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der Schuldigen auf, und die Anderen erboten sich, aus Furcht vor der Strafe, nicht allein den Schaden wieder gut zu machen, sondern auch die Fenzung zu vollenden. Da im Dorfe bis zu zwanzig Personen in demselben Hause wohnten, bestand der Lord darauf, daß jeder Pächter sein Haus auf seinem Grundstück baute, was den größten Widerspruch vonseiten der Weiber fand, die nicht mehr „plaudern" konnten. Prämien wurden ausgefeßt für diejenigen, die ihre Woh. nungen am reinlichsten hielten, das beste Bett hatten, die schönsten Stücke Vieh futterten, die beste Leinwand bereiteten, bis herab zu dem schönsten Halbdußend Strümpfe und dem schmackhaftesten Butter fäßchen. Daß Wege, Brücken, Schulen nicht vergessen wurden, versteht sich von selbst. Am mißtrauischsten waren die Leute gegen den Aufbau des Wirthshauses. Niemand wollte Hand anlegen, und dem ersten armen Teufel, der sich dazu verstand, wurde das Werkzeug gestohlen. Wie jedoch der Aufseher des Lords Miene machte, anderswo den Gasthof zu bauen, fanden sich nicht nur die gestohlenen Geräthschaften wieder, sondern es kam auch einer nach dem anderen, um sich den hübschen Tagelohn zu verdienen. Mit unerbittlicher Strenge wacht Lord Hill darüber, daß die Grundstücke nicht zerstückelt werden; die Kinder der Pächter müssen entweder in Dienst treten oder eine neue Farm anlegen. Wer zuwider handelt, muß das Gut verlassen. Diesen wohlthätigen Einrichtungen hat man es zu danken, daß Gweedore auch die Hungerjahre glücklich überstand und von dem Elend verschont wurde, das die von der Natur kaum weniger begünstigte Connemara in so schrecklichem Grade heimsuchte." Aus neueren engli schen Zeitungen ersehen wir, daß Lord George Hill seine nügliche Wirksamkeit noch jest, troß aller Hinderniffe, die ihm Unwissenheit und böser Wille in den Weg stellen, mit unermüdlichem Eifer fortsegt. Unter den sorgsamen irischen Gutsherren nennt unser Reisende auch einen Namen, den man nicht gewöhnt ist, an eine so bescheidene Thätigkeit zu knüpfen. Hier (an der Donegal-Bai)", fagt er,,,und in der Umgegend ist Lord Palmerston der bedeutendste Landlord und Pächter in einer Person. Die Einwohner des Dorfes Grange verehren in ihm ihren größten Wohlthäter. Er baute für fie Kirche, Schule, Wohnhäuser und scheute keine Kosten, durch Trockenlegung (drainage) und Düngung (top dressing) den ausgemergelten Boden fruchtbar und die Lage der Einwohner erträglicher zu machen. In Mullaghmore baute er einen Sicherheitshafen und bekämpft den Flugsand durch die großartigsten Gegen-Anstalten, namentlich durch die Anpflanzung der Seefichte. Ehre, dem Ehre gebührt!"

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Wie alle früheren Reisenden, ist auch Herr Helfferich von den Naturschönheiten Irlands entzückt, aber gleich ihnen ist auch ihm die merkwürdige Thatsache aufgefallen, daß fast nirgends Waldungen zu erblicken sind daß man überall Torf, Moor, Wiesen und pracht volle, von Felsen umgürtete Seen findet, aber nur selten einen Baum. „Woher diese sonderbare Erscheinung in einem Lande, dessen Klima für die Baumkultur sich besonders eignet? Wer Sicilien durchreist hat und die nackten Bergkuppen zwischen Syrakus und Messina sich in Erinnerung ruft, wird um die Antwort nicht verlegen sein. Die Natur hat weder an Irland, noch an Sicilien so stiefmütterlich gehandelt, daß sie dieselben zu baumlosen Inseln bestimmt hätte; sind fie es gleichwohl, so ist nur der menschliche Unverstand Schuld daran.... In Irland ist ein Siebentel des Bodens peat oder bog. Wie viel oder wie wenig von diesem Torfgrund ehedem bewaldet gewesen, läßt sich mit Sicherheit nicht mehr ermitteln, gewiß aber ist, daß Irland im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert, ja noch weit später, bedeutende Waldungen, wie Sicilien in seiner Blüthezeit, besaß, daß aber ein Wald nach dem anderen zu Grunde ging, weil recht nach irischer Art Jedermann fällte und Niemand pflanzte, namentlich aber die früher daselbst übliche Eisenbereitung den Holzüberfluß immer mehr schmälerte. Wegen Mangels an Holz mußte dieser Industriezweig später ganz aufgegeben werden. Sir Robert Kane (Industrial Resources of Ireland) weist treffend nach, wie zahlreiche Ortschaften in allen Gegenden Irlands darauf hindeuten, daß sie ehedem mitten im Walde standen. Man rottete ihn zum Theil aus, um neues Land für den Feldbau zu gewinnen und dem Diebesgesindel, sowie anderen Verbrechern, ihre Schlupfwinkel zu entziehen. Einen nicht geringen Theil der Schuld trägt aber auch die, wie in so manchen anderen, so auch in diesem Punkte, durchaus fehlerhafte Gefeßgebung, die bestimmte, daß Bäume auf verpachtetem Grund und Boden von den tenant nicht sollten gefällt werden dürfen. Auch kann der Gutsbesizer sie nur dann fällen, wenn sie von der Pacht ausdrücklich ausgeschloffen sind, da die Benugung der Baumfrucht dem Pächter gehört. Wer von beiden Theilen wird sonach Bäume pflanzen wollen?" Aber auch der,, water privileges", wie die Amerikaner fie nennen und mit denen die Perle des Oceans" in solcher Fülle gesegnet ift, werden die armen Frländer nicht recht froh. In einem so wafferreichen Lande wie Irland kann es selbstredend keinen irgend

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bedeutenden Ort geben, der, wenn nicht an einer Bucht, einem Fluß oder See, nicht wenigstens an einem Bach läge. So liegt Westport in einem engen und tiefen Thal, durch welches ein Bach fließt. Da follte man meinen, das Städtchen würde an der Mündung dieses Waffers aufgebaut und mit dem Meer in unmittelbarer Verbindung fein aber weit gefehlt! Stadt und Hafen find getrennt durch den Park des Lord Sligo, und was von oder nach dem Hafen geht, muß den steilen Berg hinan, an dem die größere Hälfte Westports terraffenförmig aufsteigt, während durch den Park ein oberer und gerader Weg führt. Sage man nicht, der Grundherr sei ein liberaler Mann und der Pförtner weise keinen harmlosen Wanderer zurück; gerade diejenigen, denen die Erlaubniß am meisten zugut käme, Alle, welche Sachen vom Hafen nach der Stadt oder von der Stadt nach dent Hafen zu schaffen haben, müssen den langen und äußerst beschwerlichen Umweg machen. Besonders leiden darunter auch die armen Lastthiere, gegen die der Irländer ohnedies so hartherzig und rücksichtslos ist, als irgend ein Süd-Europäer.",,Das Städtchen Antrim ist nur durch einen schmalen Streifen Landes von dem fischreichen LoughNeagh getrennt. Da sollte man meinen, die stattlichen Gewäffer dieser größten aller irischen Binnenseen würden für Jedermann zugänglich sein. Weit gefehlt! Viscount Maffareene, der Besizer von Antrim-Castle, liegt mit seinem Herrensis zwischen Stadt und Ufer, und nur auf einem weiten Umwege kann man zum See gelangen. Dieses abscheuliche Absperrungssystem, das in Irland nicht blos jede fruchtbare Scholle, sondern auch jeden reizenden Streifen Landes für den adeligen Herrn, deffen Gewinn und Genuß allein in Anspruch nimmt, übt einen ganz unerträglichen Zwang, den ich oft, nicht sowohl aus egoistischem Interesse, als im Namen der freien Menschenwürde, verwünscht habe. In solchen Augenblicken möchte man verzweifelnd in Thomas Moore's Wort einstimmen:

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When will this end, ye Towers of God? She weeping asks for ever,

But only hears from out that flood

The Demon answer, " Never!"

Freilich ein trauriger Schluß, mit dem wir aber, aus den schon oben angedeuteten Gründen, nicht ganz übereinstimmen können. Wir glauben vielmehr, daß dem durch jahrhundertlanges Unglück geprüften Irland eine glücklichere Zukunft bevorsteht, und daß, wenn nicht alle Zeichen täuschen, die Morgenröthe dieser Zukunft bereits angebrochen ist. Dieses Resultat wird dadurch befördert, daß ein großer Theil des Grundbesizes in Folge des massenhaften Verkaufs der verschuldeten Güter in andere Hände gekommen und daß sogar die Elemente der Bevölkerung durch die Hungerfeuche und die Auswanderung modifizirt worden sind. Im Jahre 1821", sagte Lord Glengall, „zähl= ten die Protestanten 1,900,000 Seelen bei einer Bevölkerung von acht Millionen; jezt im Jahre 1851 haben die Katholiken um 1,700,000 Seelen abgenommen, so daß bei der gegenwärtigen Bevölkerung von 64 Million die Protestanten nur noch in einer Minderheit von 500,000 Seelen sich befinden. Die Protestanten sterben nicht vor Hunger und Elend, und nur wenige sind ausgewandert." Diese Aeußerung mag hart scheinen, allein ihre Wahrheit ist nicht in Abrede zu stellen, und sie hilft die Thatsache erklären, daß in Irland jezt so Manches anders ist als früher.

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Mannigfaltiges.

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Französische Memoiren. Neben den Memoiren Guizot's sind soeben auch in Paris zwei intereffante Sammlungen von Denkwürdigkeiten und Briefen zur Geschichte unserer Zeit erschienen. Die eine besteht aus den eine besteht aus den Mémoires et Correspondance politique et militaire du Prince Eugène", herausgegeben von A. Du Caffe, dem Sammler der Briefe des Königs Joseph. Der Napoleonische ViceKönig von Italien, dessen Namen einen viel edleren Klang hat, als der aller übrigen Marschälle des ersten französischen Kaisers, erscheint auch in diesen Briefen und Denkwürdigkeiten treu seinem Wahlspruche ,, Honneur et Fidélité", wie ihn auch das aus der Meisterhand Thorwaldsen's hervorgegangene schöne Grabdenkmal des Herzogs von Leuchtenberg in der Michaelskirche zu München trägt, das ihm dort seine Gemahlin hat sehen lassen. Die zweite Sammlung besteht aus den Denkwürdigkeiten des Grafen Miot de Melito, eines Diplo maten und Ministers Napoleon's, und umfaßt die Zeit von 1788 bis 1815. In dieser Sammlung soll Manches enthalten sein, was mist eben den Glorienschein des großen Kaisers zu vermehren geeignet ist. Sie besteht aus drei Bänden, während die Memoiren des Prinzen Eugen Beauharnais unter der Hand des schreibseligen Hrn. A. Du Caffe zu sechs bis acht Bänden anwachsen werden, von denen bis jegt nur der erste Band erschienen ist. Die Herren Michel Lévy Frères find die Verleger aller dieser Memoiren-Sammlungen.

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Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür bae Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird,

No 54.

für die

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Literatur des Auslandes.

Rußland:

Berlin, Donnerstag den 6. Mai.

Der russische Mathematiker Lobatschevskji. Von allen wissenschaftlichen Disziplinen hat die Mathematik in Rußland seit Euler's und Bernouilli's Zeiten den dankbarsten Boden gefunden. Schon Lomonosov, der Vater der russischen Dichtkunst, war zugleich ein bedeutender Mathematiker, ebenso Rumovskji, der Lieblingsschüler Euler's, während in neuerer Zeit Ostrogradskji einen so geachteten Namen unter seinen Fachgenossen erwarb, daß ihn die französische Akademie in die auf Acht beschränkte Zahl ihrer auswärtigen Mitglieder aufnahm. Eines nicht minder ausgezeichneten Rufes genoß der verstorbene Lobatschevskji in Kasan, über den das Ermansche,,Archiv für die wissenschaftliche Kunde von Rußland“ eine biographische Skizze mittheilt, die wir hier im Auszuge wiedergeben.

Nikolai Iwanowitsch Lobatschevskji war der Sohn eines Baumeisters in Nijni-Novgorod, wo er im Jahre 1793 geboren wurde. Seine erste Erziehung erhielt er im Gymnasium zu Kasan, und schon 1807 konnte er in die dortige, kurz vorher gegründete Universität eintreten, wo durch den Einfluß des Kurators Rumovskji die exakten Wissenschaften sich einer besonderen Pflege erfreuten. Hier hatte Lobatschevskji das Glück, seinen Geist durch den Unterricht der aus Deutschland berufenen Professoren Bartels, Littrow und Bronner aufzuklären, von denen namentlich Bartels in ihm nicht allein ein feltenes Talent für Mathematik erkannte, sondern auch seinen Zögling herzlich lieb gewann, ihn mit väterlicher Sorgfalt von jugendlichen Erzeffen abhielt und die Vorgesezten auf seine ungewöhnlichen Fortschritte auf merksam machte. So geschah es, daß Lobatschevskji bereits 1811 auf Vorstellung der Fakultät als Magister der mathematischen Wissen schaften bestätigt wurde, in demselben Augenblick, als er von seinen Oberen einen Verweis wegen Verlegung der akademischen Disziplin erhielt. Nachdem er als Privatdozent den neueingetretenen Studenten den ersten Theil von Laplace's,,Mécanique céleste" und Gauß ,, Disquisitiones arithmeticae" vorgetragen, ward er 1814 Adjunkt der reinen Mathematik und 1816 Profeffor. Von diesem Zeitpunkt an begann Lobatschevskji eine umfassende, gelehrte und administrative Wirksamkeit. Mit unermüdlichem Eifer nahm er, anfänglich als Mitglied, später als Vorsitzender, Theil an den verschiedensten Kommiffionen, wie Bau-, Examinations-, Schul- und Redactions-Kommission, an der Einrichtung der Museen, des physikalischen Kabinets, der Sternwarte, des anatomischen Theaters, der Klinik, der mechanischen Werkstatt, der Bibliothek, ward sechsmal der Reihe nach zum Rektor der Universität erwählt und bekleidete diese Würde neunzehn Jahre lang. Als Lehrer war seine Thätigkeit außerordentlich. War einer der Professoren der physiko-mathematischen Fakultät im Auftrage der Universität ins Ausland gereist, oder blieb eine vakante Professur längerer Zeit unbefeßt, so übernahm Lobatschevskji die VorLesungen. Auf diese Weise trug er während seiner zweiunddreißigjährigen Amtsverwaltung als Profeffor abwechselnd reine Mathematik von der Algreba bis zur Variationsrechnung, Mathematik, Hydrostatik, Astronomie, Experimental- und mathematische Physik vor. Im Auditorium verstand er es, je nach dem Gegenstande, den er behandelte, die Gemüther feiner Zuhörer entweder durch die Tiefe des Gedankens oder durch den Zauber des Vortrages zu feffeln und mit sich fortzureißen. Er liebte es, mehr seinen eigenen Weg zu gehen, als sich an bestimmte Schriftsteller zu halten, und überließ es den Zuhörern selbst, sich mit der näheren Literatur des Gegenstandes bekannt zu machen. Seine öffentlichen Vorträge über Physik wurden stets von einem zahlreichen Publikum mit großem Interesse angehört, während seine Vorlesungen über neue Prinzipien der Geometrie, die mit Recht für scharfsinnig und tief durchdacht gelten, nur vor einem kleinen, ausgewählten Kreise von Zuhörern gehalten wurden.

Als gelehrter Mathematiker hat Lobatschevskji zahlreiche Arbeiten herausgegeben, von denen wir nur seine Abhandlungen über die Prinzipien der Geometrie" (Kafan, 1829-1830), feine,, Géométrie

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1858.

imaginaire" (in Crelle's Journal für Mathematik", Band XVII), die,,neuen Prinzipien der Geometrie mit einer vollständigen Theorie der Parallellinien" (in den Yчeныя записки der Universität Kafan) und die,,Theorie der Parallellinien" (erschienen in Berlin 1840) namhaft machen, welche lettere in der „, Pangéométrie ou précis de géométrie fondée sur une théorie générale et rigoureuse des parallèles" (Kasan 1855) weiter ausgeführt wurde. Ueber die merkwürdigsten dieser Untersuchungen verspricht Herr Profeffor Erman in seinem Archiv", in welchem bereits kritische Analysen der Arbeiten Popov's, Saweljev's und anderer russischer Mathematiker, sowie Lobatschevskji's selbst, gegeben wurden, demnächst ausführlicher zu berichten.

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Lobatschevskii starb in Kasan am 12. Februar 1856 als Profeffor emeritus, Mitglied der Göttinger, der Kopenhagener und anderer gelehrten Gesellschaften, wirklicher Staatsrath und Ritter mehrerer Dr. den. Einige Jahre vor seinem Tode war er erblindet, was ihn jedoch nicht hinderte, die Versammlungen in der Universität zu besuchen, den Doktor-Disputationen und akademischen Redeakten beizuwohnen. Auf den Wunsch seiner früheren Kollegen und Zöglinge ist sein Bild in einem der Säle der Universität aufgestellt worden, der er fast ein halbes Jahrhundert hindurch angehörte.

Ueber das Gefängnißwesen. (Fortseßung und Schluß.)

Als Thatsachen erkennt der Verfasser an, daß die Zellengefängniffe kostspielig sind, daß ihre Leistungen hinsichtlich der Besserung der Verbrecher auch billigen Erwartungen nicht entsprechen, und daß in ihnen eine bedenkliche Anzahl von Seelenstörungen und Selbstmorden vorkomme; aber er zeigt auch, wie eine gedeihliche Durchführung der Einzelhaft bis heute überall durch verkehrte oder mangelhafte Einrichtungen, Hausordnungen und Gefeße gehemmt und vielfach unmöglich gemacht worden ist.

Die vorzüglichsten Ursachen der bisherigen Unfruchtbarkeit des Isolirsystems sind nach des Verfassers Ansicht:

1) Prinzipielle Unklarheit oder doch Unentschiedenheit hinsichtlich der Aufgabe eines Zellengefängnisses, sowie Verkennung der Mittel für Erfüllung dieser Aufgabe. Wollte man mehr abschrecken oder mehr beffern? Man wollte Alles und erreichte wenig oder nichts.

2) Sorglosigkeit bei der Wahl der Beamten und Angestellten. 3) Zu kurze Strafen für den erstmaligen Diebstahl, Unterbringung mehrmals und oft bestrafter Individuen in Rückfällen in die Zelle erst dann, wenn sie in Amts- und Kreisgefängnissen, Arbeitshäusern 2c. bereits zu ausgeschulten und ausgefchämten Verbrechern geworden sind. 4) Gefeßliche Strafverschärfungen durch Hungerkost und Dunkelarrest ein unerquicklicher Versuch, große begangene Mißgriffe durch einen wo möglich noch größeren zu verbessern.

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5) Hindernisse für den Entlassenen, in der Welt sein ehrliches Fortkommen zu finden.

In Bezug auf den lezten Punkt spricht der Verfaffer die beherzigenswerthen Worte:

,,Es ist eine spottwohlfeile Kunst, Angesichts der vollen Listen der Rückfälligen über den Mangel an Rechtssinn und Sittlichkeit im Volke und über die Unverbefferlichkeit der,, Spißbuben" zu deklamiren und über alle Rückfälligen kurzweg den Stab zu brechen. Möchten doch so gestrenge Herren sich bemühen, die Lebensgeschichte vieler Verbrecher genauer kennen zu lernen, als dies aus Aktenfascikeln zu geschehen vermag; möchten sie sich recht lebhaft in die traurige und häufig gefährliche Lage manches Entlassenen hineinverseßen; sie würden sich bald überzeugen, es gehöre oft nicht nur guter Wille und etwas mit Klugheit gewürzte Selbstbeherrschung, sondern Riesenkraft des Entbehrens und Duldens, ein wahrer sittlicher Heroismus dazu, um nicht rückfällig zu werden, folglich mehr, als man verftändiger, gerechter und chriftlicher Weise von einem Menschen gewöhnlichen Schlages begehren kann.

,,Erwartet die Bestraften bei der Entlassung, statt des Laufpaffes in die Heimat, Gelegenheit zur Arbeit und ein Unterkommen bei recht lich und christlich gesinnten Leuten; statt unaufhörlicher Vorwürfe, Beschimpfungen und Verfolgungen, und namentlich der lästigen und schädlichen speziellen Polizeibevormundung, ein Menschenfreund, der ihnen mit Rath und That, mit Ermahnung, Warnung, Belehrung und Drohung zu Hülfe kommt; hat der Entlassene Aussichten, durch Arbeitsamkeit sein Brod verdienen und durch ein geseßmäßiges gutes Benehmen die Bedingung seiner Entlassung oder die bürgerlichen Folgen seiner Strafe allgemach von sich abschütteln zu können, nun dann müßte der Ergefangene ein eingefleischter Bösewicht und Dummkopf zugleich sein, um rückfällig zu werden; eingefleischte Bösewichte und Dummköpfe aber bilden innerhalb der Kerkermauern ebenso wenig die Majorität, als irgendwo außerhalb derselben.“

In dem Kapitel über Kleidung, Nahrung und Arbeit der badischen Strafgefangenen werden die Behauptungen, Klagen und Ausfälle Corvin's und Schlatter's als durchaus unbegründet zurückgewiesen. Aus dem, was der Verfasser über Belohnungen und Strafen in Gefängnissen beibringt und gründlich erörtert, wollen wir nur die folgen den Stellen mittheilen:

,,Ist die Anwendung von Hausstrafen gegen die Einen ein noth wendiges Uebel, so sind Belohnungen für die Anderen ein bedeutender Sporn zur Arbeitsamkeit und zum Wohlverhalten. Die Erlaubniß, sich von der Anstalt ein Stückchen Butter oder Schnupftaback zu kaufen, das Gutmach-Geld, Geschenke von Werkzeugen für den künftigen Lebensberuf, Austheilung von Schulpreisen, in Vorlegeblättern oder Büchern bestehend, der Nachlaß eines Theiles der Strafzeit, das waren die in badischen Strafanstalten üblichen und im Ganzen vortrefflich wirkenden Belohnungen für die Gefangenen.

,,Materielle Vergünstigungen aber kann man dem Zellenbewohner mit weit mehr Gewißheit über die Würdigkeit des Empfängers und ohne alle Gefahr für die Hausordnung zukommen lassen, als dem Opfer irgend einer anderen Haftart; es liegt in diesem Umstande offenbar auch ein Vortheil der einsamen Haft vor der gemeinsamen.“

Der Behauptung der Gegner des Isolirsystems, daß die Zellenbewohner von Seiten der Werkmeister und Aufseher leicht gequält und mißhandelt werden können, ohne irgendwo Hülfe zu erhalten, wird durch den Hinweis auf die kollegialische Verwaltung, die ein heilsames Widerspiel der Interessen (des Direktors, des Verwalters, des Hausarztes, des Geistlichen) zur Folge habe, begegnet.

Die von vielen Seiten her angegriffenen Gesichtsmasken (Kappen von Tuch mit Oeffnungen für die Augen) und Nummertäfelchen der Zellenbewohner nimmt Herr Hägele entschieden in Schuß:,,Wer das Isolirsystem, d. h. die Trennung der Gefangenen unter sich, ernstlich will, muß auch die Kappen und Nummertäfelchen in Kauf nehmen; ihre Abschaffung muß die Durchführung des Prinzips wesentlich illusorisch machen; sie gehören wesentlich zum System der Einzelhaft." Die von Schlatter gegen diese beiden Einrichtungen vorgebrachten Gründe werden auf eine sehr überzeugende Weise widerlegt. Die Vorzüge der verständig durchgeführten Einzelhaft, welche, wie der Verfaffer sagt, durch keine Sophisterei, Mückenseiherei und Humanitätsschwindelei wegdemonstrirt werden können, werden in die folgenden Säße zusammengefaßt:

1) Wird der Sträfling in der Zelle nicht beffer, so wird er und damit ist schon sehr viel erreicht! doch auch nicht schlechter. 2) Verschwörungen gegen Mitgefangene, Aufseher und Werkmeister, Schreiber und Vorstände, Verabredung von Fluchtversuchen, von bestimmten nach der Befreiung auszuführenden Verbrechen, Verdächtigungen und Verunglimpfungen der Beamten, welche dem redlichsten Wirken dieser Männer Dornen und Steine in den Weg legen, find in der Einzelhaft unmöglich.

3) Während der Haft kann der Zellenbewohner in weit höherem Grade individuell behandelt werden, als dies in gemeinsamer Haft rathsam und möglich ist, nach der Entlassung ist er im ungünstigsten Falle weit weniger als jeder Andere in Gefahr, durch ehemalige Mitgefangene in Verlegenheiten und Mißhelligkeiten oder auch zu neuen Verbrechen zu kommen.

Im zweiten Abschnitt des Buches behandelt der Verfassfer die auf die Besserung der Verbrecher sich beziehenden Fragen. Unter den diesen Abschnitt einleitenden Bemerkungen verdient die folgende hervorgehoben zu werden:

,,So wichtig und tiefgreifend aber auch die Frage der GefängnißReform für den Staatsgeldbeutel, die Sicherung der Gesellschaft, für die Volksmoralität und für das jenseitige Leben sein mag, so ist die selbe doch nur eine soziale Frage zweiten Ranges. Weit tiefgreifender noch und wichtiger nämlich wird wohl die Frage sein: durch welche Mittel kann der Begehung von Verbrechen wohl recht wirksam vorgebeugt werden? Verbrecher beffern wollen und zu diesem Behufe die Gefängnisse so zweckmäßig wie möglich einrichten, ist ein schönes und löbliches Unternehmen; doch noch weit schöner und löblicher ist es,

dafür zu forgen, daß die Geseze recht gehalten werden und in Folge davon die Gefängnisse recht leer bleiben. Gute, praktische Antworten hierauf find die Maßregeln der Regierungen, Handel und Wandel zu heben und zu schüßen, Geseze in puncto sexi, wodurch der Vermehrung, Aelternlosigkeit und Verwahrlosung der unehelichen Kinder etwas Einhalt gethan wird, Leihhäuser, Sparkassen, Versorgungs-Anstalten für verwahrlofte Kinder, Waisenhäuser, christliche und auf das praktische Leben berechnete Schulen, in denen namentlich auch alle weiblichen Arbeiten gelehrt werden, Leih- und Sparkassen in armen Dörfern, Stiftungen für Versorgung und Ueberwachung dürftiger Jünglinge und Jungfrauen, Armenspitäler, Bewahrungsanstalten für notorische Taugenichtse, Organisation der Auswanderung und noch weit mehr des Verhältnisses zwischen den Fabrikherren und ihren Arbeitern, Arbeiterwohnungen u. s. w. Dies Alles find Mittel, um die Stiefkinder der launenhaften Fortuna vor Gericht und Gefängnissen zu bewahren, und sie verdienen die Berücksichtigung aller Regierungen, Menschen- und Vaterlandsfreunde früher und in höherem Grade als die Gefängnißreform. Allein es sind äußere Einrichtungen, und sie reichen als solche so wenig aus, den Menschen vor Sünde, Laster und Verbrechen zu bewahren, als die vier Wände einer Zelle an und für sich einen Gefangenen zu bessern im Stande sind. Die soziale Frage und die der Gefängnißreform insbesondere ist in leßter Instanz eine religiös-kirchliche Frage."

Den Behauptungen Corvin's gegenüber, der die große Menge von Verbrechen und Verbrechern in der gegenwärtigen Zeit lediglich der Unfähigkeit und Sorglosigkeit der Regierungen und der Mangelhaftigkeit unserer sozialen Einrichtungen zur Last legt, sucht der Verfaffer zu zeigen, daß als die eigentliche Quelle der vielen Verbrechen und der sozialen Uebel überhaupt der Mangel an positiver Religion anzusehen sei, und er schließt seine allgemeinen Bemerkungen in Bezug auf die Besserung der Verbrecher mit den folgenden Worten, denen man von Herzen wird beistimmen können, auch wenn man das, was gewöhnlich als positive Religion" oder als „,positives Christenthum" bezeichnet wird, für nichts weniger als heilbringend halten kann:

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,, Lebendiges Christenthum pflanzen, hegen und pflegen, heißt dem Volke den Kern aller wahren Bildung und Weisheit einimpfen, ihm Kraft zum Entbehren und Dulden der unvermeidlichen Uebel dieser Welt, Selbstbeherrschung und Charakter verschaffen helfen; es heißt aber auch weiter, zur Lösung der sozialen Fragen und namentlich zur Verhinderung von Verbrechen, sowie zur Besserung der Verbrecher, das Höchste beitragen, was Menschenkraft vermag.“

In dem Abschnitt über die Strafzwecke und deren Verwirklichung zeigt er zunächst, wie durch die Einsamkeit, sowie dadurch, daß die Leiden der gemeinsamen Haft durch die einsame geschärft werden, der Zellenbewohner ein härteres Loos erdulde, als ein Gefangener anderer Art, aber auch leichter zur Besinnung über sich selbst gebracht werde. „Der Zellenbewohner“, sagt er, „haust einsam mit seinen Erinnerungen; die Wände seiner Zelle find nur für Uneingeweihte ftumm; dieselben können reden; sie reden eine aufregende, niederschmetternde Sprache und reden dieselbe schonungslos und unermüdlich Tag für Tag und Nacht für Nacht, bis ihr Opfer aus liebgewordenem Stumpffinn und Seelenschlaf erwacht und Laute giebt, mitunter Laute, wie eine gepeinigte Bestie, besonders in den ersten Monden der Einsamkeit, aber Laute, die zum Guten führen können. Warum bist du hier? fragen die Zellenwände. Für wie viele Nächte, Stunden, Minuten? Warum so lange, gar so lange? Wie bist du hierher gekommen? Hättest du dir je solche Möglichkeit eingebildet, als du noch ein Kind warst? Oder am Tage der ersten heiligen Kommunion? Oder als du den Lehrbrief erhieltst? Oder vor dem Traualtar? Wie wäre es, wern du so manchem wohlgemeinten, guten Rath Folge geleistet und krumme Wege abseits gelassen hättest?"

Den Begriff der Besserung giebt der Verfasser in folgenden Worten: Wahre Bessernng nenne ich die auf Grundlage des positiven Christenthums ruhende thatkräftige Umkehr eines unfittlichen und rechtswidrigen Willens zu Gott, näher die mit der Gnade Gottes durch Gemüthserschütterung angebahnte, durch religiöse und intellektuelle Bildung bewußt und klar werdende, durch Ertragung von Widerwärtigkeiten und Leiden erstarkende und im ganzen Leben und Streben sich bethätigende fittliche Erneuerung des Menschen."

Die Besserungsmittel, welche der Verfasser in Rücksicht auf die Frage, ob gemeinsame oder einsame Haft zweckmäßiger sei, ausführlich bespricht, find: Arbeit, Gewöhnung an Disziplin, Schulunterricht, Lektüre, Religionsunterricht, Gebet und Kirchenbesuch, Empfang der heiligen Sakramente, Widerwärtigkeiten und Leiden, Besuche, gutes Beispiel.

Was in Bezug auf die Arbeit dargelegt wird, ist im Wesentlichen dies: die Arbeit ist nur dann ein Besserungsmittel und eine Tugend, wenn der Arbeitende sich bestrebt, mit der rechten Gesinnung gegen Gott, den Nächsten und sich selbst zu arbeiten, was aber mindestens schon einen ernsten Anfang der Gesinnungsänderung vorausseßt, und

die Arbeit ist eher in der einsamen als in der gemeinsamen Haft ein Besserungsmittel, weil jene bei richtiger Durchführung höchst wahrscheinlich, diese dagegen, allen Experimenten, Abschreckungs- und Humanitätskuren zum Trog, höchst wahrscheinlich nicht bessert.

Die Disziplin betreffend, wird gezeigt, daß in der einsamen Haft die Handhabung derselben im schlimmsten Falle minder störend und verderblich wirke, als in der gemeinsamen, daß in jener die Disziplin eher bessernd wirken kann, als in dieser, und daß nur dann, wenn der Geist des Christenthums die Beamten der Strafanstalt beherrsche, die Disziplin Gutes wirken müsse.

In dem Abschnitt über die intellektuelle Bildung der Gefangenen durch Lektüre und Schrift werden die Einwände, die man gegen die Sträflingsschulen vorgebracht hat, gründlich widerlegt und dann auf den Nugen dieser Schulen hingewiesen, insofern Bildung nicht blos Lafter, Leidenschaften und Affekte beherrschen lehre, sondern auch die wahre Befferung der Verbrecher fördere. Für Zellengefangene scheinen die Schulen dem Verfasser nothwendig, weil Unterricht und Lektüre neben Arbeit und Besuchen das Meiste dazu beitragen, die Zellen gefangenen vor geistiger Verdumpfung, Erstarrung und Verirrung zu bewahren.

Die Besprechung der sittlich-religiösen Erweckung und Bildung der Verbrecher führt den Verfaffer zu den Ergebnissen, daß Zellenhaft vor Allem anzuwenden sei bei jungen und bei solchen Verbrechern, die zum ersten Male verurtheilt sind, und daß das erste Verbrechen, so namentlich der erste Diebstahl, mit möglichst langen Freiheitsstrafen zu belegen sei, damit dasselbe desto weniger zum ersten Gliede einer langen Kette von Verbrechen werde.

Die Vortheile der einsamen Haft hinsichtlich des Religionsunterrichts finden wir in der folgenden Stelle zusammengefaßt:

„Das religiöse Bedürfniß macht sich beim Zellenbewohner weit sicherer und stärker geltend, als irgendwo; er muß nachdenken und in sich blicken; er bedarf des Trostes von Oben, indem er weitaus die meiste Zeit des Tages und die ganze Nacht dazu einsam lebt und in sich keinen oder doch sehr ungenügenden Trost findet. Mit Luft geht er in den Religionsunterricht schon deshalb, weil der Gang in die Kirche Abwechselung in sein eintöniges Dasein bringt; von Zerstreuungen unbehelligt, empfängt er den Unterricht; das Gehörte klingt unwillkürlich in seiner Seele nach, und Manches bleibt in seinem Gedächtniß hängen, mag es ihm munden oder nicht munden; es spornt ihn zum weiteren Denken, zum Besprechen mit den Besuchern, zum Nachlesen an. Und siehe, der Religionslehrer tritt selber in die Zelle, tröstet, eraminirt, belehrt, und versteht er es, den Gefangenen individuell zu behandeln, dann müßte dieser alle Befferungsfähigkeit eingebüßt haben, um unempfindlich und verstockt zu bleiben."

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Die Widerwärtigkeiten, Entbehrungen und Leiden der Gefangenschaft zu vermehren und zu verstärken, um die Gefangenen dadurch desto eher zu bessern, erklärt der Verfasser für ebenso kurzsichtig und unpraktisch, als unchristlich. Er sagt hier unter Anderem:

,,Philanthropische Faselei, unpraktisches Geschwäg! denkt vielleicht ein oder der andere Leser. Allein ich frage ihn: woher kommt es denn, daß ehemalige Sträflinge in allen Revolutionen so wild energische und furchtbare Rollen spielen? Wer waren denn die Septembriseurs des Justizministers Danton? die Getreuesten des Kleeblattes Marat, Saint Just und Robespierre? - Antwort: es waren Antwort: es waren sehr viele ehemalige Sträflinge darunter, welche ihr, Herren von der Abschreckung, Jahre lang gequält, unter das Vieh erniedrigt und dadurch wirklich entmenscht, zu Leuten gemacht habt, denen jede Revolution willkommen ist, welche ihnen Gelegenheit bietet, dem eingewurzelten Haß gegen Gott und Menschen die Zügel schießen zu lassen.

,,Die Leiden des Lebens sind Besserungsmittel nur dann, wenn der religiöse Glaube bereits vorhanden ist oder doch nur angefacht zu werden braucht; im anderen Falle schlagen sie sogar leicht zu Verschlechterungsmitteln aus. Der Sträfling in einsamer Haft aber wird eher in die Arme des Glaubens geführt, nicht sowohl, weil er mehr leidet, als der in gemeinsamer, sondern weil er besser fühlen und denken lernt und mehr äußeren und inneren Anstoß zur Besserung hat, als ein anderer."

Die Kennzeichen der Besserung besprechend, die der Verfaffer vorzugsweise in der Art und Weise findet, wie der Gefangene seine Leiden und Widerwärtigkeiten erträgt, legt er dar, wie Heuchlerrollen für die Dauer und mit dauerndem Erfolge durchzuführen dem Zellengefangenen nicht möglich ist.

Aeußere zu beseitigende Hindernisse der Befferung bei Zellen bewohnern sind nach Ansicht des Verfassers:

A. Unzweckmäßige und verkehrte Anwendung des Systems, und zwar: 1) auf ältere Verbrecher; 2) zu späte Anwendung auch bei jüngeren Verbrechern, insofern diese erst in die Zellen kommen, nachdem sie in Untersuchungsgefängnissen mit gemeinsamer Haft die Vorschule des Verbrechens durchgemacht; 3) zu kurze Strafzeiten.

B. Unzweckmäßige und verkehrte Durchführung des Systems, und

zwar: 1) jene nicht seltene Art von Oberleitung und Kontrole der Bewohner und Angestellten eines Zellengefängnisses, welche prinzipiell unklar und schon deshalb in ihren Anordnungen schwankend, widerspruchsvoll und unpraktisch ist; 2) Aufgeben des Systems, indem man die konsequente, Trennung der Gefangenen unter sich aufhebt, oder indem man die Anwendung der eigentlichen Besserungsmittel beschränkt, erschwert, unmöglich macht; 3) durch ein untaugliches Dienstpersonal.

C. Hungerkost und Dunkelarrest als gefeßliche Strafverschärfungen. In Betreff des leßten Punktes wird nachgewiesen, wie die Hunger und Finsternißkuren, die man nur im Interesse der Abschreckung anordnen könne, der Gesundheit, der Disziplin, dem Gewerbebetriebe, dem Schul- und Religionsunterrichte und auch der wohlthätigen Einwirkung der Zellenbesuche nur schaden können.

In Bezug auf die aus den Gefängnissen Entlassenen erklärt der Verfaffer es für praktisch, Ortsarme und Arbeitsscheue zur freiwilligen Auswanderung zu bewegen, Verbrecher zur Auswanderung zu be gnadigen. Vereine zu Gunsten entlassener Sträflinge bezeichnet der Verfasser als Vereine wider Menschenquälerei, welche weit mehr Noth thun, als Vereine wider Thierquälerei. Dergleichen Vereine, sagt er, müssen die christliche Charitas zur Mutter haben; ihre Gründung und Leitung sollte der Kirche vorbehalten sein. Die Geistlichen sowie die Frauen sind die zunächst berufenen Diener der christlichen Charitas; die Gemeindebehörden und ehrenhaften Bürger haben das nächste Intereffe, der Verkommenheit und dem Verbrechen innerhalb ihrer Gemeinde zuvorzukommen und zu steuern. Es sollte gar keine auf entlaffene Sträflinge beschränkte Vereine geben, sondern nur allgemeine Rettungsvereine.

Im lezten Abschnitt handelt der Verfasser von den sogenannten politischen Verbrechern; er spricht sich über die Verwerflichkeit entehrender Strafen für Verbrecher rein politischer Natur, über die Besserung der sogenannten politischen Verbrecher und über die verkehrte Behandlung derselben nach ihrer Entlassung in einer Weise aus, die jeder Unbefangene als vollkommen gerecht und begründet wird anerkennen müssen.

Er zeigt, daß durch Anwendung entehrender Strafen auf sogenannte politische Verbrecher das Rechtsgefühl beleidigt, daß dadurch die Wirksamkeit der Entehrung überhaupt geschwächt und die Gefängniß-Disziplin demoralisirt werde, und daß es auch politisch unklug sei, solche, deren Vergehen rein politischer Natur sind, wie gemeine Verbrecher mit entehrenden Strafen zu belegen. „Eine Regierung, welche ihre sonst ehrenhaften Gegner jedem Spizbuben, Brandstifter oder Mörder gleichstellt, erhebt sich dadurch selbst keinesweges; sie leistet Verzicht auf versöhnliche Gesinnung und Befferung der Getroffenen, hilft die ohnehin verwirrten Begriffe des Volkes über Recht und Unrecht, Verbrechen und Strafe noch mehr verwirren, erhöht die Theilnahme für die Opfer der Revolution, kurz: erschüttert das Vertrauen auf die Gerechtigkeit, Klugheit und Kraft der Regierungen."

In Bezug auf die Gesinnungsänderung sogenannter politischer Verbrecher sagt der Verfasser sehr richtig:

,,Solche Gesinnungsänderung steht keinesweges in einem nothwendigen Zusammenhange mit der moralischen Erneuerung und Besserung eines Menschen; sie kann ganz gut in den Beweggründen gemeiner Selbstsucht und hungeriger Charakterlosigkeit wurzeln. Und weil Lehteres gar leicht der Fall sein kann und gar oft schon wirklich der Fall gewesen ist, deshalb steht die politische Gesinnungsänderung eher in Mißkredit, als in Kredit."

Die Hindernisse, welche der Befferung politischer Verbrecher entgegengethürmt werden, veranschaulicht uns der Verfasser, indem er uns den Preßprozeß, in welchem er als Verfasser des Kalenders für Zeit und Ewigkeit (für das Jahr 1857) wegen Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung durch die Presse" angeklagt und in erster Instanz auch verurtheilt wurde, durch Mittheilung seiner RekursAusführung in allen seinen Einzelheiten vor Augen führt.

Die vorstehenden Mittheilungen werden unseren Lesern die Ueberzeugung gegeben haben, daß die vorliegende Schrift ein Beitrag zur Literatur des Gefängnißwesens ist, welchem man die weiteste Verbreitung und besonders bei denen, die berufen sind, praktisch für die zweckmäßigste Einrichtung des Gefängnißwesens zu sorgen, die gewissenhafteste Berücksichtigung von Herzen wünschen muß. Hr.

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gleich der Zustände in den freien und den Sklavenstaaten zusammengestellt. Er ging dabei von den amtlichen, statistischen Angaben des allgemeinen Census von 1850 aus, eines Census, wie er bekanntlich nur alle zehn Jahre in den Vereinigten Staaten aufgenommen wird. Im Jahre 1850, fagte Herr Wilson, gab es in den freien Staaten 877,000 Bauerngüter, die einen Flächeninhalt von 108 Millionen Acres Land hatten und auf 2143 Millionen Dollars, oder 20 Dollars per Acre, geschäßt wurden. Die jährlichen Produkte, welche diese kultivirten Länderein abwarfen, hatten einen Werth von 860 Mill. Doll. Nach demselben Census hatten die Sklavenstaaten 564,000 Landgüter von 180 Millionen Acres Flächeninhalt, im Werthe von 1117 Mill. Dollars, oder 6 Doll. per Acre, die ein jährliches Erträgniß von 680 Millionen Dollars lieferten. Die Größe der einzelnen Landgüter in den freien Staaten beträgt im Durchschnitte 120, in den Sklavenstaaten über 320 Acres. Die 34,000 Bauerngüter des kalten, unfruchtbaren Massachusetts haben durchschnittlich nur 99 Acres im Flächenraum, werden aber auf 32 Doll. 50 Cents geschäßt, während die 30,000 Pflanzungen Süd-Carolina's von 540 Acres durchschnittlichem Flächeninhalt nur 15 Doll. per Acre werth find. Die Bauerngüter der freien Staaten werden von dritthalb Millionen Menschen kultivirt und werfen 8 Doll. per Acre, oder mehr als 300 Doll. auf jeden Kopf, ab, während auf den Pflanzungen der südlichen Staaten mehr als drei und eine Viertel Millionen Personen arbeiten, deren Arbeit nur 4 Doll. pro Acre oder weniger als 200 Doll. pro Kopf abwirft.

Wenden wir uns von der Agrikultur zur Industrie, so zeigt sich die Ueberlegenheit der freien Staaten in einem noch viel glänzenderen Lichte. Im Jahre 1850 hatte der Norden 94,000 Fabriken mit einem Kapital von 430 Millionen Dollars, in denen für 465 Mill. Dollars Rohmaterial verbraucht, 780,000 Personen beschäftigt, 196 Mill. Dollars für Arbeit bezahlt und Produkte im Werthe von 842 Mill. Dollars geliefert wurden. Der Süden hatte nur 27,000 Etablisse ments dieser Art mit einem Kapital von 95 Millionen Dollars, verbrauchte nur für 86 Millionen Dollars Rohmaterial, beschäftigte darin 161,000 Personen, bezahlte 33 Mill. Dollars für Arbeit und produzirte einen Gesammtwerth von 165 Mill. Dollars. Massachusetts hatte 8300 Etablissements mit einem Kapital von 83 Mill. Dollars, beschäftigte 165,000 Arbeiter, bezahlte ihnen 40 Millionen Dollars und produzirte einen Werth von 151 Millionen Dollars. Süd-Carolina hingegen hatte nur 1400 Etablissements mit einem Kapital von 7 Millionen Dollars, verbrauchte nur 5 Millionen an Rohmaterial (gegen 86 Millionen in Massachusetts), beschäftigte darin 12,000 Perfonen, bezahlte ihnen 2,300,000 Doll. und produzirte 9,700,000 Doll.

In den Baumwollenspinnereien von Massachusetts werden den weiblichen Arbeitern höhere Löhne bezahlt als den männlichen Arbeitern in den Eisenwerken von Süd-Carolina. Die Produktivität der Industrie von Massachusetts ist seit 1850 mit jedem Jahre stetig gestiegen und beträgt jezt durchschnittlich 280 Doll. pro Kopf, während die von Süd-Carolina nach De Bow nur 62 Doll. pro Kopf abwirft.

Der Werth des in- und ausländischen Handels der nördlichen Staaten beträgt ungefähr 1400 Millionen Dollars; der südlichen Staaten nur 400 Millionen. Die Einfuhr und Ausfuhr des Nordens beläuft sich auf 400, die des Südens nur auf 132 Millionen Dollars. Die Stadt New-York allein importirt und erportirt mehr als doppelt soviel als alle füdlichen Staaten zusammengenommen, Massachusetts den fünffachen Werth des Erports und Imports von Süd-Carolina. Der Norden besaß im Jahre 1855 eine Handelsflotte von 4,250,000 Tonnen Gehalt, im Werthe von 212 Mill. Dollars, der Süden von 855,000 Tonnen Gehalt im Werthe von 42 Millionen Dollars. Im Norden wurden in demselben Jahre neue Fahrzeuge von 528,000 Tonnen Gehalt gebaut, im Süden 52,000 Tonnen. Massachusetts besaß 970,000 Tonnen, im Werthe von 48 Millionen Dollars, Süd-Carolina nur 36,000 Tonnen, im Werthe von 3 Mill.

Der Norden besaß nach dem legten Census 18,000 (engl.) Meilen Eisenbahn, die 560 Mill. Dolars kosteten, der Süden 7000 Meilen, die 125 Mill. Dollars kosteten. Massachusetts, das keinen Reis, keinen Taback und keine Baumwolle baut, hat 55 Millionen Dollars auf seine eigenen und ein noch größeres Kapital auf Eisenbahnen in anderen Staaten verwendet. Es hat ein Bankkapital von 60 Mill. Dollars, und seine armen „weißen Sklaven" haben in den Sparbanken 35 Millionen Dollars deponirt. Das reiche Süd-Carolina mit seinen Reis- und Baumwollenpflanzungen, die Residenz des Königs,, Cotton", hat nur 12 Millionen Bankkapital. Ueber die Summe der Erspar nisse seiner,,gutbezahlten, ehrgeizlosen Arbeiter" ist Herr Senator Hammond leider jeden Nachweis schuldig geblieben.

Wenn wir fragen, wie es mit der geistigen Kultur und den Hauptmitteln zu ihrer Beförderung in den beiden Sectionen der Union

steht, so finden wir dieselbe Ueberlegenheit des Nordens. In den Sklavenstaaten bestehen Geseze, welche mehr als vier Millionen ihrer Bewohner jede Art des Unterrichtes vorenthalten, während die Gefeße der nördlichen Staaten die Erziehung und den Unterricht aller Volksklaffen soviel als möglich befördern. Im Jahre 1850 gab es in den freien Staaten 62,000 Schulen mit 72,000 Lehrern und 2,800,000 3öglingen. Die Sklavenstaaten besaßen zu derselben Zeit nur 18,000 Schulen mit 19,000 Lehrern und 580,000 Zöglingen. Massachusetts bezahlt für den Unterricht von 200,000 Schülern jedes Jahr 1,300,000 Doll., während Süd-Carolina nur 17,000 Schüler in feinen öffentlichen Schulen zählt und dafür 75,000 Doll. pro Jahr bezahlt. New-York hat mehr Schüler in seinen Unterrichtsanstalten als alle Sklavenstaaten zusammengenommen in den ihrigen. Ohio ließ über eine halbe Million Zöglinge in seinen Freischulen unterrichten, Kentucky nur 76,000. Ohio bezahlte für sein Unterrichtswesen drittehalb Millionen, Kentucky nur 46,000 Doll. pro Jahr. Die freien Staaten hatten im Jahre 1855 mehr als 15,000 Bibliotheken mit 4 Millionen Bänden; die Sklavenstaaten nur 760 mit 650,000 Bänden. Massachusetts allein besist 18,000 Bibliotheken mit 750,000 Bänden, mehr als alle Sklavenstaaten zusammengenommen. Der kleine Staat Rhode Island, ein Fleck von 1300 (engl.) Quadratmeilen, hat mehr Bände in seinen Bibliotheken als die fünf großen Sklavenstaaten Georgia, Florida, Alabama, Mississippi und Louis siana zusammengenommen.

Im Jahre 1850 besaßen die freien Staaten 1800 Zeitungen mit einer Circulation von 335 Millionen Exemplaren, die Sklavenstaaten nur 700 Zeitungen mit einer Circulation von 81 Millionen. Massachusetts bezieht jährlich 2 Millionen Exemplare wissenschaftlicher Zeitschriften, der ganze Süden hingegen nur 272,000.

Nachdem der Redner gezeigt hat, daß fast 90 Prozent aller Buchhändler, Schriftsteller, Dichter und Künstler dem Norden angehören, schließt er seinen Vergleich mit folgenden Worten:,,Man ersicht aus dem Gesagten, daß die freien Staaten im Ackerbau, im Handel, in der Schifffahrt, in Manufakturen, Schulen, Wissenschaften, Künsten, Wohlthätigkeitsanstalten, kurz in Allem, wodurch sich die Nation eine ehrenvolle Stellung unter den Völkern der Erde verschafft hat, den unzweifelhaften Vorrang erworben haben. In allen diesen Angelegen. heiten spielt der Süden nur die Rolle einer abhängigen Provinz des Nordens. Indien und Australien sind nicht in höherem Grade von England abhängig, als die Sklavenstaaten von den freien, und in kommerzieller Beziehung sind alle 15 Sklavenstaaten nichts weiter als tributäre Vorstädte von New-York."

Mannigfaltiges.

- H. Heine's Gedichte in Rußland. Eine vor kurzem erschienene russische Uebersezung Heinescher Gedichte) veranlaßt die Petersburger Wjédomosti zu folgenden Betrachtungen:,,Heine ist ein unerschöpfliches Material für unsere Ueberseßer. Wie lange haben sie sich schon mit der Verpflanzung seiner Produkte auf russischen Boden beschäftigt, und noch immer fahren sie fort, ein Blümchen nach dem anderen aus dem üppigen Strauße zu pflücken, den der bes rühmte deutsche Dichter der Nachwelt hinterlassen. Es giebt fast keis nen russischen Poeten der Jehtzeit, der seine Kräfte nicht an Heine probirt hätte. Die besten Erzeugnisse seiner Muse, soweit fie der russischen Presse zugänglich (d. h. nicht von der Censur verpönt wurden oder noch werden), sind alle schon mehrfach von verschiedenen Personen übertragen worden; trozdem giebt es wenige Journalhefte, die eine poetische Rubrik enthalten, wo man nicht auf ein Heinesches Gedicht trifft. Am leidenschaftlichsten für Heine eingenommen sind die jungen, angehenden Talente; kaum einer von ihnen ist in den leßten Jahren ohne Uebersehungen aus Heine auf die literarische Arena getreten. Wie früher Goethe und Schiller für die russischen Poeten ein wahres Kalifornien waren, wie das frühere russische Publikum von den Erzeugnissen der deutschen Literatur nur Goethe und Schiller kannte, so kennt das jezige von den deutschen Dichtern nur Heine.“ Die Wjédomosti find mit diesem Heine-Kultus nicht ganz einverstanden und sprechen die Ueberzeugung aus, daß man dem Dichter schließlich zwar eine ehrenvolle, aber nicht die erste Stelle auf dem deutschen Parnaß anweisen werde.

*) Стихотворенія изъ Гейне. Переводъ И. Семенова. Спб. 1858. (Mit Heine's Portrait und Lebensbeschreibung.)

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