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jene

welche Art der,,President", der „Pacific" und die „, City of Glasgow" verunglückt sind, ist eine Frage, die Niemand beantworten kann. Einige glauben, daß sie auf Eisberge gestoßen sind Seegletscher, die sich von den Polen herabsenken und die wegen ihrer enormen Größe eben so gefährlich sind, als Granitfelfen, während fie in den Seekarten nicht angegeben werden können und sich überdies oft in dichte Nebel hüllen, so daß nur das plößliche Fallen des Thermometers ihre Annäherung verräth. Andere vermuthen, daß jene Schiffe während eines Orkans von den Wellen auseinander gerissen worden und so untergegangen sind. Wenn nämlich ein Fahrzeug von bedeutender Länge sich mit seinem Mittelpunkt auf den Rand einer enormen Woge stüßt, so hängen Vorder- und Hintertheil ganz frei, und der Druck ist dort so ungeheuer, daß das Schiff leicht entzweibrechen kann. Durch die heutige Bauart der Schiffe werden jedoch solche Unglücksfälle vermieden. Das Dampfschiff der Peninsular- und Oriental-Compagnie, die Nemesis", hat eine so außerordentliche Festigkeit, daß es schwer sein würde, es in Stücke zu schlagen. Die eisernen Fahrzeuge, die man jezt gebraucht, gehen auch beim Scheitern nicht so leicht auseinander als hölzerne. Der Post-Dampfer,,Tyne", der vor einem Jahre an einer felsigen Küste strandete, wurde nach einigen Monaten wieder flott gemacht, ohne daß man den Verlust eines Menschenlebens zu beKlagen hatte. Ferner versteht man es nunmehr besser, die SchiffsLadung nach einem richtigen Verhältniß zu vertheilen, und außerdem wird man die Post-Dampfer wahrscheinlich bald mit einem elektrischen Licht an der Mastspige versehen, was die Gefahr von Kollifionen im Dunkeln und bei Nebelwetter vermindern wird. Sollte Sollte übrigens der Versuch gelingen, den man jezt mit dem Leviathan" anstellt, so würde er einen vollständigen Umschwung in der Dampffchifffahrt hervorbringen.

Nord-Amerika.

Julius Fröbel's „Amerika“. Zweiter Band.*)

"

Karavanen-Justiz gegen die Mexikaner.

Es hatte während einer der Nächte, die wir in dieser Gegend zubrachten, gestürmt und geregnet. Bei Tagesanbruch wurde von der Wache gemeldet, daß ein werthvolles Pferd aus dem Corral verschwunden sei, und daß zugleich einer unserer mexikanischen Maulthiertreiber fehle, welcher nach aller Wahrscheinlichkeit mit dem schönen Thiere davongegangen. Der frisch gefallene Regen erlaubte es, die Der frisch gefallene Regen erlaubte es, die Spur mit Sicherheit zu ermitteln und ihre Richtung zu verfolgen. Es wurden Anstalten gemacht, dem Deserteur nachzusehen, der, wie sich bei näherer Untersuchung ergab, auch einige Koffer seiner Kameraden erbrochen und theilweise ausgeräumt hatte. Die nächsten menschlichen Wohnungen waren, mit Ausnahme des nicht weit abgelegenen Dörfchens Anton-Chice, etwa eine Tagereise entfernt. Der Dieb Der Dieb hatte aber, um sich und seinen Raub in Sicherheit zu bringen, die Straße, auf welcher wir gekommen waren, nach Las Vegas zurückgenommen, wo denn auch am folgenden Tage das Pferd, obschon durch einen unausgefeßten Galopp von vierzig bis funfzig Meilen fast zugrunde gerichtet, wieder erlangt wurde. Des flüchtigen Burschen konnte man nicht habhaft werden. Er hatte das Thier, welches einige hundert Dollar werth war, für fünf Dollar und eine wollene Decke verkauft.

Während wir noch mit den nöthigen Anstalten zur Verfolgung beschäftigt waren, wurde die Aufmerksamkeit der Reisegesellschaft auf einen merikanischen Jungen gelenkt, der zu unseren Maulthiertreibern gehörte. Man hielt es für wahrscheinlich, daß der Diebstahl vor sich gegangen, während er am Eingange des Corrals die Wache gehabt, und der Verdacht war nach dem vonseiten der Anglo-Amerikaner gegen Merikaner üblichen Verfahren hinreichend, um inquisitorische Gewaltmittel zu rechtfertigen. Es empörte sich mir das Herz, als man den Jungen entkleidete und an ein Wagenrad band. Ich war außer Stande, in diese Angelegenheiten einzugreifen, und als ein starker amerikanischer Fuhrmann mit einer Maulthierpeitsche heran. trat, ging ich auf die Seite, um nicht Zeuge des weiteren Vorganges sein zu müssen. Ich hörte jedoch, wie der junge Mensch aufgefordert wurde, zu gestehen, und nochmals seine Unschuld betheuerte. Jest fiel ein Peitschenhieb. Um der Liebe Gottes willen, Herr, schlage mich nicht!" "Sprich! gestehe!" Es fiel ein zweiter Hieb. Um des Lebens Deiner Mutter willen, Herr, schlage mich nicht!" Es fiel ein dritter Hieb. „Um der schönen Augen Deines Weibes willen, Herr, halt ein! ich will gestehen!" Der Junge erzählte nun, daß Der Junge erzählte nun, daß der Pferdedieb ihn mit dem Tode bedroht, wenn er ihn verrathe; daß er darauf allerdings während seiner Wache das Pferd durchgelassen und den Dieb habe durchreiten laffen ohne Alarm zu machen, daß er aber im Uebrigen nichts wisse und an keiner weiteren Schuld Anheil habe.

*) Vgl. Nr. 44 u. 46 des,, Magazin “.

Dergleichen Dinge fommen in den nordamerikanischen HandelsKaravanen, bei denen Merikaner im Dienst sind, nicht selten vor, und man kann sagen, daß sich diese Menschen unter den Anglo-Amerikanern in der That in einem Zustande der Rechtslosigkeit befinden. Sie werden von den Führern der Karavanen Disziplinarstrafen unterworfen, die weder nach den Gefeßen der Vereinigten Staaten, noch nach denen der mexikanischen Republik erlaubt sind; denn man irrt sich sehr, wenn man glaubt, daß in Meriko das Gefeß dem Dienstherrn ein Recht der körperlichen Züchtigung über seine Peonen einräume. In der Regel ist für das merikanische Opfer anglo-amerikanischer Gewaltthätigkeit kein richterlicher Schuß zu finden. Der entfernteste Versuch, mit einem als Arbeiter gedungenen Anglo-Amerikaner so zu verfahren, wie mit Merikanern auf der Reise und in den Gränzgegenden so häufig verfahren wird, würde unfehlbar den augenblicklichen Tod deffen zur Folge haben, welcher den Versuch wagen sollte, und so lange die Merikaner im Verkehr mit anglo-amerikanischen Dienstherren nicht ihr Leben daran sehen, ein Attentat gegen ihre Ehre und Freiheit auf die gleiche entscheidende Art zurückzuweisen, werden sie vor solcher Behandlung nicht sicher sein. Wer sich selbst Recht zu verschaffen weiß, wird von Anglo-Amerikanern immer mit Rücksicht behandelt werden; wehe aber dem Schwachen, der es nicht vermag! Das gewöhnliche Urtheil in den Vereinigten Staaten spricht die angebornen Menschenrechte nur dem zu, welchem zugleich die Kraft gegeben ist, sie geltend zu machen. Welche rühmenswerthen Eigenschaften auch im anglo-amerikanischen Charakter liegen mögen, eine der wesentlichsten Zierden des Menschen, die Großmuth des Starken gegen den Schwachen, gehört nicht dazu, denn kein auf den Grund der Erscheinungen blickender Beobachter wird die alberne Komödie der Galanterie, welche in den Vereinigten Staaten, und in der Regel auf eine so unbeholfene Weise, gegen die,,Ladies" gespielt wird, dahin rechnen. Sie würde, wenn aus keinem anderen Grunde, schon darum nicht dahin gerechnet werden dürfen, weil das weibliche Geschlecht hier, augenscheinlich durch die Minderzahl, in welcher es anfänglich in jedem Kolonielande auftritt, von Anfang an in die Stellung des stärkeren Theiles getreten ist.

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Anglo- und Hispano-Amerikaner in Kalifornien. In der ersten Hälfte des Monats August 1855 wurden zu Nancheria, in Amador County, durch eine Bande von Hispano-Amerikanern Merikanern und Chilenen sechs Personen, nämlich fünf Nordamerikaner und ein Indianer, ermordet. Unter meinen Notizen fehlt mir das Nähere über diesen Anfang einer Reihe von Gewaltthaten, die zu dem Aergsten gehören, was in Kalifornien vorgekommen ist, und deren Ende noch nicht erreicht war, als ich das Land verließ. Die That brachte unter der anglo-amerikanischen Bevölkerung der Umgegend eine außerordentliche Aufregung hervor. Von den Ermordeten wurde der Leichnam des Judianers seinem Stamme übergeben, welcher an drei Merikanern Blutrache nahm. Die fünf übrigen Leichen wurden am 8. des Monats in ein gemeinsames Grab gelegt. Unterdessen wurde gemeldet daß die nämliche Bande am Tage nach der ersten That am Mokolumne - Flusse vier Franzosen ermordet habe; auch hieß es, eine bewaffnete Schaar von Mexikanern ziehe gegen Sutter, um dieses Städtchen anzuzünden. Die ganze männliche Bevölkerung von Amador County trat nun unter Waffen und beschäftigte sich mit der Aufsuchung der Mörder. Drei Chilenen, bei welchen man verdächtigende Goldartikel fand, wurden aufgegriffen, nach Sutter Creek gebracht, verhört, verurtheilt und aufgehängt. Eine Menge Anderer, theils Merikaner theils Chilenen, deren Schuld nicht besser begründet war, hatten das gleiche Schicksal. Jedes Haus in der Gegend, welches einem Chilenen oder Merikaner gehörte, ja das ganze Städtchen Chilitown, wurde niedergeriffen oder niedergebrannt. Allen Personen dieser beiden Nationalitäten wurde die Weisung gegeben, das County innerhalb vierundzwanzig Stunden zu verlassen. Die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes wurden in einer am 12. August zu Jackson gehaltenen Versammlung berathen. In den Beschlüssen derselben heißt es, daß die Pflicht der Selbsterhaltung den Bürgern von Amador die Nothwendigkeit auferlege, die spanische Bevölkerung aus dem Lande zu vertreiben, soweit nicht Einzelne genügende Beweise ihres guten moralischen Charakters beibringen können. Alle Personen jener Volksklasse, denen ein Aufenthalt im County gestattet wird, sollen für die Handlungen ihrer Landsleute verantwortlich sein, denen sie etwa Herberge gewähren möchten. Keinem Mexikaner oder Chilenen soll es gestattet sein, tödtliche Waffen zu befißen, und es ist Jedermann untersagt, ihnen Waffen zu verkaufen oder zu verschaffen. Alle Merikaner und Chilenen, welche im County sich aufhalten, sollen Päffe führen müssen. Die der spanischen Bevölkerung genommenen Waffen sollen zu ihren Gunsten versteigert werden. Das County übernimmt die Pflicht, die Entwaffneten gegen Indianer und Chilenen zu schüßen.

Diese Beschlüsse sind von einem weitreichenden Interesse und bezeichnen das Auftreten historisch wichtiger Tendenzen innerhalb de

nordamerikanischen Staatssystemes. Der Verfassung und den Gesehen der Union und des Staates Kalifornien zuwider, verweist die politisch dominirende Raçe der Anglo-Amerikaner, mit denjenigen kaukasischen Elementen, welche zu ihr halten und sich mehr oder minder mit ihr verschmelzen, eine der anderen Hauptragen, die hispano-amerikanische, des Landes, oder gestattet ihr den Aufenthalt nur unter Bedingungen, welche in das Gebiet polizeilicher Beaufsichtigung und Legitimationen im europäischen Stile gehören. Ich habe Kalifornien verlassen, bevor diese Angelegenheit ihr Ende erreicht hatte, und der Ausgang ist nicht zu meiner Kenntniß gekommen. Ich weiß nur, daß die Zahl der Hispano-Amerikaner in Kalifornien sich fortdauernd vermindert hat und wahrscheinlich noch vermindert. Sollten aber auch die oben bezeichneten Tendenzen wieder eingeschlafen sein, weil ihnen der spätere Vorwand zur Wirksamkeit gefehlt hat, so werden fie in der Zukunft einmal mit erneuerter Kraft auftreten, wo immer die angloamerikanische Race sich in weiteren Besig hispano-amerikanischer Landestheile sehen wird. Daß sie sich in solchen Besiß sehen wird, unterliegt keinem Zweifel, und für mich ist es dann mehr als wahr scheinlich, daß sich aus den Konflikten der anglo-amerikanischen und hispano-amerikanischen Naçe ein politisch-soziales System entwickeln. wird, welches die Mitte zwischen dem der Sklavenstaaten und dem der freien Staaten hält, und unter dessen Herrschaft sich einmal die ehemaligen merikanischen Länder, mit Ausschluß von Texas und von Neu-Merito, aber mit Inbegriff von Central-Amerika, vereinigen

werden.

1) Aktenstücke zur Geschichte der Juden, gesammelt in den Archiven zu Wien, Venedig, Mailand und Mantua, von G. Wolf. 2) Die Tischendorfschen Handschriften, von M. Steinschneider. 3) Die Editio princeps des Jalkut", von B. Beer. 4) Die Schriften des Don Miguel de Borrios, von M. Kayserling. III. Bulletin des hebräischen Antiquariates von A. Asher & Comp. - In dem Artikel über die Tischendorfschen Handschriften macht Herr Steinschneider die ebenso interessante als literargeschichtlich wichtige Bemerkung, daß eine von Tischendorf als ein arabisch-philosophisches Werk des Said, eines angeblichen Karaiten, bezeichnete Handschrift nichts Anderes fei, als ein mit hebräischen Buchstaben von Said abgeschriebenes, höchft feltenes und wichtiges arabisches Werk des Gazzali, „Ansichten der Philosophen", namentlich nach Avicenna u. A. Bereits im zwölften Jahrhundert wurde dieses Werk, ebenso wie in's Hebräische, auch in's Lateinische überseht und unter dem Titel: Logica et Philo sophia", edirt. In Erford befindet sich ein zweites Exemplar dieses mit hebräischen Buchstaben geschriebenen arabischen Coder, das Herr Steinschneider bei seiner Katalogisirung dieses Theiles der Bodleiana kennen zu lernen Gelegenheit hatte.

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Zur Sprachforschung in Ungarn. Das erste Heft des dritten Jahrganges des Magyar Nyelvészet enthält, außer einer Fortsehung der daco-romanischen (rumänischen, walachischen) Grammatik des Herrn Fekete, zwei größere Artikel: Die ungarischen Verbalformen, mit denen des Griechischen und Lateinischen zusammengestellt“, von Aler. Imre, und,,Ueber Florian Mátyás' Bestrebungen auf dem Gebiete der vergleichenden Linguistik", von dem Herausgeber, P. Hunfalvy. P. Hunfalvy. Den Beschluß macht die Uebersehung eines kleinen Artikels des,,Magazin" (1857, Nr. 109), unter der Ueberschrift:

Was die Verfolgung der Hispano-Amerikaner und die darin sich beweisende Gewaltthätigkeit der anglo-amerikanischen Race betrifft, so trat die Preffe von San Francisco, soviel ich weiß einmüthig, zum Schuße der Verfolgten auf, und namentlich enthielt der,,Herald" einen Artikel, in welchem er den Anglo-Amerikanern harte Wahrheiten sagte.,,Eine ungewöhnliche Naturerscheinung und eine Stelle des Xenophon". ,,Es unterliegt keinem Zweifel" so hieß es in genanntem Blatte,,daß seit 1849 sich in unseren Städten, Minendistrikten und der Viehzucht gewidmeten Counties eine große Zahl von Dieben und Räubern gesammelt hat, die aus Chili und Meriko stammen. Aber was man von diesen Spanisch sprechenden Schurken sagen kann, läßt sich in zehnfacher Weise von Amerikanern und Personen britischen Ursprunges sagen, von denen es thatsächlich und unbestreitbar ist, daß Individuen dieser Race, wenn sie einmal einen schlechten Charakter haben, teuflische Eigenschaften an den Tag legen, die hundert Mal schlimmer find, als die der bezeichneten Hispano-Amerikaner, oder felbst irgend eines anderen Volkes der Welt. Die der englischen Rage eigene Energie des Charakters, die anderen Völkern fehlt, bewirkt bei Personen dieser Raçe, wenn sie einmal sich dem Verbrechen ergeben, eine gänzliche Nuchlosigkeit, in der sie, wie der gewöhnliche Ausdruck sagt, weder nach Menschen, noch nach Gott oder Teufel etwas fragen." ,,Diese Menschenklaffe“, fährt der Verfasser fort, „hat bei jeder Bande von Pferdedieben, Straßenräubern und Mördern die Hände im Spiele oder die Leitung. Unsere südlichsten Counties, der Gadsden-Ankauf, die Staaten Sonora, Durango und Chihuahua, füllen sich mit diesen Schurken, die, mit ihren merikanischen Spießgesellen männlichen und weiblichen Geschlechtes, die Feinde jedes fleißigen, friedlichen und anständigen Bürgers find."

,,Dies sind harte Wahrheiten, aber es sind Wahrheiten" fügte ein anderes Blatt hinzu.,,Der Verfaffer des obigen Artikels hätte noch weiter sagen können, daß diese der angelsächsischen Raçe angehörige ruchlose Menschenklasse nicht nur mit Merikanern und Chilenen, sondern sogar mit Indianern gemeinsam das Räuberhandwerk betreibt oder dazu die Führer liefert, - daß sie auch hinter der Hälfte aller Raub- und Mord- Unternehmungen der Indianer gewisser Gegen den steckt, und daß sie, wenn diese Unternehmungen nicht mehr lohnend find, sich gegen ihre rothhäutigen Gehülfen wenden und die Eifrigsten find, diese hängen zu helfen, um sich bei dieser Gelegenheit in Besig ihres Eigenthumes zu seßen."

Mannigfaltiges.

Steinschneider's „Hebräische Bibliographie“. Nr.1 der unter diesem Titel (auch unter der hebräischen Benennung: „, HaMaskir") angekündigten, alle zwei Monat erscheinenden Zeitschrift ift nunmehr ausgegeben) und entspricht allen Erwartungen, die man von einer derartigen Arbeit des gelehrten Herausgebers hegen konnte. Auf 24 kompreß gedruckten Oktavseiten bringt diese Nummer, außer dem Programm über Tendenz und Inhalt, folgende Hauptrubriken und Unterabtheilungen: 1. Gegenwart. 1) Nachrichten aus der Preffe und der Mappe. 2) Bibliographie für 1858: A. Periodische Schrif. ten; a. Hebräisch; b. Deutsch. B. Einzelschriften. C. Journallese. D. Bibliotheken und Kataloge. E. Miscellen. 11. Vergangenheit.

*) Verlag von A. Asher & Comp. in Berlin.

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Die zweite

In der Arbeit des Herrn Imre erwarte man nicht stoffliche Ver-
gleichungen (die hier ganz unstatthaft sein würden), sondern scharf-
sinnige Hervorhebung geistiger Einklänge und Verschiedenheiten;
eine solche ist immer belehrend, wie weit auch die betreffenden Sprachen
in vieler Hinsicht aus einander liegen mögen. Der Verfasser findet
hier Gelegenheit, auch seinerseits zu bemerken, daß die ungarische
Sprache dem Streben nach Wohllaut und Kürze manches Alte, be-
sonders gewisse Tempus-Bildungen geopfert und im Gebrauche an-
derer den tonangebenden Sprachen des heutigen Europa fich anbequemt
und genähert habe. Er berührt die Frage, ob gewiffe alte Formen
und Wendungen im Magyarischen für Latinismen zu halten seien,
und behauptet, diese Frage könne nicht eher genügende und erschöpfende
Beantwortung finden, bis die alten Sprachdenkmäler mit der leben.
digen Volkssprache wobei aber keine Mundart, keine sprachliche
Eigenthümlichkeit dieser oder jener Gegend unbeachtet bleiben dürfe -
auf das sorgfältigste verglichen sein werden. Ein Zusaß des Herrn
Hunfalvy zu dieser Abhandlung wirft einiges Licht (und verheißt noch
mehr) auf das etymologische Dunkel derjenigen Anfügungen zum
Verbum, welche Arten (modi) und Zeiten bezeichnen.
Abhandlung ist polemisch und gegen zwei kleine Schriften des Herrn
Mátyás gerichtet, von denen eine die Bestrebungen, das Ungarische
zu,,finnifiren", bekämpft, die andere deffen Verwandtschaft mit dem
arischen Stamme beweisen will. Wie sogenannte „,klassische“ Philo-
logen Europa's wohl ein Menschenalter hindurch über die angenom-
mene und bewiesene Verwandtschaft der Sprachen Griechenlands und
Roms mit denen des alten Persiens und der Länder am Gangs
Krämpfe und Zuckungen bekommen haben, so jeßt ein Theil der ge
bildeten Magyaren über die Anfinnung, ihre Muttersprache als eine
Verwandte des Estnischen, Finnischen, Lappischen anzuerkennen; fie
möchten das Ungarische um jeden Preis in unser Arisches Gebiet
hineinzwängen. Die wahre Triebfeder ist aber eine ganz offen lie-
gende gekränkte Eitelkeit, welche das ritterliche Magyarenvolk durch
solche Blutsverwandte, die in der Weltgeschichte eine ziemlich un-
bemerkte Rolle gespielt haben, beschimpft und enthonigt glaubt. Als
ob nicht eben die bezügliche politische Unbedeutendheit verwandter
Völker eine starke Folie wäre für den Glanz des eigenen, wie irgend
ein ausgezeichneter Mensch noch intereffanter wird, wenn seine Her-
kunft möglichst unberühmt ist! Wer bei wissenschaftlichen, die ru-
higste Besonnenheit und vollkommenste Parteilosigkeit erfordernden
Untersuchungen von übel verstandenem Nationalstolze sich leiten läßt,
der kann nicht anders als auf schiefe Bahn gerathen. Dem zum
Troße werden solche Versuche, wie die des Herrn Mátyás, nur zu
oft sich erneuern, und Männer, wie der gelehrte Herausgeber, wie
Fábián, Imre, Ballagi, Réguly, noch lange mit einer Hydra
von Empörern gegen ihre Folgerungen kämpfen müffen. Daß übri-
gens die echte Wissenschaftlichkeit und dialektische Schärfe des Herrn
Hunfalvy auch hier wieder schöne Triumphe feiern, bedarf von unse-
rer Seite kaum einer Versicherung.
W. Sch.

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Wöchentlich erscheinen 3 Nummeru. Breie jährlich 3 Tɔlr.:10 Egr., balbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 gr., wofür das Blatt im Jalande portofrei und in Berlin frei fus Haus geliefert wird.

No 48.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Brafilien.

Brasilisch-portugiesische Dichter.

1. Gonçalves Dias.

Berlin, Donnerstag den 22. April.

Wie die englische Literatur Nord-Amerika's gegenüber derjenigen Großbritanniens, des Mutterlandes, schon seit längerer Zeit Bedentung zu gewinnen und Interesse zu erwecken gewußt hat, so treten jezt auch die literarischen Bestrebungen des Tochterlandes Brasilien gegenüber der auf alten klassischen Grundlagen fortlebenden Literatur Portugals in angenehm bemerkbarer Weise in den Vordergrund. Selbst verständlich war Brasilien früher auf das Stammland verwiesen, sobald es sich um eine gediegene Bildung handelte, und der größte Theil der Beamten, Geistlichen :c. bestand aus europäischen Portugiesen, die in ihren verschiedenen Wirkungskreisen mit möglichst wenigen Modificationen das in der Heimat gewohnte Leben in der neuen Welt fortsetten und die mit der Muttermilch eingefogenen Vorurtheile, Anschauungsweisen und soziales Gebahren in den meisten Fällen so lange festhielten, bis sie wieder in das gelobte Land, ihre europäische Heimat, zurückkehren konnten, wohin ja, troß aller Zauber und Genüsse des Tropenlandes, ihr sehnsüchtiges Auge über den unermeßlichen Ocean gerichtet blieb.

So lange also das Tochterland Brasilien mit der europäischen Mutter Portugal unter einem Scepter verwaltet wurde, so lange bestanden auch die eben angedeuteten Verhältnisse, und daß unter diesen am allerwenigsten die dort ohnehin spärlich genährte Liebe zur Litera tur ein nationales und originales Gepräge erhalten konnte, liegt auf der Hand. Jeder Brasilier betrachtete sich als Portugiesen, und somit fielen alle Ursachen zur Anbahnung und Begründung einer nationalen Literatur, die den deutlichen, scharf ausgeprägten Charakter des heimatlichen Bodens trug, hinweg. Anders wurde es, als sich 1822 ein selbständiges Kaiserthum Brasilien konstituirte, das vor Allem im Regierungs- und Verwaltungssystem vollständig mit Portugal brach, obwohl natürlich die übrigen Beziehungen nur zum Theil und nach und nach sich lockerten, in manchen Hinsichten aber gar nicht ab gebrochen werden konnten. Gleichwohl schickte das junge Kaiserthum nach wie vor seine Söhne nach Portugal, um in Coimbra in die Wissenschaften eingeweiht zu werden, da dieser Universität noch von dem einzigen Camões her ein klassisches Andenken in den Herzen Aller bewahrt wurde, die das portugiesische Idiom die gemeinsame Mutter sprache nennen.

Inzwischen wurde, besonders seit dem Antritte des jeßigen Kaisers von Brasilien, Dom Pedro II., für die Hebung der nationalen Schulen und Kollegien Alles gethan, was die Würde des Staates erheischte, dem es unbedingt um eine ehrenvolle Selbständigkeit auch im Punkte der Erziehung seiner künftigen Bürger zu thun sein mußte. Und so hat sich denn, besonders nach dem Dekret vom 17. September 1851 (betreffs des Sekundär-Unterrichtes) eine nach den liberalften und tüchtigsten Grundsägen erfolgte Organisation der Kollegien der verschiedenen Fakultäten, denen unserer Hochschulen entsprechend, bewerkstelligen laffen, von deren trefflichen Resultaten wir uns, offen gestanden, zu unserer Ueberraschung überzeugen konnten.

Kommen wir nach dieser uns nothwendig erschienenen Abschweifung zur Sache. Einer der ersten und zugleich bedeutungsvollsten brasilischen Dichter, der unter nationaler Flagge aufzutreten wagte, ift Dom A. Gonçalves Dias. Er wurde 1823 in Cachias, Provinz :Maranhão, geboren. Früh schickten ihn die Aeltern nach Portugal, wo Her strebsame Jüngling auf dem weltberühmten Coimbra seine philoophischen und juristischen Studien vollendete. Das früh erwachte dich. Ferische Talent pflegte der junge Brasilier mit großer Vorliebe, und als r nach Beendigung der wohlbenußten Studienjahre in seine schöne eimat zurückkehrte, um plangemäß als Staatsanwalt in der Provinz zu Maranhão zu wirken, erhielt seine poetische Richtung ein solches Ueberjevicht über seinen bürgerlichen Beruf, daß er bald ganz dem Dienste

1858.

der Musen sich zu widmen beschloß. Er siedelte deshalb nach der Hauptstadt über, nach dem herrlichen Rio de Janeiro, das mit seinem vielgestaltigen Leben, dem kaiserlichen Hofe, dem Sige der GesammtVerwaltung, in kommerzieller und sozialer Beziehung einen großartigen Wirkungskreis bot und wo sicherlich viele Gleichgesinnte anzutreffen waren. Während er sich schon in Portugal vielfach in Gelegenheits-Gedichten versuchte, richtete er jcht mit klarem Blick sein Hauptaugenmerk auf das Theater, als des Dichters vorzüglichste Schule, die dem angehenden Dramatiker selbstverständlich vor Allem noth thut. Während er sich als Mitarbeiter an mehreren, literarische Zwecke verfolgenden Tagesblättern betheiligte, fand er zugleich Gelegenheit, seinen Geschmack zu läutern und zu prüfen, und dann trat er rasch hinter einander mit einigen dramatischen Versuchen hervor. Noch mehr als diese sollten jedoch seine in Rio de Janeiro 1846 in erster Sammlung herausgegebenen Gedichte („, Primeiros Cantos") die Aufmerksamkeit seiner Landsleute und selbst Portugals auf ihn lenken und ihm einen (dem Dichter so nothwendigen!) Namen machen.

Nicht lange nach dem Erscheinen jener Gedichte verlieh man dem auch in anderer Richtung wohlbewanderten Dichter und Gelehrten, als Zeichen der Anerkennung, den Lehrstuhl für Geschichte zu Rio de Janeiro, während Alexander Herculano, der ausgezeichnetste Dichter und Geschichtschreiber des heutigen Portugal, ein warmes Wort der Würdigung den,, Primeiros Cantos" in der Revista Universal Lisbonense (tom. VII) widmete, die Gelegenheit benugend, um eine hier und da freilich etwas zu melancholische Vergleichung des jetzigen alternden Portugal mit dem jugendlich aufstrebenden ehemaligen Tochterlande Brasilien anzustellen, und worin er aus Anlaß jener schönen Dichtungen dem herrlichen Südlande jenseits des großen Wassers eine doppelt goldene Zukunft verhieß, während das Mutterlande seinem sichtlichen Verfall entgegenwanke.

Diese doppelte und wohl kaum vom Dichter erwartete Anerkennung seines Strebens verfehlte natürlich nicht, ihn zu immer Besserem und Größerem anzuspornen; eine Reihe historischer und dramatischer Arbeiten trat ans Licht, während sich zu den „, Primeiros Cantos" auch „Segundos Cantos" und auch, Segundos Cantos" und „, Ultimos Cantos" gesellten, welche der Dichter während seiner längeren Anwesenheit 1856 und 1857 in Europa, und zwar besonders in Deutschland, in einer neuen, gesichteten Ausgabe dem Publikum darbot. Ueber diese 1857 in Leipzig elegant ausgestattet erschienenen Poesieen wollen wir nachstehend in Kürze referiren und gelegentlich versuchen, den Sinn einzelner, als vorzugsweise gelungen betrachteter Gedichte in einer dem Versmaße der Originale entsprechenden deutschen Dichtung wiederzugeben.

Den Anfang des Buches bilden die Amerikanischen Poesieen". Bezeichnend für die Stimmung des schon lange im Auslande weilenden Südländers, dem wohl oft das Heimweh angekommen sein mag, ist die 1843 in Europa gedichtete „Canção do Exilio", welche wir nachstehend in Uebersehung bieten:

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Das folgende Gedicht: ,,0 Canto do Guerreiro", schildert uns den Kriegsgefang eines indianischen Häuptlings der brafilischen Urwälder, mit all dem stolzen Selbstbewußtsein und dem gänzlichen Verleugnen irgendwelcher Bescheidenheit einer rohen Natur; der Dichter giebt uns in abendländischer Sprache ein möglichst der Wirklichkeit abgelauschtes Portrait jenes unbändigen Kriegertypus der Rothhaut, die sich, wie die Erfahrung zeigt, lieber ausrotten als civilisiren läßt. Wir halten uns genau an das Versmaß des Originals, das durch frische, naturwahre Bilder, der blumenreichen Sprache der amerikanischen Indianer entsprechend, intereffant wird.

Gefang des indianischen Kriegerhäuptlings.
Wer lebt, der geschickter
Und tapfrer sich zeigt?

I.

Im Urwald, im dichten,
Den Stürme durchbrausen,
Die Thaten der Braven
Erzieh'n keine Sklaven,
Die Furcht hält und Grausen
Bom Kampfe so bang.

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VI. Durchhallet den Urwald Mein Boré **) zur Nacht: Tausend Bogen sich spannen, Tausend Pfeile dann zischen, Tausend Rufe sich mischen, Tausend Krieger steh'n Wacht, Erheben sich, folgen Dem Ruse zur Schlacht!

Wer lebte je tapfrer, Wer zeigte mehr Macht? VII. Durch die Wälder sie kommen, Still, ohne Geräusch; Der Winde leif' Klagen, Durch die Wildniß getragen, Das dumpfe Gekreisch Cincs Vogels erklingt: Die Krieger find's, die mir Des Boré Ruf bringt.

VIII.

Und mit dem Maracá ***)
Der Biágat) wild schreckt;
Dort hauset der Tod,
Wo die Luft Pfeil' und Speere
Durchsausen, bald Heere
Des Feinds hingestreckt:
Tausend Mannen ersteh'n mir,
Zum Kampfe geweckt.
IX.

Und wenn dann mein Boré
Von neuem erschallt:

Dem Quell gleich, der hoch auf
Dem Felsen entspringt,
Und schäumend zum Thal
Sich stürzt, und vor Qual
Wild tobt, da ihn zwingt
Des Ingrimms Gewalt:
So kommen meine Streiter,
Eh' der Ton noch verhallt.
Wer herrscht, o ihr Krieger,
Mit solcher Gewalt?

(Schluß folgt.)

England.

Korrespondenz - Berichte aus London. Schottische und englische Philosophen im Gegensaße zur Philosophie der Deutschen. (Schluß.)

In dieser Weise habe ich zufällig selbst während der lezten drei Jahre wohl ein Dußend deutsche Erfindungen in den Händen englischer Kapitalisten und ihres gesunden Menschenverstandes in der Geburt umkommen sehen. Am stupidesten und selbstmörderischsten verfuhr die galvano-photographische Compagnie", welche die Erfindung des ehemaligen Faktors der Wiener Staatsdruckerei, Herrn Petsch, Photographieen als solche durch den Druck zu kopiren, auszuführen unternommen hatte. Sie ruinirte und stumpfte galvano graphische Druckblöcke ab, von denen Muster für das Museum gedruckt worden waren, und präsentirte diese absichtlich entstellten Abdrücke im Museum mit dem Bemerken, daß die Erfindung des Herrn Petsch nichts tauge, daß sie aber eine bessere gemacht. Zum Beweise zeigte fie Abdrücke, die sie vorher von den noch nicht absichtlich abgeftumpften

*) Takápe, Art Schlachtbeil oder Tomahawk. **) Boré, eine Art großes Schlachthorn. ***) Maracá, eine Art großes Tambourin, besonders bei den Indianern der Provinz Maranhão in Gebrauch.

†) Piága, Bagé, Name des indianischen Gößenrichters, der zugleich Arzt, Beschwörer, Wahrsager und Sänger. Meist in dumpfen Höhlen der Wildniß wohnend, vermögen die Piága's auf die abergläubischen Eingebornen ohne Unterschied den unbegränztesten Einfluß auszuüben.

Blöcken genommen. Herr Petsch kam hinter den Pfiff dieses interregnum hominis, entfernte den Betrug und zeigte, was er könne und worin feine Erfindung eigentlich bestehe. Diese ward von allen Kennern und Vernünftigen mit Begeisterung begrüßt, aber sie fann nicht weiter fortgesezt werden, da der Erfinder konkraktlich an die Compagnie" gebunden ist. Diese läßt ihre Apparate und Kapitalien seit Jahr und Tag verrotten mit der pfiffigen Hoffnung, den Erfinder auszuhungern, ihn mit einigen Goldstücken hinauszukaufen, um dann den Profit allein zu machen und die Erfindung als national englische vor die Welt zu stellen.

In ähnlicher Weise wurden beinahe vor meinen Augen eine Menge andere deutsche Erfindungen von englischem common sense in Angriff genommen und ruinirt, so daß die Kapitalisten thatsächlich ihr baares Geld verloren, weil sie auch nach dem in der Zukunft oder in der Hand des Erfinders fich spiegelnden Theilgewinn schnappten.

Das ist vorläufig Peitsche genug, um diese Wechsler und Krämer der Wissenschaft aus dem Tempel der Wissenschaft zu vertreiben. Sie ist ein Tempel und hat ihre Hohenpriester und Eingeweihten, welche darin allein reden, predigen und lehren dürfen. Der Laie lerne nur gehörig, und er wird mehr praktischen Nußen aus dieser reinen" Wissenschaft ziehen, als aus der blos für praktische Zwecke verflachten und verblödsinnigten Räsonnirerei, die sich schottische und englische Philosophie nennt. In Deutschland kann man sich dies auch ad notam nehmen, in Deutschland, wo diese schottische und englische Philosophie so recht dummdreist als Materialismus in der Naturwissenschaft sich breit macht. Diese interpretatio naturae spekulirt auch auf ein regnum hominis und denkt mehr „idola" zu beseitigen, als Bacon. Wir wissen, wie elendiglich der große Bacon ohne diese idola in Betrügerei und Schuld versank. Wir wissen auch ohne diese demonstratio ad hominem, daß die sich sklavisch an beschränkte, von Instrumenten und täuschendem Schein abhängige, sogenannte „Thatsachen“ haltende Interpretation der Natur oft durch die kleinste Entdeckung gestört und Lügen gestraft wird, daß diese sogenannten Thatsachen, logisch genommen, keine wissenschaftliche Sicherheit, keinen substantiellen Halt gewähren fönnen, weil, wie dies in der Naturwissenschaft wieder und wieder vorgekommen ist, eine und dieselbe Thatsache unter schärferen Augen und vervollkommneten Instrumenten sich in ganz etwas Anderes auflöst und Jahrzehende lang als Thatsachen gemünzte und zirkulirende Entdeckungen ic. später sich in Unsinn oder ganz und gar in nichts auflösten. Die Höhe aller Unverschämtheit aber ist es, zu behaupten, daß, weil in der Physik und Chemie sich Alles auf physische und chemische Gefeße zurückführen läßt (und dies ist just die Schuldigkeit der Physik und Chemie, dies zu thun, und nichts weiter), auch in allen nicht physi schen und nicht chemischen Gebieten Alles auf physischen und chemischen Gesezen beruhe. Man hat entdeckt, daß beim Denken Elektrizität und Phosphor im Spiele sei. Victoria! ergo: geistige Elektrizität, Phosphor u. s. w.,,Combination der Materie", das ist ebenso logisch wie folgende Deduction: der elektrische Telegraph ist eine Combination von Metallen, Wasser, Säure, Drath. Schlägt man das Ding entzwei, ist keine Spur von Elektrizität mehr zu entdecken, wenigstens läuft die Nadel nicht mehr u. s. w. Folglich ist Elektrizität blos eine Combination von Metallen, Säuren und Dräthen, sie selbst aber blos eine Einbildung. Das ist, schottisch-englisch und modern naturwissenschaftlich deutsch philosophisch zugleich gedacht, sehr einleuchtend für den gesunden Menschenverstand, ganz frei von Hegelschem Kauderwelsch, dafür aber auch eine Ignoranz, an welcher Kandidat Jobs durch das Nachtwächter-Eramen in Schildburg gefallen wäre.

Denken, Urtheilen, Schließen ist eine sich in sich selbst bewegende Chemie des Geistes, die eben so genau studirt werden muß, wie die reine Mathematik, um praktische Mathematik verstehen und anwenden zu lernen. Die Philosophie ist die reine Mathematik des Denkens. Wer aus praktischen Dingen, Thatsachen, chemischen und physikalischen Experimenten Schlüffe ziehen, allgemeine Geseze konstruiren will, kann dies nur durch die Anwendung dieser reinen Mathematik, des logischen und dialektischen Prozesses. Diesen muß man aber auch deshalb vorher ordentlich studirt und handhaben gelernt haben, sonst werden wir von den Thatsachen wie Schafe umhergetrieben. Urtheile und Schlüffe haben ihren Beweis in sich selbst. Wer kein collegium logicum gehört und diese Vorschule überhaupt vernachlässigt hat, braut fich Thatsachen im Laboratorium zusammen und beweist damit seine Ge dankenlosigkeit, seine Trugschlüsse, seine geistige Pauperität. Elende Sklaverei und Barbarei, die in sich selbst substantielle Wahrheit und ihre logische und dialektische Chemie von zufälligen, flüffigen, sich ftets torrigirenden, widerlegenden Thatsachen abhängig zu machen!

Auf diesem Wege läßt sich die ganze Lehre von der Kongruenz der Dreiecke umstoßen. Die reine Mathematik beweist ohue Thatsachen, durch bloße, in sich selbst substantielle Schlußfolgerung, daß Dreiecke mit drei gleichen Seiten kongruent sind. Hinge der Beweis noch von der Praxis ab, bliebe diese mathematische Wahrheit mindestens sehr zweifelhaft, da man in der Praxis selten so vollkom

men gleichseitige Dreiecke zeichnen kann, wie sie sich die reine Mathematik in die Laft malt. Die reine mathematische Linie ist praktisch fog ar ganz unmöglich. Sie hat blos eine Dimension, auch die dünnste, nur durch ein Vergrößerungsglas sichtbare wirkliche Linie hat allemal zwei. Selbst die ersten Elemente der äußerlichsten Wissenschaft vom Raume müssen ihren Beweis in sich selbst haben und sind unabhängig von Thatsachen und praktischen Beweisen. Und diese Philosophen wollen den raum- und zeitlosen Geist und Gedanken von ihren Säuren und Linsen, Retorten und Flaschen abhängig machen!

Dugald Stewart, der größte, populärste schottische Philosoph, machte ihn von noch oberflächlicheren Thatsachen des schottischen gefunden Menschenverstandes abhängig, da es für ihn noch keine Chemie und Physik gab. Er war der größte schottische Philosoph, nur daß er eigentlich gar kein Philosoph war, sondern nur ein gewandter,,didakti scher Redner", der sein Talent hauptsächlich dazu anwandte, gegen die Philosophie, gegen die,,Metaphysik" zu polemifiren. Mit gar keiner Physik gegen die Metaphysik! Das war sein Standpunkt. Und ist das ein Standpunkt?

Lord Palmerston und sein Bruder (die bei Stewart wohnten), Lord Ashburton, Lord Powerscourt, die Grafen von Warwick, Dudley und Selkirk, der Marquis von Lothian, Lord Lansdowne, Lord Brougham, Lord John Russell, Lord Webb Seymour, Sir Robert Juglis, Sir Walter Scott, Sir Archibald Alison, Lord Cockburn, Lord Jeffrey, Francis Horner, Sydney Smith, Lord Lauderdale, Lord Dundonald und viele andere geseßgebende und literarische Größen waren seine Schüler. Außerdem war er sehr populär und wird noch jezt viel gelesen, er liest sich hübsch glatt, ohne daß man nachzudenken braucht - so daß wir in ihm zum großen Theil die Quelle englischen Lebens und englischer Anschauungsweise zu suchen haben. Er sprach in seinen philosophischen Vorträgen viel über Korn und Weizen, über Gebrauch und Mißbrauch von Prinzipien in der Politik (,,Mißbrauch", wenn sie keinen ,,Nugen zu bringen scheinen"). Auch war er als Philosoph ein Mann der Gesellschaft und richtete sich nach letterer. Auch trug er der Zeit" Rechnung und modulirte seine Philosophie z. B. nach den Ereignissen der französischen Revolution, So etwa schildert ihn die Times aus der Feder eines schottischen Philosophen und lobt ihn, weil er so hübsch abstrakte Gedanken den „Umständen“ angepaßt habe. An einer anderen Stelle heißt es, er habe eine Geschichte der Metaphysik geschrieben und darin viel von Ethik, Politik, Jurisprudenz u. s. w., aber nie von Metaphysik gesprochen. Wer es nicht glaubt, kann es in langen Spalten der Times vom 1. April nachlesen. War der 1. April mit Absicht gewählt, oder ist es Ernst? Ernst, voller Ernst! Beweis, die 10 Bände von Dugald Stewart.

Genug von dem Größten der Großen, und von seinen neueren Kollegen und ihren philosophischen Productionen nur ein Wort.

A. C. Frazer, Professor der Logik und Metaphysik in Edinburg, hat eine „, Rational Philosophy in History and in System" (Edinburg: Constable & Comp.) geschrieben und publizirt. Der griechische Professor John Stewart Blackie, drei Vorträge über Schönheit mit einer Exposition des Schönen nach Plato (,,On Beauty. Three discourses, delivered in the University of Edinburgh, with an Exposition of the Doctrines of the Beautiful according to Plato"), Lorimer, der Edinburger Advokat, einen Beweis, daß politischer Fortschritt nicht nothwendig demokratisch zu sein brauche (,, Political Progress not necessarily Democratic"). Die Frazersche Logik reicht noch nicht an die deutschen Kompendien, die man vor einem halben Jahrhundert nach Kant verformelte, und hat keine Ahnung von den substantiellen Eroberungen, welche von Kant bis Hegel und durch Hegel auf dem Gebiete des reinen dialektischen Denkprozesses gemacht wurden.

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Die rationale Philosophie der Geschichte ist daher auch nur rationalistisch pragmatisch gerathen. Blackie weiß nichts von dem philosophischen Schönheits-Begriff, der im Schönen sich manifestirt, phänomenologifirt, Fleisch und Blut wird. Die Schönheit ist ihm mehr Absolutes, keine Mutter", sondern nur ein Konglomerat von Merkmalen", Schönheitspflästerchen. Lorimer klügelt Chancen des Fortschrittes heraus, die ohne Erweiterung des Wahlrechts und sonstige Gebote aus dem demokratischen Katechismus möglich und nüglich sind. Das ist sehr richtig, nur muß man solche publizistische Raisonnements nicht zur Philosophie rechnen.

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Schottische und englische Philosophie, wie sie jest praktizirt wird, unterscheiden sich dadurch, daß erstere über praktische Dinge disputirt, über Nationalwohlstand, Banken, Sparsamkeit, Fabrication, Seelenkräfte, was die eine für'n,,Geschäft“ habe und „mache" und die andere für'n,,Geschäft“ und nicht könne u. f. w., um Geläufigkeit des,,Raisonnements“ und „Selbstkenntniß“ zu erzielen. Leştere geht auf Gelehrsamkeit“ aus und auf Cambridge- und Orford ,, Gentlemen". Beide haben praktische Zwecke. Denn wozu treibt man überhaupt ein,,Geschäft", wie z. B. Philosophie, wenn fein Profit dabei gemacht werden kann? Im Norden lernt man geläufig

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räsonniren, diesseits der Tweed den Gelehrten und Gentleman spielen. Beide kommen im Parlamente zusammen, wo fie Reden halten, daß das Ausland vergehe und deshalb zuhause wieder nicht reformirt werden könne, weil Indien näher liege, wo sie Reden halten und Geseße geben, die auch danach sind. Die Times brachte neulich eine kaustische Jeremiade über den gänzlichen Verfall parlamentarischer Beredtsamkeit; man schwaze fabelhaft langweilig, aber unphilosophisch, ohne Geist, ohne Logik, ohne Pathos. Das kommt davon: wenn man die Wissenschaft als melkende Kuh in dem Stalle hält, giebt sie eben gar keine Milch mehr, sondern Wasser, Wasser, Wasser! Und Blut dazu, Blut, den ganz besonderen Saft, englisches, indisches, chinesisches, Kaffern- und, je nach dem Nußen", aller Menschen Blut.

Apologie Heinrich's VIII.

Herr James Anthony Froude, der vor einigen Jahren durch seine „Nemesis of Faith" in den theologischen Kreisen Englands so großes Aufsehen erregte, ist jest mit der Ausarbeitung einer bändereichen Geschichte der englischen Reformation beschäftigt,®) in der er sich unter Anderem die Aufgabe stellt, den Charakter Heinrich's VIII., als des Monarchen, durch welchen der Bruch Englands mit dem Papst entschieden wurde, zu rehabilitiren. Seiner Meinung nach, haben frühere Historiker diesem Könige schweres Unrecht gethan; sie haben die parteiischen Berichte der Römlinge für baare Münze genommen, ihm auf Grund derselben Verbrechen angedichtet, an denen er un schuldig, und seinen Handlungen Motive untergeschoben, die ihm völlig fremd waren. Jenen Berichten hält Herr Froude die in den englischen Archiven befindlichen offiziellen Aktenstücke entgegen, welche die Ereignisse der Regierung Heinrich's VIII. in einem ganz anderen Lichte darstellen und keine Spur von der launenhaften Willkür, der orientalischen Ueppigkeit und der barbarischen Gleichgültigkeit gegen Menschenleben und Menschenrechte zeigen, die sich an seinen Namen knüpft.

Nun würde man allerdings dem Verfasser einräumen können, daß offizielle Aktenstücke zu den werthvollsten historischen Materialien gehören und als solche von dem Geschichtschreiber fleißig zu Rathe gezogen und berücksichtigt werden müssen; aber es bliebe doch immer höchst mißlich, sie als einzige Quelle zu benußen. Wenn ein künftiger Historiker den Staatsstreich vom 2. Dezember einzig und allein nach den amtlichen Eröffnungen des Moniteur oder den Krim-Feldzug ausschließlich nach russischen Bulletins darstellen würde, so dürfte er unseren Nachkommen kaum ein treues und erschöpfendes Bild jener Ereignisse liefern. Wir wollen nicht leugnen, daß es Herrn Froude gelungen ist, einzelne Beschuldigungen zu entkräften, die man gegen den Gemahl Anna Boleyn's und Katharine Howard's erhoben hat, aber im Großen und Ganzen wird er das Urtheil der Geschichte über seinen Helden nicht modifiziren können, und wenn wir das von ihm gegebene Resumé jenes Charakters mittheilen, so geschieht es nicht deshalb, weil wir mit demselben auch nur im entferntesten übereinstimmen, sondern eher als ein Curiosum und als ein Beispiel von dem Aufwande von Scharfsinn und subtiler Kasuistik, den ein geistreicher Mann an einen undankbaren Gegenstand verschwenden kann.

,,Heinrich", schreibt Herr Froude, hatte viele Fehler. Sie sind im Laufe dieser Erzählung dargelegt worden, und ich brauche nicht darauf zurückzukommen. Aber seine Lage war eine beispiellos schwierige, und er muß wie jeder Andere nach dem Werke, das er vollbracht, und den inneren und äußeren Bedingungen, unter welchen ihm seine Aufgabe zufiel, beurtheilt werden. Er war inkonsequent; den Vorwurf kann er tragen. Er endete damit, das zu acceptiren und zu billigen, was er anfänglich verdammt hatte; aber es war die redliche Inkon sequenz, welche das Benehmen der meisten Männer von praktischer Befähigung in Zeiten des Uebergangs auszeichnet und kraft welcher sie sogar ihre Erfolge erreichen. Hätte er zu Anfang der Bewegung das Abendmahl als ein bloßes Gedächtniß" betrachtet, so hätte er seine Ueberzeugungen verheimlichen oder auf seinen Thron Verzicht leisten müssen; wäre er ein stationärer Fanatiker gewesen, so wäre die Reformation auf ein Jahrhundert hinausgeschoben und nur um den Preis eines Bürgerkrieges erobert worden.

„Wie aber die Nation sich vorwärts bewegte, ging der König mit, fie leitend, ohne ihr vorauszueilen; diejenigen im Zaum haltend, welche zu rasch gingen, und diejenigen nach sich ziehend, welche zurückblieben. Die Konservativen, oder wenigstens alle gesunde und tüchtige Elemente unter ihnen, vertrauten ihm, weil er ihren Konservatismus so lange theilte, und als er ihn von sich warf, klagten sie ihn nicht an, ihr Vertrauen gemißbraucht zu haben, weil sie gleichzeitig mit ihm vorgeschritten waren.

*) History of England, from the Fall of Wolsey to the Death of Elizabeth. By James Anthony Froude, late Fellow of Exeter College, Oxford. Vol. I to IV. London: John W. Parker.

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