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Holberg Gelegenheit gehabt, die italiänische Volkskomödie sowohl in der Form, wie sie damals in Paris an der Tagesordnung war, als auch in ihrem Heimatlande selbst persönlich kennen zu lernen. Wir wiffen von Holberg selbst, daß er in Rom Wand an Wand mit einer italiänischen Schauspielertruppe gewohnt und nicht selten, durch den Lärm dieser munteren Nachbarschaft gestört, sich in ihre heiteren Kreisse gemischt hatte. (Schluß folgt.)

Frankreich.

Béranger's Selbstbiographie. (Schluß.)

Zulegt lebt Béranger allein auf seiner Dachstube und kann Verse machen, wie es ihm gefällt. Er würde glücklich sein, wenn sein Geist nicht durch Erinnerungen an die Vergangenheit und durch Besorg nisse wegen der Zukunft getrübt wäre. Ohne die Frauen würde er der Schwermuth verfallen sein. Den Frauen und der Poesie, „welche ihm von ihnen kommt“, verdankte er die gesunde Heiterkeit, die das Hauptverdienst seiner Werke und der Grund ihres Erfolges ift. Er spricht sich hierüber so aus:

die Haltung von Paris bei der Rückkehr der legitimen Herren unter dem Schuße der Alliirten finden. Befremdend ist es, daß der Dichter gerade unmittelbar nach den Niederlagen Frankreichs, zu Ende des Jahres 1815, seine erste Sammlung, welche seine heiterften Lieder enthält, drucken ließ. Béranger führt zu seiner Entschuldigung seine Geldverlegenheit an. Von jener Zeit an beginnt Béranger sein Werk und widmet sich demselben ganz. Mit seiner aristophanischen Heiterkeit bewaffnet, ruft er im Namen der Ehre Frankreichs das Volk auf, die Schmach der Invasion zu rächen und die Gewalt, welche ihm die Fremden aufgedrungen haben, abzuwerfen. "Ich bin", sagt er mit Recht,,,in der modernen Zeit vielleicht der einzige Schriftsteller, der, um einen volksthümlichen Ruf zu erhalten, die Buchdruckerkunst hätte entbehren können." Seine Lieder, auf alten Melodieen reitende nationale Ideen, wie er sich ausdrückt, durch Abschriften verbreitet, waren leicht zu behalten. Die Restauration war immer außer Stande, die Verbreitung dieser vom Haß eingegebenen Lieder zu verhindern, die dem Volke in das Herz gingen, und welche zum Sturz Karl's X. nicht wenig beitrugen.

Mit dem Jahre 1830, wo die Revolution ausbricht und triumphirt, ist die Biographie Béranger's beendet. Von da ab hat er nichts mehr von sich zu sagen, was zur Belehrung dienen könnte. Man forderte ihn auf, eine Stellung im Staate zu übernehmen, z. B. als Minister des öffentlichen Unterrichts.,,Gut", erwiederte er lachend,

,,Vielleicht habe ich das, was unsere alten und neuen Romantiker die Liebe nennen, nie gekannt; denn ich habe in der Frau nie eine Geliebte oder eine Herrin gesehen, unter welchen Bezeichnungen fie nur zu oft zu einer Sklavin oder zu einer Tyrannin gemacht wird, sondern ich habe in ihr immer nur eine Freundin gesehen, die Gott, dann führe ich meine Lieder als Schulbuch in die Pensions-Anstaluns gegeben hat.”

Die hohe Moralität seines inneren Lebens liegt in seinem Sinn für das Freundschaftsverhältniß. Seine ersten Karnevals- und TischGenossen sind ihm immer liebe Freunde geblieben.

Er trennte sich nie von einem Freunde, so lange eine Gemeinschaft der Gefühle und Gedanken zwischen ihnen bestand. Hatte diese Gemeinschaft aufgehört, so war es mit der Freundschaft für immer zu Ende.

Als Béranger das militairpflichtige Alter erreicht hatte, unterließ er es, sich zu melden, und er blieb in dieser Beziehung ein Gesez Uebertreter bis zu der auf Veranlassung der zweiten Vermählung Napoleon's proklamirten Amnestie.

Es bewog ihn dazu nur die Furcht, daß es seinem Vater, der sich in schlechten Verhältnissen befand, Geld koften würde. Er mußte daran denken, sich seine Existenzmittel zu erwerben. Durch die Noth gedrängt, schrieb er aufs Gerathewohl an Lucian Bonaparte. Dieser antwortete ihm, ließ ihn kommen, gewann Interesse für ihn und ließ ihn seitdem nicht im Stiche. Als dieser Bruder des Kaisers als Verbannter in Rom lebte, lebte Béranger von dem Gehalte, welches Lucian Bonaparte als Akademiker bezog. In der Folge kam er in bessere pekuniäre Verhältnisse, auch da er den Tert des „Museums", welches der Maler Landon herausgab, redigirte und dann unter dem Titel eines „Expeditionnaire" mit einem Gehalt von 1000 Francs in die Bureaur der „,Instruction publique" eintrat. Mit seinen 2000 Francs jährlich kam Béranger sich reich vor; er unterstüßte seinen Vater, seine Großmutter und seine Schwester. Später, als er erfuhr, daß es dem Schwiegervater Lucian Bonaparte's schlecht ging, nöthigte er diesen, das Gehalt seines Schwiegersohnes anzunehmen. Beschränkt auf 1000 Francs, fuhr er fort, freigebig zu sein.

Zwei nicht bedeutende dithyrambische Gedichte: Die Wiederherstellung des Kultus“ und „die Sündfluth", hatten ihm die Protection Lucian's eingebracht. Auf seines Protektors Rath machte er sich an eine klassische Dichtung: „Nero's Tod“. Aber seine, junge, ganz französische Muse empörte sich gegen die Mythologie." Er konnte die Dichtung nicht zu Ende bringen. Mit dem griechischen Alterthum durch eifrige Lektüre der von Madame Dacier überseßten „Ilias“ bekannt geworden, fühlte er sich bald mehr zu Aristophanes, als zu den Tragikern hingezogen. Er machte auch den Versuch, mehrere Komödien, z. B. „die Hermaphroditen“, zu ergänzen; aber da er die Verse mit zu ängstlicher Sorgfalt machte, fürchtete er, in das langweilige Genre Greffet's zu verfallen, und die Lektüre Molière's und Regnard's brachte ihn in eine solche Verzweiflung, daß er die angefangenen Stücke ins Feuer warf. Später versuchte er halb bürgerliche Tragödien zu schreiben, in denen er das Natürliche und das Heroische mit einander verbinden wollte.

Einige Monate nachher kam er auf das heitere satirische Lied zurück, in welchem seine Besuche in Peronne, beim Freunde Quenescourt, im Kloster der Sans-soucis ihn sehr gefördert haben. Im Jahre 1813, vor den lezten Siegen des Kaiserreiches, und nicht nach seinen ersten Niederlagen, wie man behauptet hat, begründeten die Gedichte:,,Der Senator",,,der kleine graue Mann“, „die Bettler“, und besonders,, der König von Yvetot", die in Abschriften verbreitet wurden, seinen Ruf. Seine komischen Refrains, durch indiskrete TischGenoffen verbreitet, trugen nicht wenig dazu bei.

Aus dem Jahre 1814 wird man in der Biographie Béranger's sehr werthvolle Notizen über Bernadotte, Fouché, Ludwig XVIII., über

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ten für junge Damen ein." Man bietet ihm ein Jahrgehalt an aus den für die Opfer der Revolution votirten Fonds. Kann er von dem, was den Witwen, den Waisen, den Verwundeten gehört, etwas annehmen? Er soll wenigstens irgend eine Sinekure annehmen! Er gehört nicht zu denen, die etwas annehmen, wofür sie nichts gegeben haben. Man will, daß er dem neuen König, der es wünscht, einen Besuch mache, ohne Umstände, wie bei einem schlichten Bürger," in Stiefeln.,,Ja, ja", erwiedert er,,,heute Stiefel, aber in vierzehn Tagen feidene Strümpfe!" Und er bleibt zuhause. Man bemüht sich, ihn in die Akademie zu bringen. Er erkennt es als eine Ehre an, einer von den Vierzig zu sein; aber er glaubt sich dieser Ehre nicht würdig und auch nicht fähig. Ein Liederdichter in der Akademie, im Staatskleide, den Degen an der Seite, und eine Stunde lang unter der Marter einer Lobrede! - Diese Vorstellung bringt ihn zum Lachen und erschreckt ihn. Er will kein Gegenstand mehr für die Aufmerksamkeit des Publikums sein, wie er in seiner Vorrede von 1833 fagt; er zieht sich in das Dunkel zurück, voll von Hoffnung für die Sache, der er gedient hat, jungen Leuten die Aufgabe überlassend, das fortzusehen, was er als junger Mann begonnen.

Es ist bekannt, wie fest er bei dem gefaßten Entschluffe blieb. Nicht einmal die Republik konnte ihn, den Republikaner von Instinkt und Ueberzeugung, aus seiner Zurückgezogenheit heraus bewegen. In dem festen Glauben, seine Aufgabe vollbracht zu haben, und sich nicht stark genug fühlend, noch eine neue zu übernehmen, will er nur noch ein Zuschauer sein, und er ist bis an das Ende seines Lebens, noch als Greis diejenigen, welche nicht so früh hätten alt werden sollen, aufrichtend und tröstend, durch seine geistreiche Bonhommie ein echter Repräsentant des französischen Geistes gewesen.

Man kann große Männer anführen, welche ihren Ruhm dadurch, daß sie sich überleben wollten, verloren haben. Béranger, sich gleich nach 1830 in das Grab des Privatlebens einschließend, hat selbst den Zeitpunkt bezeichnet, auf den man sich stellen muß, um ihn richtig zu beurtheilen. Er hat sich den damals verdienten Ruhm vollständig bewahrt, und Niemand kann ihm seinen Ruhm entreißen.

Oft:Sibirien.

Nikolajewsk am Amur.

Schon vor einiger Zeit war in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ und anderen Blättern die Rede von einem Versuch zur Anknüpfung regelmäßiger Handelsverbindungen zwischen Kalifornien und den neuen russichen Kolonieen am Amur, der von zwei bisher in San Francisco ansässigen Deutschen, den Herren Otto Esche und Heinrich Jacoby, angestellt wird. Ueber dieses Unternehmen enthält jezt die „Zeitschrift für allgemeine Erdkunde“ nach den ihr aus Kalifornien zugegangenen Mittheilungen einen ausführlichen Bericht, der zugleich dankenswerthe Aufschlüffe über den gegenwärtigen Zustand des interessanten und noch so wenig bekannten Landstriches giebt, den sich jene Männer zum Schauplah ihrer Thätigkeit erwählt haben.

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Von Nikolajewsk, dem Hauptort des Amur Gebietes, wird folgendes Bild entworfen:,,Nikolajewsk liegt am linken Ufer des Amur, auf einer ausgedehnten Hochebene, die steil zum Fluffe abfällt. Es ist der Sit des Gouverneurs des neugebildeten oftfibirischen Küstenbezirks und von Rußland bestimmt, in kommer zieller wie in militairischer Beziehung eine wichtige Rolle zu spielen. In ersterer Hinsicht soll es namentlich ein Sammelpunkt für die russi

schen Wallfischfahrer werden, und es ist hierzu durch seine Lage in der Nähe der wallfischreichen Ochotskischen See wie der Tatarischen Meerenge vorzüglich geeignet. Als Marinestation ist es durch drei Batterieen gedeckt; eine vierte soll auf einer Insel errichtet werden, die im Strome aufgeschüttet wird; auch an dem unteren Laufe des Amur erheben sich noch verschiedene andere Befestigungen, die das schwierige Fahrwaffer beherrschen. Der Entwickelung der russischen Marine am Stillen Ocean werden die herrlichen Wälder am Amur sehr zu statten kommen; nicht minder die reichen Kohlenlager, die sich sowohl am Amur wie an der Bai von la Jonquière auf der Insel Saghalin finden; die lehteren werden von den Ruffen bereits in ziemlich ausgedehntem Maßstabe bearbeitet und liefern ein Produkt, das fich, nach Herrn Esche's Ansicht, der besten englischen Kohle an die Seite stellen kann. Zur Zeit ist Nikolajewsk ein überwiegend militairischer Ort ein Fort, dessen Besagung aus 12-1500 Mann besteht. Die Häuser sind, den Bedürfnissen des Klima's angemessen, tüchtige Blockhäuser, aus gut behauenen Baumstämmen aufgeführt, mit soliden Thüren und Fenstern, und die innere Einrichtung läßt nichts zu wünschen. Der Ort besißt zwei Schulen und eine Kirche, eine der Regierung gehörige Maschinen-Werkstätte und eine Sägemühle. ,,Ganz besonders angenehm berührt es den Deutschen, daß das Leben, welches hier herrscht, gewissermaßen einen deutschen Anstrich trägt; man findet hier verhältnißmäßig viele Deutsche, namentlich Kurländer und andere Bewohner der Ostsee-Provinzen; ja, bei einer Kirchweihe wurde sogar einmal ein deutscher Gottesdienst gehalten, zu dem ein deutsch redender Geistlicher von Sitka herüberkam. Nussische Bauern, von Sibirien hierher übergesiedelt, wohnen in der Nähe des Ortes und bauen Roggen, Hafer, Kartoffeln, Rüben, Bohnen und andere Produkte, doch nur für den eigenen Bedarf; sie sind so heiter und lebensluftig, wie es der ruffische Bauer gewöhnlich ist, und haben Sonntags nach der Kirche regelmäßig ihren Tanz... Der fremde Kaufmann wird in Nikolajewsk mit großer Zuvorkommenheit empfangen, und die Behörden thun Alles, um ihm bei seinen Geschäften behülflich zu sein. Sobald der ,,Oskar") angekommen war, stellte der Gouverneur mehrere Leute zum Löschen der Ladung zur Verfügung, ein Magazin wurde von der russisch-amerikanischen HandelsCompagnie gemiethet, und der Gouverneur gab noch einige andere Räumlichkeiten her. Es bestehen in Nikolajewsk bereits mehrere Handelshäuser, zwei amerikanische, einige russische und ein deutsches, deffen Chef erst vor einigen Wochen von China herübergekommen war. Der Verkehr beschränkt sich bis jezt, wo alle Verhältnisse im Entstehen sind, nur auf die benachtbarten Distrikte. Fremde Waaren sind nicht sehr begehrt, da die Giljaken und die anderen eingeborenen Stämme der Nachbarschaft wenig Bedürfnisse haben. Aber man trifft doch schon jezt in diesen weiten Gebieten überall russische Kolonieen und Militairposten, die ihre Bedürfnisse, Provisionen, Schnitt- und Eisenwaaren u. dergl. von Nikolajewsk beziehen und sie zum Theil gegen werthvolle Produkte, wie Pelze, eintauschen. Der Gouverneur hat in Nikolajewsk selbst eine hübsche Wohnung, und außerdem eine Villa in der Nähe der Stadt auf einem Vorsprunge des Flußufers, von dem man eine herrliche Aussicht auf den Strom genießt. Das gesellige Leben ist sehr angenehm. Die Regierung hat dem Offizier-Klub ein eigenes Gebäude errichten lassen; man findet dort eine Bibliothek von mehr als 4000 Bänden, aus allen Fächern des Wissens, hauptsächlich aber aus dem Gebiete der Schiff fahrtskunde, ferner einen Speise- und einen Ballsaal, und eine große Auswahl von Zeitungen, darunter die „Augsburger Allgemeine" und die Indépendance Belge, die hier nicht durch die Druckerschwärze der russischen Censur entstellt sind. Die vielen Deutschen, die hier wohnen, beabsichtigen, eine deutsche Gesellschaft zu gründen“.

Mannigfaltiges.

Wellington über die Indier. Nachdem die von dem verstorbenen Herzog von Wellington während der Peninsularkriege geführte Korrespondenz schon vor Jahren der Deffentlichkeit übergeben worden, hat jezt der Sohn und Nachfolger des Herzogs die Publication der von seinem Vater zur Zeit seines Aufenthaltes in Indien verfaßten Berichte und Denkschriften begonnen, welche durch die Ereignisse der Gegenwart ein erhöhtes Intereffe erhalten haben. **) Neben den Aufzeichnungen Wellington's über jene ersten Feldzüge, in denen er sich zu der Rolle vorbereitete, die er später auf dem europäischen Kriegstheater spielen sollte, finden sich darin Erörterungen über die

Das von den Herren Esche und Jacoby ausgerüstete Schiff. **) Supplementary Despatches and Memoranda of Field Marshal Arthur Duke of Wellington, K. G. India, 1797-1805. Edited by his Son, the Duke of Wellington. Vol. I. London: Murray.

Verwaltung der Ostindischen Compagnie, die Disziplin und den Charakter der Sepoy-Armee und andere Themata, die heute als brennende Tagesfragen von der englischen Presse besprochen und im englischen Parlament verhandelt werden. Ueber die eingebornen Bewohner Indiens fällt er das nachstehende strenge Urtheil: „Sie sind das boshafteste, hinterlistigste Volk, das ich je gesehen oder von dem ich je gelesen habe. Ich habe noch nicht Einen Hindu getroffen, der, sogar nach Maßgabe seines eigenen gesellschaftlichen Zustandes, eine einzige gute Eigenschaft besaß, und die Muselmänner sind noch schlimmer. Ihre angebliche Sanftmuth und Milde sind in der Wirklichkeit nicht vorhanden. Es ist wahr, daß die von Europäern verrichteten Thaten ihnen vor Lezteren Furcht eingeflößt haben; aber überall, wo das Mißverhältniß der Zahl größer ist als gewöhnlich, gebrauchen sie jedes Mittel, um sich ihrer zu entledigen, und in ihrem Umgang und Verfahren unter sich zeigen sie eine wilde Grausamkeit, die mir unerhört scheint. Zwei Umstände sind hauptsächlich an der Grausamkeit, der Falschheit und der Hinterlist schuld, die sich in diesem Lande bemerklich machen: Erstens findet man bei den Eingebornen, bei Hohen wie bei Niedrigen, eine Todesverachtung, deren Ursache in einigen von den Glaubensfäßen beider Sekten liegt, und die zur Folge hat, daß sie die Todesstrafe, die bei uns so gefürchtet wird, als einen Spaß oder gar als eine Ehre betrachten. Andererseits hält man es für eine zu große Strenge, die Hindu's zu den Strafen zu verurtheilen, die bei uns für gewöhnliche Vergehen angewendet werden, als Gefängniß und Peitschenhiebe, da diese den Verlust der Kaste nach sich ziehen. In den muselmännischen Staaten hat es mit den Strafen ganz diefelbe Bewandtniß. Die Hindu's machen sich nichts daraus, wenn sie nur nicht den Verlust der Kaste verursachen, und die Muselmänner haben sich in die Ideen der Hindu's so hineingelebt, daß sich von ihnen das Nämliche sagen läßt. Zweitens kennt weder das Hindu-, noch das muselmännische Gesez eine Strafe für den Meineid. Ihre Schriftgelehrten sagen, daß Gott dieses Verbrechen ahnden und der Mensch es daher nicht thun müsse; da man aber nun troßdem die Leute schwören läßt und ihren Eid als gültig betrachtet, so ist Niemand seines Lebens oder seines Eigenthums sicher, wie gerecht und wohlmeinend die Regierung auch sein mag. Die Folge hiervon ist, daß mehr falsche Eide in der Stadt Kalkutta allein ge= schworen werden, als in ganz Europa zusammengenommen, und ebenso verhält es sich in allen anderen großen Städten“.

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Die atlantische Telegraphen-Linie. Bekanntlich foll neben der Linie zwischen Irland und Neufundland noch eine zweit unterseeische Telegraphen-Linie über die Azorischen Inseln Europa mit Amerika verbinden. Die franzöfifche Regierung hat darüber im Mai 1857 mit Herrn W. Glower, als Vertreter einer internationalen europäisch-amerikanischen Telegraphen-Gesellschaft, einen Vertrag abgeschlossen, der sich im 12. Heft des 4. Jahrgangs der Zeitschrift des deutsch-österreichischen Telegraphen-Vereins abgedruckt findet. Der Vertrag ermächtigt Herrn Glower, für einen Zeitraum von 40 Jahren, vom Datum des Bestätigungs-Dekretes des Vertrages ab, eine unterseeische Telegraphen-Linie herzustellen, welche von der franzöfschen Küste unweit Bordeaur ausgeht, Kap Finisterre in Spanien, Lissabon und die Azorischen Inseln berührt und in Boston in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika endet. Als Gegenleistung für diese ihm ertheilte Ermächtigung übernimmt Herr Glower in seinem. eigenen Namen, wie im Namen der von ihm vertretenen Gesellschaft, die Verpflichtung: 1) alle Depeschen der franzöfifchen Regierung und ihrer Vertreter in Amerika kostenfrei zu befördern und denselben in der Reihenfolge der Beförderung den Vorrang vor den Privat-Depeschen einzuräumen; 2) alle nach dem europäischen Kontinent destimmten Depeschen über die französischen Linien zu richten, mit Ausnahme der nach Spanien und Portugal bestimmten, welche direkt in diese Länder geleitet werden können; 3) für die Korrespondenz von oder nach Frankreich die Gebührensäße der meistbegünstigten Nation in Anwendung zu bringen. Die französische Regierung behält sich das Recht vor, überall, wo es ihr passend erscheint, geeignete KontrolMaßregeln nach ihrem Ermessen zu treffen, um die Ausführung der Convention zu überwachen. Der Dienst dieser Telegraphen-Linie wird in Frankreich durch Staats-Telegraphen-Beamte versehen, welche die Gesellschaft befoldet. Dieselben beziehen das ihrem Grade und ihrer Klasse im Staatsdienst entsprechende etasmäßige Gehalt. Wenn die Linie nicht innerhalb drei Jahren vom 9. Mai 1857 ab fertig und im Betrieb ist, oder wenn, nachdem die Linie in Betrieb gewesen, eine Unterbrechung über ein Jahr eintritt, so wird der Vertrag als er loschen betrachtet. (Pr. C.)

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr.,
halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür
bat Blatt im Julande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 33.

für die

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Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann,
Niederwallstr. Nr. 21), sewie ven allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Polen.

Berlin, Donnerstag den 18. März.

Aus dem polnischen Literatur-Saale.

1858.

land die heroische Poesie eines schrankenlosen Geistes kennen gelehrt. Doch nicht dieses Werk, sondern jene seiner Schöpfungen, in welchen die lodernde Phantasie zu Ruhe und Klarheit kommt, dem Gedanken und der Form unterthan wird, seine meisterhaften Balladen, Roman zen, seine größeren epischen Dichtungen, machen ihn unsterblich. Gleiches Betrachtet man die Literatur eines Volkes wie einen Saal, in welchem die Literaten ihre permanenten Sigungen halten und ihre läßt sich kaum von seinen ,,Dziady" sagen, dem Stieftinde von Goethe's Feste feiern, neue Mitglieder aufnehmen, Fremden den Ehren-Werther", weil hier die Phantasie wieder losbricht und den Dichter Zutritt gestatten und neue Produkte schaffen, so bietet uns der Polnische Literatur-Saal gegenwärtig einen eigenthümlichen Anblick. Einig in den Grundgedanken ihrer Bestrebungen und Beschlüsse, sind feine Sigungsmitglieder dennoch entschieden getrennt durch äußere Schranken, welche niederzureißen sie sich vergeblich bemüht haben und nur mit dem Erfolg, daß Einzelne in Nebengemächer verwiesen worden find. Ein solches ist unter Anderem Paris.

Ein Verständniß der polnischen Literatur der Gegenwart ist nicht möglich ohne einen festen Blick auf Polens unselbständige Vergangenheit. Den Untergang des Reichs beleuchtete eine geistige Fackel, wie fie Polen nur Einmal, in der klassischen Periode des sechzehnten Jahrhunderts, beschienen hatte. Bald darauf folgte eine Verdumpfung, die an Tiefe und Dauer kaum jemals ein Beispiel gehabt hat, und der Beginn des neuen Jahrhunderts fand Polen in der starrsten Empfindungslosigkeit und der verzweifeltsten Anstrengung, durch verzerrten Stolz und sinnlose Verschwendung Reputation, Kraft und Besißthum zu vernichten. Da brachte der Aufruf und das Erscheinen Napoleon's in Warschau einen neuen Hoffnungsstrahl. Aber die Folgen der verigangenen Jahre zeigten sich: dieses Volk, dem einft der Himmel nicht ei zu hoch gewesen wäre, um ihn erstürmen zu wollen, regte sich jest Te nur zu Gastmälern und Festlichkeiten und zu Bitten. Erst der Zukunft war es vorbehalten, indirekte Wirkungen dieser Ereignisse zu bringen. Die Freiheitsliebe erwachte, der Geist erwärmte wieder. Noch einige Jahre blieben die Früchte aus. Aus der Glanzperiode zu Ende des Reichs und Jahrhunderts lebten und wirkten noch einzelne hervorragende Dichter (Niemcewicz, Przybyski, Woronicz, Karpiński u. A.); neue traten hinzu. Aber Mattigkeit und Schwäche lagen auf den Gemüthern. Feliński, der Dichter eines sehr geschäßten nationalen Dramas:,,Barbara", schrieb nach seiner Ueberschung Crebillon's an seinen Freund, den Geschichtschreiber und Staatsmann Czadi: „Ich glaube nun genug Arbeiten zu haben, daß es zwei Bändchen gebe", d. h. eine Original-Tragödie, zwei überseßte Trauerspiele und eine überfeste Idylle waren einem reichbegabten Dichterleben genug;freilich wohl mußte es sein Stolz ertragen, daß zu Bestreitung der Druckkosten für seine zwei Bändchen eine Sammlung veranstaltet werden mußte. Welch ein Gegensaß zu der unerschöpflichen Produktivität der neueren, romantischen Dichter, z. B. Kraszewski's! Solcher Reich thum giebt nicht immer den Maßstab für die Würde der Zeit, aber ist stets ein Beweis von geistiger Regsamkeit. Derselbe Feliústi „Ich schreibt später an seinen Freund: Ich bin sehr neugierig, Dein Ur. theil über Klassiker und Romantiker zu hören. Gewiß hast Du schon die beiden Schlegel gelesen; ist es nicht der Fall, so lies sie bald und schreibe mir offen, was Du davon denkst, ich bitte Dich darum. Du weißt, daß ich nicht deutsch verstehe, ich muß mich also ganz auf Dich verlaffen. Betrüge mich nicht. Theile mir auch mit, was Du von eurem Magnetismus hältst“. Und darauf: „Glücklicherweise fteht mir das Werk A. W. Schlegel's: „, Cours de la Littérature dramatique", en 3 volumes, in dieser Sprache zu Gebote. Ich lese es nun zum dritten Male, warte aber noch Deine Meinung ab. Du kannst dieses und ähnliche Werke im Original lesen, kennst das englische und deutsche Theater besser als ich, und Dir gebührt darum durch aus der Vorzug."

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Wie ein aufflackerndes Licht blißt die neue Zeit in jene Periode. Sie brach an, als die Generation herangereift war, welche Napoleon's Kriegszüge durch Polen in ihren Jugendjahren gesehen hatte. Mickiewicz (geboren 1798, gestorben am 26. November 1855) wurde der Träger der neuesten Literaturepoche Polens,,,ihr Schöpfer und Repräfentant". Seine Vorlesungen über flavische Literatur haben Deutsch

fortreißt.

Die seitdem so viel gepflegte episch-romantische Schule in Polen ist Mickiewicz' Werk, oder das Werk seiner Zeit, als deren Bevolllen bis dahin nichts geleistet; alle Versuche waren fehlgeschlagen. mächtigter und Vollstrecker er auftrat. Im reinen Epos hatte Po"Igor's Kriegszug gegen die Polowzer", aus dem zwölften Jahrhundert, kann auch nicht für ein polnisch-nationales, sondern nur überhaupt für ein slavisches Epos gelten, das ursprünglich in russischpolnischer Mundart geschrieben und erst in neuerer Zeit von Bielowski ins Polnische übertragen worden ist. Auch Mickiewicz' Epopöen tragen den Fehler des Zeitalters an sich; sie sind aber ungleich gediegener als alle vorangegangenen Erzeugnisse dieser Art. Man sieht in ihm den einzigen Epiker Polens. Am nächsten steht ihm vielleicht Alex. Chodźko in seinen epischen Bildern und Schilderungen. Die historische Erzählung in Versen ist ein Zweig dieser Literatur, der sich schnell und reich ausgebildet hat; Malczewski's "Maria" ge= gänzlich isolirt steht eine Epopöe Olizarowski's: „Der Sophet“. hört ihm an, und viele Produkte der jüngsten Vergangenheit. Wohl eine merkwürdige Erscheinung, nicht nach deutschem Dafürhalten, denn sondern nach der Ansicht der polnischen Sprachkenner; dieses Gedicht wir würden nur eine große Aehnlichkeit mit Pyrker darin finden, ist nämlich in den reinsten, gelungensten Herametern geschrieben, troß aller Betheuerungen der Polen, daß sich ihre Sprache zu antiken nur ein,, arithmetisches" Versmaß gebe. Versmaßen nicht eigne, daß es in ihr kein geometrisches", sondern

"

Auch der Roman hat seine Vertreter gehabt; Krasicki, den man für den größten polnischen Dichter hält, der aber entschieden Meister in der komisch-satirischen Epopöe (,, Monachomachia“, „, Antimonachomachia",,,Myszeidas") und der geistreichste Pole genannt werden darf, schrieb schon im vorigen Jahrhundert in romantischem Stile. Die Blüthezeit des Romans in Polen aber ist die Gegenwart. Der sein neuestes Werk:,, Die Komödianten", erschien vor kurzem in vier fruchtbarste Romandichter, Kraszewski, ist bereits erwähnt worden; Bänden.

Als einer der einflußreichsten Dichter unseres Jahrhunderts hat Mickiewicz allerdings Anspruch auf Verehrung von den Seinigen und selbst im Auslande. Paris hat diesen Geist in seinen Mauern sich entfalten sehen und ist darum besonders voll seines Ruhmes. Der Eindruck, welchen die warmen Improvisationen des Herrn Boyer über Mickiewicz' Schriften worin, mit der obigen Darstellung übereinstimmend, Napoleon und seinen Heeren Aufschwung und Richtung des den Mickiewiczschen Lechinnen den Vorrang zugestehen müssen jungen Dichters zugeschrieben wird und die Byronschen Albionstöchter dort hervorgebracht hatten, war noch nicht verwischt, als Alexander Chodźko seine Profeffur der slavischen Sprachen, und Literaturen in mann, Freund und Nachfolger des Verstorbenen, auch dessen Schriften Paris antrat. Was mußte natürlicher erscheinen, als daß er, Landszum Beginne seiner Vorlesungen wählen werde? Man denke sich die Puschkin's Enttäuschung der Polen, als der Professor am Schlusse der Antrittsrede seinen zahlreichen Zuhörern eröffnet, Puschkin's Werke zum GegenWerke, eines Ruffen, eines Dichters, der in Paris niemals hoffähig stande seiner nächsten Vorlesungen bestimmt zu haben in den Salons der Polen war!

Aler. Chodźko befindet sich seit beinahe zwanzig Jahren fast ununterbrochen in Paris und arbeitete dort während des orientalischen Krieges im Ministerium und nach demselben in den Angelegenheiten der persischen Gesandtschaft. Früher acht Jahre russischer Konsul in Ispahan, hatte er sich den persischen Großorden der Sonne und des

Löwen, von seinem Kaiser die Ritterschaft des St. Stanislausordens erworben und sich dabei eine seltene Kenntniß der persischen Sprache angeeignet. Dieses Studium seßte er in Paris fort, und als Ergebnisse desselben nennt man außer einer gerühmten persischen Grammatik (1853):,,Specimens of the Popular Poetry of Persia &c", London 1845,,,Le Théâtre en Perse",,,Le Guilan", ,,Le Khoraçan”, „Le Deçatir”, „Le Rédacteur Iranien", sämmtlich in Paris in den Jahren 1845–1853. erschienen. Ueber den Orient und den französischen Journalismus vergaß aber der Pole nicht sein Vaterland; verschiedene seiner Schriften find in polnischen Blättern zer ftreut, seine Balladen und epischen Erzählungen find werthvoll.

Kehren wir damit aus dem Nebensaal in' den Hauptsaal zurück. Haben wir dort gesehen, daß dem Polen die südlichere Sonne eben auch nicht mit dem Freiheitsscheine leuchtet, der ihm Lebenselement ist, so empfängt uns hier schon am Eingange ein nordischer Hauch mit dem tragi-komischen Berichte: Polen ist stets reich gewesen an schönen Entwürfen; wo sie aber scheiterten, das war wieder Polen. Dazu gehört die Geschichte des jüngst projektirten „,Tygodnik Wileński" (Wilnaer Wochenschrift). Eine Reihe ehrenwerther Namen hatte sich zur Mitarbeiterschaft verbunden. Baliński, Bartoszewicz, Chodźko, Kraszewski, Korzeniowski, Narbut, Odyniec, Pług, Syrokomla, Tomaszewicz, Malinowski, Trentowski und viele Andere. Diese glänzende Verbindung eröffnete ihre Redactions-Sigungen mit einem folennen Mahle bei Kirkor; statt Champagner floß zum Toast der alterthümliche Meth, und Syrokomla improvisirte:

Die vaterländsche Schrift soll denn begrüßen
Ein rauschender Toast bei altem Trank,
Wie unsre Väter einst erwärmen ließen
Die Brust bei vaterländschem Becherklang:
Er mög' auch heute seine Kraft bewähren,
Mit festem Muth zum Bruderdienst uns nähren;
Gott mög' in jedes unsrer Worte gießen
Des Lebens Wärme und des Honigs Süßen.

Allein am Tage vor dem Erscheinen der ersten Nummer des Werkes ging ein Interdikt ein; das gesammelte Material sollte jedoch unter dem Titel: „Teka Wileńska" (Mappe von Wilna), in sechs Heften herausgegeben werden dürfen. Bald darauf lasen wir auch wirklich die Ankündigung:,,,,Teka Wileńska" erscheint in 6 Heften im Jahr, der jährliche Pränumerationspreis ist u. f. w." Es ist mir unbekannt, aus welcher Veranlassung, oder durch welchen Zufall, noch eine Aenderung eingetreten ist, aber wenige Tage später hieß es: ,,Teka Wileńska", herausgegeben von Johann von Ślivin. 2 Bände als ganzes Werk.

Für heute sei dies die Schlußscene aus dem polnischen Literatur-
F. Kr.

Saale.

Dänemark.

Ludwig Holberg's Leben und Schriften.

Nach Robert Pruß. (Schluß.)

So ausgerüstet, unternahm es Holberg, die Commedia dell'arte in der Gestalt, welche sie durch das Théâtre Italien erhalten hatte, auf die dänische Bühne zu verpflanzen. Und nicht verpflanzt hat er fie, sondern auch umgebildet, erweitert und fortentwickelt und hat eben dadurch in die Geschichte des Komischen selbständig eingegriffen. Zuvörderst nämlich gab er dieser Komödie eine künstlerisch begränzte, in sich abgeschloffene Form. Sie war bis dahin, sowohl in Italien, wie in Frankreich, größtentheils improvisirt worden und also auch darin ihrem ältesten Ursprunge treu gelieben. Auch die Stücke des Gherardischen Théâtre Italien sind beinahe durchgängig lückenhaft und können ohne die improvisirten Zusäße des Schauspielers nicht ins Leben treten.

Holberg nun machte diesem zwitterhaften Zustande, der eine wahrhaft künstlerische Vollendung dieser Komödie von vorn herein ausschloß, ein Ende, und durch diesen wichtigen Schritt wurde die VolksKomödie der gelehrten Komödie formeller Weise genähert und eine Aussöhnung beider vorbereitet, ohne daß deshalb die erstere von ihrer Ursprünglichkeit und Frische eingebüßt hätte. Sodann entfernte Holberg die abstrakten Masken der Commedia dell' arte und seßte an ihre Stelle lebendige, wirkliche Charaktere. Allerdings haben auch feine Figuren in ihrer typischen Wiederkehr noch etwas Maskenartiges, das an die stehenden Figuren der Commedia dell' arte erinnert. Sein Jeronimus ist immer der geprellte Vater oder Vormund, Leonard immer der verständige, theilnehmende, aber stark spießbürgerliche Freund, Magelone immer die komische Alte, Leander immer derselbe ehrliche, nüchterne, etwas philiströse Liebende, Leonore immer feine tugendsame Geliebte, Henrik immer der schalkhafte Knecht, der spißbübische Arlechino, der an der Pernille seine stereotype Colombine hat, Oldfur immer der dienstfertige Gauner, der die Anschläge des

seeländische Bauer, der für Andere, und namentlich für den wißigen Henrik, die Prügel kriegt u. s. w. Aber diese Gestalten find bei ihm eben Gestalten, leibhaftige Wesen von Fleisch und Blut, mit aus geprägtem, individuellem Charakter, nicht bloße Schemen, welche die Laune des Dichters willkürlich unter einander würfelt. Die Composi tion seiner Stücke ist von einer fast kindlichen Einfachheit, wie fie dem damaligen primitiven Zustand der dänischen Bühne und dem unverfälschten Geschmacke eines Publikums, das hier zum ersten Male die Reize der dramatischen Dichtung kostete, vollkommen angemessen war.

Holberg's Verdienst beschränkt sich aber nicht blos darauf, daß er lebendige Charaktere geschaffen und in einfach natürlichen Handlungen in Bewegung gesezt hat, sondern diese Charaktere, sowie überhaupt seine sämmtlichen Dichtungen, tragen auch einen unverkennbar vaterländischen, einen national dänischen Charakter. Der Spiegel, den Holberg seinen Landsleuten entgegenhielt, war so treu, daß die Nation sich sofort darin erkannte, der nationale Boden, in den Holberg feine Dichtungen pflanzte, so fest und dem Bedürfniß so entsprechend, daß sich sofort das Gebäude einer wirklichen dänischen Nationalliteratur darauf erheben konnte. Und doch bleibt dies Verdienst, so bedeutend es auch ist, immer nur ein solches, das Holberg sich speziell um seine Nation erworben hat; ein anderer weiterer Schritt, den er zur Vollendung seiner Komödie that, wurde epochemachend für die Entwickelung der Komödie überhaupt. Nachdem er nämlich der Komödie lebendige Charaktere und nationale Färbung gegeben hatte, so fand er nun auch noch eine Sphäre für sie, in der sie sich frei bewegen konnte und die ihr als selbständige Domäne eigenthümlich zugehören sollte. Mit ficherer Hand und ungeirrt durch das Naf'rümpfen der feinen Leute griff er hinunter in den Kern des Volkes, die eigentliche mannhafte Grundlage der Nation, in den Bauern und Bürgerstand, aus dem und für den er seine Komödie, eine wahre Bauern- und Bürgerkomödie, schuf. Welcher Dichter oder Gelehrte hätte sich bei der Verachtung, welche damals auf dem Bürger und Bauer lastete, wohl herablaffen mögen in diese glanzlosen Kreise und die kleine Welt der Bürger und Bauern, mit ihren unbeachteten, ungeahnten Freuden und Leiden, ihrer schlichten und altväterischen Sitte, ihren einförmigen, mitunter etwas derben und ungeschlachten, aber tüchtigen Gestalten, um sie dichterisch zu verklären? Zwar gab es auf allen Bühnen jener Zeit etwas, was allenfalls daran erinnern könnte: nämlich die Schäfer- und ähnliche Komödien, die Wirthschaften und Bauerntänze, womit die hohen Herrschaften sich wohl auch persönlich ergößten. Aber das waren keine wirklichen Schäfer, keine wahren Bauern, keine echten Handwerker: es war parfümirtes Hofgesindel, das sich entweder als Damon und Chloe verkleidete und mit einer arkadischen Naivetät kokettirte, der weder ihr Herz, noch die wirkliche Welt das Mindeste wußte, oder wo sie sich wirklich auf den derben Ton und die ungeschminkte Natürlichkeit der niederen Stände einließen, da geschah es nur ironischer Weise, um dieselbe in der brutalften Weise zu übertreiben und zu karikiren. Selbst die spanische Komödie des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, die doch noch am ersten von allen modernen Komödien Europa's eine volksthümliche genannt werden darf, bewegt sich, vielleicht mit einziger Ausnahme der kleinen possenhaften Zwischenspiele, ausschließlich in der höheren, der salonfähigen Sphäre der Gesellschaft; ebenso die englische und französische Bühne. Der Versuch aber, welchen der Schulmeister von Zittau, Christian Weise, in seinen Theaterstücken mit Einführung der niederen Stände gemacht hat, unterscheidet sich von der Holbergschen Komödie wesentlich dadurch, daß seine Bauern u. s. w. nur auftreten, um durch ihre Roheit, Unwissenheit und Tölpelhaftigkeit das Befferwiffen der Gebildeten zu kiheln, also ganz ähnlich, wie es auch in den komischen Stücken des Gryphius geschehen war.

Bei Holberg hingegen ist diese Welt der Bürger und Bauern, ohne Seitenblick, ohne Unterordnung unter eine andere für höher geachtete Gesellschaft, an sich und in ihrem eigenen guten Rechte, wirklich die Sphäre seiner Dichtung, er benußt sie nicht blos als pikanten Gegensaß, sondern er hat an diesen derben frischen Gestalten wahrhaft seine poetische Freude und giebt sie mit denselben derben und frischen Farben wieder, mit denen sie ihm von der Bühne der Wirklichkeit entgegenleuchten. Es wurde, um es mit einem Worte aus zusprechen, durch Holberg ein Stand poetisch emanzipirt, der praktisch noc in der tiefsten Knechtschaft und Bewußtlosigkeit lag. Die Dichter aber, nämlich die echten, wahren, sind jederzeit die Propheten der Zukunft. Es scheint im hohen Grade wahrscheinlich, daß durch diese poetische Ver herrlichung der „kleinen Leute", welche Holberg in seinen Dichtungen und namentlich in seinen Komödien lieferte, das Selbstbewußtsein eben dieser kleinen Leute und damit auch ihre sittliche Kraft erweckt und gekräftigt wurde, und es ist demnach der Holbergschen Komödie selbst an der späteren thatsächlichen Emancipation des dänischen Banernstandes durch Bernstorf unter Christian VII. gewiß ein wirk

Eine wichtige Folge dieser Holbergschen Bürger- und BauernKomödie besteht ferner darin, daß nun auch das deutsche Theater, welches sich der Komödie des Holberg mit Vorliebe anschloß, vorzugsweise dieselbe Sphäre der Gesellschaft kultivirte, so daß auch bei uns die Kleinmalerei der unteren Stände und ihrer sittlichen wie geselligen Verhältniffe noch die erträglichste und am besten gepflegte Seite unseres übrigens so verwahrlosten Lustspiels geworden ist.

Die sechsunddreißig Komödien, die Holberg geschrieben hat, theilt Herr Pruz in drei Gruppen: Charakterstücke, Situationsstücke und literarische Komödien, und führt die vorzüglichsten aus jeder Gruppe in einer meisterhaften Ueberseßung vor. Die Reihe der Charakterstücke eröffnet, der politische Kanngießer“, Holberg's dramatische Erstgeburt, vielleicht von allen und unter den Charakterstücken gewiß sein Meisterwerk. Es fand gleich bei seinem Erscheinen den größten Beifall, den es sich auch jederzeit und in allen Bearbeitungen, deren es sehr viele erlebte, bis in die neueste Zeit erhalten hat. Nächst dem „politischen Kanngießer“ hat,,Jean de France oder Hans Franzen", der Deutschfranzose, wie er in unseren Uebersetzungen gewöhnlich heißt, das meiste Glück in Deutschland gemacht. Gottsched nahm das Stück mit einer glänzenden Empfehlung in den zweiten Band seiner deutschen Schaubühne auf. „Holberg", sagt er,,,dieser berühmte und sinnreiche Mann, hat in Dänemark das geleistet, was Molière und Destouches in Frankreich gethan haben. Die Thorheit der französischen Affen ist so scharfsinnig und so glücklich von ihm ausgelacht worden, daß man hoffen kann, es werden künftig alle solche deutsche Franzosen, davon es eine Zeit lang in Deutschland gewimmelt hat, bei Allen, die dies Stück lesen, halb unehrlich gemacht werden.“ Von den Situationsstücken hat Herr Pruz „Jeppe vom Berge oder der verwandelte Bauer", der elfte Juni" und die Wochenstube"; von den literarischen „Ulyffes von Ithacia oder eine deutsche Komödie“ mitgetheilt. Das leztere Stück ist eine ergözliche Parodie der damaligen ungeheuerlichen Staatsactionen und Zauberstücke, wie sie besonders auf der deutschen Bühne zu jener Zeit herrschten. Holberg selbst spricht sich über das Werk folgendermaßen aus: In dieser Komödie geht es her über die abgeschmackten, thörichten, funfzig Jahre langen Komödien, die ehedem bei uns von Landstreichern aufgeführt wurden. Das Stück umfaßt einen Zeitraum von vierzig Jahren, die Scene verändert sich unaufhörlich. Die vornehmen Personen, welche darin vorkommen, führen eine aufgeblasene und schmußige Sprache, um sich vor dem gemeinen Manne auszuzeichnen. So oft der Feldherr den Schauplag betritt, wird in die Trompete gestoßen; die Personen des Stückes sind in diesem Augenblick junge Leute und im nächsten grauhaarige Greise. Dazu kommen die thörichten Verstöße gegen die Zeitrechnung, die barbarischen Namen und Anderes der Art, wovon die Komödien der Landstreicher wimmeln. Alle diese Widersinnigkeiten werden von Kilian, einem Diener des Ulysses, aufgedeckt und zwar auf eine so geschickte Art, daß dies Stück nicht weniger dem gemeinen Mann, der bei moralischen und kritischen Stücken zu gähnen pflegt, als den Vor. nehmen selbst zum Ergößen gereichte." Holberg spricht sich die Erfindung dieses Stückes selber zu; allein Rahbek hat nachgewiesen, daß gerade zu diesem Stücke dem Dichter „sein lieber Gherardi“ eine Menge von Anregungen und Mustern geboten, die er treulichst benugt hat: so Ulysses und Circe, die Wünsche, Harlequin Proteus, der Phönir und Anderes. Merkwürdig ist, daß auch schon in der alten italiänischen Volkskomödie solche Travestieen ernster Süjets nicht selten gewesen zu sein scheinen: so hat der Atellanendichter Pomponius ein Stück:,,Der untergeschobene Agamemnon", geschrieben, und in des Novius „Eteokles und Polynices" kämpften beide Brüder ihren Zweikampf mit Knütteln aus.

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Zur Verbreitung der Holbergschen Stücke in Deutschland trugen besonders die wandernden Schauspielerbanden bei, seit die ausgezeichnetsten Künstler der damaligen Zeit, das Ackermannsche Ehepaar, Eckhof, Schröder u. A., die außerordentliche Ergiebigkeit der Holbergschen komischen Charaktere erkennend, dieselben mit der ganzen Fülle ihres Talentes den entzückten Zuschauern vor Augen stellten. Von Norddeutschland, wo sie sich besonders in Hamburg einer vorzüglichen Aufnahme erfreuten, drangen sie auch nach Süd-Deutschland. Schröder trat in Straßburg zuerst in der Rolle des ,,Peter" im „Bramarbas“ auf, und 1760 wurde in Basel die Wochenstube" gegeben. Als in den siebziger Jahren mit ,,Siegwart" und Konsorten die Sentimentalität zu grassiren anfing, war es um Holberg und seinen Einfluß geschehen. Erst im Jahre 1808 brachte Goethe Holberg's politischen Kanngießer" wieder auf die Weimarische Bühne, doch als Sing spiel in zwei Akten mit modernen Anspielungen und eingelegten Liedern. Auch Kozebue hat sich eine Zeit lang von dem Mark der Holbergschen Komik zu nähren gesucht; er hat namentlich den,,Don Ranudo de Colibrados", den „Jeppe", den „elften Juni" und den ,, verpfändeten Bauernjungen" bearbeitet, von denen besonders der "Ranudo" fich lange auf den Brettern behauptet hat. Der Versuch der Romantiker, den Dichter in seiner ursprünglichen Gestalt

wieder zu Ehren zu bringen, mißglückte, weil sie die Sache verkehrt angriffen. Die hier gegebenen kurzen Andeutungen über die Holbergsche Komödie werden hoffentlich genügen, auf den Dichter selbst sowohl, wie auf das reichhaltige Werk des Herrn Pruß über denselben aufmerksam zu machen. Wir haben hier nur die eine Seite des Buches hervorgehoben; nicht minder lehrreich und interessant ist, was der Verfaffer über die Entwickelung der dänischen Literatur bis zu Holberg und über das Leben und sonstige literarische Wirken Holberg's mittheilt. Die Frage, die der Verfasser am Schluffe feiner Schrift aufwirft: "Ob das vorliegende Werk im Stande sein wird, Holberg, wenn auch nicht im Bewußtsein des deutschen Volkes, doch wenigstens im Bewußtsein der deutschen Wissenschaft in seine Rechte als einen der größten komischen Dichter aller Zeiten wieder einzusehen wird von Seiten des Verfassers in Demuth abzuwarten fein“ dürfte wohl unbezweifelt zu Gunsten Beider, des Dichters, wie seines Restaurateurs in Deutschland, beantwortet werden. M.

Griechenland.

Griechenland und die französische Kritik.

das

Die Beziehungen Frankreichs zu Griechenland theils zu dem Königreiche, theils zu dem gesammten Griechenstamme (лavěkkýviov), beginnen wenigstens auf dem literarischen Gebiet und in kulturhistorischer Hinsicht etwas freundlicher sich zu gestalten; die französischen Gelehrten fangen an, mehr als bisher um Griechenland und um die neugriechische Literatur, wie um die neugriechische Sprache sich zu bekümmern, und sie unterlassen dabei nicht, auch moralische und politische Sympathieen für die Griechen und für Griechenland auszusprechen. Dies ist neuerdings namentlich von Seiten des gelehrten Franzosen Brunet de Presle, deffen Schrift:,,Sur les colonies grecques en Sicile" vor einiger Zeit von der französischen Akademie gekrönt ward, in einer Abhandlung: „,Sur les tombeaux des empereurs de Constantinople" geschehen, und auch unser deutscher Landsmann, Egger in Paris, Professor der griechischen Sprache und Literatur am Còllége de France, welcher, ebenso wie der genannte Franzose, die neugriechische Sprache selbst versteht und spricht, hat sein wissenschaftliches Interesse an Griechenland und seine aufrichtigen Sympathieen für dasselbe bei einzelnen Gelegenheiten mehrfach kund gegeben. Die in Athen seit 1850 unter der Redaction von Rangawis, Konst. Paparrigopulos, Dragumis u. s. w. erscheinende wissenschaftliche Zeitschrift: Néa Пardwga, liebt es und unterläßt daher auch nicht, auf dergleichen Sympathieen aufmerksam zu machen, und sie that dies auch neulich in Ansehung der genannten beiden Gelehrten, und zwar, wie sie sagte, aus dem Grunde,,,weil, auch wenn das westliche Europa sich selbst durch die Werke des Geistes ehrt und in hohem Grade auszeichnet, welche ihm die Gegenwart verdankt, doch diese Werke für dasselbe insofern nur ein sehr geringes Zeugniß ablegen, als es um das feindselige Verhalten Europa's gegen das gesammte griechische Volk sich handelt, welches neuerdings wie ein wilder Gebirgsstrom über legteres hereinbrach und es faft verschlang“. „Ein jedes Urtheil über uns“, hieß es dort weiter, „das auf anderen Geseßen beruht, als auf denen der Gerechtigkeit, ist falsch, wie es ungerecht ist; aber auch außerdem ist es für einen Jeden, der sich mit den Angelegenheiten Griechenlands beschäftigt, eine unerläßliche Nothwendigkeit, die Ansicht festzuhalten, daß das griechische Volk, welches seine eigenthümlichen CharakterEigenschaften hat und eine, den meisten Europäern fremde Sprache redet, eben darum auch ein besonderes Studium und eine eigenthümliche Beurtheilung erfordert". Sagte doch schon vor längerer Zeit der treffliche Beobachter der verschiedenen Nationalitäten in der europäischen Türkei, der Franzose Ami-Boué, in seinem Werte:,,La Turquie d'Europe" (Paris, 1840), Tom. II. pag. 19 ff.: „Das griechische Volk hat so eigenthümliche und bestimmte Anschauungen, die von den unsrigen so sehr verschieden sind, daß ein Jeder, der es mit Erfolg beherrschen will, seine eigenen, althergebrachten Ansichten und Gewohnheiten geradezu in Europa zurücklaffen und aufgeben, und daß er ein Grieche werden muß von ganzer Seele, das heißt, daß er nur das lieben darf, was Griechisch ist, und daß er sogar eine gewiffe Verachtung gegen den Occident sich aneignen muß, wennschon dies seine Geneigtheit und Bereitwilligkeit durchaus nicht ausschließen wird und soll, von einem Theile der Civilisation des Abendlandes Nugen für Griechenland zu ziehen. Ein Volk, welches man nicht nach Belieben in ein europäisches umwandeln kann, darf nicht jenen Völkerschaften beigezählt werden, wie die des Bisthums Basel, Savoyens oder Belgiens, deren Nationalität von der Entscheidung eines Kongreffes fremder Monarchen abhängig zu machen wäre."

Eine der neuesten Abhandlungen des genannten Profeffor Egger in Paris beschäftigt sich mit dem griechischen Aufstande vom Jahre 1821 und mit der seit 1853 in drei Bänden erschienenen, jedoch noch unvollendeten, in griechischer Sprache geschriebenen Geschichte der

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