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Literatur des Auslandes.

England.

Indische und englische Reform.

Berlin, Dienstag den 27. April.

Mit einer biographischen Skizze Nena Sahib's.*) England ist groß und breit, Großbritannien beneidet und angestaunt von vielen kleinen Leuten. Allerdings ist es imposant, zu sehen, wie sie allein in Europa in alter Freiheit parlamentarisch glänzen, unter allen Breiten- und Längengraden handeln und walten, Städte bombardiren, europagroße Länder unterjochen und über giganti sche Rebellionen triumphiren, während 39 deutsche Staaten an einem Staate, kaum so groß, wie ein Neununddreißigstel dieser Bundesstaaten, laboriren und im Innern Geburt und Tod, Laufe und PockenImpfung, Päffe und Bürgerbriefe auf das peinlichste buchen und die geleckt este Ordnung halten. Sie beschäftigen sich fast ausschließlich mit sich selbst, während Großbritannien vor lauter Ausland gar nicht mehr zu sich selbst kommen kann. Das ist schlimm, wenn man nicht nur nicht mehr zuerst vor seiner Thür, sondern gar nicht mehr zuhause kehren und nur weite, ferne Heiden bekehren kann. Sie reformirten einmal nach der französischen Juli-Revolution. Dann blieb es beim Alten bis 1848. In diesem Jahre wurde eine neue, gründliche Reform zuhause versprochen. Sie kamen nicht dazu, die Reformatoren. Lord John Russell wurde dann Premier und versprach die versprochene Reform, aber wichtige auswärtige Verhältnisse machten eine Verta gung nöthig, bis Lord Derby dran kam und feierlich eine gründliche Parlamentsreform versprach. Nur bat er sich die Gnade aus, sich die wichtige Angelegenheit bis zum nächsten Jahre zu überlegen.

Aber im nächsten Jahre kamen Aberdeen und Krieg. Aberdeen bat flehentlich, die Aufmerksamkeit, die der Krieg mit Rußland erfordere, nicht durch heimische Reform-Gedanken zu zersplittern. Nach dem Kriege wolle man zuhause ernstlich Kehricht wegräumen. Aber Lord Palmerston führte den Krieg zu Ende und mit Glorie, damit er, wie er oft in seiner Zuverlässigkeit versicherte, nächstes Jahr die Augiasställe zuhause ausschließlich reinigen könne. Die Türkei war gerettet, aber England blieb ungerettet. Es hieß immer: Nächstes Jahr. Palmerston, der große Auswärtige, fiel über eine auswärtige Frage, ohne seinen Feuereifer für innere Reform befriedigen zu können. Das Ausland ging vor. Was ist England gegen sein weites äußeres Land? Lord Derby kam und sagte, er werde die seit einem Menschenalter vertagte innere Reform bewirken, doch die Reform Indiens gehe vor.

Was hat England mit einem wildfremden, fabelhaft fernen Volke zu thun? Warum muß es selbst Jahr aus Jahr ein unverbessert bleiben, während es sich um das Wohl und die Civilisation Hinter Asiens abstrapazirt? Nun, es opfert sich auf für die Welt. Es läßt zuhause Alles im Schmuße liegen, um die Welt im Ganzen und Großen zu reinigen. Das wäre erhaben, wenn es wahr wäre. Eng land laborirt zunehmend am Auslande, besonders an Indien. Kommt ihm nun die Vernachlässigung seiner selbst zu Gunsten seiner auswärtigen Befizungen zugute? Hat es in Indien gereinigt, hat es Indien civilisirt, christianisirt? Hat die neue Reform-Bill eine solche Tendenz? Reform-Bill, antworte! Clive, Hastings, Dalhousie ant

wortet!

Es ist ein entsegliches Faktum, daß England vor lauter auswärtiger Politik nicht mehr zu sich selbst und auch in der auswärtigen Politik zu nichts mehr kommen kann, als erhöhten, immer steigen den Schulden und Lasten und Verunreinigungen zuhause. Alle fabel haften Schäße, aus Indien herausgeplündert, find zuhause unsichtbar geworden, negativ geworden, wie die Schäße Persiens aus den Satrapieen, wie die Schäße Noms aus seinen eroberten Ländern, wie die goldenen Millionen Spaniens aus den antipodischen Minen. Man kauft zu erhöhten Preisen und erniedrigtem Größenmaße mit englischem Gelde, englischem geborgten Gelde, englische Soldaten

Von unserem Londoner Korrespondenten.

1858.

gegen Indien. Alles, was die indische Rebellion kostet und kosten wird, ist aus England gesogenes Geld, aus England aufgekaufte Jugendund Arbeitskraft. Das indische Budget war schon vorher ein steigendes Defizit. Man hat zuhause nicht reformirt und auswärts demoralisirt, ruinirt. Palmerston verbot einmal den Dampfschlotten zuhause das Rauchen. Mit seiner auswärtigen Politik hat er es weiter gebracht und den Dampfschlotten der Industrie und Taufenden von Heerden der arbeitenden Klassen nicht nur das Rauchen, sondern auch das Feuer, Kochen und Effen verboten. Sie lassen sich nun für geborgtes, englisches Geld anwerben, um Indien reformiren zu helfen, Canton zu sichern und vortheilhafte Handelsbedingungen in China zu erzwingen. Das ist ein furchtbarer Kreislauf von auswärtiger Politik durch die innere hindurch. Wo produzirt diese Pulsation Leben? Wo sezt sie Fleisch oder gar Civilisation an? Was ist unter Vernachlässigung Englands aus Indien unter England geworden?

Gährend Drachengift aus der Milch frommer Denkungsart. Es ist nun erwiesen, daß die Grausamkeiten der indischen Soldaten gegen englische Personen, diese furchtbaren Gemälde in der Times, größtentheils erlogen waren, wie die Rechtfertigung der Palmerstonschen Politik gegen Canton in derselben Times durch die 73,000 von Yeh geköpften Chinesen und Schauergemälde aus Cantons Gefängnissen fich wahrscheinlich als auswärtige Politik" herausstellen werden. Aber richtig ist es doch, die Sipoys haben manche grausame Thaten giftiger Rache an Engländern und Engländerinnen verübt. Wer hat ihnen das Drachengift der Rache eingeflößt und es genährt? England, England, England, das civilisirende, christianisirende, zum Wohle anderer Völker vernachlässigte. Wir erinnern an die Thaten von Clive und Hastings, die wir im vorigen Jahre rekapitulirten. Wir erinnern noch an Dalhousie und den Hauptzögling deffelben, das Ideal von Scheusal, Nena Sahib.

Die Engländer waren früher einstimmig über die Noblesse, Fein" heit, Bildung, Leutseligkeit u. s. w. dieses Scheusals. Hören wir aus Chambers' Edinburgh Journal (Nr. 222), wie das edle Lamm zu einem wüthenden bengalischen Tiger ward.

Nena Sahib, Radschah von Bithuur, seines eigentlichen Namens Sree Munt Dhuunduu Punt, ist der adoptirte Sohn des verstorbenen und von den Engländern vorher pensionirten Mahrattenhäuptlings (Peischwa) Badschii Rao.

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Letterer hatte als Mahrattenfürst mit seiner vollen Gewalt die Ostindische Compagnie gegen Tippo Sahib, den Tiger von Seringapatam, unterstüßt, unterstügt mit Tausenden tapferer Krieger, mit denen die Ostindische Compagnie den wilden Tiger erlegte. Die Ostindische Compagnie, aus hochherzigen, civilisirten, civilisirenden Engländern bestehend, belohnte ihn dafür nach jahrelangen Mißhandlungen und Vertragsverlegungen durch Wegnahme, Confiscation, Anneration" feines ganzen blühenden Landes. Dies war 1817. Sir John Malcolm, der Krieger und biographische Speichellecker, zog die Friedensflagge vor dem empörten, an der Spiße von 8000 tapferen Mahratten stehenden Badschii Rao auf. Dieser ließ sich überreden, unter folgenden Bedingungen in die,,Anneration" seines Landes zu willigen. Badschii Rao soll in einer heiligen Stadt Indiens als Civil- und Rechtsoberhaupt residiren und von der Oftindischen Compagnie jährlich für sich und seine Familie eine Penfion von mindestens 80,000 Pfund erhalten und diese Pension ihm selbst und seiner Familie gefeßlich sanctionirt werden. Badschii Rao nahm nach vielen Verhandlungen diese Bedingungen an. Er zog nach Bithuur und lebte daselbst 30 Jahre als oberster Kriminalund Civilrichter. Die englische Compagnie zahlte ihm die gerichtlich ausgesezte Pension, aber natürlich stets blos das gefeßliche Minimum, obgleich in dem Kontrakte das mindestens" auf das generöseste interpretirt worden war.

Die Pension war ihm und seiner Familie zugesichert worden. Er selbst blieb aber ohne Kinder. Die Hindu-Schafers oder heiligen Schriften legen nun einen schrecklichen Fluch auf Kinderlosigkeit. Kinderlos gestorbene Männer kommen in „Put", einen Ort der Ver

dammniß, dessen Bewohner in Ewigkeit hungern und durften und ungebadet (Bad ist dem Hindu religiös gleich Effen und die unverbrüchliche Vorkost) bleiben müssen, weil kein Kind die nöthigen Opfer dazu bringen kann.

Die heiligen Schriften gestatten, um Kinderlosen diesen Fluch zu sparen, Adoption von Kindern, die dann als wirkliche Kinder gelten und logisch und naturgeseßlich überall als zur Familie" gehörig angesehen werden würden. Der kinderlose Badschii Rao nahm in seinen alten Tagen Nena Sahib als seinen ältesten Sohn, Erben und Repräsentanten" an und starb am 28. Januar 1851. An seine Stelle trat nun rechtlich und natürlich der älteste Sohn, Erbe und Repräsentant."

Als Lord Dalhousie, damals General-Gouverneur, von diesem Tode gehört, ließ er an die schwarze Tafel für amtliche Bekanntmachungen zu Kalkutta seinen Beschluß anschlagen, daß die dem Badschii Rao und seiner Familie recht zuerkannte Pension nicht mehr gezahlt werden werde.

Nena Sahib, die Witwen des Verstorbenen und Angehörigen sahen sich plöglich in Armuth und Entbehrung gestürzt und hatten keine Existenzmittel, als die, welche der Verstorbene zurückgelassen. Nena Sahib schickte eine ausführliche Begründung seiner Ansprüche auf die Familien-Pension an den englischen Gouverneur der nordwestlichen Provinzen. Dieser antwortete, daß die Pension nicht ferner gezahlt werden könne; man wolle ihm aber dafür ein Stück (vorher Anderen wegstibiztes) Land geben. Der englische Kommissionär von Bithur, ein Mann von Rechtlichkeit und Freund Nena Sahib's, schickte ein dringendes Gesuch an den General-Gouverneur und machte die Rechtmäßigkeit, Gefeßlichkeit und englische Nothwendigkeit dieser Ansprüche und deren Anerkennung geltend. Dafür erhielt er vom General-Gouverneur am 24. September 1851 einen derben Verweis, seine Eingabe sei unverantwortlich" u. s. w. Nachdem er in Jn dien selbst überall abgewiesen worden war, wandte sich Nena Sahib an den,,Direktoren-Hof in Leadenhallstreet zu London" unter dem 29. Dezember 1852.

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In den Augen der Ostindischen Compagnie und ihrer Helfershelfer waren die Ansprüche, welche beraubte und dafür kontraktlich, englisch-gefeßlich entschädigte indische Fürsten auf Grund dieser englischen Garantieen erhoben, nie maßgebend. Auch das Parlament wies in den leßten sechs Jahren solche Ansprüche, welche acht indische Fürsten persönlich in London geltend zu machen suchten, ab und brachte fie nicht einmal zur Sprache. Ich habe selbst einige Male indische Fürsten in großen, gelbseidenen, diamantenbeseßten Roben im Parlamente fißen sehen. Dort saßen sie Monate, einige Jahre lang, beäugelt, belächelt, spöttisch, unterthänigst verehrt und von RechtsAnwalten unterstüßt, bis ihre Gelder und Juwelen verkauft, versezt und nicht wieder einlöslich geworden waren. Dann frochen die Freunde und Rechtsmänner in ihre Löcher, und die Fürsten wurden mit Regierungs-Unterstüßung wieder nach Indien geschickt.

Die Advokaten Nena Sahib's trieben sich in den Vorzimmern des Direktorenhofes herum, bis das dazu angewiesene Geld für Kosten verrechnet war. Im Dezember 1853 sandten die Direktoren Rena Sahib's Denkschrift und Petition mit dem Bescheide zurück, daß die Regierung in Indien selbst (Lord Dalhousie mit dem schwarzen Brette in Kalkutta) seine Ansprüche erledigen werde. Dort waren sie schon erledigt, wie die weisen Direktoren und der General-Gouverneur lächelnd dachten. Aber sie irrten sich. Nena Sahib's Ansprüche gingen, von England sanctionirt, garantirt, gebrochen, verhöhnt und vergiftet, als scheußlichste Rache an allem Englischen auf. Die Wuth und Mordlust gegen unschuldige englische Kinder und Weiber in dem einst so gepriesenen, noblen, feinen, luftigen Prinzen ist ein Werk der englischen Civilisation, Politik in Indien, die Frucht des Raubes und Betruges, der Unehrlichkeit, welche die schlechteste Politik ist, wie Ehrlichkeit die beste.

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Nena Sahib war noch ein feiner, nobler Prinz, als er so überall abgewiesen war. Er hatte noch Vertrauen auf englische Rechtlichkeit und schickte einen neuen Bevollmächtigten nach London, den im Westende noch rühmlich bekannten Asimullah, der im Sommer 1855 sein Privathotel in Georgestreet, Hannover Square, zur heitersten Stätte der Gastfreundschaft, feiner Bildung und angenehmer Geselligkeit erhob und hielt, bis alle seine Hoffnungen zusammenbrachen und er fich zur Abreise rüstete. Da lachte er nicht mehr; seine heitere, intelligente Gesprächigkeit wurde zu unheimlichem Murmeln, fein klares Auge zu dämonischen Bligen. Als er von der Wirthin des Hauses Abschied nahm, pfiff er in unheimlicher Heiserkeit die Worte heraus: ,,England foll nun bereuen, was es meinem Fürsten angethan.“ Asimullah war einer der Wüthendsten in Niedermegelung der englischen Soldaten, Weiber und Kinder zu Cawnpore, Nena Sahib der teufelischste Pfeil der Nemesis, welche neuerdings über Indien wüthete und England jest wieder hindert, zuhause zu reformiren.

Nun, sie haben es doch wieder. Und welch ein Heldenthum

dabei! Nichtig. Aber wie haben sie es gewonnen und wieder gewonnen? In der Politik gelten alle Vortheile, sagt man. Auch richtig praktisch — politisch genommen. Aber Macaulay sagt und Macaulay ist ein großer Mann und Lord - daß die Engländer auch in Indien der Unehrlichkeit nie Vortheile verdankt hätten; das greift man auf jeder Seite der Geschichte mit Händen, und Macaulay bes ftätigt es. Es wäre zwar auch ohne Macaulay's Autorität vollkom men richtig, aber wer würde es ohne ihn in diesem Falle glauben? Nun wohl, warum haben die Engländer, nicht ihre Vortheile in Judien wahrgenommen?

Doch laßt die Todten ruhen! Nun reformiren sie es doch, und zwar auf Kosten heimischer Reformen. Nein, fie reformiren es nicht, fie ändern blos die Wahlformen für Satrapen. Sie vermehren die Jäger des Satrapirens für Indien, vermehren die Soldaten, welche das Satrapiren schüßen sollen, und ruiniren so Indien auf neue Rechnung, so daß auch künftig Indien und andere ausländische Befizungen das Parlament abhalten werden, England zu reformiren. Noch mehr Füllung der Augiasställe zuhause und außerhalb. Das ist eine zwar imposante, aber sehr unreinliche und faulige Politik. Wohl dem, der zuerst vor seiner Thür kehrt und dann Anderen in Reinlichkeits-Bestrebungen hilft. Wer aber zuhause Schmuß häuft und dann, von Gestank vertrieben, das Ausland unter allen Breitengraden verunreinigen hilft, paßt eigentlich nicht so recht zum Muster und Modelle für Freiheits- und Reinigungs-Bestrebungen anderer Völker.

Friedrich von Gagern. (Schluß.)

Die nächste Zeit nach dem Frieden verbrachte Friedr. v. Gagern in Deutschland. Sein Vater war von dem König der Niederlande zum Gesandten bei dem deutschen Bundestage ernannt worden, die Luremburger Stimme zu führen. Nach Frankfurt begleitete ihn der Sohn, der das Sommerhalbjahr 1816 in Heidelberg zubrachte, um sich gründlicher von dem Geiste deutscher Wissenschaft durchdringen zu lassen. Am 5. November 1816 wohnte er der Eröffnung des Bundestages bei. Sein Gedenkbuch enthält bei der Erwähnung dieser Eröffnung und der dabei gehaltenen Reden nur den lakonischen Zusaß:,,Meine Abneigung!" Nach den Niederlanden zurückgekehrt, war er in den Jahren 1817-1823 meist im Luxemburgischen mit geodätischen Arbeiten zum Zwecke der Kartenprojectionen beschäftigt, dabei seine militärische und wissenschaftliche Ausbildung nicht vernach lässigend und sich den politischen Intereffen nicht entfremdend. Die Wirksamkeit des Vaters in der deutschen Bundesversammlung hörte im April 1818 auf. Sein nationales, auf Einheit oder festeren und wirksameren Bund gerichtetes Bestreben war wohl allen Theilen unbequem gewesen; seine wiederholte Klage aber wegen Nichtvollziehung des Art. 13 der Bundesakte und sein Drängen auf diese Erfüllung in einer Ausdehnung, wie sie der Geist der Geschichte ausspricht, wie sie die anderen Nationen um uns her bereits praktisch befolgen und keinesweges mehr in Zweifel ziehen, das war der Stein des Anstoßes, Aergernisses und Falles, der von den deutschen Regierungen gefordert wurde, deren Wünschen die niederländische bereitwillig entgegenkam." Der Vater trat in heffen-darmstädtische Dienste, wo er in den Kammern seine Wirksamkeit entwickelte.

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Ende Februar 1824 ward Friedrich von Gagern auf ein Jahr der Bundes-Militairkommission in Frankfurt zugetheilt. Von Frankfurt aus machte er häufig Besuche in Hornau, dem väterlichen Gute, Die nächund verlebte glückliche Tage im heiteren Familienkreise. sten Jahre nehmen Dienstgeschäfte und wissenschaftliche Studien in Anspruch. Beim Ausbruch der belgischen Revolution, 1830, nahm er thätigen Antheil an den Ereignissen. Hierüber handeln zwei Schriften, das Bruchstück einer Denkschrift:,,Von den Ursachen, dem Verlauf und den Folgen der belgischen Revolution", geschrieben 1834, und Erinnerungen aus der belgischen Revolution", geschrieben 1836. Der Verfasser hat sie zu Anfange des zweiten Bandes mitgetheilt.

Die nächsten Jahre nach der Revolution bis zum Friedensschlusse. zwischen Belgien und Holland verbrachte er meist in Sommerlagern und Winterquartieren in Nord-Brabant, immer im regen Verkehr mit den Seinen und mit eifriger Theilnahme an dem politischen und literarischen Leben in Deutschland... Im Jahre 1839 trat er nach fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit aus dem Generalstabe in die Linie zurück als Oberst-Lieutenant und Regiments - Chef des Dragoner - Regiments Nr. 5. Nach kurzem Regiments-Kommando ward er vom Prinzen von Oranien designirt, den Prinzen Alexander nach Petersburg zu begleiten. Das an interessanten Bemerkungen reiche Journal dieser Reise wird im dritten Bande S. 337 mitgetheilt. Im Jahre 1844 ward ihm vom Könige eine wichtige Mission nach Holländisch-Oftindien anvertraut, und nachdem er zum Generalmajor befördert wor den war, schiffte er sich den 25. Juni 1844 zu Helvoetsluis ein. Ein

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Tagebuch giebt kurze, aber treffende Bemerkungen über die Reise diese neuen Ehren sagen wollte: er war, unentnervt vom tropischen nach Java über Falmouth, Madeira und Rio Janeiro, über den Klima, an Wissen und Erfahrungen bereichert, geistig verjüngt durch Aufenthalt in Indien, über den Besuch von Britisch-Ostindien und die mannigfaltigsten Eindrücke, welche Natur und Menschen unter die Rückkehr über Aegypten. Sein Interesse für Deutschland ist auch den verschiedenen Zonen und die Anschauung großartigster Verhältdort, wo ihn wichtige Dienstgeschäfte in Anspruch nehmen und soviel nisse auf ihn geübt hatten, mit seiner ganzen Thatkraft und ThatenNeues seine Aufmerksamkeit fesselt, nicht erloschen. Der Vater hatte lust, aber auch mit seiner ganzen Vaterlandsliebe der Alte geihm die Einberufung des vereinigten Landtags in Preußen gemeldet. blieben." blieben." Die Februar-Revolution brach in Frankreich aus. Die Er schreibt aus Cheribon-Samarang: Am 5. Juni brachte mir Ereignisse in Frankreich", schreibt Heinrich an Fris, am 29. Februar die Post eine unerhörte Masse von Briefen und Paketen, darunter zwei 1848,,,werden diesmal in die deutschen Zustände umgestaltend einBriefe des Vaters, voll von interessanten Nachrichten. Mit gespannter wirken und hoffentlich der Lösung uns näher bringen. Im südlichen Erwartung sehe ich auf das, was in Preußen vorgeht; es kann nicht Deutschland herrscht große Aufregung; ich zweifle nicht daran, auch ohne Wirkung auf die Nachbarstaaten bleiben, und wer kann die Fol- in Berlin." in Berlin." "Ich hoffe", schreibt Friß an Heinrich am 6. März, gen voraussehen? Doch Eine Folge sehe ich voraus: Ich behaupte,,,die patriotische Bewegung wird Eindruck in den höheren Regionen daß die politische Bewegung in Preußen die religiösen Zänkereien in Deutschland ganz in den Hintergrund drängen wird. Die Menschen müssen sich für Etwas interessiren und lebhaft interessiren, damit das Da ihnen die politischen Schranken in Blut in Wallung kommt. Da ihnen die politischen Schranken in Deutschland verschlossen waren, haben sie die alten Theses der Reformationszeit hervorgesucht, um sich darüber zu zanken. Aber diese Disputationen werden sich bald auf einen kleinen Kreis von Zuhörern beschränken."

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Im Januar 1847 schreibt er aus Batavia: Auch die deutschen sogenannten religiösen Wirren, von denen ich jezt neuer dings lese, interesfiren mich wenig, und ich kann ihnen die Bedeutung nicht zuerkennen. Ich sehe darin nur eine politische Bewegung im Sonntagsrocke. Aus Ronge's deutsch-katholischer Kirche kann nichts werden, was Bestand hat. Der Christ, der sich der Autorität der Kirche unterwirft, ist Katholik, - wer seiner eigenen Ueberzeugung folgt, Protestant; non datur tertium. Eine fanatische oder enthusiastische Aufregung begreife ich, wenn die Gemüther durch Intoleranz erbittert werden, wenn man Zwang anthun oder unterdrücken will, oder wenn neue Ideen praktisch ins Leben treten wollen. Keines von Beidem ist in Deutschland der Fall. Die Ultrakatholischen wollen mittelalterliche Prätensionen wieder geltend machen; die Ultraproteftanten wollen die Volksreligion in ein abstraktes Philosophem auflösen; Beides ist unpraktisch und nicht durchzuführen; aber wenn man die Leute ruhig gehen läßt, so muß ja das ruhig ablaufen. Doch ich räsonire zu abstrakt. Hätte ich zur Zeit der Reformation gelebt, ich würde wahrscheinlich Katholik geblieben sein aus religiösem Konservatismus."

Merkwürdig ist, was er über die Stimmung der Hindu und Muhammedaner in Britisch-Ostindien aus Kalkutta schreibt: „Den 17ten, Sonntags, bin ich Morgens mit Graf Görz nochmals in das Museum der Asiatic Society gegangen, um die Collection of Drawings von Colonel Mackenzie zu besichtigen. Ein Hindu, der als Unterbibliothekar angestellt ist, zeigte uns Alles. Ich habe eine Conversation mit ihm angeknüpft, woraus Folgendes hervorging: Die Brahmanen sind dem gar nicht entgegen, daß englische Sprache und englische Wissenschaft verbreitet werde; so haben sie sich dem Medical College und den Sectionen nicht widerseßt; aber sie sind aufgebracht über die Bekehrungsversuche (conversions), die freilich bei den Hindu's eher Eingang finden, als bei den aufgeklärten Muhammedanern. Ich sprach mit diesem Manne über seine Religion und ließ mir einzelne Partieen seiner Mythologie erklären. Die Hindu's nehmen eben die Avatars und die anderen Absurditäten als ihre Glaubensartikel an, über die man nicht grübeln müsse. Sie betrachten ihre Religion als die ihnen vom Schicksal bestimmte Form des Gottesdienstes, als ihr Eigenthum, ihre Sitte, ihre Geschichte und Nationalität, die sie Anderen aufzudringen weder Beruf noch Verpflichtung fühlen, aber sich auch nicht nehmen lassen wollen. Anders verhält es sich mit den Muhammeda nern, die Haß gegen Christen nähren. Während des leßten Krieges mit den Sikhs war die Furcht und die Spannung zwischen den verschiedenen Nationalitäten und Religionsbekennern sehr groß und erstreckte sich bis nach Kalkutta. Auch von anderer Seite habe ich gehört, daß Hindu und Muhammedaner damals schon die Köpfe erhoben und es nicht an bedrohlichen Aeußerungen fehlen ließen, z. B. den Europäern auf der Straße und in den Kaufläden schon weniger ehrerbietig begegneten. Früher hatte mir Herr Clerk gesagt: Große Gefahren und auswärtige Kriege haben wir für Indien nicht zu fürchten; die einzige Gefahr, welche die ftete Aufmerksamkeit des Gouvernements erheischt, kommt von den Muhammedanern, bei welchen viel mehr Fanatismus herrscht und besonders größerer Zusammenhang besteht, als bei den Hindu's. Er hat die Ueberzeugung, daß unter den Muhammedanern über den ganzen Orient eine schleichende Conspiration gegen die Christen oder Europäer bestehe, und daß sie ihr Heil von der in Europa überhand nehmenden Demagogie erwarten, wodurch die europäischen Regierungen geschwächt werden würden."

Nach der Rückkehr in den Haag ward Friedrich von Gagern am 12. Juli 1847 zum Kommandanten der Reserve-Brigade und fungirenden Gouverneur der Residenz ernannt. Was aber mehr als

machen, so daß die Gemäßigten die Oberhand behalten; daß das große Ziel erreicht wird ohne bedeutende Störung des inneren Friedens von Deutschland, und daß man Kraft behält, das kommunistische Treiben zu bemeistern." Immer höher gingen die Wogen der Revolution. Unter dem 14. März schreibt Frig an Heinrich: „Ich schäme mich, daß ich vom sicheren Ufer blos zusehe, wie die Schiffe mit den stürmischen Wellen kämpfen. Lange halte ich das nicht aus, besonders wenn es hier ruhig bleibt und der Kampf in Deutschland noch ernster und hartnäckiger werden sollte." - Am 25. März theilt ihm der Vater mit: „Es ist der Wunsch vieler Badener, dich an der Spiße des badischen Armeecorps zu wiffen." Am 1. April schreibt Frig an Heinrich: „So ungern man mir jegt Urlaub giebt, so wird man mir einen kurzen von 8-14 Tagen nicht verweigern, wenn ich darauf bestehe, und ich werde darauf bestehen, sobald Ihr mir schreibt: komme!" - Schon am 2. April forderte und erhielt er den Urlaub, ohne jenen Ruf abzuwarten; er hatte es nicht länger aushalten fönnen."

Am 14. April 1848 ward ihm vom Großherzog von Baden das Kommando der mobilen Truppen übertragen. Die traurige Katastrophe bei Kandern, am 20. April, bleibt unter den vielen Gräuelthaten des Jahres 1848 die verruchteste, womit sich die Anarchisten befleckt haben. Heinrich von Gagern zerstört das Lügengewebe, das die Aufständischen zur Beschönigung ihres Frevels um die Ereignisse gezogen haben, und konstatirt die Thatsache: Die Aufständischen haben den General von Gagern vorgerufen, unter dem Vorwande, zu unterhandeln, aber in der Absicht, wenn der Plan zur Verführung der Truppen scheitern sollte, ihn um so sicherer zu erschießen. Friedrich von Gagern fiel also nicht als Opfer eines unglücklichen, aber zufälligen Kriegsereignisses, sondern eines als Kriegsmittel völkerrechtlich unerlaubten, feigen Mordes! Der Großherzog von Baden schrieb an den trostlosen Vater:,,Nicht blos Ich und Mein Land werden sein Andenken dankbar bewahren, die große Geschichte unserer Zeit wird den Namen Gagern nennen, so lange die Menschen in rebellischer Anarchie den größten Feind der Civilisation und der wahren Freiheit erkennen werden.“ — Für ihn wird hoffentlich auch heute noch Deutschland eine Thräne der schmerzlichen Erinnerung haben.

Finnland.

Ueber Philologie und Linguistik.

Von M. A. Cast rén.*)

M.

Mit der praktischen Sprachkunde hängt die Philologie in der gewöhnlichen Bedeutung dieses Wortes am engsten zusammen. Diese ist allerdings eine Wissenschaft, allein sie hat als Hülfswissenschaft der Geschichte ihren vornehmsten Werth. Für den Philologen ist die Sprache hauptsächlich Mittel zu Erforschung des geistigen Lebens irgend eines Volkes. Von höherem Standpunkte betrachtet, erscheint seine Wissenschaft als eine der dürftigsten und inhaltlosesten, denn sie besteht einem sehr wesentlichen Theile nach aus der bis ins Kleinliche gehenden Kritik griechischer und römischer Schriftsteller. Diese Kritik ist ohne Zweifel sehr nothwendig gewesen, um die schriftlichen Denkmäler des klassischen Alterthums von Zusäßen und Fälschungen späterer Zeiten zu säubern, und in diesem Betrachte hat sie große Bedeutung; allein sie kann nicht als selbständiges Ziel der Wissenschaft aufgestellt werden. Mit Recht erklärt man das Studium des klassischen Alterthums für eine Obliegenheit jedes wissenschaftlich Gebildeten; aber die Sprachforschung ist dabei eigentlich nur Nebensache, ein bloßes Mittel zur Erfassung des wahren Sinnes und Geistes.

In ihrer höchsten wissenschaftlichen Bedeutung führt die Sprachkunde den Namen Linguistik; °°) das Ziel der leßteren ist die Sprache als solche. Während die Philologie ihre Nahrung nur in Sprachen findet, die eine Literatur besigen, so kann dagegen jede

*) Aus dem kürzlich im Druck erschienenen vierten Bande seiner „,Nordiska Resor och Forskningar".

jezt, verstand und versteht man unter Linguistik bloße Beschäftigung mit Sprachen **) Aber noch nicht lange; denn vormals, und in einigen Ländern noch im Allgemeinen, entweder als Liebhaberei oder zu Dolmetscher-Zwecken.

Sprache Gegenstand der Linguistik werden, und mehrentheils find gerade solche Sprachen, die aller Literatur entbehren, in linguistischer Hinficht die interessantesten, da diese ihren ursprünglichen Charakter am reinsten bewahrt haben. Der Linguist ist also nicht nothwendig auf Literaturstudien angewiesen, denn sein ganzes Streben richtet sich auf Erforschung des Wesens der Sprache selber. Während aber der Phi lolog in dem Gebiet einer Einzelsprache seine Welt finden kann, muß der Linguist größtmögliche Universalität anstreben.

Die Linguistik oder vergleichende Philologie ist, wie bekannt, eine neue Wissenschaft; nichtsdestoweniger haben ihre Pfleger schon in zwei Lager sich getheilt. Es giebt eine vergleichende Philologie, welche die historische, und eine andere, welche die philosophische oder spekulative heißt. Der historische Linguist hält sich an ein Gebiet, wo er nur mit stofflich verwandten Sprachen zu thun hat, mit solchen, die einen gemeinsamen Stamm haben und von Seiten des Lautes unter einander verwandt sind. Seine Bemühungen sind dahin gerichtet, in das ursprüngliche Wesen dieser Sprachen einzubringen und zu zeigen, wie sie nach bestimmten Gesezen sich entwickelt und im Zeitenlaufe verschiedene Gestalt angenommen, und es ist eben diese Verfolgung des Entwickelungsganges der Sprachen, was die erwähnte Art von Linguistik als historische bezeichnet. Aber eine ihrer vornehmsten Eigenschaften besteht darin, daß sie, wie gesagt, ihre Ergebnisse auf die lautliche Verwandtschaft der einem glei chen Stamme angehörenden Sprachen gründet.

Die sogenannte philofophische Linguistik ist zwar ebenfalls vergleichender Natur, allein sie kümmert sich nicht um lautliche Verwandtschaft, sondern faßt eigentlich nur den Begriff ins Auge und sucht die Uebereinstimmung oder Nicht-Uebereinstimmung im Ausdrucke deffelben bei den verschiedenen Völkern darzulegen. Sie beschränkt sich auch nicht auf eine gewisse Anzahl mehr oder minder verschwister ter Sprachen, sondern umfaßt alle menschlichen Idiome als ein ab. geschlossenes System. Dabei kann es nun allerdings sich ergeben, daß zwei lautlich verwandte Sprachen zu verschiedenen Klassen gehören; dem philosophischen Forscher ist dies aber kein Hemmniß auf seiner Bahn, da er eben mit dem Begriffe, nicht mit dem Laute zu thun hat. Uebrigens schwebt diese Art von Linguistik noch dermaßen im Blauen, daß man ihren Ergebnissen keinesweges großes Vertrauen schenken kann. Der so verschiedenartige Organismus ungezählter Sprachen unserer Erde ist noch allzu wenig untersucht, um einer Sprachphilosophie als Grundlage dienen zu können, und wirklich sind auch alle philosophischen Sprachlehren, die wir bis heute besigen, weniger auf Einsicht in die Natur der Sprachen selber, als auf philosophi sche Systeme gegründet, die in der betreffenden Epoche in der Mode waren. Allem Anscheine nach hat das neueste System seine Rolle schon ausgespielt und andere find im Anzuge, die keine Bürgschaft längerer Dauer in sich tragen, wie groß auch die Anmaßung sei, mit der sie auftreten mögen. Wohin wir unsere Blicke wenden, sehen wir jest die Vertreter der gefunden Erfahrungs-Wissenschaft damit beschäftigt, Thatsachen, und immer nur Thatsachen zu sammeln. Man fragt wenig nach Combinationen, man ist nicht mehr so schnell mit Resultaten bei der Hand, nicht mehr,,fertig" vor der Vollendung es sind nur That fachen, die jest gelten. So gut wie jemals, sehen die historischen Forscher auch heute ein, daß eine Anhäufung vereinzelter geistiger Baustoffe eine Wissenschaft im höheren Sinne keinesweges ausmacht, allein das Maß des neu Ermittelten scheint noch lange nicht voll genug, um neue Systeme zu bauen. Ueberhaupt nehmen die Wissenschaften in unserer Zeit eine vorzugsweise stoffliche Richtung, und so verhält es fich auch mit der Linguistik: die ihre Ergebniffe auf Laute, Stamm wörter, grammatische Formen und andere ftoffliche Elemente gründende historische Forschung dieses Namens geht mit raschen, aber im Ganzen sicheren und behutsamen Schritten vorwärts.

Mannigfaltiges.

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,,Alexander von Humboldt in seiner Bibliothet". Nachträglich zu Nr. 34 des,,Magazín", wo wir dieses treffliche Bild, einen Deldruck in Farben, angezeigt, haben wir noch zu bemerken, daß nicht die Cottasche Verlagshandlung, sondern die Herren Storch und Kramer in Berlin den Vertrieb des gedachten Kunstwerkes durch den deutschen Buch- und Kunsthandel übernommen haben. Das seit dem in immer weiteren Kreisen bekannt gewordene Bild hat sich, sowohl der Idee als der Ausführung wegen, der lebhaftesten Anerkennung des Publikums zu erfreuen und gereicht dem Künstler, Herrn Profeffor Eduard Hildebrandt, wie der Anstalt, aus deren Preffen das kunstreiche Blatt hervorgegangen, zu größer Ehre. Wir wiederholen, daß es für die gebildete Welt kaum einen finnigeren und geschmackvolleren Wohnungsschmuck geben kann, als dieses Bild, das übrigens, bei seinen bedeutenden Herstellungskosten, - da zu jeder der zahlreichen, auf

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dem Blatte wiedergegebenen Farben eine besondere Platte erforderlich war, auch für einen verhältnißmäßig sehr billigen Preis (2 Fr.d'or) geliefert wird.

Freigebung des Verlags der Irländischen Schulbücher". Die englische Regierung hat in neuerer Zeit kundgemacht, daß fie fortan den Druck und Verkauf der unter der Benennung: ,,Irländische Schulbücher", bekannten zahlreichen Druckwerke, Landkarten, Musterschriften und Zeichnungen 2c. der freien Konkurrenz überlasse und nicht mehr auf eigene Rechnung durch die Irish Board herausgeben werde. Der englische Buchhandel hatte nämlich dieses Verfahren als einen Eingriff in die gewerbliche Thätigkeit des Abgaben zahlenden Volkes bezeichnet, und obwohl Niemand im Stande sein wird, jene Schulbedürfnisse wohlfeiler zu liefern, als es die Agenten der Regierung gethan, will man doch keine Wohlthaten mehr, die an diejenigen des sogenannten heiligen Crispin erinnern. Bereits haben übrigens zwei Buchhandlungen, Collins in Glasgow und Groombridge & Sons in London, ihre Absicht angekündigt, ähnliche wohlfeile Ausgaben der „Irländischen Schulbücher“, wie die bisherigen der Regierung, zu veranstalten.

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Griechischer Liederschaß von Friedrich Dörr. Unter diesem Titel ist bei Voigt und Günther in Leipzig eine höchft geschmackvoll gedruckte, dem Herzog von Sachsen-Koburg gewidmete Blumenlese aus Dichtern des alten Griechenlands, lyrischen und epis grammatischen, erschienen. Sie empfiehlt sich durch ihren reichen Inhalt und im Allgemeinen durch glückliche Auswahl des Dargebotenen. Die Uebersehungen find im Ganzen leicht und frei, und man mag sie, was ihr Verhältniß zu den Originalen anlangt und was deren Verständniß betrifft, als gelungen bezeichnen. In rhythmischer Hinsicht sind sie nicht frei von Härten und Mängeln, die gerade hier um so störender sind, je mehr sie die einfache Würde und den Wel der hellenischen Dichtkunst verlegen. Sie haben in diesem Betracht nicht felten einen gar zu modernen Anstrich, wozu auch der zum Theil gewählte Reim beiträgt. wählte Reim beiträgt. Wenn es auch wahr ist, was hier S. 183 in Hinblick auf eine vom Dichter selbst verfaßte Schrift: „Der Reim bei den Griechen“ (Leipzig, 1857), gesagt wird, daß „die Griechen den Reim sehr oft und zwar nicht selten auch mit Absicht angewendet haben", ist dies doch nicht in der Blüthezeit der hellenischen Poefe geschehen, und wie der Reim nur als eine charakteristische Erfindung der romantischen Dichtkunst der modernen Völker angesehen werden kann, so widerstrebt er auch dem innersten Wesen der hellenischer Poesie. Auch in Betreff der Sprache der vorliegenden Weberfegungen will es uns bedünken, als habe Dörr bisweilen gegen die Würde der griechischen Poesie verstoßen, und Redensarten, wie die: das schiert mich den Kukuk (S. 32), möchten wir selbst bei Anakreon nicht billigen. Die Schreibart des Verfaffers hat etwas gar Auffallendes, in der Eigennamen, wie in anderen Wörtern, und wohl darf man fragen, wohin wir mit: Föbos, Sapfo 2c. sowie mit: Mut, Not, Tot ze. am Ende noch kommen sollen. Die Inkonsequenz ist bei dieser Methode noch der geringste Fehler.

- Ein chinesischer Thaumaturg. Gegen den Ausgang des elften Jahrhunderts unserer Zeitrechnung lebte im oceanischen Küsterlande Oft-China's ein gewiffer Li vom Orden der Tao fze. Diefer Mann heilte so wird berichtet eine Menge Krankheiten, intem er die Patienten eine Art Wunder-Pillen einnehmen ließ. Nach dem Verschlucken solcher Pillen soll augenblickliche Genesung erfolgt sein. Da ließ eines Tages ein sehr vornehmer, aber geiziger Herr sich es beikommen, den Li zu Gaste zu bitten. Während des Effens sprach der gütige Wirth sein Bedauern aus, gerade am heutigen Tage nicht mit Wein aufwarten zu können. Li entgegnete harmlos lächelnd: „Aber zu Haupten Eueres Bettes steht ja ein Krug Perlen-Born!") Der vornehme Herr erschrack über die Sehergabe des Gastes, die feinen Geiz so empfindlich bloßstellte, und befahl einem Diener, den vors behaltenen Krug zu holen; der Tao fze aber sagte:,,Laffet nur der vollen an seinem Orte und befehlet, daß man einen leeren bringe!" Als dieser gebracht war, deckte der Wundermann ein Blatt Papier auf die Mündung, entfernte es gleich wieder, und siehe da - S Gefäß war mit aromatisch duftendem Weine gefüllt! Die Gäfte later sich an dem herbeigezauberten edlen Naß, und Alle wurden betalen. Am folgenden Tage hatte der vielvermögende Herr andere Tischgäfte. Dieses Mal faßte er den heroischen Entschluß, jenen aufgesparten Krug holen zu laffen, aber siehe da der Perlen-Born, den er ent halten, war bis auf den legten Tropfen fort!

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*) Mit diesem Namen (tsch'ü ts'iuan) belegt man ein Getränk, das, che gleich aus Reis gewonnen, den edelsten spanischen und füditalischen Weinen täuschend ähnlich schmeckt.

Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 51.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Reumann, Nieber wallfir. Nr. 21), sowie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Brasilien und Deutschland.

Berlin, Donnerstag den 29. April.

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In Nr. 43 Ihres Blattes geben Sie eine Analyse von der Broschüre:,,Brasilien und Deutschland", von Dr. E. Ferreira França, welche Schrift, wie Sie wissen, eine Entgegnung auf einen „Offenen Brief an die Redactionen der deutschen Tagespreffe" sein soll, durch den ich aufs neue die Aufmerksamkeit der Presse auf die brasilianische Menschenjagd, welche gegenwärtig im größten Maßstabe in Deutschland betrieben wird, zu lenken gesucht. Gewaltige Geldmittel (6 Millionen Milreis), welche hierfür dem brasilianischen Gouverne ment zur Verfügung gestellt sind, große Kapitalien, welche brasiliani. sche Handlungshäuser und Actien-Gesellschaften in dem Handel mit europäischen Arbeiterfamilien anlegen, die Zinsengarantie von 7 pCt., welche die gedachte Regierung diesen Gesellschaften gewährt, außer den ansehnlichen Prämien, die sie für jeden von denselben eingeführten Proletarierkopf zahlt, find die Hebel, das Geschäft in Blüthe zu bringen. Die brasilianischen Diplomaten und Konsuln in Deutschland find angewiesen, die größte Thätigkeit zu entwickeln, diesen Menschen handel zu fördern. Schriften, welche bestimmt sind, unter das Volk verbreitet zu werden, malen, gegen gute Bezahlung, Brafilien in rofigem Lichte; verkäufliche Federn, besonders deutsche, sind ein sehr gefuchter Artikel, kurz, jedes ersinnliche Mittel, um,,Propaganda" für die Auswanderung nach Brasilien zu machen, d. h. Leibeigne, Sklaven, für Brasilien zu gewinnen, wird ergriffen und kräftigst angewendet. Denn natürliche Sterblichkeit, gelbes Fieber, Cholera und durch unersättliche Habsucht „gesteigerte grausame Behandlung“ haben, wie selbst die Lobpreiser Brasiliens eingestehen, in den leßten Jahren furchtbar unter der Sklavenbevölkerung aufgeräumt." Das fruchtbare Brasilien steht am Rande einer allgemeinen Hungersnoth und, wie Leute behaupten, die im brasilianischen Solde stehen, zugleich am Abgrunde,, von Schauderscenen à la San Domingo",") denn die Habsucht nügt die Sklaven, deren man so unsicher ist, schnell und kräftig aus, um noch Geld zusammenzuraffen, bevor die brasilianische Herrlichkeit zusammenbricht. Deshalb werden auch nur Exportartikel, namentlich Kaffee, mit Ueberanstrengung produzirt und, wie neueste brasilianische Zeitungen klagen, selbst auf den Plantagen der Anbau der ersten Lebensmittel vernachlässigt, dergestalt, daß die Plantagen besißer den Bedarf hierin für ihre Sklaven lieber in den Städten theuer ankaufen.

Brasilien hat zwar ein so zahlreiches Proletariat unter seinen freien Staatsbürgern, wie verhältnißmäßig vielleicht kein anderes Land, aber diese Proletarier sterben eher, als daß sie sich den Pflanzern zu Leibeignen gäben, denn, wie Hörmeyer von dem Leben der freien Brasilianer rühmend bemerkt:,,Arbeiten ist das Symbol des Sklaven", „Unthätigkeit und Wohlleben das Merkmal des Freien“, „kurz, Arbeit schändet" dort. Deshalb fehlt es so sehr an Arbeitern, d. h. im brasilianischen Idiom an Sklaven. Ob der deutsche Arbeiter in Brasilien sich für einen Lohn, der in der Regel niedriger gehalten wird, als der eines faulen, gemietheten Negersklaven, sich durch seine Arbeiten „schändet", das bekümmert die bezahlten Lobhudler Brasiliens nicht. Ja, sie erfrechen sich, diejenigen Länder dem Auswanderer in dem allernachtheiligsten Lichte zu malen, wo die Arbeit des Freien mit Ehre gekrönt wird (siehe Hörmeyer, Abschnitt X). Afrika haben die Engländer seit 1852 für Brasilien geschlossen; der zwanzig Jahre hindurch geführte koloffale Schmuggelhandel mit Negern

*) Siehe Hörmeyer:,,Südbrafilien", Hamburg, 1858, welche Schrift in zahlreichen Eremplaren von brasilianischen Diplomaten ze. vertheilt wird. Der Verfasser ist brasilianischer Capitain und soll der Legation in Wien zugetheilt fein. Ju Desterreich, namentlich in Tyrol, entwickeln, wie man mir fagt, die brasilianischen Menschenjäger große Thätigkeit. Daß Reybaud, welcher Brasilien nie gesehen hat, 20 Contos für seine Broschüre:,,Le Brésil", empfangen, behauptet die brasilianische Preffe mit aller Bestimmtheit. Kerst.

1858.

(50,000-60,000 Köpfe pro Jahr) hat aufhören müssen, und von diesem Zeitpunkte datirt sich das Bestreben, in Deutschland und in der Schweiz 2c. Erfaß für die abgehenden Sklaven zu suchen. Welche Anstrengungen hierfür in diesem Augenblicke gemacht werden, habe ich soeben erwähnt.

Das Urtheil des Marquez von Abrantes (siehe meinen „Offenen Brief" S. 7) über den gewiffenlosen Colonisationsschwindel Brasiliens ist heute noch ebenso genau zutreffend, als im Jahre 1853; denn nichts, absolut nichts Nennenswerthes hat sich seitdem in den „materiellen und moralischen Umständen“, die einer freien Einwanderung entgegenstehen, geändert. Das famose Dienstbotengeseß von 1837, deffen Artikel 7 und 8 man wohlweislich den deutschen Arbeitern verheimlicht, welches auf die sogenannten,,Kolonisten“ im Dienste von Privaten und der Regierung angewendet wird, macht dieselben zu Sklaven in der eigentlichsten Bedeutung des Wortes, wozu die sogenannten Kontrakte, die man mit dem unwiffenden deutschen Arbeiter hier in Deutschland abschließt, die erste Einleitung sind. Die Verfassung, die Geseze, die Verkäuflichkeit und Parteilichkeit des Rechtes, die Corruption der Verwaltung, kurz alle die Thatsachen, durch welche ich die brasilianischen Zustände 1853 (siehe Kerst: Ueber brasilianische Zustände der Gegenwart", Berlín, 1853, Veit & Comp., besonders auch den Anhang), soweit sie für den deutschen Auswanderer von Interesse sind, charakterisirt habe, bestehen noch heute ungeschwächt und ungeändert fort. Ich bitte Sie, geehrter Herr, gefälligst davon Akt zu nehmen, daß keine einzige von den von mir beigebrachten Thatsachen je widerlegt worden ist, daß aber seitdem eine fast unübersehbare Reihe neuer, gewichtiger Thatsachen von der deutschen, zumal der schweizerischen Preffe, beigebracht worden ist, welche meine 1853 gemachten Voraussagungen über das Loos der deutschen Arbeiter in Brasilien im vollsten Maße bestätigt, ja die schlimmsten meiner Erwartungen bei weitem übertrifft.

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Mit diesen Thatsachen hat es mein Offener Brief" zu thun; auf alle diese Thatsachen, welche zum Theil auf das genaueste durch sorgfältige Untersuchungen von wohlwollenden, milde urtheilenden Männern, wie Dr. Heußer (auch in Berlin wohl gekannt), der schweizerische Generalkonsul David u. A., festgestellt sind, habe ich die Aufmerksamkeit Deutschlands zu lenken gesucht. Daß die Gegenschrift des Herrn Dr. Ferreira França — den ich persönlich hochschäge und von dem ich die Hoffnung hegte, er würde, sobald er sein nächstes Ziel, Abgeordneter in der brasilianischen Kammer zu werden, erreicht hätte, im Sinne eines Abrantes in Brasilien wirken - den Schwerpunkt meines,,Offenen Briefes" nicht entfernt berührt, das lehrt der flüchtigste Blick in diese beiden Schriftstücke. Er greift einen einzigen Passus (von 34 Zeilen) aus meinem Brief auf, der allerdings an und für sich bedeutsam, aber im Hinblick auf die ganze Frage, die ich anrege, doch nur von sekundärer Bedeutung ist, und schreibt darüber eine gelehrte Broschüre, die Zeugniß von seiner Belesenheit giebt und ihn sicher daheim, besonders bei den brasilianischen Wählern, empfehlen wird. Aufrichtig freue ich mich darüber, ihm diesen kleinen Dienst, wenn auch nicht gesucht, mit meinem offenen Briefe geleistet zu haben. Auch dafür bin ich dankbar, daß er sich gehütet hat, ein Lobredner des foeben in Scene gefeßten Proletarierhandels der brasilianischen Actien-Gesellschaften zu werden. Die Thatsachen, auf welche ich hinweise, find auch allerdings nicht durch sophistische Deductionen zu beseitigen; ihm aber auf das Gebiet brasilianischer Juristenweisheit zu folgen und einen sterilen Kampf mit ihm zu fechten, dazu habe ich keine Neigung und keine Muße. Doch einige praftische Bemerkungen als Entgegnung mögen hier Plaß finden.

Die Artikel der Constitution, die ich im offenen Briefe angezogen, find so klar und zugleich so bestimmt, daß meines Erachtens der bescheidenste Scharfsinn genügt, fie richtig, und zwar, wie ich es gethan, zu interpretiren. Zum Ueberfluß aber stehen mir eine Reihe von Thatsachen zur Seite, welche die Richtigkeit meiner Interpretation außer Zweifel stellen. Doch will ich damit nicht ausschließen, daß einige feine Köpfe nach Umständen, wenn es gerade konvenirt, im

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