Luftigkeit zu sein; sie versammeln sich nur des Nachts, und ihre Orgien dauern bis Tagesanbruch (Wabeno), daher ihr Name. Die Ordnung der Ceremonie wird in gleicher Weise, wie bei den Medas, durch eine Reihe mysteriöser Zeichen angegeben; jedes derselben entspricht einem zu singenden Liede, einer zu rezitirenden Formel. Die Metaphern werden auf's einfachste ausgedrückt: eine wellenförmige Linie, die in ein Ohr ausläuft, bezeichnet die Aufmerkfamkeit; ein Kreis um den Bauch, Ueberfluß an Lebensmitteln; will man sagen, ein Mensch könne nach Belieben Regen machen, so malt man ihn mit einem Wasserbecken auf dem Kopfe ab. Ein Kreis um die Stirn bedeutet die himmlische Eingebung und die Gabe, mit den Geistern zu verkehren.

Zur Kategorie der Zauberer gehören endlich die Jeesukas, die angeblich von dem großen Geist oder von dem überirdischen Wesen Inspirirten. Sie haben geheimnißvolle Visionen, in welchen ihnen die phantastischen Wesen erscheinen und ihnen die kommenden Ereig niffe offenbaren. Diese Erscheinungen sind sehr verschieden, und jeder Jeesuka erzählt sie auf seine Weise. Daß hier oft Betrug und Humbug mitunterläuft, ist gewiß; gar manche spekuliren auf die Leicht gläubigkeit der Menge und können, wie die römischen Auguren, einander nicht ohne Lachen ansehen. Ebenso gewiß aber ist es, daß viele dieser Gesellschaft selbst betrogene Betrüger sind und unter dem Einfluß wirklicher Hallucinationen ihr Wesen treiben. Als Beispiel führen wir die Indianerin Katharina Wabose an, die, nachdem sie dreißig: Jahre die Rolle der Prophetin gespielt, zum Christenthum übertrat. Sie war aus dem Stamme der Algonquins, unter denen sie lange in großem Ansehen stand. Schoolcraft, mit dem algonquinischen Dialekt vertraut, hat sich in öfteren Unterhaltungen mit ihr von ihrem ungewöhnlichen Geist und ihrem Scharfsinn überzeugt. Sie entdeckte ihm aufrichtig und vollständig die Mittel, die sie anwandte, um prophetische Visionen zu erhalten, und den Gebrauch, den sie von diesen machte. Zur Zeit, wo sie ihm diese vertraulichen Mittheilungen machte, war fie bereits Christin und hatte in Folge deffen ihrem früheren Gewerbe entsagt. Durch übermäßiges Fasten hatte sie die Gefichte hervorgerufen und glaubte in der Zukunft lesen zu können. Auf einem Gemälde stellte sie die gehabten Erscheinungen dar. Diese Figuren erinnerten die Prophetin an die Zauberlieder, die sie sang, um die Geißter der Vision anzurufen. Diese Lieder selbst waren ihr, wie sie behauptete, von den Genien eingegeben worden. Schoolcraft, dem fie die Lieder auf seinen Wunsch vorsang, konnte sie nicht ohne Schauer und tiefe Ergriffenheit anhören.

Nicht aber Gedanken allein, auch Gefühle weiß die indianische Gemäldeschrift auszudrücken. Ein Häuptling ist beflügelt abgebildet: das will sagen, er ist voll Ungeduld, den Feinden entgegenzustürmen;

[ocr errors]

Dogmen, Lebensregeln und Sittenlehren, die Bestrebungen der Seele, wie die Empfindungen des Herzens, in gemalten Bildern darzustellen. Wie die Aegypter, symbolisiren sie den Kampf durch zwei bewaffnete Hände, das Gebet durch gen Himmel gehobene Arme, ein arbeitsames und lenksames Volk durch einen Bienenstock, die Wachsamkeit durch ein offenes Auge, das Schweigen burch einen Finger auf den geschloffenen Lippen. Außer den figurativen und metaphorischen Charakteren hatten aber die Aegypter noch, wie das Champollion aus dem berühmten Stein von Damiette nachgewiesen, eine Lautschrift, das dritte, Gedanken darstellende Element, das reichste und vollkommenste, das phonetische, das den Indianern abgeht. Indeffen zeigt uns ihre Piktographie die natürlichen Quellen des Menschengeistes und die ihm eingeborenen Bestrebungen, sich von der Sprache der Barbarei frei zu machen. Wir sehen hier die Schrift bei ihrem Ausgange und erkennen die ungeheuer lange Bahn, die sie hat durchlaufen müssen, bevor sie bei der einfachen und vollkommenen Form ankam, die uns in den Stand feßt, alle Töne unseres Mundes und folglich alle Ideen unseres Geistes, alle Regungen unseres Gemüthes, den Augen darzustellen. Diese Bilderschrift giebt uns zugleich werthvolle Winke überdie indianische Kunst, die uns bis jezt nur durch seltene Proben bekannt ist. Die Jägervölker errichten wenig Denkmäler. Vor Ankunft der Europäer schweiften die indianischen Stämme, in Horden getheilt, von Ort zu Ort und kannten keine festabgesteckten Gränzen. Ihre ununterbrochenen Kriege waren eine weitere Ursache der Verschiebungen: die Besiegten wurden in die Ferne geworfen und überließen ihre Ländereien den Siegern. Ueberdies glühten diese Wilden für eine ungebundene Unabhängkeit und würden den Zwang zu Arbeiten öffentlicher Nüglichkeit, die Frohnen, die in minder civilisirten Gesellschaften zur Ausführung von Monumentalbauten unerläßlich sind, nimmer ertragen haben. Man darf demnach in diesen Gegenden keine Denkmäler gewärtigen, die einen Zweck, einen Plan, das Zusammenwirken zahlreicher Menschenkräfte, das überwiegende Herrscherwort und die vererbte Anhänglichkeit an den Boden vorausseßen.

Seitdem man aber allmählich den amerikanischen Boden von der Ueberfülle der Riesenwälder befreit, sieht man mit Staunen Spuren und Reste alter Bauwerke auftauchen: lange Steinmauern, Erdanschüttungen, Gräber voll Gebeine, viereckige oder kreisförmige Einfriedungen, durch Gräben und Wälle gebildet. In diesen Ruinen findet man Metallmünzen, zugehauene Steine, Geschirr von gebranntem Ton, Figuren von Menschen und Thieren. Nicht minder in Staunen seßend ist die Zahl dieser zertrümmerten Bauten. Sie find über das ganze Gebiet der Union verbreitet, von den großen Seen bis zum Golf von Mexiko, vom großen Ocean bis zum Atlantischen Meere. In dem einzigen Ohiogebiet belaufen sie sich auf 11,500 und find nicht minder zahlreich in den anderen Staaten.

Was sagen uns diese Ruinen? Sind die Werke, an die fie erinnern, von den Vorfahren unserer heutigen Indianer ausgeführt worden? Ist es wahrscheinlich, daß diese Menschenraçe der Civilisation, gegen die sie sich heute eigenwillig steift, ehemals gehuldigt habe, und daß fie mithin, gegen das allgemeine Gesez des Fortschrittes, bis in den Zustand der Wildheit zurückgefallen sei? Ist es glaublich, daß, nachdem sie den Ackerbau und den aus ihr. hervorgehenden gesicherten Lebensunterhalt gekannt, sie ihm entsagt haben, um sich den Ungewißheiten des Jägerlebens bloßzustellen? Ist es nicht wahrscheinlicher, daß dieses Land in uralter Zeit von einem andern Menschenschlag_bewohnt gewesen? Darf man der Vermuthung Raum geben, daß einft seefahrende Völker hierher gekommen sind, ihre Kultur mitgebracht haben und in der Folge mit dieser zugleich untergegangen sind? Nur verschiedene Hypothesen können darauf antworten, und jede zählt ihre Anhänger.

Die Werke, von denen die Trümmer zeugen, können ihrer Bestimmung nach unter drei Kategorieen geordnet werden: zur Schußwehr, zur Bestattung der Leichen, zum religiösen Kultus.

Die Vertheidigungswerke lassen sich durch ihre Maffe und ihre Stärke von den anderen leicht unterscheiden. Sie waren auf den Ausläufen der Felfen- und Alleghanygebirge erbaut; große Mauern umringen die Höhen und folgen den Krümmungen des Terrains ununterbrochen, bis auf gewisse Oeffnungen, die zum Eingang dienten und immer an den zugänglichsten Stellen dieser Höhen angebracht sind.

In der Nähe des Dorfes Bourneville im Staate Ohio stößt man auf ein verschanztes Lager. Die dicke Cirkumferenzlinie aus übereinandergehäuften Steinen sieht ziemlich einem in sumpfigem Boden aufgeführten Damm unserer Eisenbahnen ähnlich. Jezt hat

1

dieser eingestürzte Wall beiläufig eine Höhe von 18 und eine Breite von 9 Fuß: Verhältnisse, die damals, als er aufgeführt wurde, wahr scheinlich umgekehrt waren. An mehreren noch gefunden Stellen sieht man, daß die Steine mit Ordnung eingefügt waren, nach außen zu wenigstens eine glatte und lothrechte Fläche bildeten. Diese zerstörte Verschanzung läuft mit den Halden des Gebirges parallel, und die Maffe des Materials ist an den minder schroffen Stellen sichtlich größer. An der Westseite ist die Ringmauer auf eine Länge von bei läufig 300 Fuß unterbrochen, weil hier ein jäher Abgrund den Zu gang ohnehin unmöglich machte. Die leichter zugängliche Südfeite hat drei, 7 Fuß lange, freie Räume, wo die Thore angebracht waren. Links und rechts von jeder Deffnung krümmt sich die Mauer unter eins springenden Winkeln, um die Vertheidigung leichter zu machen. Noch zwei Eingänge bemerkt man, den einen im Often, den anderen im Norden. Die viermal größere Anhäufung der Steine in der Nähe dieser Oeffnungen zeigt, daß der Wall hier bedeutend höher gewesen sein muß, als an anderen Stellen. An drei höchsten, die ganze Um gegend beherrschenden Punkten sind die Steine verkalkt und theilweise verglaft. Sie mochten als Heerd zu lebhaft unterhaltenem Feuer dienen, um theils denen außerhalb der Feste Signale zu geben, theils die Eingeschloffenen vor nächtlichen Ueberfällen zu schüßen. Die Festung bedeckte eine Fläche von 225 Quadrat Morgen, hatte einen Umfang von 12,000 Fuß und konnte Zelte oder Wohnungen für mehr denn 60,000 Mann faffen.

Auf einem Plateau in der Nähe der Stadt Chillicothe sieht man. die Ruinen einer ebenso bedeutenden Feftung von sehr unregelmäßigem Umriß, die von innen mit zwei parallelen, durch einen ununterbroche nen Damm getrennten Gräben versehen war. Auf diesem Damme konnten Wachen aufgestellt werden, um die Angreifenden, selbst wenn fie schon die äußeren Ringmauern erstürmt hatten, zurückzudrängen. Die Krümmungen dieses Walles, bald ein-, bald auswärts laufend, boten dieselben Vortheile, wie die vor- und einspringenden Winkel in unseren Citadellen. Dieses verschanzte Lager, unter dem Namen Fort Hill bekannt, ist von großen Gewässern umgeben und beherrscht die benachbarten Thäler. Innerhalb desselben sind mehrere Seen, die in feiner Jahreszeit verfiegen.

[ocr errors]

Eine andere Festung unfern der Stadt Hamilton zeigt eine sinu reiche, labyrinthartige Combination von Gräben und Wällen, die fie uneinnehmbar machen mußte. In diesen künstlichen Thermopylen konnten 800 mit Wurfgeschoß bewaffnete Krieger, ohne Besorgniß, in den Rücken genommen zu werden, ein zahlreiches Heer von Feinden abhalten. An der Festigkeit und dem Plan dieser cyklopischen Bauten erkennt man sie als das Werk eines intelligenten, zahlreichen, ansässigen und gut regierten Volkes; als ein Werk endlich, das nicht jählings und. unter dem Drang einer unvorhergesehenen Gefahr entstanden. Dieses Abwehrsystem hing mit einer permanenten Ordnung der Dinge zu sammen; es war von der Noth der Zeit hervorgerufen und von den unablässig drohenden Gefahren geboten. Diese befestigten Räume waren stets offene Zufluchtsstätten, wohin sich, im Fall eines Angriffs, die Familien mit ihrer Habe retteten. Unter dem Schuße dieser Wälle schlugen vielleicht die Einwohner ihre Zelte auf, verwahrten sie ihre Vorräthe und verließen diese ihre Wohnungen nur, um an ihre Arbeiten zu gehen. Was für Arbeiten aber waren das? Wahrscheinlich die des Ackerbaues. Nur diese Lebensart läßt es zu, daß die Menschen. fich in so großer Zahl und zu andauernden Verbindungen vereinigen, daß fie eine oberste Gewalt auf festen Grundlagen, errichten und hin... reichende Vorräthe zurücklegen, um lange Belagerungen auszuhalten. Alles das ist von keinem Jägervolk zu erwarten. Die indianischen Stämme nun, die einzig und allein von Wild und seit drei Jahre hunderten in einer solchen Verfassung leben sie können keine folche Festungen bauen und würden sich auch darin, ohne zu verhungern, nicht vierzehn Tage halten können. (Schluß folgt.)..

England.

[ocr errors]

Das Volk und seine Erziehung in England. Ueber diesen Gegenstand bemerkt J. A. St. John in seinem kürzlich erschienenen trefflichen Buch über Volksunterricht:"),,Fast alle Bücher, die für die unteren Volksschichten bestimmt find, haben ein so schäbi. ges, armseliges Aussehen, als müßte die Wissenschaft, wenn sie zu den Armen herabsteigt, zuvor ihre ftattlichen Gewänder, ihren Schmuck, ihre Schönheit ablegen, um kahl und nackt, oder in Lumpen gekleidet, wie sie, zu erscheinen. Es ist Zeit, solche Werke aus den VolksBibliotheken zu verbannen. Das erste und einzige Bedürfniß für ein Volksbuch ist, daß es in gutem, reinem Englisch geschrieben sei, frei von allem Pedantischen, Gezierten, von eingeflickten fremdsprachlichen... *),,The Education of the People". By James Augustus St. John. London: Chapman & Hall.

[ocr errors]

Feßen, von gelehrten Anspielungen. Es ist bemerkenswerth, daß im Allgemeinen die Literatur in dem Maaße sich innerlich verebelt, wie sich äußerlich das Feld erweitert, das fie anzubauen hat. Als die Gelehrten für eine Minderzahl schrieben, schrieben sie lateinisch oder spickten ihr Englisch mit Zitaten aus den klassischen Sprachen - das war Kaviar für das große Publikum. Als aber die Bücher anfingen, mehr Leser zu finden, verdrängte das Englische nicht nur das Latein, sondern man verwendete größere Sorgfalt auf den Stil, und die Worte reiheten sich in naturgemäßerer Ordnung, die langgestreckten Säße wurden verkürzt, die Interpunction wurde studirt — mit Einem Worte, man strebte nach Klarheit des schriftlichen Ausdrucks. Gegen IL das Niederdrücken des Stils, das Manche für das wesentliche Erforder niß halten, wenn sie fürs Volk schreiben, müssen wir jeßt auf der Hut sein. Wir müffen das Ziel im Auge haben, nicht die Literatur. zu entadeln, sondern den Sinn des Volkes zu heben."

[ocr errors]

„Als ich einst in Northumberland auf der Eisenbahn reifte, tam ich mit einigen Personen aus dieser Landschaft in demselben Coupé zu fißen. Eine Gesellschaft von indianischen Rothhäuten würde sich bei weitem ruhiger und anständiger betragen haben; ihre Sprache war kaum englisch, Blicke und Stimme gemahnten an ihre Urväter, die Bikinger... Als ich mich aber in ein Gespräch mit ihnen einließ, zeigten sie so gefunden Verstand, so richtiges. Gefühl, so reine Herzensgüte, daß ich darüber bald ihr Kauderwelsch und ihr rauhes Wesen vergaß. Ueber die Nothdurft ihres beschränkten Lebens hinaus erstreckte sich ihr Gedankenkreis wahrscheinlich nicht. Einige darunter kamen aus London, daß sie als eine große Falle betrachteten, das Landvolk darin zu fangen. So lange sie dort verweilten, lebten sie in steter Angst und waren herzlich froh, ihre Geschäfte abgemacht zu haben und wieder in ihre Wildnisse und Berge heimzukehren. Sie erinnerten mich an einen arabischen Häuptling, mit dem ich in Kahira zusammentraf. Er hatte felten das Innere eines Hauses gesehen, das er mit großem Argwohn betrachtete und nur mit Widerstreben betrat. Während er sich mit mir unterhielt, schlug eine Wanduhr hinter seinem Rücken. Wie angeschoffen fuhr er auf, legte die Hand an's Schwert und drehte sich um, den unbekannten Feind in's Auge zu faffen. Ein gegenwärtiger Türke lächelte. Der Beduine, ärgerlich darüber, daß er Zeichen des Schreckens verrathen, bemerkte stolz:,,,,Hättet Ihr in meinem Zelte gesessen und plößlich das Saufen einer Lanze hinter Euch gehört, Ihr würdet auch aufgesprungen sein."""

Mannigfaltiges.

Der Chemiker Gregory und seine Familie. Am 24. v. M. starb in Edinburg, im besten Mannesalter, der Professor der Chemie an der dortigen Universität, Dr. William Gregory. Schon seit vielen Generationen genießt der Name Gregory in Schottland einer wissenschaftlichen Berühmtheit. Der Gründer dieser Familie, deren Mitglieder nicht weniger als siebzehn Profeffuren an schottischen Hochschulen bekleidet haben, war ein presbyterianischer Geistlicher zu Dunnoath in Aberdeenshire. Er hinterließ drei Söhne, David, James und Charles, welche alle zu Lehrstühlen gelangten. Der unmittelbare Ahnherr des verstorbenen Chemikers war James, der im Jahre 1674 Profeffor der Mathematik in Edinburg wurde. SeinSohn John und sein Enkel James waren Einer nach dem Anderen Professoren der Medizin an der Universität Edinburg. William Gregory war der Sohn des Leßteren. Er studirte, gleich seinem Vater und Großvater, die Heilkunde und promovirte in Edinburgzum Doktor. Indeffen faßte er bald eine Vorliebe für das Studium der Chemie. Um sich in dieser Wissenschaft auszubilden, begab er sich nach Gießen und wurde der Schüler und Freund unseres berühmten Liebig, deffen Werke er zuerst im englischen Publikum einführte. Die„Thierchemie oder organische Chemie in ihrer Anwendung auf Phy--' fiologie und Pathologie" des deutschen Gelehrten überseßte er nach 2 dem Manuskript des Verfaffers, und sie erschien gleichzeitig mit dem Original im Jahre 1842. Als Original-Schriftsteller machte sich Gregory vornehmlich durch seine Umriffe der anorganischen und.. organischen Chemie“ bekannt, sowie er auch in Verbindung mit Liebig. die,,Elemente der Chemie", von Turner, herausgab. Nachdem er eine Zeit lang als Profeffor dieser Wissenschaft in Glasgow und Aberdeen fungirt, wurde er 1843 in gleicher Eigenschaft nach Edinburg berufen. Doch beschäftigte er sich nicht ausschließlich mit der Chemie; er über-! trug Reichenbach's Schrift über „Magnetismus, Elektrizität 2c.“ in’69 Englische und schrieb selbst ein Buch über Mesmerismus und thierischen Magnetismus. Während der leßten Jahre seines Lebens richtete er feine Aufmerksamkeit besonders auf mikroskopische Untersuchungen, deren Ergebnisse in den Transactions" der Royal Society von Edinburg und der Londoner mikroskopischen Gesellschaft veröffentlicht.......♪ wurden.

[ocr errors]

Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Breid jährlich 3 Thir. 10 gr., halbfährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlaube pertofrei und in Berlin frei kns Haus geliefert wird

No 61.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwalliftr. Kr. 21), sowie von allen königl.Post-Nemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

England.

Berlin, Sonnabend den 22. Mai.

[merged small][ocr errors]

Obgleich sich auf dem theuren Pflaster Londons mehr Menschen drängen, als ganze Königreiche Einwohner zählen, und die Häuser fich zu Tausenden von Straßen zusammenschieben und winden, hat man doch nicht die Natur daraus ganz verdrängen können. Zehnbis funfzigmal kleinere,,große Städte" auf dem Kontinente können sich keiner solchen Berücksichtigung des Naturwüchsigen rühmen. Die Polizei und der Magistrat laffen dort sogar das bescheidene Gras, das sich in stillen Sack- und Nebengassen manchmal zwischen den Steinen hervordrängt, forgfältig auspicken, damit kein Schein des Grünen und Natürlichen die polizeilich beaufsichtigte Civilisation und Städtisch. keit ftöre. Durch London hindurch ziehen sich geräumige Parks und Hunderte von grünen kleinen Parks oder Squares. Außerdem hat jedes Haus in den äußeren Stadttheilen seinen Vor- und Hintergarten, oder wenigstens leßteren. Das ganze Land außerhalb Londons verparkidafirt sich überall aus den Städten heraus in urbanisirtes, botanisirtes ländliches Leben. Villa's und Cottages verzetteln und verkriechen sich überall auf Höhen und in Thälern des welligen Bodens hinter Epheumauern und Gärten, zwischen lebendigen Hecken und Gräben und Viehweideverschlägen und Parks, durch welches Gehege und Gewinde von so bekleideten Hügelwellen und Senkungen sich bald hier, bald da, Eisenbahnzüge, räthselhaft, bald auf Brücken, bald durch Tunnels, hindurch finden. Diese Physiognomie der Boden-Oberfläche bleibt sich durch das ganze mittlere England ziemlich gleich und giebt ihm, wenn man es erst kennt, den Charakter einer verworrenen Einförmigkeit, die sich nur nach dem Süden hin abebnet und nach Wales und dem Norden hin zu wirklichen Bergen und Thälern, Felsen und grünen Tiefen erkühnt und so diese Ueberfülle von Einförmigkeit mit scharfen Kanten und Konturen bricht. Dörfer und Städte verschwimmen und verschieben sich in einander. Man sieht nie recht, wo eine Ortschaft aufhört und die andere beginnt. Ueberall, felbft in den dichtesten Straßen, sucht die Natur noch sich geltend zu machen, und die Aristokratie und Gentry, der wohlhabende Mittelund Kaufmannsstand wohnen überall, oft viele Meilen von ihren Geschäften, in und mitten in üppiger Natur, die selbst von den fein ften Ziergärten nicht gestört werden darf. Wald und Wiese, Parke und riesige Bäume, kleine, murmelnde Gräben und lebendige Hecken, mit weidenden Kühen und Pferden dazwischen, erhalten überall das Gepräge natürlichen Waltens der Natur aufrecht. Man treibt zum Theil sehr kostspielige Kunst, um das eigentliche Naturgepräge in den künstlerischen Anlagen zu erhalten oder sich bilden zu lassen. Damit ist man aber selten zufrieden. Die Natur muß sich üppig in Epheu und allerhand Schlinggewächsen zu den Fenstern hinein- und bis zu Schornsteinen und Thurmspißen hinaufranken. Damit noch nicht zufrieden, zaubert man auch Pflanzenbilder der entferntesten Zonen in die Parks und Gärten, in Grün- oder Treibhäuser, in Staatszimmer und Blumenfenster.

In England wachsen Tausende von Bäumen und Pflanzen und Blumen, die der Kontinent nur in Gewächshäusern und auch da oft nicht findet, im Freien. Dabei macht man stets neue Versuche, und die großen Gärtner halten sich expreß für Tausende von Pfunden botanische Jäger, die in Sahara's und Himalaya's umherspähen, um irgend eine neue Blume oder Staude zu entdecken, die dann auch, wenn es irgend möglich, in England eingebürgert und akklimatisirt wird. Auch damit noch nicht zufrieden, fängt man sich unter allen Längen und Breitengraden allerhand seltsame und schöne Vögel, nicht um fie in armiselige Käfige einzusperren, sondern ihnen in Zimmer

1858.

Aviarien künstlerisch-natürliche neue Heerde und Heimden zu bauen, ihnen so eine kaum merklich beschränkte und dafür in Temperatur und Nahrung gesicherte Freiheit in der Familie zu geben. Sogar auch damit noch nicht zufrieden (eine ganz hübsche und angenehme Unzufriedenheit!), plündert man nun schon seit fünf bis sechs Jahren auch die Tiefen des Meeres und stellt deffen zoophytische, molluskische, cetaceische Geheimnisse in kleinen, künstlichen Meeresgründen mit den fonderbaren Gewächsen zwischen Spiegelscheiben in die drawing rooms. Diese Marine-Aquariums - Periode, die in der leßten Zeit als eine Art Manie wüthete, legt sich jezt etwas, ohne daß man damit die Marine-Aquarien abschafft. Wer die seltsamen, zum Theil wunderschönen, in den reizendsten Farben und mit den stolzesten Federbüschen spielenden thierpflanzlichen Wundermährchen der Meeresgründe einmal kennen und behandeln gelernt hat (und an legterem Umstande hängen viele Täuschungen, Aergernisse und vergeudete Pfunde), der giebt so etwas nicht wieder auf. Er ist auch damit noch nicht zufrieden. Und hier kommen wir zu dem neuesten und höchsten Studium der Unzufriedenheit und der Einbürgerung der Natur in die höchste Civilisation, zu den Insektarien.

Neben den Wundern der Tiefe zwischen den Spiegelscheiben der drawing rooms, die, an Ort und Stelle gewachsen, nur seltsam mit ihren Tentakeln, Medusenhäuptern und Federnelkenköpfen wackeln und wehen, flattern die zwischen den Spiegelscheiben geborenen bunten Schmetterlinge, kriechen die sonderbarsten Raupen umher und hängen sich selber auf, um zu Larven und Chrysoliden zu erstarren und vor den Augen der Familie als geflügelte Sinnbilder der Unsterblichkeit wieder aufzuerstehen.

Der Vater der Marine-Aquarien war Profeffor Goffe mit seinen Experimenten und illustrirten Büchern über die,,Wunder der Tiefe". H. Noel Humphreys hat der Liebe für die Natur im Zimmer die Insektenwelt und alle ihre geheimnißvollen Metamorphosen geschenkt. Er sagt und zeigt in seinem Werke über das Schmetterlings-Vivarium®) deutlich und detaillirt, wie man sich die Wunder der friechenden und fliegenden Insektenwelt ebenso zwischen Spiegelscheiben zuhause enthüllen kann, wie die Wunder der Meerestiefe.

[ocr errors]

Ich habe eines von den Humphreysschen Insektarien gesehen, voll des buntesten Lebens, für 7 Pfund 10 Shillinge. Der Glastempel, 3 Fuß lang, 2 Fuß 6 Zoll hoch und 1 Fuß 6 3oll breit, kostet 4 Pfund, kleinere aber alle von dem stärksten, fleckenlosen Spiegelglas durchaus, 3, 2 und 1 Pfund 10 Shillinge. Schlechteres Glas und weniger Prätenfionen auf die Schönheit der Struktur, mit kleineren Scheiben, eingerahmt, bringen mit Hülfe des Glasers schon für einige Thaler einen erträglichen Tempel für diese lebendige, metamorphosirende Insektenwelt zu Stande. Jeder kann sie sich leicht aus Gartenwinkeln, von Bäumen und Sträuchern, Teichen und Gräben zusammenstoppeln. Das giebt ganz andere Zimmerverzierungen, als die starren, an Stecknadeln gespießten Schmetterlingsleichen unter Glas und Nahmen, ganz andere, lebendige, stets frische Bilder und Anschauungen von der Natur. Unten in dem Humphreysschen Insektarium ist Waffer mit einem naturähnlichen Flußbette und üppigen Waffer- und Uferpflanzen, daraus hervorquellend und blühend. Unten führen allerhand kleine Gewürme und Schaalthierchen theils ein träges Still- und Defensiv-, theils als rüstig umherschießende Ritter mit doppelten Lanzen am Kopfe ein kühnes Räuberleben. Käfer mit merk würdigen Panzern und großen, stieren Augen machen an Halmen empor gymnastische Kletter-Uebungen, fallen an dem sich plöglich biegenden zarten Stengel ins Waffer und wiederholen dieselbe lebensgefährliche Operation mit scheinbar unbeugsamer Hartnäckigkeit. Zwischen Blättern haben sich kräftige Schmetterlinge als häßliche

[merged small][ocr errors][ocr errors]
« ForrigeFortsæt »