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,,Die Protestanten haben gegen seine Sechs-Artikel-Bill geeifert, die Römlinge gegen den Supremats-Akt. Die Philosophen wenden ein, daß die Vorurtheile des Volks unnöthigerweise verlegt wurden, daß die Meinungen frei sein müßten, und daß man die religiöse Reform den Wirkungen der Vernunft hätte überlassen sollen. Die SechsArtikel-Bill war in der That grausam, allein die herrschenden Klaffen, sogar unter dem Laienstande, erklärten sich einstimmig zu Gunsten derfelben. Der König wurde nicht durch ein plößliches Wunder bekehrt; feine Augen, wie die Augen Anderer, öffneten sich nur langsam; hätte er sich aber die modernen Grundsäge der Toleranz in ihrer vollsten Ausdehnung angeeignet, so wäre es ihm unmöglich gewesen, eine Nation, die selbst intolerant war, damit zu regieren. Vielleicht gab es unter allen lebenden Engländern, die Heinrich's Glauben theilten, keinen einzigen, der so wenig danach trachtete, ihn Anderen mit Gewalt aufzuzwingen. Seine persönlichen Bestrebungen waren immer dahin gerichtet, die Wirkung des Gesezes zu mildern, während er den Buchstaben desselben aufrecht hielt, und England war in seiner schlimmsten Zeit ein Hafen der Zuflucht für die Protestanten im Vergleich mit den Niederlanden, Frankreich, Spanien und selbst mit Schottland.

,,Daß die Römlinge in ihm einen Tyrannen fahen, ist natürlich, und wenn es wahr wäre, daß englische Unterthanen dem Papst Treue schuldig sind, so würden sie Recht haben. Allein wie wünschenswerth es auch sein mag, religiöse Meinungen ungefesselt zu laffen, ist es doch sicher, daß, wenn England frei sein wollte, es keine Meinungsverschiedenheit im Punkte der Unterthanenpflicht dulden konnte, so lange Europa verschworen war, es zur Sklaverei zurückzuführen. So lange die Römlinge sich weigerten, ohne reservatio mentalis zu bekennen, daß, wenn ein auswärtiger Feind im Namen des Papstes in das Land einfiele, fie die Partei ihres eigenen Souverains zu ergreifen hätten, konnte die Religion vielleicht die moralische Schuld ihres Verraths bemänteln, aber sie nicht von der ihnen gebührenden Strafe freisprechen.

,,Außer und neben der Reformation beruht die Verfassung dieser Inseln in großem Maße auf Grundlagen, die unter der Regierung, Heinrich's VIII. gelegt wurden. Heinrich brachte Irland innerhalb des Bereichs der englischen Civilisation. Er verleibte Wales und die Pfalzgrafschaft (Cheshire) in das allgemeine englische Staatssystem ein. Er war es, der das Unterhaus über die beschränkte Verpflichtung, Steuern zu bewilligen und ohne Diskussion die von dem Geheimen Rath beliebten Maßregeln zu acceptiren, erhob und es in die erste Macht im Staate unter der Krone verwandelte. Als er den Thron bestieg, legten die Gemeinen so wenig Werth auf ihre Privilegien, daß ihr Erscheinen in den Parlamentsfißungen durch ein Gesez erzwungen werden mußte. Sie erwachten ins Leben im Jahr 1529 und wurden die rechte Hand des Königs in seinem Streben, den Widerstand des Oberhauses zu überwinden und es zu legislativen Akten zu nöthigen, die es von Herzen verabscheute. Andere Könige beriefen in schwierigen Zeiten ihre,,großen Rathsversammlungen“, bestehend aus Pairs, oder Prälaten, oder Munizipalbeamten, oder aus anderen, von ihnen nach Belieben ernannten Personen. Heinrich VIII. brach mit der alten Sitte und appellirte stets an die Vertreter des Volkes. Durch die Reformation und durch die Macht, die er ihm aufzwang, hatte er das Unterhaus so innig mit den höchsten Angelegenheiten des Staates verflochten, daß die Pairs von nun an zum Schatten desselben hinabsanken.

„Auch von seinen persönlichen Anstrengungen in den Details der Staatsverwaltung muß etwas gesagt werden. In der ersten Epoche feines Lebens fand er, obwohl immer thätig und unverdroffen, doch Muße zu verfeinerten Genüffen, zu glänzenden Unterhaltungen, zu sorglosen, verschwenderischen, mitunter zweideutigen Erholungen. Im vorgerückteren Alter verschwanden seine leichtfertigeren Neigungen, und er widmete die ganze Energie feines Geistes der Sorge für das Staatswohl. Wer die gedruckten Regierungs-Urkunden geprüft hat, wird aus den von ihm selbst verfaßten Dokumenten und den Briefen, die er schrieb und empfing, sich einigen Begriff von seiner Emsigkeit machen können; aber nur diejenigen, welche die Orginal -Manuskripte gesehen, welche die Spuren seiner Feder in Randglossen und Korref= turen und die Handschrift seiner Secretaire in diplomatischen Instructionen, in Skizzen von Parlaments-Akten, in Erklärungen und Formularen, in Glaubensartikeln, Proclamationen, in der zahllosen Masse von weltlichen und geistlichen Urkunden aller Art, die die wahre Geschichte dieser merkwürdigen Regierung enthalten, bemerkt haben, können die riesenhafte Arbeit ermessen, der er sich aufopferte und die seinem Leben ein frühzeitiges Ziel feßte. Seine persönlichen Fehler waren groß, und er nahm außerdem an den Verirrungen seines Zeitalters

Antheil; aber noch viel tiefere Flecken würden nur als Narben auf den Zügen eines Monarchen erscheinen, der in schwierigen Zeiten die Ehre des englischen Namens muthig behauptete und den Staat wohlbehalten durch die gefährlichste Krise seiner Geschichte hindurchsteuerte."

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Mannigfaltiges.

Archivalische Aktenstücke zur englischen Geschichte. Unter dem Titel: .,Calendar of English State Papers" find fürzlich bei Longman in London) zwei Bände historischer Aktenstücke publizirt worden, welche ungemein viel Interessantes und namentlich auch,,Häusliches" (weshalb sie auch beide als ,,Domestic Series" bezeichnet werden) über den Hof und die Regierung Jakob's I. (1611–1618) und Karl's I. (1625-1626) enthalten. Die Veröffentlichung ist bekanntlich von dem abgetretenen (Palmerstonschen) Ministerium beim Parlamente beantragt und demnächst autorisirt worden, während der Master of the Rolls" (ein Titel, der etwa dem eines „Staatsarchivar“ entspricht) die obere Leitung des Herausgabe hatte. Merkwürdig genug, ist die Redaction des Bandes über den Hof und die Regierung Jakob's 1. einer Dame anvertraut worden, der Mrs. Mary Anne Everett Green, Verfasserin der Lebensbeschreibungen der Prinzessinnen Englands." Den Band über Karl I. dagegen hat Herr John Bruce redigirt. Der Preis eines jeden dieser beiden Bände von ungefähr 700 Seiten in 8., die übrigens nicht zusammenhängen, ist 15 Schill. (5 Thlr).

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Fortschritte des englischen Briefpost-Verkehrs. Kürzlich ward ein 80 Seiten füllender Bericht des britischen GeneralPoftamtes veröffentlicht. Aus demselben geht hervor, daß die Zahl der Postämter im vereinigten Königreiche Großbritannien und Frland während des verflossenen Jahres um 235 vermehrt wurde. Im Ganzen beläuft sie sich gegenwärtig auf 11,101. Die Zahl der im Jahre 1857 ausgegebenen Briefe betrug 504 Millionen (in Preußen 115 Millionen und im Königreich Sachsen 10 Millionen), d. h. durchschnittlich 17 auf den Kopf, was im Vergleich zu dem vorhergehenden Jahre einer Zunahme um 51 pCt. gleichkommt. In England erhält durchschnittlich jede Person 21, in Schottland 16 und in Jrland nur 7 Briefe. Nicht weniger als ein Viertel der Gesammtzahl der ausgegebenen Briefe kommt auf London und dessen Vorstädte. Ungefähr 71 Millionen Zeitungen wurden während des erwähnten Zeitraumes ausgegeben (in Preußen ungefähr 51 Millionen). Die Zahl der unbestellbaren Briefe belief sich auf 1,700,000 (in Preußen 208,000), die der unbestellbaren Zeitungen auf 580,000. Die Brutto-Einnahme des General-Postamtes belief sich auf 3,035,713 Pfund Sterl., während die Ausgaben 1,720,815 Pfund Sterl. betrugen.

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Neue amerikanische Encyklopädie.") Dieses von George Ripley und Charles A. Dana herausgegebene Lexikon, deffen erster Band, von A bis Araguay reichend, 752 Seiten stark ist und etwa 2500 Artikel umfaßt, wird im Londoner Athenaeum als ein im Allgemeinen sehr mangelhaftes Werk bezeichnet, das, wenn es auch über amerikanische Materien manches Eigenthümliche bringe, doch in den meisten übrigen Stücken nichts weiter als eine Compilation sei, und zwar hauptsächlich nach der neuesten Auflage des deutschen „Converfations-Lexikon". Vor mehr als 25 Jahren gab Dr. Franz Lieber in New-York die erste Encyclopaedia Americana heraus, und zwar sagte er damals offen, daß es zum größten Theil eine Ueberseßung des Brockhausschen Lerikon sei. Seitdem hält man sich dort für befugt, diese Quelle auch fernerweit als National-Eigenthum zu betrachten. Das Athenaeum zitirt unter Anderem einen biographischen Artikel über den schwedischen Dichter und Theologen Almquist (Karl Jonas Ludwig), um zu beweisen, daß man das,,Conversations-Lexikon" nur mangelhaft überseßt und einigemal das Deutsche gänzlich mißverstanden habe. Er fügt ferner hinzu, die amerikanische Cyclopaedia hätte auch noch eine spätere, in W. Howitt's,, Northern Literature" enthaltene Notiz benuzen sollen, wonach Almquist, der Falschmünzerei und eines Mordversuches angeklagt, von Schweden entflohen sei und sich wahrscheinlich jezt in Amerika befinde. Hierbei waltet jedoch eine Verwechslung und ein, wie es scheint, auch von Howitt begangener Irrthum ob, indem der Dichter und Theolog Karl Jonas Ludwig Almquist bereits im Jahre 1844 verstorben, jener angeschuldigte Verbrecher aber ein Sohn des Verstorbenen ist.

*) Berlin, A. Asher & Comp. **) The New American Cyclopedia: a Popular Dictionary of General Knowledge.

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Berlin, Sonnabend den 24. April.

Es sind jest gerade zehn Jahre, daß Friedrich von Gagern, der als Jüngling Deutschland vom fremden Joche befreien half, als rei fer Mann von deutscher Mörderhand bei Kandern gefallen ist. Dem Edeln hat sein gleich edler Bruder Heinrich von Gagern ein würdiges Denkmal gefeßt,,,um Kunde zu geben, wen das Vaterland in ihm verloren; denn außer seiner leßten Hingebung und seinem Tode ist nur Weniges von ihm allgemeiner bekannt, und nur Vereinzelte wiffen, wer und welcher er war!" In zwei Bänden und zehn Abschnitten erzählt der Bruder das Leben des Bruders und was daran sich knüpft; ein dritter Band enthält eine Auswahl aus dem literarischen Nachlaffe desselben. Wir erhalten mit dem Lebens- und Charakterbilde Friedrich's von Gagern zugleich eine Familiengeschichte, die mit der Zeitgeschichte vielfach verknüpft ist, und wenn der Verfaffer die Biographie des Bruders den Zeitgenossen mit dem wohlbegründeten stolzen Gefühle darbietet, daß sie der Besten Einen daraus erkennen werden, so können wir erweiternd sagen: nicht blos der Besten Einen, sondern auch der edelsten Geschlechter eines. Denn selbst die politischen Geg. ner der Gagern, wenn sie nicht zugleich Gegner der Wahrheit sind, werden der Tüchtigkeit ihres Charakters und der Ehrenhaftigkeit ihrer Gesinnung die Anerkennung nicht versagen. Sie haben das deutsche Vaterland immer im Herzen getragen und Alles daran gefeßt, daß der deutsche Name kein leerer sei. Wenn es ihnen nicht geglückt ist, so können sie mit Demosthenes sagen:,,Der Ausgang aller Dinge erfolgt, wie der Gott es will; die Unternehmung offenbart die Gefinnung des Rathgebers".

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Friedrich Balduin von Gagern, der älteste Sohn des Freiherrn Hans Christoph Ernst von Gagern, war auf dem naffauischen Schloffe zu Weilburg den 24. Oktober 1794 geboren. Die Familie stammt von kriegerischen Abenteurern ab und hatte ursprünglich ihren Sig auf der Insel Rügen. Dem Großvater, der oberrheinischen Ritterschaft angehörend, war die traurige Mission beschieden, diese Reichskörperschaft in ihren lehten Rechtshandlungen bei dem Kongreß zu Raftadt zu vertreten. Der Vater stand der Regierung des Fürstenthums Nassau - Weilburg als erster Beamter vor. Der junge Friß er, hielt seine erste Bildung auf dem Gymnasium zu Weilburg. Den be deutendsten Einfluß auf ihn und die anderen Geschwister übte jedoch der Vater. Dieser war ein Zögling der Humanitätsperiode. Nach seinem eigenen Geständnisse, war es Middleton's Leben des Cicero, das in seiner Sinnesart Epoche machte. Die edlen Triebe und glücklichen Ausdrücke des Römers wie des Briten zeigten mir ein Ziel und eine Richtschnur. Der sensus recti, der von Natur in mir war, befestigte sich. Das Gefühl wurzelte, daß man sich der menschlichen Gesellschaft und besonders seinem Lande schuldig sei. Freiheitsliebe, und ich glaube wohl, die echteste und edelste, exaltirte meine Seele; die Idee des Vaterlandes wurde mein Idol, und den Gedanken von der Gottheit: wäre sie nicht, so müßte man sie erfinden, wendete ich auf mein deutsches Vaterland an, das leider noch weit schwerer zu finden, noch weit schwerer zu faffen und zusammenzuhalten ist oder war. Aber diese Dulcinea haben wir verwirklicht. Oder soll ich sie mit dem steinernen Bilde vergleichen? Pygmalion ähnlich haben wetteifernd - die Fürsten, die Edeln, die Volkslehrer, die Dichter, die Jünglinge selbst sie in das Leben gerufen. Wehe dem, der sie wieder in Stein und Staub verwandelt". — In diesem Sinne gab der alte Gagern den Söhnen die Losung:,,Capessite rempublicam! Ergreifet die Sache des Vaterlandes, widmet Euch ihr!"

Im Jahre 1809 verließ Friedr. v. Gagern das Gymnasium zu Weilburg und ward vom Vater nach Paris geschickt, wo er eifrig mathematischen Studien oblag. Er blieb bis August 1810 dort und bezog im September deffelben Jahres die Universität Göttingen. Bei *) ,,Das Leben des Generals Friedrich von Gagern". Von Heinrich von Gagern. 3 Bände. Leipzig und Heidelberg, G. F. Wintersche Verlags handlung, 1856-1857.

1858.

fleißigen Studien fehlte es doch nicht an Gelegenheit zu Duellen. Die Veranlassung gab meist die Gegnerschaft der deutschgesinnten Hannoveraner und Rheinländer gegen die königlichen Neuwestfalen. Der junge Gagern hatte den tapfern Widerstand von Wagram gleich einem Siege vertheidigt und deswegen den Namen,,Wagram" erhalten. Er büßte seinen Patriotismus mit dem consilium abeundi. 3m Juni 1811 hatte der Vater den nassauischen Dienst verlassen. Vater und Sohn reisten im April 1812 nach Wien. Der alte Gagern suchte nicht allein für seinen Sohn, dessen Wahl und Vorliebe für den österreichischen Kriegsdienst längst getroffen und entschieden war, sondern auch für sich selbst, wenn es sich so fügen wollte, Dienst, vor Allem aber einen feinen eigenen patriotischen Absichten entsprechenden Wirkungskreis. Der junge Gagern trat in das Dragoner-Regiment Riesch als Kadett ein, ging nach Mähren, von da nach Polen und nahm an dem Feldzuge gegen die Ruffen Theil. Im Anfange 1813 zum Lieutenant befördert, hat er, wie ihm fein Oberst bezeugt, in den Schlachten bei Dresden, Kulm und Leipzig an dem Ruhme, den sich das Regiment bei diesen Gelegenheiten erwarb, einen ehrenvollen Antheil genommen.

Währenddeß hatte der Vater aus Anhänglichkeit an das Haus Nassau in England mit dem Prinzen von Oranien Verbindungen angeknüpft. Auch der Sohn verließ auf des Vaters Wunsch den öfterreichischen Dienst (9. Dezember 1813) und begab sich nach dem Haag, nachdem die Holländer sich für das Haus Oranien erhoben hatten. Er ward am 6. Januar 1814 als Hauptmann im Generalstab und als Ordonnanz-Offizier des Prinzen von Oranien angestellt. Ueber den Einfluß, den der alte Gagern auf die Bildung des vereinigten Königreichs der Niederlande hatte, läßt sich der Verfasser weitläufig aus, seinen Vater gegen den Vorwurf, das deutsche Intereffe zu wenig wahrgenommen zu haben, in Schuß nehmend. Das Streben desselben, das neue Königreich enger mit Deutschland zu verbinden, scheiterte an dem praktischen Sinne der Holländer selbst. Il faudrait bien", äußerte der holländische Staats-Secretair Fald gegen Gagern,,,que nous fussions possédés de cet amour du vague, dont parle Châteaubriand, pour désirer ardemment de nous lier au nouvel empire, dont personne n'entrevoit la forme. Il vaut mieux laisser reposer ce projet et nous y montrer indifférens". Nur mit Luxemburg trat der König dem deutschen Bunde bei. Der Sohn wohnte in dem erst entstehenden niederländischen Heere, das mit den Preußen unter Bülow und den englischen Hülfstruppen zusammen agirte, der Belage= rung von Gorkum bei, das, nachdem es kapitulirt hatte, von Niederländern und Preußen gemeinschaftlich beseßt wurde.

Der Friede zu Paris unterbrach auf kurze Zeit die militärische Thätigkeit des Sohnes, während der Vater als niederländischer Gesandter zum Kongreß nach Wien ging. Die Rückkehr Napoleon's war die erste und zugleich leßte Gelegenheit, wobei Holländer und Belgier unter gemeinsamer Fahne kämpften. Bei Quatre-Bras erhielt Frig einen Schuß durch den linken Unterarm. Bei Waterloo wurde Heinrich v. Gagern, der bei den Nassauern diente, leicht verwundet. Ueber die Schlacht schreibt diefer (1, S. 227): „Auf kleinem Raume wurde bei Waterloo gefochten; die Front der Schlachtordnung betrug kaum eine halbe Stunde. Die Streitkräfte waren anfangs gleich, der Boden gab Niemand entschiedenen Vortheil. Drei heftige Angriffe der Franzosen hielt die Armee unter Wellington standhaft aus; das Erscheinen der Preußen entschied. Bei Waterloo hat Wellington das Meiste gethan, Blücher das Meifte gewagt; das größte Lob gebührt diesem, weil er zum Wohle des Ganzen das eigene auf's Spiel sezte. Denkwürdig ist diese Schlacht, denn sie schloß die Laufbahn des Mannes, der zwanzig Jahre lang in Europa der Erste gewesen war. Aber diejenigen überschäßten ihre Wichtigkeit, welche meinen, ein anderer Ausgang würde Napoleon wieder auf dem Throne befestigt haben. Die Uebermacht der Alliirten war zu groß, ihre Einigkeit zu wohl begründet, als daß ein Tag sie hätte vernichten können. Wenn der Krieg sich in die Länge gezogen hätte, wäre die Erbitterung gestiegen, und die Sieger würden wahrscheinlich härtere Bedingungen gemacht

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haben. So hat der Friede Deutschland wenigstens um die Früchte des Sieges betrogen. Es verdient Erwähnung, daß die Hälfte des Heeres unter Wellington aus Deutschen bestand: Hannoveranern, Nassauern, Braunschweigern, Hanseaten und der englisch-deutschen Legion; beinahe ein Drittel des Ganzen waren Niederländer." Aehnliches schreibt Friedrich von Gagern in einem Auffage,,Wellington" (III, S. 121):,,Den lesten großen Sieg verdankt Wellington, nächst der Tapferkeit seines Heeres, der Widmung Blücher's, der, alle anderen Rücksichten dem Vortheil der gemeinschaftlichen Sache aufopfernd und sich und sein Heer den größten Gefahren bloßstellend, die willkommene Hülfe brachte, die der schwankenden Schlacht den Ausschlag gab. Darüber ist nur Eine Stimme, daß unter gleichen Umständen Blücher vergeblich auf Wellington's Hülfe gewartet hätte."

(Schluß folgt.)

Brafilien.

Brafilisch-portugiesische Dichter.

I. Gonçalves Dias.
(Schluß.)

„,0 O Canto do Piága" und „,0 Canto do Indio" laffen einen tiefen Blick in die geistige Welt jener Indianer thun, die sich von dem unwiderstehlichen Vordringen der Civilisation dem längst geahnten gänzlichen Untergange entgegengetrieben sehen.

In,, Cachias" giebt uns der Dichter in Form einer Ode eine idyllische Schilderung seines Geburtsortes Cachias, in der Proving Maranhão.

,, Depracação" ist ein Gebet der Rothhaut zu dem mächtigen Gott Lupan, dem der Verfall der einst so glücklich gewesenen indianischen Völker seit dem Eindringen der bleichen Gesichter geklagt und worin schließlich dessen hoher Schuß angefleht wird, um mit Feuer und Schwert die unwillkommene Gabe der Civilisation und des Christenthums vom heimischen Boden ihrer Väter wieder hinwegzufegen.

Dieses lettere Gedicht schließt den der Sammlung vorangestellten Cyklus der,,Amerikanischen Poesieen". 3n,,A Leviana" befingt der Dichter die Engelreize eines schönen Weibes in anmuthigen Versen; der schalkhafte Schluß des Gedichtes läßt aber vermuthen, daß der Verfasser desselben trog aller Bewunderung doch sein Herz nicht dabei verloren.

Jn,,A minha Musa" schildert der Dichter sein oft seltsam bewegtes Innere, woraus zu schließen, daß er bei der selbst erwählten Laufbahn als Jünger der Musen durchaus nicht alle Erwartungen und Wünsche befriedigt sah, daß er sich vielmehr oft sehr enttäuscht und elend gefühlt.

In ,,Desejo" wendet sich der mit seinem selbstgeschaffenen golden geträumten Berufe ziemlich zerfallene Dichter an Gott, ihn anflehend, daß er sein liebebedürftiges Herz eine gleichgesinnte liebende und geliebte Seele finden laffen möge; dann wolle er in einer seligen Umarmung gern den Erdenstaub, das Erden-Elend verlassen und fterben! C'est tout comme chez nous, unsere jungen Dichter wiffen im Anfange auch nichts Besseres zu thun!

Glücklicherweise reißt sich der Poet wieder aus so bedenklich melancholischer Stimmung. Er ist inzwischen anderen Sinnes ge= worden; irgend ein froher Anlaß hat ihn mit frischem Lebensmuth erfüllt, und so nimmt er auch bald wieder Gelegenheit, sich in ein anderes Engelweib zu verlieben, dergestalt, daß er deffen Reize in trefflichen, enthusiastischen Versen schildern kann. Daß diesmal seine Neigung eine tiefe, ernste gewesen, geht aus dem Liebesliede selbst hervor, denn so dichtet nur der, welcher seinen innersten Gefühlen einen sprechenden Ausbruck verleiht. Der rhythmische Tonfall des Gedichtes macht daffelbe in der so klangreichen südlichen Sprache besonders angenehm und zum Herzen sprechend. Wir geben deshalb nachstehendes Origi= nal und eine dasselbe möglichst treu nachahmende Ueberseßung, um so mehr, als auch die Kritik überall dieses Liebeslied ganz besonders schön fand.

Seos Olhos.

Seos olhos tão negros, tão bellos, tão puros,

De vivo luzir,

Estrellas incertas, que as agoas dormentes
Do mar vão ferir;

Seos olhos tão negros, tão bellos, tão puros,
Tem meiga expressão,

Mais doce que a briza, mais doce que o nauta
De noite cantando, mais doce que a frauta
Quebrando a soidão.

Seos olhos tão negros, tão bellos, tão puros,
De vivo luzir,

São meigos infantes, gentis, engraçados,

São mugos infantes, brincando, saltando
Em jogo infantil,

Inquietos, travessos; causando tormento,
Com beijos nos págão a dôr de um momento,
Com modo gentil.

Seos olhos tão negros, tão bellos, tão puros,
Assim é que são;

A vezes luzindo, serenos, tranquillos,
As vezes vulcão!

As vezes, oh! sim, derramão tão fraco,
Tão frouxo brilhar,

Que a mim me parece que o ar lhes fallece,
E os olhos tão meigos, que o pranto humedece,
Me facem chorar.

Assim lindo infante, que dorme tranquillo,
Desperta a chorar;

E mudo e sisudo, scismando mil coisas,

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As vezes do céo

Cae doce harmonia d'uma Harpa celeste,
Um vago desejo; e a mente se véste
De pranto co' um véo.

Quer sejao saudades, quer sejão desejos
Da patria melbor;

Eu amo seos olhos que chórão sem causa
Um pranto sem dôr.

Eu amo seos olhos tão negros, tão puros,
De vivo fulgor;

Seos olhos que exprimem tão doce harmonia,
Que fallão de amores com tanta poesia,
Com tanto pudor.

Seos olhos tão negros, tão bellos, tão puros,
Assim é que são;

Eu amo esses olhos que fallão de amores
Com tanta paixão.

Ihre Augen.

Ihre Augen so dunkel, so schön und so klar,
In strahlendem Licht,

Wie Sterne, wenn funkelnd im schlafenden Meere
Ihr Flimmern sich bricht.

Ihre Augen so dunkel, so schön und so klar,
So zärtlich und traut,
als Nautilus singend
Wohl sanfter als Zephyr,
Zur Nacht, und als Flöten, auf Fluren erklingend,
Die Silber bethaut.

Ihre Augen so dunkel, so schön und so klar,
In strahlendem Licht,

Sind zärtliche Kinder, voll Anmuth verklärend
Ein rosig Gesicht.

Gleich Kindern, die hüpfen und jubeln und springen
Im fröhlichen Bund,
Voll Unruh und Schalkheit, bereitend oft Qualen
Und Schmerzen, die schlau sie mit Küssen uns zahlen
Von lieblichem Mund.

Ihre Augen so dunkel, so schön und so klar,
Wer mag ihnen nah'n
Jest leuchtend, dann sinnend; jezt ruhig, dann wieder
Ein wilder Vulkan!

Ach! manchmal wohl leuchten sie matt und umdüstert,
Ersterbende Gluth;
Dann, ach! wohl scheint mir, als wollten fie finken,
Seh' ich in schmerzlichen Thränen sie blinker,
Sinkt mir auch der Muth.

Dann gleichen dem Kind sie, dem lieblichen, zarten,
Das aufwacht und weint,

Und, ruhig, dann vielerlei sinnt, unbekümmert,
Was passend sich eint.

So senkt sich zuweilen in reine Gemüther,
Wie Jungfrau und Kind,

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Von oben, wie Klang aus den himmlischen Sphären, Ein unbestimmt Sehnen, sich kündend in Zähren,

Die thauen so lind.

Wie oft auch nach schönerer Heimat begehret
Voll Unruh' das Herz:

Ich liebe die Augen, die unbewußt oftmals
Geweint ohne Schmerz.

Ich lieb' ihre Augen, die dunkeln, die klaren,
Mit zündendem Strahl,

Den Ausdruck harmonischer Herzensempfindung, Verkünder der treuesten Liebesverbindung,

So keusch allzumal.

Ihre Augen so dunkel, so schön und so klar, Von Liebreiz umstrahlt,

Ich liebe diese Augen, in denen die Liebe

So innig sich malt.

Hierauf folgen eine Auswahl Dichtungen, die in bekannter Weise Liebe, Leben und menschliche Gefühle überhaupt zum Gegenstande haben. Unter der Rubrik,, Visões", Traumbilder, erhalten wir fünf hübsche Poesieen, nicht mehr und nicht minder phantastisch als das vielgestaltige Traumleben sie bringt.

Eine Reihe Gelegenheitsgedichte schließt sich ihr an, untermischt mit einigen Dichtungen kontemplativer und reflektirender Natur. Interessant ist die im Stile Byron's gehaltene Episode ,,O Pirata"; nicht minder plastisch und ergreifend ist: „A Villa maldicta, Cidade de Deos", wo das üppige Leben einer großen Stadt (Jerusalem) geschildert wird; wie dann in der von zahllosen Heiden umlagerten und eingeschlossenen Stadt die Pest ausbricht, bis es endlich den siegreichen Feinden gelingt, in die Stadt einzubringen und die Brandfackel, die rohe Brutalität und Beutelust der übermüthigen und ergrimmten Kriegerhorden allenthalben Zerstörung, Trümmer, Trauer, Heulen und Wehklagen, Verzweiflung und Vernichtung verbreiten über das Volk, von dem der Herr in gerechtem Zorn sein Antliß ge= wandt! Doch durch diese unerhörten Schrecken ist auch seine Gerechtigkeit gefühnt worden; das unendliche Allerbarmen tritt an die Stelle des göttlichen Grimmes, und so gestattet er, daß sich bald wieder eine weit herrlichere, große, prunkende Stadt über den Ruinen erhebe, denn der Gott der Gerechtigkeit und der Kriegsheere ist auch der Gott der unendlichen Güte.

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دو

Die Hymnen: „,0 Mar”, „Ideia de Deos", „,0 Romper d'Alva" (Das erste Morgenroth), „A Tarde" (Der Abend), „,0 Templo", ,,Te Deum" zeichnen sich durch Würde, Gedankenfülle und eble Sprache aus.

In der Abtheilung: „, Segundos Cantos", finden wir leichtere, gemischte, auch Gelegenheitsgedichte, die, wie dies meist der Fall, recht gut gerathen; die unglückliche Leidenschaft der unbefriedigten Liebe weiß sich indeffen auch hier gelegentlich Ausdruck zu verschaffen. ,,Tabyra" behandelt in Balladenform eine indianische Kriegersage mit dem gewöhnlichen tragischen Ende.

In den Hymnen:,,An den Mond“, „Die Nacht“, „Der Sturm", offenbart sich ein schönes Talent poetischer Malerei, obwohl in beiden ersteren Stücken das lyrische Element des Dichters vorwaltet.

Die,,Novos Cantos" enthalten verschiedene neue Dichtungen kontemplativer Natur, hier und da die immer wieder von anderen Seiten zu betrachtende Liebe nicht vergessend, bis uns die,,Sextilhas de Frei Antão", die Sprache der altportugiesischen Romanze nachahmend, einen artigen Cyklus jener Hof- und Kampfes-Abenteuer des glorreichen Mittelalters bringen, wo die Christen und Mauren in Europa und Afrika sich fortwährend befehdeten und einander das Leben schwer machten.

Die,,Ultimos Cantos" beginnen mit einer widmenden Zuschrift an einen Freund, den Dr. A. T. de Carvalho Leal; der Dichter nimmt Gelegenheit, seinem Freunde das zu sagen, was wir aus den bisher besprochenen Poesieen bereits zur Genüge erkannt, und es scheint, daß er den ernstlichen Vorfah gefaßt, gänzlich mit der leidigen Dichterlaufbahn zu brechen, wozu es aber hoffentlich nicht kommen wird, denn wir haben ja Beispiele genug, daß, nachdem sich das erste ungestüme Brausen unserer großen Dichter gelegt und sie von den Höhen des Olymp herab zur Erde gestiegen, um noch etwas Anderes und gelegentlich Besseres zu unternehmen, als Klagen über Schicksal, Menschheit, Liebe 2c. in Verse zu bringen, daß sie dann nicht nur nichts von ihrer Genialität eingebüßt, sondern bei reiferer, ruhigerer Erfahrung und einer durch ihre neuen Verhältnisse angebahnten vernünftigeren Weltanschauung sogar Gediegeneres und Vollendeteres zu schaffen vermochten. Die Poesie zur alleinigen Lebensaufgabe zu machen, hat von jeher das Kopfschütteln der Polizei und aller vernünftig urtheilenden Staatsbürger zur Folge gehabt, weil dabei, offen gesprochen, nichts als eine mitunter sehr einseitige Richtung herauskommt, die auf Alles im Leben und Schaffen des exklusiven Dichters verderblich oder wenigstens beeinträchtigend influirt.

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Um so mehr kann sich die jugendlich aufstrebende National-Literatur Brasiliens Glück wünschen, daß einer ihrer bedeutungsvollsten Koryphäen durch die bei Zeiten versuchte und gelungene Fesselung seiner genialen Kräfte an eine reelle Beschäftigung vor dem Schiff

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bruch und dem Zerfall mit sich selbst bewahrt und dem Leben zu einer hoffentlich langen und erfolgreichen Thätigkeit wiedergegeben. worden ist. Der Profeffor der Geschichte" hat das dankbarste Feld zu bebauen, wobei der thätigste Eifer stets seiner Dichternatur zugute kommen muß, indem dieser sie immer neu befruchtet und begeistert. Die Bestätigung solcher Behauptung liegt auch bei unserem Autor vor. Obwohl wir seine historischen Arbeiten noch nicht näher kennen, finden wir doch in den „Amerikanischen Poesieen", welche die Ultimos Cantos" eröffnen, bereits einen sichtbaren Fortschritt, indem sich der Dichter bei der Behandlung einiger Indiauersagen glücklich aus seinem lyrischen Element heraus- und in das epische hineinarbeitet, was immer und immer interessanter und verdienftlicher sein und bleiben wird, als die bloße Lyrik, wenigstens für die heutige Welt, wo jeder Mensch an sich selbst mehr oder minder lyrischer Dichter ist, d. h. in der Betrachtung und Schilderung seiner eigenen inneren Gefühlswelt sich gefällt und deshalb von Anderen in diesem Genre nicht zu viel hören mag. F. Booch-Arkossy.

Nord-Amerika.

Julius Fröbel's „Amerika“. Zweiter Band.*)

Deutsche in Kalifornien.

Die deutsche Nationalität ist, wenn ich mich nicht irre, in Kalifornien, im Verhältniß zur Gesammtzahl ihrer Angehörigen in jenem Lande, durch eine größere Proportion intelligenter Männer vertreten als anderwärts in den Vereinigten Staaten. Besonders aber ist es eine größere Weltkenntniß, ein höherer Grad von Lebenserfahrung, ein größerer Maßstab für die Beurtheilung der Dinge, was den kalifornischen Deutschen, bei übrigens gleichem Bildungsgrade, vor dem Deutschen in anderen Theilen der Vereinigten Staaten auszeichnet. hier sah ich Landsleute, welche früher die indischen Inseln und Auftralien bereist hatten, andere, welche Peru und Chili genau kannten, noch andere, welche zu den Pionieren des Gadsden-Ankaufes gehörten oder in Sonora zuhause waren, wie in irgend einem deutschen Bundesstaate. Genauere Kenntnisse Mexiko's, Central-Amerika's, der Plataftaaten und Brasiliens waren ebenfalls repräsentirt, und dazu kamen Männer von vielfältigen Erfahrungen in europäischen Ländern. Ich machte die Bekanntschaft eines geborenen Hamburgers, welcher die afrikanifchen Küstenländer, besonders die von Guinea, genau kannte und die barbarischen Sitten von Dahomey beobachtet hatte. Ich lernte einen jungen Bremer kennen, welcher mit einer Gesellschaft von anderen jungen deutschen Kaufleuten auf einem von ihnen angekauften Schooner, dessen Bemannung sie selbst ausmachten, unter einem von ihnen angestellten Capitaine, um das Cap Horn gekommen waren und darauf eine Handelsgesellschaft im Stillen Meere bildeten (sic). Sie machten mit ihrem Fahrzeuge mehrere Erpeditionen nach der Behringsstraße, nach den Inseln des großen Oceans, nach Australien und nach China, bis sie sich nach verschiedenen Punkten des großen Oceans zerstreuten.

Ich war während des größten Theiles meines Aufenthaltes zu San Francisco Redacteur einer daselbst erscheinenden deutschen Zeitung, die den Titel „San Francisco-Journal" führte. Bei den ausgebreiteten Beziehungen meiner deutschen Bekannten und Freunde strömte diesem Blatte aus den Ländern um den großen Ocean der Stoff zu, und namentlich war es eine anerkannte Quelle für mexikanische und central-amerikanische Zustände.") Unter den Mittheilungen, welche mir auf diese Weise zugingen, waren einige Briefe eines jungen Bremer Kaufmanns zu Hongkong an einen Freund, ebenfalls einen jungen Bremer, zu San Francisco, welche ich damals publizirte. Beide, der Schreiber und der Empfänger, hatten zu der vorhin erwähnten Schiffsmannschaft und nachherigen Handels-Compagnie im Stillen Meere gehört. Neben der individuellen Freude an dem Blicke in das große und heitere Gebiet der Natur und des Geschäftslebens im großen Ocean, welchen mir diese Briefe eröffneten, gewährten fie mir zugleich die nationale Befriedigung, den deutschen Handel in diesen Räumen durch junge Männer von Geist, Energie und Bildung repräsentirt zu sehen.

Amerikanischer Demokratismus.

Der Gleichheitstrieb des Nordamerikaners sucht nicht, wie der des Europäers und besonders des Deutschen, herabzuziehen, er drängt

*) Vgl. Nr. 44, 46 u. 47 des,, Magazin“.

**) Ich muß bei dieser Gelegenheit eine Bemerkung über das Zeitungswesen in den Vereinigten Staaten machen. Fast alle größeren Blätter publiziren besondere Auszüge ihrer täglich erscheinenden Nummern in längeren Zwischenräumen, je nach Abgang der Dampfschiffe, für die entfernteren Länder, in denen fie Leser haben, und lassen in diesen,, Dampfer-Ausgaben" den Theil ihres Inhaltes, welcher für jene Länder kein Juteresse habe könnte, weg. Ein kalifornisches Blatt also druckt in seiner für Europa bestimmten,,Dampfer - Ausgabe " keine europäischen Artikel ab. Daraus folgt aber nicht, daß das tägliche Blatt nichts über Europa enthalten habe. Diese Notiz für voreilige deutsche Kritiker der amerikanischen Presse.

nach oben. Der Nordamerikaner erkennt eine höhere soziale Stellung bereitwillig an, weil er sie selbst noch zu erreichen hofft, und erweist dem, welcher eine niedere Stellung in der Gesellschaft einnimmt, die Ehren, welche er dem Höherstehenden gewährt, weil er es als selbst verständlich vorausseßt, daß jener sich noch emporarbeiten werde. Während die europäische Demokratie die Sitten der unteren Volksschichten allgemein zu machen, während sie das populäre „Du" zur allgemeinen Anrede zu machen gesucht hat, bestrebt sich auch der gemeinste Amerikaner, so gut er es vermag, die Sitten der höheren Stände nachzuahmen, so daß er, wie ich auch schon erwähnt habe, fogar sein Pferd und seinen Hund mit Sir oder Madam anrebet.") Dieses allgemeine Streben nach Gleichheit auf dem Niveau der oberen Schichten der Gesellschaft ist eine der wesentlichsten Triebkräfte des ganzen amerikanischen Lebens, und damit auch ganz besonders des unruhigen Weiterziehens, welches den Europäer so sehr überrascht. Ist Jemand in seinem Wohnorte klein, so sucht er sich einen anderen, in welchem er groß zu sein vermag. Das ganze Leben wird hier zu einem Wettlauf, in welchem zuleßt das einzige Ziel ein Superlativ ist. Was hilft dem Nord-Amerikaner sein gutes Ackerland, wenn es nicht das beste ist? was sein schönes Besißthum, wenn es nicht das schönste ist? was sein blühendes Geschäft, wenn es nicht das blühendste ift? was sein geschwindes Dampfboot, wenn es nicht das geschwindeste ist? Er wird einem Spigbuben verzeihen, wenn er nur der größte ist. Er macht um jeden Preis den Versuch, sich eines Superlatives zu bemeistern. Kann sich also ein Nord-Amerikaner überzeugen, daß ein Land, z. B. Central-Amerika, das beste Land in der Welt ist, so wandert er dahin aus.

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Central-Amerika und die Vereinigten Staaten. Nach den Erfolgen, welche Walker bereits errungen hatte, hätte er sich halten müssen, wenn er es verstanden hätte, die richtige politische Linie einzuhalten. Selbst der Vortheil Englands hätte es er. fordert, ihm nicht entgegen zu sein, wenn sein Programm einfach gewesen wäre: Regeneration von Central-Amerika unter dem Einfluffe des anglo-amerikanischen Geistes, Eröffnung des Landes für die Einwanderung aus den Vereinigten Staaten und aus Europa, keine Sklaverei, keine Annexation an die Vereinigten Staaten. Mit diesem Programm würde er der Gründer einer Föderation regenerirter Staaten hispano-amerikanischen Ursprungs geworden sein, welche bald Mexiko, und wer weiß, ob nicht selbst Kalifornien, in sich begriffen hätte, denn Absonderungsgelüfte reichen hinauf bis nach Oregon, und das Intereffe der Länder am Stillen Meere hält sie ebenso sehr ab, sich den südlichen wie den nördlichen Staaten der Union unbedingt anzuschließen. Sollte sich diese einmal in einen Süden und Norden theilen, so würde der Westen am Stillen Meere sicherlich ebenfalls selbständig auftreten, und von Kalifornien bis nach Darien würden dann gemeinsame Intereffen dominiren und zu einem dritten sozialen Systeme führen, welches weder die Sklaverei des Südens, noch die absolut freie Arbeit und Konkurrenz des Nordens sein würde. Zu einem solchen Gange der Dinge scheint mir die Zukunft sich vorzubereiten. Ich will indeffen hier den Gegenstand nicht über Central-Amerika hinaus verfolgen. Aber Central-Amerika wird auch der Knotenpunkt bleiben, in welchem die sämmtlichen hier angeregten Intereffen zusammenlaufen, -Central-Amerika ist politisch der wichtigste Punkt in der neuen Welt.

Unterdeffen werden die Anstöße, welche Walker durch sein miß lungenes Unternehmen hier gegeben hat, sich in der nämlichen oder in einer anderen Form, durch ihn oder durch Andere, wiederholen, und ihre Wirkung wird fortdauern. Aber eine Wiedereinführung der Sllaverei in Central Amerika kann dadurch gewiß so wenig herbei geführt werden, wie eine Annexation an die Vereinigten Staaten; es müßten denn ganz unvorhergesehene Umstände die Blicke der europäischen Staaten gänzlich von Amerika abziehen und in den Vereinigten Staaten der Partei des Südens auf einige Zeit ganz das Uebergewicht geben. Beides ist nicht wahrscheinlich, am wenigsten nachdem es entschieden ist, daß England vor der Hand der Herr Oft indiens bleibt. Ohne Annexation an die Vereinigten Staaten kann in Central Amerika die Sklaverei nicht eingeführt werden, und ohne fichere Aussicht auf Einführung der Sklaverei kann Central-Amerika nicht annektirt werden. Die unzertrennliche Verbindung zwischen diesen beiden Fragen macht, daß sie sich gegenseitig verneinen. Uebrigens ist es nicht schwer, einzusehen, daß die Annexation Central-Amerika's mit Sklaverei den Intereffen des Südens der Union ebenso sehr

*) Auch der Engländer redet mitunter seinen Hund mit ,,Sir" an, aber eher als Abkürzung von ,,Sirrah", d. h. in strafendem Ton. Wenn ein Amerikaner seine Stute oder seine Hündin „Madam" titulirt, so kann_dies höchD. R. stens nur scherzweise geschehen.

widerspricht, wie denen des Nordens, es müßten denn die Pflanzer von Carolina, Georgia, Alabama und Louisiana im Sinne haben, ihre jeßigen Befizungen zu räumen, ihre Staaten der freien Arbeit zu überlassen und sich auf dem annektirten Gebiete niederzulaffen, mit deffen Productionskraft die höchft mittelmäßigen Ländereien der genannten Staaten sich in keiner Weise vergleichen laffen. Mit dem annektirten Central-Amerika könnten die jeßigen füdlichen Staaten der Union in keiner Beziehung die Konkurrenz aushalten. Weit eher, als zur Annexation an die Vereinigten Staaten, möch ten die in diesen Regionen vor sich gehenden inneren und äußeren Bewegungen unmittelbar zu einer unter Leitung des anglo-amerikanischen Geistes stehenden und in diesem Geiste regenerirten selbständigen Föderation führen. Den dominirenden Einfluß dieses Geistes in Amerífa hat man längst vorausgesehen. Man hat aber, wie es scheint, nicht daran gedacht, daß er sich, statt in der Form der Anneration, auch in der der Colonisation äußern könnte, so wenig Kolonieen von Kolonieen in der Geschichte etwas Neues sind. Die fünf Staaten Guatemala, Honduras, Salvador, Nicaragua und Costa Rica, mit dem nur lose an Mexiko hangenden Staate Yukatan, würden bestimmt sein, den Kern der neuen politischen Bildung auszumachen, an die sich andere Gebiete anschließen würden.

Mannigfaltiges.

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Englische Romanliteratur in Deutschland. Ein in Deutschland erscheinender englischer Originalroman ist gewiß eine rara avis und verdient daher eine Erwähnung, die wir sonst diesen literarischen Ephemeriden nur selten gönnen. Das Buch, das den in der Anmerkung genannten Titel führt,) verräth offenbar eine weibliche Feder und hätte nach seinem Ton und Inhalt ebenso gut von Saunders und Ottley oder der seligen „, Minerva Press" in London publizirt werden können, als von Herrn Georg H. Wigand in Göttingen. Es gehört in die Kategorie der sogenannten,, fashionable novels” und beschäftigt sich vorzugsweise mit den ,, sayings and doings" der privilegirten Klassen, obgleich es, dem von Dickens gegebenen, verführerischen Beispiele folgend, sich mitunter auch in niedere Sphären herabläßt. Eine komplizirte Intrigue kann man ihm gerade nicht vorwerfen; das Opus bewegt sich meist in Dialogenform, von gelegent= lichen Reflexionen und Schilderungen unterbrochen, die einer gewiffen Lebhaftigkeit und eines Anfluges von leichtem Humor nicht ganz entbehren. So werden z. B. die Annehmlichkeiten einer englischen Breakfast table folgendermaßen gepriesen: Es ist etwas unbeschreiblich Gemüthliches und Einladendes in einem echt englischen Frühstück. Die warmen Semmeln (rolls) mit Butter der Toast und die Eier der Thee und Kaffee das Obst und die Blumen der die Marmelade und die vielen kleinen Zuthaten, die kalte Braten hier gefunden werden, find erfrischend und komfortabel im höchsten Grade. Für mich wenigstens sind sie es immer gewesen. Dann das Zischen der filbernen Urne, das Glimmern der Thee- und Kaffeekannen mit ihrem aromatischen Dampf, die hellen Farben der Taffen und Teller, das glänzend weiße Tischzeug, mit einem Worte, die Frische des tout ensemble gewährt ein tägliches Bild, von dem ich niemals außerhalb Englands eine erfolgreiche Nachahmung gesehen habe. Sogar die weltberühmten schottischen Frühstücke müssen, meiner Ansicht nach, dagegen in den Hintergrund treten. Sie sind schwerüberladen, wenn ich mich so ausdrücken darf — und ermanfällig geln jener mit Mannigfaltigkeit verknüpften Einfachheit, die unsere englischen Mahlzeiten auszeichnet. Und dann im Winter, wenn ein flammendes Holzfeuer auf dem Heerde kniftert, welches gleichsam das ganze Zimmer erhellt — wie habe ich mich (wahrscheinlich in das ganze Zimmer erhellt Deutschland) nach einem offenen Kamin gesehnt, statt jener abscheulichen, düsteren Defen wie gemüthlich ist es, dort zu fißen und zu lichen, düfteren Defen plaudern und zu schlürfen und zu kosten, während draußen vielleicht der Wind und der Schnee eine traurige Melodie aufspielen!" Ueber Deutschland legt die Verfasserin ihrer Heldin, Millicent, nachstehende schmeichelhafte Bemerkungen in den Mund:,,Deutschland gefällt mir viel besser als Frankreich. Lesteres erinnert mich an ein Gemälde, glänzend in Sonnenschein und Licht, ersteres an ein solches, in welchem sich die zarten Schatten und der düstere Reichthum eines Rembrandt mischen. Frankreich und die Franzosen reden zum Auge, aber brandt mischen. Deutschland flüftert zum Herzen, und seine sanften Töne wird man nicht leicht vergessen." Zu bedauern ist nur, daß man der Orthographie der Verfasserin nicht durch eine sorgfältigere Korrektur zu Hülfe gekommen ist; namentlich ist uns eine so ungenirte Interpunction, oder vielmehr ein so vollständiger Mangel an Interpunctionszeichen, kaum jemals vorgekommen.

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