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des Auslandes.

Berlin, Dienstag den 12. Januar.

Eines der merkwürdigsten Probleme in der Geschichte der Menschheit ist der in Indien entstandene Buddhismus, der, zeitig die Gränzen seines Vaterlandes überschreitend, die Religion des größten Theiles der östlichen und nördlichen Asiaten geworden ist und eine Zahl von Bekennern zählt, wie sie nur noch das Christenthum und der Muhammedanismus aufweisen können. Seiner äußeren Gestalt nach also eine Weltreligion, in der Hunderte von Millionen, Jnder, Birmanen, Chinesen, Tibetaner, namentlich die zahlreichen nomadischen Tataren stämme Sibiriens ihr Heil suchen und ihre geistige Befriedigung finden, wenn man den Nachrichten darüber trauen darf; eine Religion, mit einem glänzenden, meist wohlgeregelten Kultus, zahlreichen Ceremonien, Klofterorden, welche die den christlichen genau entsprechenden Gelübde ablegen, eine Hierarchie mit Scholastik, Synoden u. f. w., endlich mit einer milden, sanftmüthigen Moral, die selbst christliche Missionare in Staunen gesezt hat.

Und diese Weltreligion, dieser Kultus zahlloser Asketen, Ein siedler und Klosterbrüder kennt keinen Gott, selbst nicht einmal jenes große pantheistische Etwas, das man Brahma, Weltseele u. s. w. nennen mag; sondern nur ein absolutes Nichts im Hintergrunde der wesenlosen Erscheinungen, die wir Welt nennen. Aufzugehen in die ses Nichts, auszulöschen in ihm, wie ein flackerndes Licht, in dem Nirvana zu verschwinden, das ist der letzte Zweck, um deffen willen sich der buddhistische Mönch kafteit, Buße übt, beichtet, Werke der Mildthätigkeit verrichtet und endlos meditirt. Unsere europäischen Hirne, die in den Lehren des aus dem Mosaismus hervorgegangenen Christenthums und der griechisch-römischen Logit geschult sind, schwindeln bei folchen Vorstellungen. Wir machen mit Erstaunen die Entdeckung, daß es Dinge in der Welt giebt, die in unser Gehirn nicht paffen, daß unsere weltumfassenden Theorieen bei weitem zu eng find, und es kostet uns wirkliche Anstrengung, uns allmählich in eine WeltAnschauung hineinzudenken, die von der unsrigen so himmelweit verschieden ist.

Für uns find der Glaube an einen belohnenden und ftrafenden Gott und die höchsten Forderungen der Moral in engster, untrennbarfter Beziehung; Gott ist das Bestimmende, der lezte Ausgangs- und Endpunkt aller Moral, in unserem Westlande; darin ftimmen nicht blos Mosaismus, Christenthum und Islam als monotheistische Religionen überein; nein, auch das ägyptische, griechische, römische Heidenthum hält, wenn auch unter mannigfaltiger Verbrämung, diesen Grundgedanken fest; diejenigen Götter, die am entschiedensten den Keim des künftigen Monotheismus in sich tragen, wie etwa Zeus, Apollo u. f. w., find wesentlich sittliche Mächte, Schüßer von Eid und Treue, Belohner und Strafer von Gut und Böse. Kurz, alle westlichen Völker aller Zeiten stimmen in dem Glauben überein, daß menschliche Tugend und Sittlichkeit wesentlich bedingt und befördert werde durch den Glauben an Gott, als Urgrund aller sittlichen Vollkommenheit, und moralische Schlechtigkeit, Laster und Verbrechen hauptsächlich aus dem größeren oder geringeren Mangel dieses Glaubens abgeleitet sind. Wenn kein Gott ist, dann habe ich im Jenseits nichts zu fürchten, denkt (wenigstens nach der gäng und gäben Annahme) der abendländische Atheist; dann kann ich machen, was ich will: rauben, stehlen, buhlen 2c. In der That ist dies, wenn wir von dem doktrinären Atheismus absehen, der gewöhnliche Schluß, zu dem der praktische Atheist der niederen Volksklaffen kommt. Das deutsche Wort Gottlosigkeit, welches buchstäblich den Sinn von Atheismus wiedergiebt, bezeichnet weniger den Mangel des Glaubens an die Gottheit, als vielmehr den daraus hervorgegangenen, schlechten moralischen Zustand.

Nun sehe man sich den Buddhismus genauer an. Hier ist eine Religion der Gottlosigkeit, d. h. des Atheismus, hier giebt es Asketen,

*) Die Religion des Buddha und ihre Entstehung, von Karl Friedrich Koeppen. Berlin, F. Schneider, 1857.

1858.

Büßer, Heilige der Gottlosigkeit, die eine Sprache religiöser Salbung, mystischer Verzückung und Andacht reden, wie wir fie ähnlich nur in den monotheistischen Religionen finden. Dies ist keine Nebertreibung, keine böswillige Konjektur, sondern ganz objektives, auf zahlreichen Quellen beruhendes Ergebniß. Wenn wir oben sagten, daß Einem bei näherem Eingehen in diese Anschauungen anfangs im Hirne schwindele, daß man von Staunen ergriffen werde über das, was doch Alles zu denken möglich sei, so wird das nun wohl im Allgemeinen gerechtfertigt sein.

Nichtsbestoweniger läßt sich diese Erscheinung erklären und größtentheils verstehen, wenn wir auf die geschichtlichen Voraussetzungen zurückgehen, auf denen der Buddhismus beruht. Er ist eine natürliche Folgerung aus früheren Zuständen, eine durch Umstände bedingte Weiter-Entwickelung des Brahmanenthums.

Die aus dem Nordwesten eingedrungenen arischen Inder hatten im Laufe der Zeiten bedeutende geistige Entwickelungen durchgemacht; während die rohen, thierähnlich lebenden schwarzen Urbewohner, außer Recht und Gefeß gestellt, als ein verworfenes, verabscheutes Geschlecht lebten, gliederten sich die Eroberer in die Kasten der Brahmanen oder Priester, der Ksatrijas oder Krieger und der Vacsjas oder Gewerbetreibenden. In dem Aberglauben eines Volkes, das für Geschichte und positive Ueberlieferung durchaus keinen Sinn besißt, wurde diese Scheidung in Kasten von einem göttlichen, prädestinirten Geseze abgeleitet, und die Brahmanen, die natürlich den größten Vortheil hatten, die erste Stelle zu behaupten, erfannen Mythen auf Mythen, um das Verhältniß der Kasten auszudrücken und ihren Ansprüchen die Form einer göttlichen Offenbarung zu geben. Manu's Gesetzbuch machte endlich diese lange traditionell fortgepflanzten Zustände legal. Die Menschen, die in Indien leben, sind demnach in Kasten eingepfercht, die dem Einzelnen eine Individualität geben, welche von der des Anderen verschieden ist, wie die der Thiergattungen von einander; wie ein Esel nie zum Pferde werden kann, so ein Mann der niederen Kasten nie zum Ksatrija oder Brahmanen. Um diese unnatürlichen Scheidewände aufrecht zu erhalten, war es natürlich nöthig, das religiöse Gefühl vorzugsweise zu benußen und eine Religion aufzustellen, die durch die Schrecken und Qualen ihrer Hölle die Gemüther in Schranken hielt. Alles ist in dem Brahmanenthum darauf berechnet, den Menschen durch eine Unzahl ritueller Vorschriften, durch Fingirung von Verfündigungen, durch Bestimmung von Bußen und Kasteiungen u. s. w., so zu beschäftigen und im Zaume zu halten, daß er zu einer selbständigen Denkthätigkeit gar nicht gelangen kann. „Vom ersten Athemzuge bis zum lezten Pulsschlage“, sagt Herr Köppen sehr richtig, „sind Geist und Körper des gläubigen Hindu mumienhaft in religiöse Sagungen eingeschnürt und an jeder freien Regung und Bewegung gehindert. Sein Schicksal, sein Beruf, feine Beschäftigung, Alles, was er zu thun und zu lassen hat, sind ihm bis ins geringfügigste Detail positiv vorgezeichnet; die einzige Tugend, die es für ihn giebt, ist mithin passive Unterwerfung und Geduld, und gewissenhafte, ängstliche, gedankenlose Erfüllung der unzähligen Vorschriften und Gebräuche, welche der Zufall der Geburt, oder, wie die Inder sprechen, das Gesez Brahma's, ihm auferlegt." Jede felbständige Entwicklung des Geistes ist eine Empörung gegen die göttliche Weltordnung.

Indeffen muß selbst der heiligste Eifer und die peinlichste Gewissenhaftigkeit daran verzweifeln, dem Geseze immer und vollkommen zu genügen; denn die Bestimmungen desselben sind so mannigfaltig, so unübersehbar, daß vieljährige Studien nicht hinreichen, um sie sich sämmtlich einzuprägen. Daher wird der Inder, vor allen der ungelehrte Laic, trog der angestrengtesten Sorgfalt, troß der pedantischsten Frömmigkeit und Förmlichkeit, fündigen und wieder fündigen; ja es kann in dem Leben eines gläubigen Hindu kaum einen Tag, eine Stunde geben, in welcher er nicht fürchten müßte, eine Sünde begangen zu haben. Denn hat er einen jener unzähligen Gebräuche unterlassen, oder bei deren Vollziehung einen Formfehler begangen, hat er bei den Opfern und Gebeten, beim Effen und Trinken,

Waschen und Baden auch nur ein Titelchen des endlosen Ceremoniells versäumt, so ist es Sünde. Noch größer aber ist die Gefahr der Verunreinigung. Der Bekenner des Brahma kann nicht den Fuß zur Erde sezen, nicht die Hand ausstrecken, nicht das Auge aufschlagen, ohne zu fürchten, verunreinigt zu werden, da es kein Ding in der Welt giebt, deffen Berührung unter Umständen nicht verunreinigen könnte. Denn nicht blos die Berührung eines Leichnams, eine Tschândâla u. f. w. verunreinigt, sondern auch das Betreten eines Ortes, wo Ueberreste eines Menschen oder Thieres, Knochen, Haare, Nägel, Unrath u. dgl. gelegen haben, der Gebrauch nicht gereinigter Gefäße, auch wenn sie rein zu sein scheinen, der Athem eines Menschen, der Branntwein getrunken oder Knoblauch, Zwiebeln u. dgl. gegeffen hat u. s. w. Jede, auch die unwissentliche Schuld und Befleckung, so lange sie nicht gefühnt ist, kann aber die Ursache werden, daß man bei der künftigen Wiedergeburt in eine niedrige Region, wenn nicht gar in die Hölle hinabsinkt, wenn man nämlich im Zustande der Sündhaftigkeit und Verunreinigung hinstirbt.

Zu einem solchen System der Moraltheologie mußte es folge rechter Weise ein entsprechendes System von Reinigungen, Sühnen, Bußen und geistlichen Strafen geben. Auch hierin hat das brahmanische System das denkbar Möglichste des menschlichen Widersinnes geleistet. Die Sündenvergebung ist natürlich wieder nach den Kasten bemessen, so daß die höheren stufenweise besser und leichter wegkommen, die niedrigsten am schlechtesten. Kuhharn und Kuhmist sind die einfachsten Sühn, und Reinigungsmittel, welche dann bis zu den raffinirtesten Folterungen und Qualen, bis zur Selbsttödtung, sich steigern. Der Glaube, daß der Tod dieses Leben nicht endige, sondern vielmehr zu einer Fortseßung der Existenz führe, ist dem indischen Geiste so fest eingeprägt, daß ihm jeder Zweifel daran ganz unverftändlich scheint; seine rastlos thätige, Alles ins Ungeheure ausspinnende Phantasie hat ihm das Diesseits, welches er nur im halbwachen Zustande schaut, und das Jenseits mit seinen endlosen phantastischen Metamorphosen so in Eins verwebt, so unterschiedlos zusammengemischt, daß der physische Tod kaum für ihn da zu sein scheint. Der Tod ist für den Abendländer eine dunkle Pforte, die zu einem unbekannten Lande, zu namenlosen Zuständen, ja vielleicht, wenn er zwei felt, zu einer ewigen Vernichtung führt, gegen die fein ganzes Sein sich empört und von Schauer durchbebt wird. Ganz anders beim Hindu; je mehr für ihn das diesseitige Leben ein Traum ist, desto mehr wird das von seinen Priestern ausgeklügelte und phantastisch ausgebaute Jenseits eine Wirklichkeit; er kann, wenn er will, alle Himmel und Zwischenstationen auf dem Wege zu Brahma an den Fingern herzählen; er weiß, mit welchem Gotte er in dieser oder jener Himmelszone Bekanntschaft machen wird, wie es da, wie es dort aussehen wird; kurz, der Zweifel an dem Jenseits kann bei der überschwenglichen Fülle scheinbar konkreter Vorstellungen gar nicht auf kommen; er wird erdrückt. Wie könnte das Alles so genau und ausführlich, so schön und prächtig beschrieben werden, würde der Inder sagen, wenn es nicht wirklich so wäre, wie unsere Priester erzählen? — Und woher weiß man das? Natürlich von denen, die dort gewesen find; von denen, die auf Erden wiedergeboren wurden, nachdem sie vielleicht dreitaufend Wandlungen durchgemacht. Der Hindu hat Der Hindu hat nicht einmal Verzückungen heiliger Büßer nöthig, um zu erfahren, wie es im Himmel und in der Hölle aussieht. (Schluß folgt.)

Dalmatien.

Die Poglizza, nach Ida v. Düringsfeld und D. v. Reinsberg. ,,Aus Dalmatien“, so nennt sich ein Buch über das slavische Littorale Desterreichs, das wir jedoch nicht zu der gewöhnlichen Touristen - Literatur zählen dürfen.o) Aus der poetischen Feder einer Frau und aus der wissenschaftlichen Feder ihres Gatten hervorgegangen, vereinigt dieses Buch in unterhaltender Abwechselung das Schöne mit den Nüßlichen, Schilderungen der gegenwärtigen, sozialen, materiellen und geistigen Zustände des Landes und historische Forschungen in den Jahrbüchern seiner Vergangenheit. Frau Jda v. Düringsfeld, die Dichterin vieler deutschen und die Ueberseherin vieler fremden Lieder, die Verfasserin von drei Bärden,, Reiseskizzen" aus der Schweiz und aus Italien (Bremen, 1850-1851), hat jezt diese Schilderungen durch drei neue Bändchen vermehrt, welche das bisher von Touristen wenig besuchte Dalmatien zum Gegenstand haben, und dazu hat ihr Gemahl, der unseren Lesern durch mehrfache schäzbare Beiträge zur flavischen Literatur bekannte Freiherr von Reinsberg, nicht bloße ,,Anmerkungen", wie er sie bescheiden nennt, sondern recht reichhaltige, wissenschaftliche Erkurse zur Erläuterung und Belehrung geschrieben. Von der Einfahrt des Dampfbootes, auf dem die Reisenden von Triest abgegangen waren, in den großen Quarner, bis zu ihrer nach Jahr und Tag erfolgten Heimkehr aus Ragusa begleitet die gründliche, mit

*),, Aus Dalmatien. Ben Ida v. Türingsfeld. Mit Anmerkungen von Otto, Freiherrn von Reinsberg - Düringsfeld. 3 Bre. Prag, G. Bellmann, 1857.

allen Hülfsquellen in deutscher, romanischer und slavischer Zunge vertraute Forschung des Gatten die bunten Skizzen der Verfasserin. Das Buch mag vielleicht, wie Frau v. Düringsfeld in der Einleitung sagt, zufällig so entstanden sein, wie es hier mit seiner touristischen und seiner wissenschaftlichen Abtheilung vorliegt. Wir möchten es jedoch allen künftigen Darstellern wenig oder viel besuchter fremder Länder als Muster empfehlen, da es in der That das,, utile dulci" in einer überraschenden Weise bietet.

Wir wählen, um eine Probe der Darstellungsweise der Verfasserin und der Erläuterungsweise des Frhrn. v. Reinsberg zu geben, aus den dreiundvierzig Skizzen des Buches, die von ebenso vielen wissenschaftlichen Erkursen begleitet sind, die Schilderung der,, Poglizza“, die freilich ausnahmsweise Frau v. Düringsfeld, als Baron v. Reinsberg, vom historischen Standpunkte betrachten:

1.

Wenn einer der Spalatriner Possidenti sagt: er habe Ländereien in der Poglizza, so meint er damit einen Landstrich mit zwölf Gemeinden, welcher von Salona bis zur Cettina und vom Kanal der Brazza bis Dugopolje geht. Wer vom Anfang des eilften Jahrhunderts bis zum Anfange des neunzehnten die Poglizza nannte, der bezeichnete mit diesem Namen eine der Kolibri-Republiken des Mittelalters.

Sie entstand auf eine patriarchalische Weise. Drei Brüder aus der bosnischen Familie des Grafen Miroslav verlassen, innerer Unruhen wegen, ihr Land und kommen über die Cettina. Sie finden am Fuße des Mossor Boden zum Wein- und Delbau. Sie theilen ihn und lassen sich nieder. Die Familien Tisimir, Kresimir und Elemo bilden sich, und der bosnische Adel in der Poglizza ist gegründet. Die da bei ihm Schuß suchen, wachsen allmählich zum Volke an.

Dann kommen ungarische Edelleute in das Land, und eine zweite Partei ist da. Aber darum kein Zwiespalt. Die Bosnier und die Ungarn versammeln sich auf einem Landtage und geben sich selbst und dem Volke Gefeße.

Jedes Jahr am Tage Sanct Georg erscheinen auf einer Wiese unterhalb Gradaß am Fuße des Mosfor, gefolgt von ihren Edelleuten, die zwölf Grafen der zwölf Gemeinden. Ein Mann in prächtiger Kleidung erhebt sicher ist der Großgraf. Er trägt die Jetscherma aus violettem Tuch mit goldenen Schnüren und silbernen Knöpfen, ebenso verziert die Dolama, die seidene Leibbinde, ungarische Beinkleider, an der Seite den Säbel, über Allem den rothtuchenen Mantel, auf dem Haupte, endlich den schwarzsammetnen Kalpak mit einer Feder und goldenen Quasten. Diesen nimmt er ab, dankt für das Zutrauen, welches ihm geworden, rühmt sich, daß er es gerechtfertigt. Ein Jahr hat er die Poglizza regiert. Es ist um. Er nimmt die Schlüffel zu dem Kästchen, welches die Privilegien und Geseze der Republik enthält; dem Kanzler sie übergebend, bittet er diesen, vor Aller Augen die kostbaren Urkunden nachzuzählen. Ohne es zu thun, giebt der Kanzler dem bisherigen Oberhaupte die Schlüssel zurück. Der Graf reicht sie nun dem Vikar der Kirchen in der Poglizza dar, und der Vikar empfängt sie. Zum zweitenmale nimmt der Graf das Wort, bittet um Verzeihung, wenn er geirrt oder Unrecht gethan, versichert, daß es nicht aus bösem Willen, sondern nur aus menschlicher Schwäche geschehen, erbietet sich zum Ersaß und ersucht den Staat, über ihn und sein Vermögen zu verfügen. Der Vikar antwortet, tadelt und lobt, schlägt vor und dankt. Die Versammlung scheidet sich in zwei Theile. Die Bosnier bleiben, die Ungarn gehen. Diese haben den General-Capitain und zwei Prokuratoren, Jene zwei andere und den Großgrafen zu wählen. Die Stimmen werden gezählt; sind sie gleich getheilt, entscheidet die des Vikars. Die Ungarn senden einen aus ihrer Mitte: aus welchem Adel haben die Bosnier den Großgrafen gewählt? Der Pristar, der älteste Graf aus dem bosnischen Commiz, überbringt dem ungarischen den Namen des Gewählten und zugleich die Bitte um Bestätigung der Wahl. Die Ungarn und Bosnier vereinigen sich aufs neue, und gemeinsam übergeben sie dem Pristar das Archiv, damit er, begleitet vom Vikar, es zu dem neuen Großgrafen trage.

So verwaltete die Poglizza sich, bis die Könige von Ungarn kamen. Dann geschah in ihr, was im ganzen Lande geschah. Das Primat ging den bosnischen Edelleuten verloren und über auf die ungarischen, von denen zwei als Bane regierten. Zweihundert Jahre später vermittelte Spalato die Unterwerfung der Poglizza unter Venedig, und die Großgrafen wurden neununddreißig Jahre lang aus den edlen Spalatriner Familien gewählt.

Aber Doimo Papali war zu streng. Indem man ihn nach Spalato zurücksandte, versuchte man mit der abermaligen Wahl eines Ungarn zu den alten Gebräuchen zurückzukehren, ein Versuch, der mißlang. Ein Staat entwächst seinen Gebräuchen, wie ein Mensch seinen Spielen entwächst. Die Poglizza mußte sich verändern. Sie buchstabirte das Alphabet der kleinen Freistaaten durch, und zugleich

theilte sie das spezifisch dalmatische Schicksal des Schwankens. Wenn fie fich dabei bisweilen zum Halbmond hinüberneigte, so war es nicht ihre Schuld: der Löwe war zu fern, um sie mit seinen Mähnen vor dem verderblichen Lichte zu schüßen, welches in der gefährlichsten Nähe glänzte. Den großen Kampf Venedigs gegen den Türken kämpfte fie muthig mit, und was sie sich erkämpfte, war der Sieg.

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Sie hatte Helden genug zum Siege. Um sie zu feiern, bedarf Kacić drei ganzer Lieder. Der gefeierteste von allen ist Marco Sinovčić aus Dubrava. In venetianische Dienste getreten, verläßt er sie, vom Frieden gelangweilt, um in Deutschland den Krieg zu suchen. Erst als Kandia belagert wird, kehrt er zurück. General der Reiterei, ist er so tollkühn der Erste, daß binnen wenigen Tagen sechs Pferde unter ihm erschoffen werden. Mit dem leßten stürzt auch er und fällt, verlassen durch die Flucht der Seinen, in die Gewalt des Wesirs. Er wird geheilt und versucht, — ein Paschalik soll seinen Abfall bezahlen. Wer erräth es nicht, daß der Sinovčić nicht erst zu widerstehen, sondern nur zu verachten braucht? Die nächste Versuchung erheischt Widerstand der Sinovčić leistet ihn. Umsonst bietet ihm Achmed feine wunderschöne Tochter zur Gemahlin, umsonst auch läßt er ihn die Vorbereitungen zur augenblicklichen Hinrichtung sehen; der Sinovčić bleibt Held. Nach dreizehn Monaten kommt eine Nacht, die dunkler und günstiger ist, als andere Nächte. Der Sinovcić wird ein Hirsch, der flieht. Wohin? Wohin anders als zurück nach Kandia, zurück in die Gefahr, zurück zu den Brüdern. Sein Kopf ist nun für jeden Türken, der ihn bringt, zehntausend Realen werth; aber kein Türke bringt dem Wesir Achmed den Kopf des Sinovčić. Der Friede wird geschlossen, Marco von Venedig zum Baron von Novaco in Jstrien, vom Kaiser Leopold zum General der kroatischen Reiterei ernannt. Er folgt dem Rufe des Kaisers und stirbt. Was das Türkenschwert nicht vermocht, das thut die Krankheit. Noch einmal bligt die Poglizza in die große Geschichte herein. Venedig hatte sich begnügt, sie zu beschüßen. Ein Schußgeld und dreihundert Mann, um, that es Noth, die umliegenden Vesten zu besehen und die Kanonen auf den unfahrbaren Wegen fortzuziehen, das war Alles, was es von seinem kleinen Schwesterstaat verlangte. Desterreich hatte nicht Zeit gehabt, in Dalmatien an dem Alten zu rühren; da kam Frankreich und mit ihm das Neue. Auch die Poglizzaner fürchteten einige auslöschende Federstriche. Was den Russen in den Castellen nicht gelang, das gelang ihnen in der Poglizza. Sie regten sie auf, der Aufstand brach los und währte zwei Stunden. Die Flotte, welche mit dem Wind in ihren Segeln ihn angefacht, konnte nichts, als Flüchtende retten. Der Brand erlosch, die Asche blieb, die Asche der Dörfer und der Gärten. Drei Tage lang bestraften die französischen Soldaten die Poglizza, am vierten eilte Marmont herbei und gebot Einhalt. Er wollte nicht, daß, was vom Volke noch nicht geflohen war, verjagt werde; er begnügte sich damit, alle Mitglieder der Regierung, sobald man ihrer habhaft werden könne, zum Tode zu verurtheilen. Dann wurde die Grafschaft zwischen die Distrikte von Spalato, Almissa und Sign getheilt die Poglizza war gewesen. Dieses Mal hatten die Poglizzaner nicht, wie unter Georg Pavich bei Zacučaz, mit Stolz die bleichen Gebeine ihrer gefallenen Feinde zu zeigen.

II.

Poglizza (von polje, Feld, Ebene) hat einen Umfang von gegen 40 Miglien, ist troß ihres Namens nichts weniger als eben und zählt über 6000 Bewohner, die sich nicht sowohl durch Sitten und Tracht, als durch größere Thätigkeit und Sparsamkeit unter den Morlacchen auszeichnen. Die ungarischen Edelleute, welche sich Didiči nannten und höher dünkten als die bosnischen, weil deren Vaterland kleiner sei als ihres, waren weniger zahlreich als diese. Beim Falle der venetianischen Republik gab es nur noch fünf Familien mit ihren verschiedenen Linien; die Pavich, Geroncich, Barich, Novacovich und Sinovcich. Die Bobetich, einst eine der ersten Familien, waren für immer aus dem Adelsstande gestrichen worden, weil ein Glied derselben eine schöne junge Poglizzanerin einem in fie verliebten Türken in Cliffa verrätherisch überliefert hatte. Mehrere andere Familien, wie die Marianovich, Gelich, Antonovich und Franichicvich, waren, als unter der Regierung des Niccolò Sudgich und heimlich begünstigt von ihm so ernste Streitigkeiten mit dem bosnischen Adel ausbrachen, daß sie in offene Feindseligkeiten ausarteten, 1570 ausgewandert, und hatten sich die ersteren in Spalato, die leßteren drei in Almissa niedergelaffen. Ein Ducale des Aloiso Mocenigo vom 6. Juni 1570 hatte ihnen nicht nur vollkommenes Wohnrecht im ganzen venetianischen Gebiet, sondern auch Steuerfreiheit, den Patriziertitel und Zulassung zu allen Aemtern bewilligt.

Die bosnischen Edelleute zählten gegen 100 Familien, zu deren vornehmsten die Stazich, Simunich, Giovannufich, jezt Giovannizio in Spalato, und Juricich, jest Giuriceo in Castel nuovo bei Traú, gehörten.

Das Volk bestand aus Freien und Leibeigenen (kmeti). Legtere bebauten mit ihren Familien die Felder der Edelleute, zahlten diesen Abgaben, hingen ganz von ihren Herren ab und durften ohne deren Erlaubniß sich weder vom Dorfe entfernen, noch sich freikaufen. Bei Schuldforderungen an Edelleute wurden deren Leibeigene aus Haus und Besig gejagt. Gelang es einem Leibeigenen, auch nur eine Nacht bei einem andern Herrn zuzubringen, ohne von seinem alten Herrn zurückgefordert zu werden, so verlor dieser sein Anrecht an ihn, und jener bekam es.

Frei waren die, welche durch ihre Geschicklichkeit ihr Leben verdienten. Sie durften, wie die Edelleute, bewaffnet gehen, und die Waffen selbst waren, sogar bei Schulden, unantastbar.

Die Gefeße der Poglizza waren sehr streng. Diebe wurden gesteinigt, Straßenräuber wurden enthauptet und ihre Häuser niedergerissen, ihre Kleider und Güter den Anverwandten zugesprochen. Landesverrath durch Wort und That wurde mit dem Tode bestraft, ebenso Ehebruch, und Mädchenraub hatte, laut einem Geseze vom 10. Februar 1605, die Einziehung der Güter des Räubers und aller seiner Helfer zur Folge.

Die zwölf Grafen (knezi) waren in ihren Dörfern Richter in erster Instanz und hafteten mit ihrer Person und ihrem Vermögen für die pünktliche Befolgung der Landesgeseße.

Der Großgraf (veliki knez) urtheilte mit seiner Bank in leßter Instanz, entschied in Kriminalfällen über Leben und Tod und wachte über Alles, was das Interesse der Gesellschaft anbetraf. Seine Würde wurde später durch wiederholte Bestätigung fast lebenslänglich.

Der Vikar stand an der Spiße der Geistlichkeit, welche in der Poglizza so außerordentlich zahlreich war, daß fast jede Familie einen, oft auch mehrere Priester hatte. In ihrer Kleidung unterschieden sich indessen diese Geistlichen wenig von den übrigen Bewohnern, und nach der Messe, welche sie in slavischer Sprache und aus glagolitischen Kirchenbüchern hielten, griffen sie gleich den Anderen zu Hacke und Pflug. Ihre Bildung, welche sich auf wenig mehr, als glagolitisch Lesen und Schreiben beschränkte, erhielten sie auf Kosten der betreffenden Familien im Seminar zu Priko bei Almissa, welches später mit dem in Zara vereinigt wurde. Diesen vielen Priestern ist es hauptsächlich zuzuschreiben, daß in der Poglizza der Unterricht etwas weniger verwahrlost und Ackerbau, Garten- und Obstkultur zu höherer Blüthe gelangt sind, als in den benachbarten Distrikten.

Die Poglizza unterwarf sich am 2. Februar 1444 › freiwillig Venedig.

Georg Sinovcich war der erste Großgraf, welcher sich vom Sultan bestätigen ließ und zugleich von ihm zum Herzog ernannt und mit vielen Privilegien begnadigt wurde. Aber diese Auszeichnung verdächtigte ihn. Er wurde abgesezt und sein zweiter Nachfolger, Georg Pavich, trat 1647 wieder unter den Schuß Venedigs. Beim Ausbruch des fandianischen Krieges waren die Poglizzaner die Ersten, welche die Waffen ergriffen und die Türken aus ihrem Lande verjagten. Um sie zu strafen, rückte ein 6000 Mann starkes Heer unter Pascha Muhamed Topan 1649 über die Zrnovica. Vergeblich wandten fich die Poglizzaner an Venedig, um den versprochenen Schuß, nur die befreundeten Bewohner der umliegenden Ortschaften halfen ihnen, und so brachten sie gegen 1000 Mann zusammen, mit denen sie sich in ihre Berge zurückzogen. Greise, Frauen und Kinder fanden in den Schlupfwinkeln des Moffor und Dinara Sicherheit vor den Türken, welche die Dörfer, Felder und Wälder zerstörten und die Bewohner, die nicht geflohen waren, spießten. Eine auserwählte Schaar von 200 Mann unter Stephan Bobetich, dem Wojwoden Georg Kulišich und dessen Anverwandten Peter Kulišich überfiel den Feind, wo es nur ging, oder lockte ihn scharmüßelnd in die Schluchten des Gebirges in den Hinterhalt ihrer Kampfgenossen. Immer muthiger durch die Erfolge, griffen endlich am 27. März 1649 die Poglizzaner unter der Anführung ihres Großgrafen Georg Pavich die Türken in der Ebene an, warfen sie und verfolgten sie mit solchem Ungestüm, daß die meisten der noch übrigen Türken in dem 200 Fuß tiefen Abgrund, mit welchem die Hochebene über dem Dorfe Zacucaz plöglich endigt, ihren Tod fanden. Mit gleichem Muthe wurde am 2. Juli 1686 ein türkisches Heer geschlagen, das in die Poglizza eingedrungen war.

Das Schußgeld an Venedig betrug 3000 dalmatische Lire, oder 250 Gulden österreichisch, jährlich.

Als die Ruffen im Dezember 1806 die Insel Brazza besezten und nun Alles thaten, um die Bewohner der gegenüberliegenden Küfte gegen die Franzosen aufzuwiegeln, griffen die Poglizzaner zu den Waffen. Sie überfielen am 6. Juni ein kleines französisches Kommando auf dem Durchmarsch durch eines ihrer Dörfer, versuchten, obwohl ohne Erfolg, am17. die Franzosen aus Stobrez zu vertreiben, und beseßten in der Nacht vom 7. zum 8. Juni eine militärisch wichtige Position, welche die Straße nach Almissa beherrscht. Die russische Flotte, zehn bis zwölf Segel stark, legte sich an die Mündung der

Žrnovica vor Anker und schiffte gegen 400 Soldaten aus. Als aber am 8. die Franzosen die Poglizzaner mit Uebermacht angriffen und nach tapferer Gegenwehr zur Flucht zwangen, zogen sich auch die Ruffen, ohne einen Schuß gethan zu haben, auf ihre Schiffe zurück und gaben die Poglizzaner, welche nicht fliehen konnten, den Franzosen preis, welche von Dorf zu Dorf zogen und Alles vernichteten, was nicht mitzunehmen ging. Nur fünf Dörfer, welche nicht am Aufstand Theil genommen, blieben verschont und dienten vielen Unglücklichen zum Zufluchtsort. Marschall Marmont eilte aus Zara herbei, endete das Plündern und Morden, und erlaubte den Flüchtigen, ungehindert in ihre Wohnungen zurückzukehren. Nur der Großgraf mit sieben Grafen, dem Woiwoden, Kanzler, Vikar und vier anderen HauptAnstiftern des Aufruhrs follten, laut eines Befehles aus dem Hauptquartier Gatta, vom 13. Juni, erschoffen, ihre Güter sollten konfiszirt und die Häuser des Großgrafen Covich in Gatta, des Conte Marco Sizich in Oftarica, des Wojwoden Veronsich und Conte Giovanovich in Poftrana, und des Kanzlers Maraffovich dem Boden gleich gemacht

werden.

Quellen: La Poglissa da P. Franceschi. (La Dalmazia II, 6. 12. 19. 22. 46. 50. III, 3. 9. 15. 22.)

Storia della Poglizza da Carrara. Mss. des Verfassers. Memorie degli Avvenimenti successi in Dalmazia dopo la caduta della Repubblica Veneta di G. Cattalinich. Spalato 1841. pg. 112. sp.

Србско далматинскй магазин (Srbsko-dalmatinski Magazin) 1847. pg. 57 sp.

Pravdonosa 1851 n. 28. 30. 32. 34. 36. 37; 1852 n. 2. 5. 8. 13. 15. 16. 18.

Frankreich.

Die Einheißer - Bande.

Einem neuen französischen Pitaval, den „,Causes célèbres de tous les peuples", von A. Fouquier, entlehnen wir nachstehende Geschichte der Einheißerbande (Bande de Chauffeurs), die von dem berüchtigten, im Jahre 1785 gehängten Poulailler organisirt, durch die entseglichsten Frevel, in Mord, Raub und Brandstiftung mit beispielloser Kühnheit und haarsträubender Grausamkeit verübt, eine Reihe von Jahren, besonders unter ihrem Hauptmann, dem schönen Franz", die ländliche Bevölkerung des jeßigen Loiret-Departements in Angst und Schrecken segte. Den Namen „Einheißer“ hatten sie von der erfinderischen Marter, die sie gegen die Unglücklichen anwandten, denen fie das Geständniß, wo sie ihre Baarschaft verborgen, erpressen wollten. ,,Papa Elouis", ein hoher Achtziger, mit ehrwürdig grauem Barte, rothen vollen Wangen, stahlblauen, blißenden, kleinen Augen, einer der Wildesten und Blutdürftigsten der Bande, giebt den Jüngern in gräßlich launiger Sprache die Lehre:,,Sehet, Kinder, wenn unser Männchen nicht plaudern will, so zündet ihm ganz sachtchen ein Strohbündel zwischen den Beinen an, und löst ihm das nicht die Zunge, so last ihm mit einer Gabel an der Fußsohle zur Ader und bähet ihm hübsch die Stelle. Muß schon hartgesotten sein, wenn er das aushält, ohne die Moneten von sich zu geben. Sind es junge Eheleute, heizt mir ja dem Manne vor der Frau oder der Frau vor dem Manne ein; wahrlich, nicht immer wird es der Eingeheizte sein, der zuerst das Maul aufthut." Und diese gräßliche, auf Kenntniß des menschlichen Herzens gegründete Theorie, wurde von den Unmenschen praktisch angewendet. Sie hatten ihre Zwischenhändler und Hehler, die Franken genannt, in allen Städten und Dörfern ihres Gebiets, besonders waren alle Abdecker auf dem Lande im Einverständniß mit ihnen. Bei dem Abdecker zu Gueuderville, der eine abgelegene Wohnung in einem Garten besaß, kamen fie in einem unterirdischen Schlupfwinkel zusammen, um hier ihre Beute zu theilen, ihre Orgien zu halten u. s. w. Auch an einem Priester fehlte es der Bande nicht! Ein ehemaliger Maurer aus der Normandie, ein ausgedienter Räuber, Lejeune, leitete im Priester-Ornat den Gottesdienst, las die Meffe, verrichtete die Gebete unter Zoten und Flüchen der kirchenschänderischen Gemeinde.

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Die Beschreibung einer Vermählungsfeier unter ihnen ist ihrer Seltsamkeit wegen zu erwähnen. Le Rouge d'Auneau wollte die,,schöne Victoria", eine würdige Genoffin der Mordbande, heiraten. Als die Hochzeitsgäste versammelt waren, nahmen der Hauptmann, der schöne Franz", und sein Lieutenant, Chat Gautier, jeder einen Stock und stellten die beiden Stöcke drei Fuß hoch von der Erde unter einem Winkel an einander. Le Rouge d'Auneau, à l'incroyable herausgepugt, mit seiner Exekutivmacht, einen gewaltigen, gewundenen Stock in der Faust, führte gar zierlich die schöne Victoria" herbei. Cumpenkerl, willst du das Lumpenmensch?" redete ihn einer der ältesten Banditen mit der stehenden feierlichen Formel an. - „Ja, Lumpenfer!!" antwortete der Bräutigam. ,,Lumpenmensch, willst du den

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Mannigfaltiges.

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Bilder aus Ungarn und Siebenbürgen. Wir können heute des von Frau v. Düringsfeld und Herrn v. Reinsberg herausgegebenen Werkes über Dalmatien (der besten Schrift über dieses Land, die es bis jest in deutscher Sprache giebt) nicht erwähnen, ohne zugleich zu bemerken, daß der soeben in zwei Abtheilungen erschienene dritte Band des „Vaterlandsbuch" von Vogel, Wenzig und Körner, welcher Ungarn und Siebenbürgen umfaßt, auch die von zahlreichen Illustrationen begleiteten Bilder aus Dalmatien" enthält. °) Ungarn wird hier nach seiner malerischen wie nach seiner ethnographischen Seite hin vollständig geschildert. Von der Adelsversammlung auf der Rakos-Ebene bis zum neuesten Empfange des Kaisers Franz Joseph in Preßburg, vom heiligen Stephan bis zu Held Zriny, von dem alten türkischen Bade zu Ofen bis zur neuen Kettenbrücke, von der trefflich gezeichneten Bärenjagd in den Karpathen bis zu dem Feftzuge der Siebenbürger Sachsen, werden Abbildungen geliefert, während der Tert sich in den früher bereits an diesem Werke von uns anerkannten Gränzen einer strengen Objektivität erhält. Das Buch ist übrigens auf Befehl des kaiserlichen Ministeriums in sämmtlichen Lehr-Anstalten Oesterreichs eingeführt.

Nott's und Gliddon's Forschungen über die Menschen - Raçen.) Die rühmlichst bekannten Verfasser des 1854 erschienenen und mit allgemeiner Anerkennung aufgenommenen Werkes: ,,The Types of Mankind”, veröffentlichen unter untenstehendem Titel eine zweite umfangreiche anthropologische Schrift, welche sich jener in würdiger Weise anschließt. Dieselbe ist keine zusammenhängende syftematische Arbeit, sondern besteht aus einer Reihe längerer Abhandlungen und fürzerer Mittheilungen europäischer und amerikanischer Gelehrten, vorzugsweise über anthropologische, ethnographische und hiermit in Verbindung stehende archäologische Themata. Die vergleichende Geographie findet hauptsächlich Berücksichtigung in den beiden Sectionen des legten Aufsages des ganzen Buches von G. R. Gliddon; die erfte deffelben enthält nämlich einen Kommentar über die Haupt-Unterschiede der verschiedenen Gruppen des Menschengeschlechts; die zweite handelt über die geographische Verbreitung der Affen in Beziehung zu derjenigen einiger untergeordneter MenschenRaçen. Jene ist begleitet von einem trefflich ausgeführten lithographirten Tableau von 54 menschlichen Portraits, diese von einer ähnlichen Tafel, enthaltend 54 Affen und sechs menschliche Köpfe. Es würde den uns hier erlaubten Raum weit übersteigen, wollten wir die ebenso interessanten als gelehrten Abhandlungen einzeln im Detail betrachten; wir müssen uns vielmehr mit der einfachen Anführung des Inhalts begnügen, woraus die Reichhaltigkeit und der wissenschaftliche Werth des Werkes zur Genüge hervorgehen wird: I. On the distribution and classification of tongues, their relation to the geographical distribution of races, and on the inductions which may be drawn from these relations; by Alfred Maury. II. Iconographic researches on human races and their art (mit 98 Holzschnitten und 9 lithographirten Tafeln); by Francis Pulszky. III. The cranial characteristics of the races of men (mit 78 Holzschnitten); by J. Aitken Meigs. IV. Acclimation, or the comparative influence of climate, endemic and epidemic diseases on the races of men; by J. C. Nott, M. D. V. The Monogenists and Polygenists, being an exposition of the doctrines of schools professing to sustain dogmatically the unity or the diversity of Human Races; with and inquiry into the antiquity of mankind upon earth, viewed chronologically, historically and palaeontologically; by G. R. Gliddon (mit 4 Holzschnitten). Der oben erwähnte Auffah desselben Verfaffers (A. Petermann's „Mittheilungen“.) schließt das Werk.

*) Vaterländische Bilder aus Ungarn und Siebenbürgen, der Woiwodina und dem Banat, Kroatien, Slavonien und der Militairgränze, sowie Dalmas tien. In Schilderungen aus Natur, Geschichte, Industrie und Volksleben. Herausgegeben von Friedr. Körner, Professor in Pest. Mit 135 in den Tert gedruckten Abbildungen und fünf Tondruckbildern. Leipzig, Otto Spamer, 1858. **) Indigenous Races of the Earth; or New Chapters of Ethnological Inquiry &c. By J. C. Nott and G. R. Gliddon. Philadelphia, 1857.

Hierbei Titel und Inhalt des 52sten Bandes.

Wöchentlich erscheinen 8 Nummern. Breisjährlich 8 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

3 6.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei
Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann,
Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Poft-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Donnerstag den 14. Januar.

Cousin's Philosophischer Spaziergang in Deutschland“. ")

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1. Das Debüt.

Es dürfte für jeden deutschen Gebildeten von Intereffe sein, die philosophische und literarische Bewegung in Deutschland nach dem im Jahre 1815 hergestellten Frieden, in dem damals jugendlich frischen Geiste eines Franzosen, wie Victor Cousin, wiedergespiegelt zu sehen. Begleiten wir ihn daher auf seinem Spaziergange und geben wir die Eindrücke, die er aufgenommen, auszüglich mit seinen eigenen Worten wieder.

1858.

Vertreter mir mindestens als Vorbereitung dienen zu einem pflichtund berufsmäßigen ernsten und vertieften Studium der berühmtesten Philosophie meiner Zeit.

Diese Erwartung hat mich nicht getäuscht. Auf meinem raschen Fluge durch Deutschland sah ich Dinge, die mich aufs lebhafteste an= geregt haben. Ich traf auf Männer, deren Wort meinen Geist bewegt und befruchtet hat; ich knüpfte Freundschaftsbande, welche die Zeit gefestigt und nur der Tod zerrissen hat. Ohne mich von irgend einer der Theorieen, die damals um den Vorrang stritten, befangen zu lassen, war ich doch im Stande, das Charakteristische derselben aufzufassen, das Schlachtfeld, die Truppenmacht, die Parteihäupter kennen zu lernen. Der Deutsche ist von Natur mittheilend und zutraulich: ein Pariser Professor, der drei- bis vierhundert Lieues macht, um Systeme zu untersuchen, die man in dem Vaterlande Condillac's und de Tracy's für Narrheiten hielt das überraschte und rührte. Ich hatte noch etwas für mich; ich war jung und unbekannt; man hatte kein Arg gegen mich; die einander schnurstracks entgegenstehenden Männer hofften diesen eifrigen und begabten Schüler, den ihnen Frankreich zusandte, für ihre Fahne zu werbeu. Unwiederbringlich verlorenes Vorrecht der Jugend! Da zeigt sich im zwanglosen Gespräch die Seele ohne Schleier, wie der Mensch den anderen Menschen noch für jungfräulich unbefleckt von störenden Vorurtheilen hält. Da thut dir jeder das Allerheiligste feiner Gedanken, das Innerste feines Glaubens auf, weil du selbst noch nicht das Zeichen einer verGeschiedenen Religion an der Stirn trägst! Heute, wo ich einen Namen habe, wo ich der Mann meiner Schriften und einer, wenn auch von aller Persönlichkeit möglichst fern gehaltenen Theorie bin - heute ist man schon auf seiner Hut vor mir; die Geister ziehen sich in ihre absonderlichen Ueberzeugungen zurück, die Herzen selbst schließen sich, und bittere Schadloshaltung für einen unsicheren Ruf! je be kannter ich in Deutschland bin, desto fremder bin ich darin geworden. Das Jahr hat nur Einen Frühling, das Leben nur Eine Jugend und auch unter den Gliedern der Menschheitsfamilie giebt es nur Einen flüchtigen Moment gegenseitigen unbedingten Vertrauens.

,,Seit dem Herbste 1815, wo ich Royer-Collard auf dem Lehrftuhl der Geschichte der neueren Philosophie gefolgt war und die Leitung der philosophischen Disputatorien in der Normalschule übernommen hatte, bis zu Ende des Schuljahres 1817, kam ich keinen Tag zu Athem. Die Obliegenheiten der beiden Lehrämter hielten Geist und Gemüth in unablässiger Spannung. Nach zwei Jahren wurde mir eine Erholung dringendes Bedürfniß. Ich beschloß, meinem Geifte Urlaub zu geben und die eingetretenen Ferien zu einem Ausflug in die Welt zu benußen. Ein fünfundzwanzigjähriges Pariser Kind, war ich noch nicht aus den Ringmauern der großen Stadt gekommen. Die äußersten Punkte, die bis jezt meinen Gesichtskreis beschrieben, waren Sceaux, Versailles, Montmorency, Vincennes. Der bloße danke an eine Reise war ein Fest für meine Einbildungskraft.

Aber wohin? Das kostete keine lange Ueberlegung. Ich wollte mich ja zerstreuen, ohne deshalb die Zeit ganz zu vergeuden, und diese meiner Gesundheit nöthige Erholung auch für meine Studien ausbeuten. Die Bäume allein und die Felder, wie Platon sagt, wollten mich nichts lehren; ich brauchte Menschen und Philosophen. Das schöne Italien genügte mir nicht, und so hatte ich nur die Auswahl zwischen Schottland und Deutschland. Allein zwischen Edinburg und mir streckte sich das Meer, vor dem meiner Brust und meiner Mutter bange war, während Deutschland vor meiner Thür lag. Ueberdies, offen gestanden, hatte ich nachgerade an der schottischen Philosophie genug. Nachdem ich sie unter Royer-Collard studirt und später selbst gelehrt hatte, war Reid mir so geläufig, wie meine Fibel, und die Werke Dugald Stewart's, den allein ich in Edinburg angetroffen hätte, konnte ich am Schnürchen hersagen. Meine Blicke wandten sich daher seit einiger Zeit nach Deutschland, deffen Philosophie, lange auf germanischem Boden zurückgehalten und von Frankreich durch den Krieg getrennt, jezt zuerst die europäische Bühne betrat. Ich hatte mich in den von Born ins Lateinische überseßten Kant vertieft, und mehr denn Ein Bliß zuckte mir aus dieser Nacht in die Augen. Ich wußte Deutsch genug, um die Stellen in der Ueberseßung, die mich am lebhaftesten berührten, mit dem Original zu vergleichen, und so war ich im Stande, während des Jahres 1817, meinen Zuhörern von der Kritik der reinen Vernunft und der Kritik der praktischen Vernunft einen ungefähren Begriff zu geben. Ich hatte mit meinem DeutschLehrer einige Stellen in Fichte's Schriften gelesen und aus dem Groben überseßt; die anderen deutschen Philosophen der Zeit kannte ich nur aus den oberflächlichen Auszügen de Gerando's, den flüchtigen Ueberschauen Ancillon's und den nebelhaft glißernden, geistreichen Plaudereien der Frau v. Staël. Ich brannte vor Verlangen, diese Philosophen in der Nähe zu sehen. Ich schmeichelte mir keinesweges, fie gründlich verstehen zu können und ihre transscendente Philosophie wie im Fluge zu haschen. Ich nahm mir nicht einmal vor, diese wirklich zu studiren; ich wollte ja nicht arbeiten, ich wollte nur promeni ren; indeß schien es mir, als müßte ein Aufenthalt von mehreren Monaten auf dem Boden und mitten unter den Sitten und den mannigfaltigen Ideen, aus denen die deutsche Metaphysik hervorgegangen und der auch nur flüchtige Umgang mit einigen ihrer neueren

* Promenade philosophique en Allemague: Le Début et l'Epilogue. Par Victor Cousin. Revue des deux Mondes. Octobre. 1857.

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„In Frankfurt a. M. hatte ich einen Brief an den französischen Bevollmächtigten beim Bundestag, den Grafen Reinhard, einen gebornen Deutschen, der nach einer langen diplomatischen Laufbahn in französischen Diensten endlich in Frankfurt den Poften fand, der seinen Fähigkeiten und Neigungen zusagte. Er kannte Deutschland gründlich, stand mit den ausgezeichnetsten Männern seiner Zeit in Verbindung und mit Goethe im Briefwechsel. Geschichte und Literatur waren zwar seine Hauptfächer; er interesfirte sich aber auch für die Philosophie. Wenn er überhaupt einer Schule angehörte, so war es die Kantische. Er kannte Kant persönlich und verehrte Jacobi; mit der ganzen neueren deutschen Philosophie, von Schelling anfangend, war er wenig vertraut, und sie erschien ihm sehr verdächtig. Ein treuer Freund der Freiheit und der französischen Revolution, liebte er ihre Prinzipien wie ihre Freunde. ́Das waren die Fäden zu einem Bande und, ich darf es sagen, zu einer Freundschaft zwischen uns, die mehr als Eine Probe bestand. Durch seine Vermittelung lernte ich Schloffer, Manuel, Passavant und Friedrich Schlegel kennen.

Fr. Schloffer war damals Bibliothekar der Stadt Frankfurt und Professor der Geschichte am Gymnasium. Er hat eine gelehrte Geschichte der Bilderstürmer geschrieben.") Er ist kein Historiker ersten Ranges, kein sehr origineller Kopf; die Philosophie ist überdies sein Fach nicht; da aber ein Geschichtschreiber von Allem Etwas wissen muß, so ist er ziemlich auf dem Laufenden mit dem Zustande der Philosophie in Deutschland, von der er mir ein Bild entworfen hat, das mich an der Schwelle leicht von der weiteren Reise hätte abschrecken können. Nach seiner Ansicht geht es mit der deutschen Phi

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