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da den vollständigen Begriff von scheuloser, höhnender, chnischer Kälte, von unerschütterlicher Selbstbeherrschung, verbunden mit der Sucht nach Thätigkeit und Auszeichnung, von fester Entschlossenheit, kein Mittel zu scheuen, das einen Erfolg fördern kann, und bei der Ausführung eines angelegten Planes nur diesen und die Zeitumstände im Auge zu haben. Von seinem langen Treiben als jakobinischer Prokonsul hatte er eine Art kecker Selbständigkeit behalten, und während er ein verstockter Zögling der Revolution blieb, ließ er sich unbedenklich als Werkzeug der Regierung und des Hofes gebrauchen. Napoleon seßte gewiß kein Vertrauen auf einen solchen Menschen und wußte recht gut, daß, wenn er ihn zum Minister wählte, er ihn mehr bewachen müßte, als gebrauchen könnte. Allein es war nothwendig, daß die revolutionaire Fahne unter ihrem schönklingenden Namen hell über dem Kaiserthum flatterte; daher zog er es vor, die Gegenwart Carnot's und Fouché's in seinem Kabinette zu dulden, statt sie draußen zu lassen, wo sie murren oder mit seinen Feinden konspiriren würden. Im Moment seiner Rückkehr und während der ersten Tage des wiedererstandenen Kaiserthums ärndtete er von dieser Doppelwahl alle Früchte, die er vorberechnet hatte; als aber die Gefahren und Schwierigkeiten seiner Stellung sich fund gaben, als er mit den argwöhnis schen Liberalen von innen und mit Europa von außen zu thun bekam: da wurden Carnot und Fouché zwei Steine des Anstoßes mehr auf seinem ohnehin schwierigen und gefahrvollen Pfade. Carnot, ohne geradezu Verräther zu sein, diente ihm mit Widerstreben und Kälte; denn bei fast allen Vorkommnissen und Fragen neigte er mehr zur Opposition als zum Kaiser. Fouché aber betrog ihn auf allen Seiten; Jedem, der irgend eine mögliche Aussicht zur Regierungs-Nachfolge hatte, flüsterte er zu, daß der Sturz des Kaisers vor der Thür sei, mit der Eiskälte, womit der Arzt am Bette eines aufgegebenen Kranken von dessen Hinscheiden spricht."

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„Vierzehn Tage nach seinem Eintreffen verlangte er von dem Großmarschall Bertrand die Gegenzeichnung auf einem von Lyon datirten Dekret, in welchem er gerichtliches Verhör und Güterbeschlagnahme gegen Talleyrand, den Abbé Montesquiou, Belliard und noch neun Personen befiehlt, die 1814 vor seiner Abdankung zu seinem Sturze beigetragen hatten. Bertrand weigerte sich. Ich bin erRaunt"", sagte der Kaiser,,,,,daß Sie solche Einwendungen machen; diese Strenge ist zum Wohl des Staates nothwendig"". Ich glaube es nicht, Sire"". -,,,,Aber ich glaube es, und ich allein habe das Recht, darüber zu entscheiden. Ich habe nicht Ihre Zustimmung, sondern Ihre Unterschrift verlangt: eine bloße Förmlichkeit, die Sie durchaus nicht gefährdet""."", Sire, der Minister, der ein Dekret feines Souverains gegenzeichnet, wird moralisch verantwortlich. Ew. Majestät haben durch Proclamation erklärt, daß Sie allgemeine Amnestie bewilligen. Ich unterzeichnete sie mit vollem Herzen und mag unter tein Dekret meinen Namen sehen, das sie widerruft"". - Napoleon drängte und schmeichelte; umsonst, Bertrand blieb unbeugsam; das Defret erschien ohne seine Kontrasignatur. Napoléon aber konnte sich auf der Stelle überzeugen, daß der Großmarschall in seiner Ansicht von dem Dekret nicht allein stehe: denn als er durch das Zimmer ging, wo die Adjutanten versammelt waren, sprach Labédoyère laut genug, um gehört zu werden:,,,,Wenn das Reich der Aechtungen und Güterbeschlagnahmen wieder anfängt, so wird es bald zu Ende gehen """

„Wenn die Freiheit innerhalb des Palastes diesen Grad ́ ́erreicht, so läßt sich schließen, daß sie außerhalb desselben gar keine Schranke kennt. In der That wurde sie, nach mehrwöchentlicher Erftarrung, über die Maßen kühn und allgemein. Nicht nur brach der Bürgerkrieg in den Westprovinzen aus, nicht nur wurden auf dem Lande und in bedeutenden Städten von einflußreichen Männern schreiende Handlungen des Widerstandes und der Feindseligkeit begangen sondern überall, und namentlich in Paris, dachte das Volk und äußerte seine Gedanken ohne Rückhalt; an öffentlichen Orten, wie in den Salons, sprach man seine Hoffnungen aus, ließ sich in regierungsfeindliche Verbindungen ein, als wären es gefeßliche und des Erfolges gewiffe Akte; Journale und Flugschriften wuchsen täglich an Zahl, in gesteigerter Erbitterung der Sprache wetteifernd, und zirkulirten fast ohne Widerspruch oder Beschränkung. Die aufrichtigen Freunde und treuen Diener des Kaisers bezeigten ihr Erstaunen und ihren Unwillen.

Fouche wies in einem amtlichen Bericht an Napoleon auf den Unfug hin und bat um dessen Zustimmung zu unterdrücken den Maßregeln. Der Moniteur veröffentlichte diese Berichte, und die Maßregeln wurden dekretirt. Hin und wieder fanden Verhaftungen und gerichtliche Verfolgungen stätt, aber ohne Nachdruck und Wirksamkeit; der größte Theil der Regierungsagenten, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, war ohne Eifer in seinem Amte, ohne Vertrauen auf seine Stärke. Napoleon merkte das und ließ, sich in die Nothwendigkeit des Moments fügend, seine Opponenten in ihrer ungezügelten Freiheit gewähren; er mochte im Herzen den Gedanken hegen, den er

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Auch ohne Künstler zu sein, wird sich Jeder an der Scene ergößen müssen, die auf der Place Royale fich regt und bewegt. Wohin sich das entzückte Auge wendet, überall treten ihm so mannigfache und neue Figuren entgegen, wie sie nur das Kaleidoskop darbieten kann. Zu jeder Stunde des Tages strömen hier Leute aus allen Gegenden zusammen, in jede erdenkliche Tracht gekleidet, von dem Kostüm des alten Galliens bis zu dem des Faubourg St. Honoré, von dem Burnus der Sahara bis zum dreieckigen Hut und den Achselbändern des martialischen Frankreichs. Man sieht hier großmächtige Türken, mit Turbanen auf den Köpfen, so breit wie ihre Schultern; Mufti's, oder muhammedanische Richter, begraben in den endlosen Falten ihres weißen Kopfschmuckes, der durch seine Glätte und sein Ebenmaß einer in Manchester verfertigten und gerollten, ungeheuren baumwollenen Kugel gleicht; den algierischen Juden in seinem Gewände von Purpur und Gold, glanzledernen, mit hohen Abfäßen versehenen Schuhen, weißen, bis an das Knie reichenden Strümpfen, in der Hand einen Stock mit bernsteinenem Knopf, von allen Stußern der größte; Fürsten des Landes, vermischt mit Holzhackern und Wafferträgern; französische Damen, in dem legten Modepuß der Pariser Saison; Negerinnen in wollenen Ueberwürfen von knappen Dimensionen, mit nackten Säuglingen, wie junge Beutelraßen sich an ihren Rücken schlingend; reizende Maurinnen endlich, in ihre schneeigen Musselinroben gehüllt, die man, wenn nicht die schönen Augen unter dem Schleier hervorglänzten, für Gespenster halten könnte, welche schweigend und geheimnißvoll sich durch das Menschengewimmel schleichen, ohne an seiner Geschäftigkeit theilzunehmen. Von dieser bunten Gruppe umgeben, feßen wir uns unter dem Schatten eines OrangenBaumes nieder, und ein ehrwürdiger Maure, dessen Bart und wohlwollendes Antlig ihn zu einem würdigen Repräsentanten Vater Abraham's machen, deffen Kleidung aber eher an Dives erinnert, nimmt an unserer Seite, auf den Schenkeln hockend, Plaß und sucht in dem Genuß einer Pfeife den Verfall der Macht seines Stammes zu vergessen. Der Araber der Wüste und der Kabyle des Gebirges liegen ausgestreckt auf der Erde, nur wenige Fuß von uns entfernt, und stellen Gliedmaßen zur Schau, deren ein Herkules sich nicht schämen würde. Plößlich berührt ein Ton das Ohr, der ihre ernste Aufmerksamkeit auf sich zieht; Araber und Kabyle springen auf die Füße und, seine Pfeife fenkend, bläst der Maure eine lehte Rauchwolke fort und schickt sich an, dem Rufe zu gehorchen. Es ist die Stimme des Muezzin, der die Gläubigen zum Gebete ruft, und wenn je ein Muselmann aus seiner gewohnten Lethargie erweckt wird, so ist es, um der Vorschrift des Propheten zu gehorchen. Er wäscht sich rasch und eilt nach der Moschee.

2. Algierische Omnibusse.

Omnibusfe, mit ziemlich guten Pferden bespannt, warten stets in der Rue Babeloued, um den Spazierfahrer nach St. Eugène, Point Pescade oder jedem anderen Ort zu befördern, den er zu besuchen wünscht. Sie fahren ab, sobald man aufsteigt, indem sie es dem Zufall überlassen, unterweges noch Passagiere zu finden. Das Fahrgeld nach St. Eugène beträgt nur 5 Sous, und die kleinen arabischen Pferde galoppiren oft in voller Carrière den ganzen Weg. Das billige und bequeme Communicationsmittel, welches diese Fuhrwerke allen Klassen gewähren, ist höchft beachtungswerth, und der Reisende braucht nur sein Auge auf die seltsame und pittoreske Versammlung zu werfen, die sie bisweilen enthalten, um sich von ihrer allgemeinen Beliebtheit zu überzeugen. Auf dem Kutschbock kann man zum Beispiel den Mahoneser Wagenführer sehen, ihm zur Seite ein Negerweib, in ein blaues Nachtkleid gehüllt und schmunzelnd vor Freude über den raschen Schritt, mit dem die Roffe sich vorwärts bewegen, während sie zum Nebenmanne einen maurischen Fischer hat, der mit einer dreißig Fuß langen Bambusruthe nach Point Pescade geht, um rothe Barben und Stein-Weißlinge zu angeln. Das Innere ist nicht, nach Art der englischen Omnibusse, vollgepackt wie ein Häringfaß; es hat vielmehr reichlichen Raum für Alle. Eine muntere Französin, mit einem Reifrock à la Pompadour, fißt behaglich neben einem Beduinen-Araber in seinem feierlichen Burnus, und ihm gegenüber eine schöne Maurin, von der nur ein paar helle, prachtvolle Augen

*) "Algiers in 1857. By the Rev. E. W. L. Davies. London: Longs man & Co.

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Achtzehn Kilometer oder etwas über zwei Meilen von Algier, auf der Straße nach Koleah, liegt das große Kloster von La Trappe, das im Jahre 1845 eingeweiht wurde und von neunzig Ordensbrüdern unter der Leitung des Pater Marie François Régis, Abtes von Stavuëli, bewohnt wird. Die weite, von üppigen Tannenpalmen beschattete Ebene, auf der das Kloster erbaut ist, scheint sich durch ihre hohe und luftige Lage als einen Punkt zu kennzeichnen, der vor allen anderen geeignet wäre, den Anforderungen der Gesundheit zu ge= mügen. Ehe die Gegend von den unermüdlichen Mönchen drainirt wurde, war dies jedoch keinesweges der Fall; es herrschten schädliche, miasmatische Dünste, welche, von der kargen und selbstverleugnenden Diät der Mönche unterstüßt, diese in großer Anzahl hinrafften. Heutzutage aber ist der Ort, nach ihren rothen Backen und auch nach ihren eigenen Berichten zu urtheilen, so gesund, wie irgend einer in der Welt.

Das Kloster ist ein einfaches, viereckiges Gebäude, das durchaus ohne architektonische Ansprüche auftritt; in der Mitte befindet sich ein offenes Quadrangulum, geschmückt mit vielen seltenen Blumen, früchtebeladenen Pomeranzenbäumen und einem Springbrunnen von schönem, klarem Wasser, in welchem Gold- und Silberfische spielen, sich ihres heimischen Elementes freuend. An das Kloster stoßen geräumige, zu Landwirthschaftlichen und anderen Zwecken bestimmte Außengebäude, jenseits deren sich eine hohe Mauer erhebt, welche mehrere hundert Morgen Küchen-, Obst- und Weingärten, nebst einem Friedhof, einschließt. Jenseits dieser Mauer liegt wieder eine wohlangebaute Meierei, die einen einförmigen Kreis um das Ganze bildet und den einfachen Bedürfnissen der Brüderschaft reichlich Genüge leistet. Der Mönch, der uns an der Pförtner-Loge empfing und der, als Wirth, allein das Wort führte, flüsterte uns ein freundliches Willkommen zu und lub uns um 11 Uhr zum Frühstück. In diesem Augenblick zeigte Mr. Vernon einen schönen Wiedehopf vor, den er eben geschoffen hatte; der Mönch nahm den todten Vogel sachte in die Hand, küßte ihn und sagte mit gerührter Stimme: Dieser wenigstens war schuldlos"....

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Indessen wurde das Frühstück angekündigt, und da sowohl Vernon als der Verfasser, außer ihrer Fahrt mit der Diligence, noch einen langen Spaziergang gemacht hatten, so waren sie zu einer solchen Arbeit vortrefflich aufgelegt. Nichts konnte einfacher sein, als der Tisch und die Anstalten, welche die Mönche zu ihrem eigenen Frühstück getroffen hatten; eine hohe Tafel mit ihrem Baldachin bezeigte allein den Unterschied zwischen dem Superior und den Brüdern. Das für uns aufgetragene Frühstück war ausgezeichnet; jedes Gericht war im Kloster selbst gebaut oder zubereitet: Suppe, Reisbrei mit schmack haften Kräutern gewürzt, ein Eierkuchen, gebratene Kartoffeln, Käse und Butter, wie wir sie nicht gekostet hatten, feitdem wir unsere heimatlichen Berge verlassen, mit Rosinen, Feigen, Mandeln, Apfelfinen und gutem, Bordeaux-ähnlichem Wein zum Deffert. Während des Mahles stand unser freundlicher Führer an einer Art von Seitentisch und las eine lange Homilie über die chriftlichen Pflichten der Gast freiheit im Allgemeinen und der Gäste insbesondere; aber ich muß gestehen, daß wir zu beschäftigt waren, um ihren heilsamen Lehren die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Das Zimmer, in welchem wir frühstückten, ist ausdrücklich zur Aufnahme von Fremden bestimmt, und über demselben befinden sich zwei oder drei bequeme: Schlaf kammern, die den nämlichen gastfreundlichen Zweck haben.

Nach dem Frühstück war es unsere erste Aufgabe, die Meierei zu besichtigen und uns zu überzeugen, wie die Mönche die theoretischen Grundsäge des Ackerbaues in der Praxis durchführten. Der Weizen stand am besten von allen Getraidearten und schien eine gute Aerndte zu versprechen; aber die Saat war mit der Hand ausgeftreut und. bot, ob durch die Kaninchen oder durch das schlechte Säen, ein etwas fleckiges Ansehen dar. Die Gerßte war dünn und bedeckte kaum die Blöße des Landes; der Wein aber, der mindestens vierzig Acres eine nahm, schien gut fortzukommen und zeigte in den reinlichen, wohl behackten Furchen alle Spuren einer sorgsamen Pflege. Die Traubens frankheit, Oidium Tuckeri, gegen welche der Schwefel sich als ein Spezifikum erwiesen, hat hier keine Verheerungen angerichtet.............. Das Vieh übertraf an Größe Alles, was wir bisher in Algerien ge

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sehen; aber es waren plumpe, mausfarbige Thiere, mit starkem Knochenbau und rauher Haut. Vernon bemerkte jedoch, daß ein dickes, haariges Fell ihnen zum großen Vortheil gereichen müsse in einem Lande, das von Moskitos und der gefürchteten Bremse heimgesucht wird was der Mönch durch eine Verbeugung bejahte. Der gesucht wird Hühnerhof wimmelte von Hähnen und Hennen, die für die Eierkuchen forgen; auch ein paar langbeinige Schweine waren zu sehen und ein prächtiger Haufe von altem Stalldünger, den ein Mönch eben mit der Mistgabel umrührte. An verschiedenen Punkten der Meierei be fanden sich Kornmühlen mit oberschlächtigen Rädern, Wasserleitungen, Reservoirs, ein Badehaus, Kalköfen endlich, in denen man das Holz. von wilden Delbäumen statt der Coke brannte und trefflichen Kalk produzirte.

Der leste Gegenstand, der unsere Neugier anzog, war der Friedhof; aber weder Epitaphien, noch prunkvolle Skulptur-Arbeiten gab es hier, um die Großthaten der Verstorbenen zu verewigen und, mit einer einzigen Ausnahme, fand sich nicht einmal eine Inschrift auf den Gräbern, um den Namen der dort Schlummernden zu bezeichnen. Einige Cypreffen und eine schlichte Steinplatte waren die einzigen Zierden dieser einsamen Stätte; der Stein erzählte dem Leser in wenigen Worten, daß unter ihm die sterblichen Ueberreste des Vikars von Algier ruhen, der, seine Freunde, die Trappisten, hochschäßend, ihnen auch im Tode nahe sein wollte.

Mannigfaltiges.

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Eine russische Stimme über Judien. In dem ersten und zweiten Februar-Heft des Russkji Wjestnik befindet sich ein fehr ausführlicher Auffag über die Gegenwart und die Zukunft des englischen Indiens", der mit einer Unparteilichkeit, ja mit einer Vor liebe für England abgefaßt ist, die man von einem russischen Journal nicht erwartet hätte. Die britische Herrschaft in Indien wird darin den Beschuldigungen gegenüber, die sich namentlich in der französischen Preffe gegen dieselbe erhoben haben, auf Grund historischer Thatfachen in Schuß genommen und als eine für die Civilifirung des Landes und die Wohlfahrt seiner Bewohner nothwendige Bedingung dargestellt. Durch die Vertreibung der Engländer würde jenes weite Gebiet nur in eine hoffnungslose Barbarei zurückgestürzt werden, und es müsse daher Jeder, dem der Fortschritt des Menschengeschlechts theuer sei, das Eintreten einer solchen Katastrophe beklagen.

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Die Neue Zeit“ von New-York. Die seit drei Jahren in New-York erscheinende deutsche Wochenzeitung: Die Neue Zeit“, herausgegeben und redigirt von Paul Bernhard, hat mit ihrer Nummer vom 3. April d. J. ihre Wirksamkeit eingestellt, da in Folge der amerikanischen Geld- und Handelskrise Agenten sowohl als Abonnenten unterlassen haben, die schuldigen Zeitungsgelder einzusenden. In Amerika ist es nämlich Sitte, daß auch für Zeitungen der Monatsoder Vierteljahrs-Preis erst nach zurückgelegter Lesezeit entrichtet wird. Sehr viele amerikanische Blätter haben eine stehende Rubrik für Mahnungen an die mit ihren Geld - Einsendungen rückständigen Abonnenten. In einer Zeit jedoch, wo selbst große Bankhäuser ihre Wechsel nicht einlösen, hält sich Niemand verpflichtet, so,, lumpige Schulden", wie die für Zeitungen und Bücher, zu bezahlen. Herr Paul Bernhard, sagt in der Schlußnummer der Neuen Zeit": Wäre auch nur die Hälfte der ausstehenden Abonnementsgelder eingegangen, so hätte die Herausgabe des Blattes in der bisherigen Weise fortgeführt werden können. Ja, sollte diese Bedingung noch im Laufe dieses Sommers erfüllt werden, so würde die vorliegende Erklärung nur eine Suspendirung und keinesweges ein gänzliches Aufgeben der Neuen Zeit“ zur Folge haben. Wir wünschen, daß es dem Herausgeber möglich gemacht werde, sein Blatt, wieder erscheinen zu laffen, da es sich während seines dreijährigen Bestehens eine sehr achtbare Stellung unter den deutsch-amerikanischen Zeitungen erworben und in der That auch vor vielen seiner Kollegen durch Anständigkeit des Tones und durch Respekt vor deutschem Geist und deutscher Bildung sich ausgezeichnet hat.

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Sizilianische Zeitschrift In Palermo ist die erste Nummer einer neuen Zeitschrift unter dem Titel: La Scienza e la Letteratura, erschienen. Sie enthält, außer der Einleitung der Nedaction und einem Artikel über die klimatischen Erscheinungen im Alterthume, verglichen mit denen in neuerer Zeit, nur Bücher-Rezen= fionen, unter anderem die Anzeige des Romans einer Dame, Namens Codemo-Gerstenbrandt:,,Memorie di un Contadino".

Berichtigungen. Zu dem Artikel,Brasilien und Deutschland“ ist Nr. 51, S. 202, Ev. 1, R. 46 hinter,Art. 178" das Wort „verständlich“ einzuschalten; ebenso Nr. 52, S. 206, Sp. 1, 3.17 v. u. hinter bann" die Worte,,mit Pension". Statt des Namens „Devch“ in überau Davak, und S. 208, Sp. 1, 3. 11 ftatt „Peru"- Para zu lesen.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Breis ährlich 3 Thlr. 10 gr., balbfährlich 1 Thlr. 20 Sge, und viertéljährlich 25Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei tus Haus geliefert wird

No 58.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin be Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neu maun, Niederwallstr. Nr.21), sowie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen

Literatur des Auslandés.

Italien.

Berlin, Sonnabend den 15. Mai.

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Die Geschichte des italiänischen Staatsverhandlungswesens ist bis jezt noch ein unangebautes Feld. Gleiches läßt sich mehr oder weniger fagen von der Geschichte der Staatshändel Italiens nach außen, seines Handels und Seewesens; von der Geschichte der mit Italien von außen her geschloffenen Bündnisse und derer, welche mit demselben zu schließen versucht worden sind; von der Geschichte seit dem Lombardischen Bunde bis zum fechzehnten Jahrhundert, ferner von der Geschichte seines Staatshaushaltes und seines Heerwesens. Wir glauben, mit dieser Behauptung nicht zu weit zu gehen, troß der vielen Geschichtswerke über und von Italien, welche in fast allen Ländern ohne einheitlichen Plan geschrieben worden, und troß dem, daß die Kenntniß der inneren Einrichtungen, des Staatsverhandlungswesens, des Staatshaushalts und des Heerwesens die wichtigsten Aussichtspunkte geschichtlicher Studien gewesen sind, daß sie hauptsächlich die Sorge der Staaten und Völkerschaften in Anspruch nahmen, und daß ohne deren Kenntniß die Abfaffung eines Geschichtswerkes darüber nicht gut möglich ist, indem derartige Studien die fortschreitende Entwickelung des volksthümlichen Charakters und der Bedürfnisse des Volks begleiten müffen.

Allerdings ist nicht zu leugnen, daß in den verflossenen Jahrhunderten, und besonders in der Zeit der langen politischen Unthätigkeit des achtzehnten Jahrhunderts, Muratori und einige Andere sich bemüht haben, den Grund zu einer vollständigen Geschichte Italiens zu legen, und daß diese Bemühungen auch in lobenswerther Weise von minder Gelehrten fortgeseßt wurden. - Aber deffenungeachtet kann man nur zugestehen, daß die Italiäner zur Zeit die Hauptquellen ihrer vaterländischen Geschichte besigen, wogegen die lettere selbst ihnen, strenggenommen, noch fehlt, wenn man nicht den zu gedrängten Versuch Cesare Balbo's dahin rechnen will. Statt deffen giebt sich bei den meisten derer, die sich mit dem Studium der Geschichte Italiens beschäftigen, vielmehr das Bestreben kund, auf die veränderten Zustände Italiens, die Volkseigenthümlichkeiten, die fort schreitende Bildung und die neuen, allgemein anerkannten Bedürfnisse ungleich wenig Rücksicht zu nehmen, sondern knechtisch den Fußstapfen der Sammler und Gelehrten des vorigen Zeitalters zu folgen, indem fie solche doch nur mit filzigen Gedanken gemachte Studien der Nachahmung empfehlen, als wenn die Italiäner nichts Befferes zu thun hätten, als sich mit Erforschung eitler Kleinigkeiten die Zeit zu vers treiben. In diefelbe Rangordnung sind zu rechnen die anderen ta delnswerthen Veröffentlichungen ohne wirklich edlen Zweck, die Arbeiten ohne Plan, die geiftesarmen Bücher und die schalen Vorträge an den Musterschulen, welche, anstatt die Italiäner in ihren Studien zu stärken und zu dem anzuleiten, was eine beffere Zukunft für sie herbeiführen könnte, vielmehr Ursache sind, sie einzuschläfern und ihnen Zeit und Verstand zu rauben. Dieses schon von Ugo Foscolo scharf gegeißelte Lafter droht heute mehr als je überhand zu nehmen und von ernsten Studien abzuziehen.

Bei Erforschung der Geschichte Italiens sind zwei Gesichtspunkte ins Auge zu faffen; diese sind: die Beziehungen Italiens zu Europa einerseits, die zum Morgenlande andererseits. Zur genauen Kennt niß des ersten ist es nöthig, sich mit der Geschichte des italiänischen Verhandlungswesens vertraut zu machen; die Kenntniß des zweiten Punktes giebt die Geschichte des Handels und Seewesens der italiänischen Freistaaten an die Hand. Diese leßteren hatten morgenländisches Dasein aus Anlaß der Kreuzzüge, durch ihre zahlreichen Schiffe, die

-*) 1. „Della diplomazia italiana dal secolo XIII al XVI", di Alfredo: Reumont. Firenze. Barbera, Bianchi & Co., 1857. Berlin, F. Schneider & Comp. (R. Wagner). 2.,,Beiträge zur italiänischen Geschichte", von Alfred Reumont. 5. und 6. Band. Berlin, Decker, 1857.

1858.

das Morgenland beherrschten, durch die reichen und mächtigen Anfiedelungen, durch die Niederlaffungen und Stiftungen in Afien und Afrika; sie hatten europäisches Dasein durch ihre Alles umfassende Betriebsamkeit, durch ihren ausgebreiteten Handel und durch die in allen Theilen der handeltreibenden Welt begründeten HandelsrichterStellen; ferner durch die Umsicht ihrer Gesandten, durch die Macht ihrer Bündnisse, durch die weisen Anordnungen ihrer Regierungen, durch die Bildung und den Fortschritt, welchen sie über ganz Europa verbreiteten; endlich durch jene geordneten staatlichen Zustände, die fortdauernd Ursache waren, daß ihr Bündniß von den größten Staaten Europa's gesucht und gewünscht wurde. Der Gedanke an solche Weisheit und solche Macht der vergangenen Jahrhunderte darf auch das jezt gefallene und geknebelte Italien nicht an der Hoffnung einer besseren Zukunft verzweifeln lassen!

Die Geschichte des italiänischen Staatsverhandlungswesens, welches in dem Zeitraum von dem Emporblühen der Gemeinden an während mehrerer Jahrhunderte sich an das der ganzen gebildeten Welt anschloß, ist also einer der wichtigsten Theile der Geschichtsstudien. Und das in erster Reihe in Anbetracht der politischen und geistigen Macht des Papstthums, dessen Einfluß mittelst seines Gesandtschaftswesens sich auf nahezu alle Staaten und Völker erstreckte; dann wegen des bereits angedeuteten doppelten äußeren Lebens der italiänischen Frei- ' staaten, wodurch die italiänischen auswärtigen Beziehungen die Verbindungen mit den ersten Staaten Europa's und Asiens umfassen, bis zum Eintritt des politischen Verfalls Italiens, dessen Anfang mit dem Untergang des Florenzer Freistaates, mit dem Verlust des morgenländischen Handels, mit der veränderten Richtung und der verminderten Wichtigkeit der auswärtigen Beziehungen des päpstlichen Roms und mit der zwar langsamen, aber immer zunehmenden Bildung der großen auswärtigen Mächte zusammenfällt, und jenes europäische System, welches unter verschiedenen Namen und Formen seit drei Jahrhunderten dauert, ist Ursache der gegenwärtigen Knechtschaft Italiens. Seitdem hört die Bedeutung des italiänischen Gesandtschaftswesens allmählich auf, und es verbleiben nur als Erinnerung an jene glorreiche Zeit die zahlreichen Urkunden und sonstigen hier und dort gesammelten Schriftstücke.

Aber obgleich die Geschichte des italiänischen Urkundenwesens die älteste und wichtigste für die Kenntniß des neueren Europa ist, so hat es bis jezt noch Niemand unternommen, dieselbe in einem Werke zusammenzufassen, während andere Völker seit einiger Zeit sich allgemeiner oder doch wenigstens besonderer Geschichts- Abhandlungen über gleiche Punkte zu rühmen haben. So haben B. die Franzosen ein umfassendes Geschichtswerk ihres Unterhandlungswesens von Flaffan°) und viele kleinere Abhandlungen über diesen Gegenstand, namentlich die von Mignet.") Aber auch Deutschland und England sind darin nicht zurückgeblieben.***) Nur für Italien bleibt diese Aufgabe noch zu lösen, und doch besißt lezteres jedenfalls die größte Anzahl Urkunden behufs Zusammenstellung einer Geschichte seiner gesandtschaftlichen Beziehungen. Höchstens dürften jene für einige minder wichtige Zeitabschnitte und für einige Unterhandlungen des römischen Hofes fehlen; für die Freistaaten von Venedig und von Florenz sind hingegen die Urkunden sehr zahlreich und meistentheils bereits gedruckt; die ungedruckten können ohne Schwierigkeit in den öffentlichen und privaten Bücher- und Urkunden-Sammlungen aufgefunden und nachgesehen werden. Zur Erreichung dieses Zweckes kann insbesondere der lebensbeschreibende Theil des Reumontschen Buches, welchen der Verfasser außerdem durch viele Anmerkungen und Ur

*) Flassan, Histoire générale et raisonnée de la diplomatie française ou de la politique de la France depuis la fondation de la monarchie jusqu'à la fin du règne de Louis XVI. 7 vol. in 8. d'Espague. 4 vol. in 8. **) Mignet, Histoire des négociations relatives à la succession

***) Wir begnügen uns, nur die wichtigsten zu erwähnen: De Garden, Histoire générale de traités des paix et autres transactions principales entre les puissances de l'Europe depuis la paix de Westphalie jusqu'à nos jours. 20 vol. in 8. (noch) in der Fortseßung begriffen). Jene von Koch, von Schöll, von Martens, von Klüber zc., vom Amerikaner Wheaton 2c.

kunden bereichert hat, die Mittel an die Hand geben. Wer jedoch in dem Reamontschen Buche die umfangreiche und so schwierige Geschichte des italiänischen Urkundenthums zu finden hofft, wird fich getäuscht sehen; andererseits möchten die Kräfte des Verfassers, nach der Art und Weise seiner bisherigen Arbeiten zu urtheilen, zur Lösung dieser Aufgabe nicht ausreichen. Auch giebt er selbst von der ersten Seite an zu verstehen, daß es nur seine Absicht gewesen sei, einige Umrisse in Bezug auf die Formen der Unterhandlungskunst, auf die Art und Weise der Verträge und der Beziehungen zum Auslande, auf die verschiedene Gattung der staatlichen Verhältnisse 2c. zu ziehen, Umrisse, welche er mit wichtigen, die berühmtesten Staatsmänner Italiens betreffenden Anmerkungen erläutert, indem er über die kennzeichnendsten Züge ihres politischen Geistes und über die bemerkenswerthesten Vorfälle in ihrem öffentlichen Leben berichtet.

Das hier erwähnte Buch kann man daher als eine Einleitung in die wirkliche Geschichte des italiänischen Verhandlungswesens ansehen, und sowohl wegen der Neuheit des Gegenstandes als wegen der Vielseitigkeit der darin enthaltenen Nachrichten verdient es, von den die Geschichte Italiens Studirenden mit günstigen Blicken aufgenommen zu werden. Namentlich kann es den Italiänern als Anregung dienen, sich mit mehr Fleiß als bisher dem Studium dieses wichtigen Theiles ihrer Geschichte zu widmen. Nicht zu leugnen ist indeffen, daß die Zusammenstellung eines solchen Werkes lange währen und dessen Gelingen mit großen Schwierigkeiten und Verwickelungen zu kämpfen haben wird, insofern dabei die ungemein mannigfaltigen staatlichen Zustände des in so viele Staaten getheilten Italiens in Erwägung zu ziehen sind. Es mag deshalb ein Kopf zur Erreichung dieses Zieles nicht genügen. Aber vielleicht könnte diese Arbeit mit Leichtigkeit ausgeführt werden, falls sie von Mehreren zu gleicher Zeit begonnen würde, und zwar so, daß der Eine sich daran. machte, Florenz zu studiren, ein Zweiter Venedig, ein Dritter Rom, ein Vierter Mailand, ein Fünfter Genua 2c. Dev wichtigste Theil wird natürlich derjenige sein, welcher Nom betrifft, sowohl weil sein Verhandlungswesen das älteste und umfangsreichste, als auch weil es das am hartnäckigsten durchgeführte ist. In zweite Reihe würde Venedig kommen, welches wegen des überreich vorhandenen Stoffvorkathes am leichtesten von allen wird behandelt werden können. Nächstdem dürfte Florenz in Hinsicht seiner Bedeutung kommen, besonders wegen feiner eigenthümlichen, mittleren Lage in Italien, wegen der Berühmt heit seiner Staatsmänner, wegen der Weisheit seines Verhaltens, wegen der Auserlesenheit der Formen und wegen der Schönheit seiner Sprache, wovon alle seine Schriftstücke Zeugniß ablegen. Auch der Herr Verfasser des in Rede stehenden Buches erkennt dies an, indem er einige Urkunden im Auszuge mittheilt, als kennzeichnende Probe der urkundlichen Schriftweise der italiänischen Freistaaten.

Da das Buch des Herrn Reumont nicht allein das erste, sondern sogar bis jeßt das einzige ist, welches diesen Stoff behandelt, so glauben wir den Lesern des,,Magazin" einen Dienst zu erweisen, wenn wir zuerst in Kürze dessen Inhalt mittheilen, dann anzugeben versuchen, welche Erfordernisse eine Geschichte des italiänischen StaatsVerhandlungswesens mit sich bringt und welche Thatsachen dieselbe enthalten muß, um in jedem ihrer Theile vollständig zu erscheinen.")

Pater Augustin Theiner's Geschichtsforschungen in Rom. Frankreichs religiöse Zustände, 1790-1800. **) Der zweite Titel des unten genannten bedeutsamen Werkes lautet: „Brefs et instructions en partie inédites de Pie VI., lettres entièrement inédites de Louis XVI., des évêques et des ecclésiastiques de France au sujet du schisme et de la grande persécution du clergé".

Die gewaltige Erschütterung, welche die Kirche und die Verhält nisse der Geistlichkeit in Frankreich durch die Revolution erlitten, find uns im Großen und Ganzen wohlbekannt, es fehlte uns jedoch bis jest das detaillirtere Material, durch welches wir eine nähere Einsicht in die hierauf bezüglichen Ereignisse erlangen konn ten. Um so dankenswerther ist die vorliegende Urkunden-Sammlung, welche die unermeßlichen Schäße der vatikanischen Archive dem für die Geschichte seiner Kirche unermüdlich thätigen Augustin Theiner dargeboten haben. Allerdings besißen wir bereits in den Schriften und Sammlungen von Guillon und Barruel schäßbare Nachrichten über den Sturz der Kirche in Frankreich; sie sind jedoch weder sorgfältig chronologisch geordnet, noch vollständig, da sie namentlich über die stürmische Zeit von 1794 bis 1800 uns im Unklaren laffen.

*) Ein zweiter Artikel folgt im nächsten Blatte..

**) Documents, inédits relatifs aux affaires religieuses de la France, de 1790 à 1800, extraits des archives secrètes du Vatican, publiés par le R. P. Augustin Theiner. II. tomes. Paris, 1857.

Theiner hat daher im ersten Bande die Bescheide des römischen Stuhles in Sachen der französischen Kirche von 1790 bis zum Tode des Papstes Pius VI., welche 1796 zu Augsburg, 1798 zu Paris in besonderen, jezt sehr selten gewordenen Werken erschienen, in korrekterer Gestalt nach den Originalen abdrucken lassen und dadurch die nicht selten erhobenen Zweifel über die Echtheit dieser Dokumente beseitigt. Hinzugefügt hat er sodann andere wichtige Aktenstücke, welche über die Maßnahmen des Papstes hinsichtlich der sich in reißender Folge entwickelnden Ereignisse der Revolution näheren Aufschlußz geben. Unter diesen Aktenstücken geben. Unter diesen Aktenstücken ist besonders hervorzuheben die von der Nationalversammlung am 12. Juli 1790 erlaffene Civil-Constitution der Geistlichkeit, abgedruckt nach der authentischen Kopie, welche Ludwig XVI. dem Papst mittheilen mußte; ferner eine höchst merkwürdige Denkschrift des spanischen Gesandten zu Rom, d'Azara, über die Absichten der Nationalversammlung gegen die Kirche in Frankreich und gegen den päpstlichen Stuhl; endlich Briefe des Abbé de Rastignac, des Abbé de Barruel und des berühmten Emery über die Verwirrungen, welche eine nothwendige Folge des Schisma waren., Der zweite Band enthält: 1) die Korrespondenz der ausgewanderten Bischöfe, 2) der übrigen ausgewanderten Geistlichkeit und einiger Laien, 3) die beweisenden Aktenstücke über die thätige Fürsorge, welche Pius VI. den Ausgewanderten angedeihen ließ. Alle diese Dokumente sind zum Theil einer Sammlung entnommen, welche unter dem Titel: De Charitate Sanctae Sedis erga Gallos", in 60 FolioBänden, eine Zierde des vatikanischen Archives ist.

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In der Vorrede zum ersten Bande des vorliegenden Werkes verspricht Theiner, auch diejenigen Dokumente, welche sich auf die Wiederherstellung der Kirche in Frankreich beziehen, in einer Reihe von Bänden erscheinen lassen zu wollen, ebenso in einem besonderen Werk die Aktenstücke über die am 14. September 1791 von der NationalVersammlung beschlossene Usurpation von Avignon und Comtat-Benaissin. Als Vorstand der geheimen Archive des Vatikan befindet sich Theiner in der beneidenswerthen Lage, über die wichtigsten geschichtlichen Thatsachen Aufschlüsse ertheilen zu können, wie sie kaum ein anderes Archiv der Welt darbieten mag. Möge es ihm vergönnt sein, noch recht lange in der Weise zu wirken, in welcher er seit seinem Aufenthalt in Rom thätig war. Der unbefangene Geschichtschreiber wird sich, trifft er hin und wieder auf ein einseitiges Urtheil, nicht irre machen lassen; es kömmt ihm ja nur darauf an, die Ueberzeugung zu erlangen, daß die ihm vorgelegten Dokumente nicht etwa nach solchem Urtheil entstellt worden sind. August Geyder.

Aegypten.

Chronologie und Geschichte des alten Aegyptens.

(Schluß.)

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Nach Herodot nämlich waren die Pyramiden bei Memphis gebaut worden in einer Zeit von 106 Jahren, als der „Hirt Philitis“ die Heerden in jener Gegend weidete — nach der anderen Angabe desselben von den Königen Cheops und Kephren, den grausamsten Tyrannen und Gottesverächtern, die je Aegypten geplagt, und zwar gleichfalls in einer Zeit von 106 Jahren, indem Cheops 50, Kephren 56 Jahre regierte. — Die Ansicht, die Herr Knötel auf Grund dieser Nachricht entwickelt, ist nun etwa folgende: Der Einfall von semitischen Hirtenstämmen über die Halbinsel Sinai ist unzweifelhaft, ebenso ihre Einnahme von Memphis; nur muß man sich dieselben nicht als völlig rohe Barbaren, ohne Religion und Kultur, vorstellen, im Gegentheil standen sie auf einer den alten Semiten entsprechenden Kulturstufe. Ihre Könige nahmen den alten Thron der Pharaonen wieder ein, suchten aber die ägyptische Priesterschaft mit ihren Kulten zu unterdrücken, um ihre eigenen Gebräuche in Aegypten einzuführen. Pyramidenbau und Thierdienst gehören nach bestimmten Zeugnissen den Hirten — auch führten sie das Hundsternjahr ein. Mit einem Worte, wenn die Nachricht Herodot's richtig ist, sind die Könige, die bei Manetho in der dritten und vierten Dynastie stehen, bereits Hirtenkönige bis zur zwölften inklusive, und die in der funfzehnten und sechzehnten aufgeführten Hirtenfürsten mit fremdklingenden Namen find den Königen der CheopsDynastie identisch - der Beweis ist ziemlich komplizirt, nichtsdestoweniger in seinen Resultaten, wie es scheint, überzeugend. Die Identität des ersten Pyramidenkönigs Cheops (Chufu) mit dem Hirtenfürsten Salatis stellt sich dadurch fest, daß Chufu auf dem Denkmalsnamen Ases (in der Tafel von Karmak) zu stehen kommt, Salatie aber gleichfalls Ases oder Asses zubenannt ist. Nach der Zeit der hundertundsechsjährigen Bedrückung erfolgte dann eine Aenderung zum Besseren, indem der König Mykerinus, der in der dritten Pyramide begraben liegt, eine Verschmelzung der Hirten mit den Aegyptern herbeiführte, die Religionen ausglich und eine neue religiöse und politische Verfaffung herstellte.

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Nach Herrn Knötel hat also eine Hirtenzeit, wie man sie bisher annahm, gar nicht oder nur weit kürzere Zeit gedauert. Mit Wecht

macht er geltend, daß, wenn sie in der beregten Weise stattgefunden, wenn rohe Barbaren ohne Religion und Sitte während vierhundert bis fünfhundert Jahren Aegypten gebrandschaßt, Tempel und Städte zerstört und die Religion unterdrückt hätten, wahrscheinlich Kunst, Wissenschaft, Geschichte und geistige Existenz dieses Volkes gänzlich zugrunde gegangen sein würden. Es ist rein unglaublich, daß sich eine frühere Geschichte von 300 Jahren aus dieser Sündfluth errettet haben sollte. - denn würde nicht die Wissenschaft der ägyptischen Priester u. s. w. in der Zeit des langen, hoffnungslosen Druckes hülflos verfallen sein, würde nicht Unwissenheit und Entartung Platz ge griffen haben? — Und die Aegypter sollten gleich nach der Vertreis bung der Hirten, ja noch zuvor, ehe dieselben aus dem Lande getrieben waren, bereits Gebäude, Paläste, Tempel u. f. w. aufgeführt haben, welche die höchste Blüthe der Kunst verrathen (vgl. Duncker: „Gesch. d. Alt.", Bd. 1, S. 25).

Dies wäre aller geschichtlichen Erfahrung zuwider. -Entweder waren diese Hyksos rohe, unmenschliche Barbaren, die auf der niedrig ften Stufe des menschlichen Daseins standen - dann würden sie aus Aegypten eine völlige Wüste gemacht oder doch seine Kultur ganz vernichtet haben wie hätte sich dann während ihrer Herrschaft eine künstlerische Tradition fortpflanzen können? — oder sie hatten selbst einen gewissen Grad von Bildung und Kulturfähigkeit, was wohl mit Recht angenommen werden fann; dann würde mit der Zeit ihre anfängliche Wildheit nachgelassen haben, sie würden ägyptische Sitten und Gewohnheiten angenommen, ägyptische Sprache gelernt und ägyptische Götter zu verehren gelernt haben, während andererseits auch die Aegypter sich allmählich den Fremden genähert häben würden. Nur bei einem solchen Sachverhalte ist es denkbar, daß die ägyptische Kultur eine so lange Fremdherrschaft überdauern konnte, nur auf diese Weise ist die hohe Blüthe der Baukunft im Anfange der achtzehnten Dynastie erklärbar; die Hirtenfürsten waren längst zu Aegyptern geworden oder standen zu den Aegyptern wenigstens in einem Verhältnisse, wie der Kaiser von China als Mandschu-Tatar zu den eigentlichen Chinesen.

Die ersten Pyramidenbauer find also wirklich, wie Herodot andeutet, die ersten Hirtenfürsten - und identisch mit den barbarischen Namen Salatis, Bnoon u. f. w. aus dem zweiten Buche Manetho's. — Daß die Aegypter mit Absicht jene Zeit der Fremdherrschaft aus ihrer Geschichte auszulöschen suchten, daß sie zu betrüglichen Mitteln griffen, um einerseits die glänzenden, kraftvollen Herrscher, die aus barbari. schem Blute stammten, ihrem eigenen Volke zu vindiziren und andererseits dem Hasse gegen Unterdrückung, namentlich gegen die fremden Kulte, Genüge zu thun, das ist bei dem Fanatismus der Aegypter, und nach ähnlichen Erscheinungen bei anderen Völkern, sehr glaublich. Es ist richtig - nach den Denkmälern zu urtheilen, waren bereits die Cheops und Kephren vollständig Aegypter; Hieroglyphenschriften verewigen ihre Thaten, ihr Hofstaat, ihre Sitten sind ägyptisch das beweist soviel, daß die alten Hyksos den Werth der ägyptischen Staats-Verwaltung u. s. w. ebenso zu schäßen wußten, wie viele spätere Barbaren die Gesittung ihrer Unterworfenen. Die MandschuDynastieen in China sind wohl den Hyksos vergleichbar. Nahmen ihre Stifter nicht gleich im Anfange vollständig das chinesische Wesen, Ceremoniell, Etikette u. s. w. an? Und doch weiß der heutige Chinese recht wohl, daß sie Eindringlinge sind; die Tataren, die gewissermaßen die Kriegerkafte ihrer Herrscher bilden, die militärischen Befehlshaber im Lande, find verhaßt und gefürchtet, wie einst die trogigen Nomaden der arabischen Wüste in Aegypten gehaßt und gefürchtet sein mochten.

Die Versöhnung und Verschmelzung der Fremden mit den Aegyp tern nach den bösen 106 Jahren wird deutlich genug berichtet; sie wurde durch die beiden milden und gerechten Könige Mykerinus und Asychis (2000 v. Chr.) herbeigeführt und vor Allem durch eine Verschmelzung der Religionen beider Völker ermöglicht. — Nach Herrn Knötel ist nur der Osirisdienst mit einigen verwandten Kulten als alt und echt ägyptisch zu erachten, der Thierdienst dagegen ist größtentheils von den Hirten eingeführt worden, die ihn, wie die stammverwandten fabäischen Araber, seit alten Zeiten ausübten. — Dies ist keinesweges reine Konjektur, sondern eine Sache, für die flare, wenn auch kurze Zeugnisse sprechen. Nach den bisherigen Anschauungen konnten sie nicht zur Geltung kommen, weil sie nicht in das System paßten...

So z. B. wird angegeben, daß der Hirtenkönig Ases oder Salatis in Memphis die Verehrung des Apis und das Hundsternjahr eingeführt habe (im Jahre 2110 v. Chr.); Apis ist aber bekanntlich dasjenige heilige Thier, das von allen die meiste Verehrung genoß. So sind auch über den Mnevis von Heliopolis, den Bock von Mendes, das Krokodil im Fayum, den Widder von Theben und mehrere andere Thiere Notizen oder Andeutungen vorhanden, welche sie den Hirten zuweisen, — eine Sache, die jedenfalls interessant ist und die größte Aufmerksamkeit verdient, da sie vielleicht dahin führt, uns ganz

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andere Ansichten über die ägyptische Religion und ihre Geschichte beizubringen. Manche Götter sehen ägyptisch aus, die es nicht sind, haben also nur ein ägyptisches Gewand übergezogen; deutliche Spuren sind sogar vorhanden, die den Beweis ermöglichen, daß die Eroberer einen semitischen Dialekt sprachen. So z. B. hatten die Aegypter eine Göttin, die ganz als Geier oder nur mit dem Geierkopf vorgestellt wurde und dabei den Namen Mut, d. i. Mutter, führte. Was der Geier oder Geierkopf mit diesem Namen zu thun habe, oder wie daraus das Wesen der Göttin erklärt werden könne, ist aus der ägyptischen Sprache ganz unerklärlich; wenn man dagegen annimmt, daß sie ursprünglich den semitischen Namen Racham geführt, so erklärt sich dieser Umstand und eine wichtige Stelle bei Horapollo, nach welchem man hieroglyphisch die Worte: Mutter, mitleidig, Jahr u. a. mit dem Zeichen des Geiers schrieb. Denn racham heißt hebräisch (von den Vokalen abgesehen): Geier, Mutter, mitleidig, barmherzig; arabisch heißt der ägyptische Aasgeier noch heute rakham, barmherzig rahman. Das Wort Jahr" wurde mit dem Geier geschrieben, weil dieser Göttin, wie Herr Knötel überzeugend darthut (S. 63), das Hundsternjahr geweiht war. Daß sie wirklich eine Hyksosgöttin war, beweisen zum Ueberflusse die ihr gebrachten Menschenopfer und die Abschaffung ihres Dienstes durch den Hyksosvertreiber Amoses.

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Die größten und berühmtesten alten Herrscher Aegyptens, darunter Sesoftris, find also Hirten; die von Amoses und Thutmoses III. vertriebenen Hyksos sind die lezten Könige der glänzenden zwölften Dynastie des Amenenche, die man bisher vor dem Einfalle der Hirten enden lassen mußte. Ihre schließliche Vertreibung durch Thutmoses III. fand im Jahre 1575 v. Chr. statt, ein Datum, das der Verfaffer nach seinem System auf siebenfache Weise ausrechnet und dabei durch eine assyrische Gleichzeitigkeit stüßt (S. 112). In ähnlicher Weise wird auch der Anfang des Menes auf 2387 Jahre v. Chr. bestimmt, wonach für das alte Reich von Menes bis zum Einfall der Hirten freilich nur 8 Könige mit 217 Jahren kommen. Das alte Reich und die Hirtenzeit umfassen zusammengenommen nur 720 Johre, wofür positive Zeugnisse beigebracht werden, wie denn überhaupt der Verfaffer einer Anzahl von Angaben und Notizen zu ihrem Rechte verhilft, die bisher beiseite geschoben werden mußten, weil man an ein fabelhaftes Alter des Volkes zu glauben gewohnt war. Wie tro dieser bedeutenden Ermäßigung der Zahlen die vorhandenen Angaben über so viele Dynastieen und ihre Dauer ohne Zwang erklärt werden können, mag man in dem Buche selbst nachsehen, namentlich in der Zeittafel, wo die Resultate der Forschung hingestellt sind.

Danach und nach der vorhergehenden vergleichenden Uebersicht der Königsnamen, wie sie in etwa sechs bis sieben verschiedenen Quellen mehr oder minder vollständig erhalten find, würde sich das erfreuliche Resultat herausstellen, daß von Menes, dem ersten Herrscher, an bis Thutmoses III. und weiter die Könige ohne eine Lücke zu lassen enthalten sind, ja daß die Denkmäler wirklich den größten Theil derselben umfassen daß also die großen Lücken, wo Jahrhunderte hindurch kein einziger Name steht, rein auf die Rechnung der Chronographen zu schreiben sind, die entweder aus Unwissenheit oder aus betrügerischer Absicht die Originalquellen in so hohem Grade entstellten. Dazu ist in Anschlag zu bringen, daß, da die ägyptischen Pharaonen stets mehrere Namen führten, sehr leicht aus einer Person mehrere gemacht und mannigfaltige Mißverständnisse herbeigeführt werden konnten. Die verschiedenen Quellen geben daher oft einem und demselben Fürsten ganz verschiedene Namen, und es ist nicht immer leicht, entscheidende Gründe für die Identität dieser und jener beizubringen. Bei einer ziemlichen Anzahl gewähren die Denkmäler selbst den Beweis, bei anderen entscheidet die Stellung der Dynastiehäupter, namentlich aber die Regierungsjahre. Doch ist die Sache wohl bei weitem nicht so prekär, als sie auf den ersten Blick erscheinen dürfte; denn wenn man die nicht gerade große Zahl der Könige übersieht, wie sie in der vergleichenden Uebersicht (S. 96) zusammengestellt sind, und die verschiederen Kolumnen vergleicht, so wird man in den meisten Fällen die Gründe errathen, die den Verfaffer bewogen haben, wenn er sie nicht schon im Laufe der Untersuchung hier und da näher entwickelt hat.

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Nicht ohne Interesse wird man den kurzen Abriß der ägyptischen Geschichte lesen, wie sie sich nach dieser Anschauung von ägyptischer Chronologie gestaltet. Der Verfasser stellt hier einfach die Notizen zusammen, die sich in den verschiedenen Quellen finden, und fügt nur soviel zur Erklärung zu, als nöthig ist, um den Pragmatismus der Thatsachen deutlich zu machen und die Nachrichten, die man darüber hat, auszugleichen. Man wird ihm das Zeugniß kaum versagen können, daß viele Dinge, die bisher in einem Alles vergrößernden, grauen Nebel schwammen und der Phantasie weiten Spielraum boten, in nüchterner Nähe einfach und hell erscheinen, daß das, was von ihm geboten wird, wie Geschichte aussieht. Ob sie es wirklich ist, können wir natürlich nicht ausmachen; mit dieser Arbeit wird sich die Kritik zu beschäftigen haben, und die Zeit muß lehren, ob sich dieses

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