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irgend einer fremden Sprache vornimmt und sich niederseßt, um aus nationalen Lauten Wörter für nichtnationale Begriffe zu schmieden: das ist ein Verfahren, welches den geistigsten Schaß des Menschen zu einer materia vilis, seine großartigste Schöpfung zu einer mechanischen Arbeit erniedrigt".

Der Hauptirrthum unberufener Sprachvervollkommner besteht darin, daß sie wähnen, die Sprache sei in gleicher Art vervollkommnungsfähig, wie eine Wissenschaft oder ein Gewerbe. Allerdings kann jedes Idiom veredelt werden, aber nur so, wie man z. B. den Apfel veredelt, nicht damit eine Ananas, sondern damit ein möglichst wohlschmeckender Apfel daraus werde". Als Ausdruck des ganzen Kreises der Begriffe und Ideen muß jede Sprache mit der Erweiterung dieses Kreises Schritt halten und sich vervollkommnen, aber zumeist nur so, wie sie ins Dasein getreten ist, d. h. in Uebereinstimmung mit dem Charakter, der ihr von Anbeginn, feit ihrer ersten Entwickelung, eigen gewesen. Es wäre die größte petitio principii, wenn man behaupten wollte, Sprachen seien nach vorher ersonnenen Regeln und Gefeßen gemacht, denn der Gedanke ist ohne Wort ebenso wenig denkbar, als das Wort ohne Gedanken.

Wenn man übrigens das Wirken des sprachbildenden Geistes mit dem der Natur vergleicht, so ist die Vergleichung, wie alle ähnliche, in gewissem Sinne immer hinkend. Denn unsere Seele huldigt zwar einerseits den ihr anerschaffenen, nothwendigen Gesezen, wie überhaupt jedes Naturwesen, andererseits aber wirkt sie selbständig, d. h. fie macht von jenen Gefeßen freien und bewußten Gebrauch, und dies ist's, was sie von anderen Naturwesen unterscheidet. Die der Seele angebornen Geseze sind unveränderlich wie die der Natur überhaupt, wogegen das selbstbewußte Wirken des denkenden Geistes individuell veränderlich ist. So lange ich also in der Sprachentwickelung auf jener Basis bleibe, wird mein Sprachgenoß, weil er unter dem Einfluffe des gleichen Gesezes sich befindet, mich verstehen; entferne ich mich aber von unserer gemeinsamen Basis und gestalte ich das Wort, statt nach allgemeinen sprachbildenden Gefeßen, nach meiner individuellen Ansicht, so hat es mit der Gemeinverständlichkeit ein Ende. Von den besonderen, sehr anziehenden und belehrenden Anwen= dungen auf das Magyarische müssen wir absehen, da diese Sprache in Deutschland noch gar wenig studirt wird. Bei allen Klippen, womit übelverstandene Fortbildung eine Sprache bedrohen kann, müssen wir jedoch dem heutigen Magyaren wenigstens dazu Glück wünschen, daß er unnöthigen Fremdwörtern selten Eingang gestattet, während unser Deutsch von dergleichen, besonders französischen, immer bedrohlicher überflutet wird. Es ist schon wahr, man thut beffer, ein Fremdwort mit Haut und Haaren aufzunehmen, als eine deutsche Bezeichnung zu schmieden, die dem Geiste unserer Sprache fremd wäre; aber die große Mehrheit der ins heutige Deutsch eindringenden Ausländer ist erweislich unnöthig, und bald wird es uns gründlich lächerlich machen, wenn wir fortfahren, mit dem Reichthum unserer Muttersprache zu prahlen, ohne ihn ferner verwerthen zu können.

Mannigfaltiges.

Entgegnung. Es kam mir vor einigen Tagen zufälligerweise eine Nummer des in Frankreich zu wenig verbreiteten,,Ausland“°) zu, in welcher eine Arbeit über die Entzifferung der Keil. schriften enthalten ist. Dieser das Publikum wenig unterrichtende Auffah spricht von der Sache fast gar nicht, destomehr aber von den Persönlichkeiten der verschiedenen Gelehrten. Da persönliche und den Anstand verlegende Angriffe gewöhnlich dem Angegriffenen mehr nüßen als schaden, würde ich es nicht der Mühe werth erachtet haben, einem Namenlosen zu antworten, wenn nicht aus den Anschuldigungen selbst die materielle Unwiffenheit des Verfassers hervorginge.

Man behauptet, ich habe im Jahre 1851 Rawlinson's erste Arbeit von 1847 kritisirt, ohne auf die mannigfachen Verbesserungen Rücksicht zu nehmen, die der englische Gelehrte in der Zwischenzeit veröffentlicht haben soll. Eine ähnliche von Rawlinson gegen mich auf der ersten Seite seiner Arbeit gerichtete Beschuldigung hat derselbe aber einige Seiten darauf selbst zurückgenommen (S. 70). Ich kannte, damals in der französischen Provinz lebend, wirklich nicht die kleineren, später in England erschienenen Auffäße: hätte ich sie aber gekannt, so würde ich nichts in meiner Beurtheilung zu ändern gehabt haben, wie ich es Wort für Wort beweisen kann. Diese Sachlage ist dem Titelblätter und Vorreden zur Genüge kennenden Kritiker natürlich unbekannt geblieben; weniger indessen mehreren der erften Gelehrten Deutschlands, die deshalb von dem Namenlosen als „Nachbeter“ bezeichnet werden.

*) Stuttgart und Augsburg, Cotta.

Von dem Inhalt der Arbeiten Rawlinson's und der meinigen ist keinesweges die Rede, wohl aber von unseren, das Publikum wenig interesfirenden, persönlichen Beziehungen, die der Rezensent gar nicht kennt. Mehr als diese einfache, der Wahrheit gemäße Abweisung bin ich weder mir, noch verkappter Unbildung schuldig.

Es ist ebenfalls unwahr und sehr leicht für Jeden darzulegen, daß ich nach meiner Rückkehr von Asien den Ton meiner Wider legungen geändert: im Gegentheil, Niemand hat des englischen Ge lehrten große Verdienste gerechter gewürdigt, ohne jedoch französischer und namentlich deutscher Forscher Thätigkeit zunahe zu treten. Daß ich Lezteres aber nicht nur in Frankreich und Deutschland, sondern namentlich in England gethan habe, scheint meines berühmten Fachgenossen ungeschickten Freund zu verdrießen.

so

Auf weitere Auseinanderseßungen kann ich mich nicht einlassen, lange der Rezensent nicht den Muth hat, sich zu nennen. Paris, den 23. Februar 1858.

Dr. Julius Oppert,

Professor an der kaiserlichen Bibliothek in Paris.

- Die fünftige englische Verwaltung Indiens. Ju Bezug hierauf äußert sich der bereits erwähnte Artikel in der Edinburgh Review:,,Jeder der großen und glücklichen General-Gouver neure Ostindiens hat ohne Bevormundung eine ausgedehnte Macht ausgeübt. Er, und nicht die Behörde in England, ist der wirkliche Minister Indiens, und nichts wäre für die Ausübung seiner Macht verhängnißvoller, als fortwährend allen Kritiken der parlamentarischen Regierung in England ausgesezt zu sein. Wählt den tüchtigsten Mann, den ihr finden könnt, gebt ihm ausgedehnte Vollmacht, ruft ihn zurück, wenn er sie mißbraucht; aber so lange er dort ist, muß er das Haupt des orientalischen Reiches sein. Er ist der Diener Englands, aber der Souverain Indiens, und so lange er die Herrschaft führt, kommt es mehr darauf an, seine Obergewalt über das indische Volk aufrecht zu erhalten, als ihn zu zwingen, sich dem englischen Volke zu unterordnen. Alles, was darauf hinausgeht, den gouvernementalen Mechanismus in Kalkutta zu verstärken, ist von unberechenbarer Wichtigkeit, denn dort ist die wirkliche Exekutiv- Regierung. Die Art und Weise, wie man die Verhandlungen in England leitet, ist hierbei nur von untergeordneter Bedeutung. Wir sehen deshalb wenig praktischen Vortheil, aber vielleicht einige Gefahr in den Debatten, welche sich über die Oberleitung der indischen Angelegenheiten im Parlament erheben werden. Wir ziehen einen weit wichtigerer Schluß aus den großen Ereignissen, welche die Blicke der ganzen Welt auf sich gezogen haben. Wir erwarten weder von Leadenhallstreet, noc von Cannon - Now, weder von der Charte der Ostindischen Compagnie, noch von der Autorität der Königin große und heilsame Verände rungen in den Beziehungen Englands zu Indien. Allerdings ist das Interesse der Nation eng mit dem dieses Landes verknüpft. Dab durch englische Speculation auf die Vermehrung der Arbeit der Eingebornen verwendete englische Kapital kann die Einkünfte Indiens vergrößern und seine natürlichen Hülfsquellen mehr erschließen. Nicht durch englische Truppen allein wird das Ansehen der Oberherrschaft aufrecht erhalten. Die Zeit ist gekommen, wo ein Gefeßbuch, das nicht mit knechtischer Unterwürfigkeit von den muhammedanischer Kadi's angenommen und den Einrichtungen Manu's nachgeahmt, sondern von englischen Gefeßgebern abgefaßt ist, allen Religionen gleiche Rechte einräumen muß. Anhänger einer absoluten Toleranz für die Ueberzeugungen aller unserer Angehörigen, beanspruchen wir, daß der Glaube einer jeden anderen Raçe auf gleichen Fuß mit dem Glauben, den wir bekennen, gesezt werde. Erziehung und Unterricht sollen die Kenntniß der Sprache und der Wissenschaften Englands unter den Eingebornen verbreiten. Eine größere Bequemlichkeit der Verbin dungsmittel und Handelsbeziehungen im Innern sollen einer immer größeren Zahl von Europäern Indien eröffnen. Eine Empörung ist gegen die Fortschritte der Civilisation in Indien ausgebrochen. Zahllose Schwärme barbarischer und fanatischer Feinde haben die kleine, aber tapfere Schaar, welche die Vorhut ihres Landes bildete, angefallen. Keiner entzog sich seiner Pflicht, Keiner verzweifelte am Erfolg, denn sie wußten, daß England sie unterstüßen oder rächen werde. So steht es mit der Sache, die sie verfechten. Aberglaube, Eifersucht, Unwissenheit, Gefahren rings um sie her, aber die Sache selbs ist und bleibt die der Wahrheit und Pflicht. Sie wird fest ausharren, bis neue Hülfe ihre Energie erhöhen und ihre Macht wieder her stellen wird".

Wöchentlich erscheinen 3 Rummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei undin Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 29.

für die

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Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Dienstag den 9. März.

Friedrich der Große, Maupertuis und La Beaumelle. Vor Jahr und Tag ist in Paris ein damals auch im ,,Magazin" angezeigtes Leben des von Friedrich dem Großen, bald nach feinem Regierungs-Antritte, zum Präsidenten der Berliner Akademie ernannten französischen Gelehrten Maupertuis, und zwar als eia nachgelassenes Werk La Beaumelle's erschienen, der zu seiner Zeit als Kritiker und als einer der heftigsten Gegner Voltaire's bekannt war.) In diesem Buche finden sich zugleich nicht weniger als sieben undachtzig Briefe Friedrich's des Großen an Maupertuis abgedruckt Briefe, die man bisher nirgends gelesen hatte und die da her dieser um neunzig Jahre zu spät erschienenen Biographie auch außerhalb Frankreichs, und besonders für uns Preußen, ein neues Intereffe verleihen mußten.

In der von Herrn Professor Preuß besorgten, nunmehr vollendet vorliegenden, akademischen Ausgabe der Werke Friedrich's des Großen findet sich, mit Ausnahme von sieben zum Theil ganz unerheblichen Nummern, nichts von einer Korrespondenz des Königs mit dem Präsidenten der Berliner Akademie. Auch macht Herr Preuß dort die Bemerkung: „Es ist in der That auffallend, daß der König nicht mit Maupertuis eine wahrhaft freundschaftliche, vertrauliche, oder literarische Korrespondenz geführt hat“. Ein ganz willkommener Fund mußte also der im vorigen Jahre publizirte, im Ganzen aus 176 Nummern bestehende Briefwechsel zwischen Friedrich und Maupertuis sein. Mit welcher Begierde namentlich ein Mann, wie Preuß, der jedes Wort kennt und verehrt, welches aus Friedrich's Feder gefloffen, das nachgelassene Werke La Beaumelle's aufgenommen und gelesen, läßt sich leicht denken. Und wirklich finden sich hier unter den 87 Briefen des Königs musterhafte Stücke, reich an Gedanken und stylistisch schön, wie nur irgend welche in den zahlreichen Bänden, die feine Korrespon denz umfassen. Schade nur, daß sie, wie sie hier abgedruckt sind, nicht wirklich aus Friedrich's Feder gefloffen, sondern, wie der geiftreiche Kritiker Sainte Beuve nachweist,°) ein verarbeitetes Produkt des gewiffenlosesten aller Editoren, La Beaumelle's, find!

Derselbe La Beaumelle hatte zu seiner Zeit auch die,,Briefe der Frau v. Maintenon" gesammelt und herausgegeben. Aber vor einigen Jahren, als Herr Theod. Lavallée die auch in unserem „Magazin“ als vortrefflich empfohlenen „Lettres sur l'éducation des filles", von Frau v. Maintenon (1854) und deren,,Lettres historiques et édifiantes" (1856) hatte erscheinen lassen, bemerkte man in Frankreich, daß dasjenige, was man bis dahin für ein Geisteserzeug niß der berühmten Frau gehalten, zum größten Theile das Machwerk eines litera rischen Faiseurs war, der das, was er beliebig hinzuthat oder veränderte, weil es vielleicht im Geschmacke seiner Zeit war, für nichts weniger als eine Verfündigung an der Wahrheit oder an dem Geiste einer historischen Persönlichkeit hielt, sondern vielmehr der Meinung sein mochte, daß er sich dadurch den Dank von Mit- und Nachwelt erwerbe.

Wahrscheinlich durch diesen Maintenonschen Vorgang aufmerksam gemacht, hat es sich Herr Sainte Beuve angelegen sein laffen, das erst jezt zu Tage gekommene Editionswerk La Beaumelle's (der bereits im Jahre 1773 verstorben) mit der ihm zum Grunde liegenden Originalkorrespondenz zu vergleichen, wozu ihm der kaiserliche Bibliothekar, Herr Feuillet de Conches, Gelegenheit verschaffte, und siehe Friedrich, der doch seinen Verballhorner um dreizehn Jahr überlebte, hat es sich ebenso, wie die berühmte Frau des siebzehnten Jahrhunderts, gefallen laffen müssen, daß man ihn in damaliger französischer Gartenmanier beschneide, zustuge und durch angebliche Verschönerungen fast unkenntlich mache.

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Herr Sainte Beuve bemerkt in dieser Beziehung: „Wenn sich das Verfahren La Beaumelle's darauf beschränkt hätte, die französischen Sprachfehler Friedrich's oder etwanige Unangemessenheiten des Aus

*) Vie de Maupertuis, par La Beaumelle. Ouvrage posthume. **) Moniteur Universel du 26. octobre 1857.

1858.

drucks zu verbessern, so wurde man es begreiflich finden, ja faft entschuldigen. Man würde sich erinnern, daß fast alle Editoren seiner Zeit sich dergleichen Freiheiten erlaubten, ja, daß es auch noch zu unserer Zeit geschehen, wenn man die in den leßten Jahren veranftalteten Editionen ausnimmt. Die Briefe unserer größten Schriftsteller — mit Einschluß derjenigen der Frau v. Sevigné find von diesen indiskreten Retouchirungen, mit welchen man angeblich gewiffe Nachlässigkeiten zu verbessern meinte, nicht verschont geblieben. Aber La Beaumelle hat die Prätension, noch ganz etwas Anderes dabei zu thun: er korrigirt nicht blos die Phrasen Friedrich's, er verleiht ihnen nicht blos, so oft es ihm gerade beliebt, eine lebhaftere Wendung, eine Frisur, einen neuen Anstricher schiebt geradezu von dem Seinigen ein, er mischt seine Ideen unter die des Königs, und unter der Firma Friedrich's bringt er seine eigene Waare an den Markt. Sehen wir hier gleich einmal eine Probe an dem ersten Briefe, durch welchen Friedrich, bald nach seiner Thronbesteigung, Maupertuis nach Berlin beruft: La Beaumelle's Verballhornung. ,,Königsberg, 14. Juli 1740.

Friedrich's Original.

,,Königsberg, 14. Juli 1740. ,,Mein Herr v. Maupertuis!

,,Mein Herr v. Maupertuis!

Sie sollten mir nicht zuvorkommen; Sie sollten mir nicht zuvorkommen, meine Stimme hat Sie bereits in und es ist auch ganz in der dem Augenblicke gerufen, als ich zur Ordnung, daß das BedürfRegierung gelangte und noch bevor niß demjenigen, was dasselbe Sie mir geschrieben hatten. Ich befriedigen kann, vorangehe. arbeite daran, die Künfte auf einen Meine Stimme und mein Herz fremdländischen, wilden Stamm zu haben Sie bereits in dem Augenpfropfen; dazu bedarf ich Ihres blicke gerufen, als ich auf den Beistandes. Sie haben zu beur- Thron gelangte und noch bevor theilen, ob die Aufgabe, die Wissen Sie mir geschrieben hatten. Ich schaften in diesen Klimaten auszu arbeite daran, die Künfte auf einen breiten und Wurzel schlagen zu fremdländischen, wilden Stamm zu laffen, Ihnen nicht ebenso zum pfropfen; dazu bedarf ich Ihres Ruhme gereichen wird, als diejenige, Beistandes. Sie haben zu sehen, das Menschengeschlecht zu belehren, ob die Aufgabe, die Wissenschaften von welcher Form der Kontinent war, in diesem Klima zu begründen den es bewohnt.) Ich schmeichle und auszubreiten, Ihnen nicht ebenso mir, daß der Beruf eines Apostels zum Ruhme gereichen wird, als der Wahrheit Ihnen nicht unan- das Menschengeschlecht belehrt zu genehm sein werde und daß Sie haben, von welcher Figur der sich zu Gunsten Berlins entschei- Kontinent sei, den es bewohnt. den werden. In Erwartung Ihrer Ich schmeichle mir, daß der Beruf Unterweisungen und des Vergnü- eines Apostels der Wahrheit Ihnen gens, von Ihren Einsichten zu profitiren, versichere ich Ihnen, daß ich mit vieler Achtung bin

Jhr wohlaffectionirter
Friedrich."

*) Maupertuis, ein tüchtiger Mather matiker, hatte eine Reise nach dem Norden unternommen, um durch Messuns gen zu ermitteln, ob die Newtonsche Theorie von der Form der Polar-Regionen sich bestätige. D. R.

nicht unangenehm sein werde und daß Sie sich zu Gunsten Berlins entscheiden werden aus Liebe zu ihr, wenn nicht aus Freundschaft für mich. Sie glauben gar nicht, wie sehr ich wünsche, Sie zu besigen. Widmen Sie sich mir, ich bitte, ich beschwöre, ich flehe Sie darum an (je vous en supplie). Es ist Zeit, daß die Fürsten vor den Philosophen kriechen (rampent); die Philosophen haben nur zu lange schon vor den Souverainen gekrochen. Mit welchem Vergnügen werde ich Ihre Unterweisungen empfangen und von Ihren Einsichten profitiren! Ihr wohlaffectionirter Friedrich."

Es gehört wirklich nur eine oberflächliche Kenntniß des Königs und seines Stils dazu, um in dieser La Beaumelleschen Variante sofort die Zusäße des Franzosen zu erkennen. Als ob Friedrich jemals

dergleichen Ausdrücke, wie:,,ich bitte Sie flehentlich" (je vous en supplie), oder:,,die Fürsten kriechen vor den Philosophen", hätte gebrauchen können! La Beaumelle hat dadurch ebenso seinem Geschmack, wie seiner Kritik, ein Armuthszeugniß ausgestellt.

La Beaumelle wagt es nicht selten, die psychologischen Motive der Handlungen des großen Königs in den ihm untergeschobenen BriefHellen darzulegen; er leiht ihm Empfindungen, Grundsäße, Tiraden, an die Friedrich vielleicht niemals gedacht hat. So läßt er den König einmal (ohne daß von dem Folgenden auch nur ein Wort in den Originalbriefen steht) Nachstehendes schreiben:

,,Was überaus seltsam erscheint, ist, daß mein Hang zur Ünentschiedenheit durchaus keinen Einfluß auf meine militairische oder politische Handlungsweise und auch nicht auf meinen Charakter übt. Bei einem Schlachtplane verfahre ich ebenso wagehalsig, wie nur irgend ein Anderer".......... „Die Souveraine (fährt La Beaumelle im Namen Friedrich's fort) sind den Wissenschaften nicht blos Rücksichten, sondern auch Achtung und Liebe schuldig. Wenn ein Fürst auch alle Angelegenheiten seines Reiches mit Gleichgültigkeit behandelte, müßte er doch denjenigen, die auf den öffentlichen Unterricht sich beziehen, besondere Sorgfalt widmen. Ein gut erzogenes Volk ist leicht zu regieren".... Ich verzeihe es anderen Fürsten gern, daß sie der Jagd, den Mahlzeiten, dem Spiel, der Repräsentation mehr Zeit schenken, als ich meinen literarischen Vergnügungen widme; Jeder hat nun einmal seine besondere Leidenschaft in dieser Welt." Sainte Beuve bemerkt, daß La Beaumelle augenscheinlich dies und Anderes geschrieben habe, um die Pariser zu amüsiren, die darin einen Seitenhieb auf den Hof Ludwig's XV. erblickt hätten.

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Wir übersehen noch einen Originalbrief Friedrich's an Maupertuis und stellen daneben die La Beaumellesche Paraphrase und Amplification, die besonders charakteristisch für den französischen Schwäger ist. Maupertuis hatte seinen Vater durch den Tod verloren und empfing bei dieser Gelegenheit den Brief des Königs.

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"Ich hege die Besorgniß, daß "Ich hege die Besorgniß, daß dieses Schreiben Sie in dem Augen dieses Schreiben Sie in dem Augen blicke des größten Schmerzes an- blicke des größten Schmerzes antrifft. Ich bitte Sie, sich dessen trifft. Ich weiß, daß in diesem zu erinnern, was ich Ihnen in Augenblicke der beredteste Potsdam gesagt. Bedenken Sie, Tröster nur ein Ueberlästiger daß Ihr Vater, welcher 84 Jahr ist. Inzwischen bitte ich Sie, alt geworden, gewußt hat, er sei an das zu denken, was ich Ihnen ein Sterblicher. Ich ersuche Sie, in Potsdam gesagt. Ihr Vater ist Ihre Angelegenheiten möglichst rasch vierundachtzig Jahr alt geworden; zu ordnen, denn Sie fehlen mir Sie haben ihn lebenssatt und hier sehr. Auch muß Ihr dortiger er hat Sie ruhmbedeckt geAufenthalt, wo Sie beständig an sehen. Es scheint mir, daß er den Gegenstand Ihrer Trauer er- diese Welt mit geringerem innert werden, diese noch vermeh- Bedauern verlassen haben ren, während das Leben in Berlin muß und daß dieser Gedanke fie vermindern würde. Vergeffen unter den zahlreichen TrostSie nicht, womöglich etwas Liebens- gründen (dans ce corps de raiwürdiges mitzubringen. Wenn Sie sons consolatoires), die Ihnen vier gute Schauspieler, zwei Männer Ihre Philosophie an die Hand und zwei Frauen, finden könnten, geben muß, einen vorwiegen so würde dies eine sehr nügliche den Plaß beansprucht. Ich er Erwerbung für unser Theater sein, suche Sie, Ihre Angelegenheiten das in der That an guten Kräf- schleunigst in Ordnung zu ten Noth leidet. Ich habe Alles bringen, denn Sie fehlen mir aufgeboten, um Pérard hierher hier sehr. Ueberdies ist der Ort, nach Berlin zu ziehen. Morgen der Sie beständig an den Gegen reise ich nach Schlesien ab, von stand Jhrer Betrübniß erinnert, wo wo ich am 10. künftigen Mo- nicht geeignet, sie zu schwächen, nats zurückgekehrt sein werde. Le- während das Leben in Berlin sie ben Sie wohl! Ich wünsche von verwischen wird. Man muß dem ganzem Herzen, daß der Kummer Schmerz durch die Arbeit und nicht Ihre Gesundheit angreife und das Vergnügen opponiren; daß wir Sie bald wieder bei uns Sie werden hier die eine, fehen mögen. wie das andere finden. Vergeffen Sie nicht, womöglich etwas Liebenswürdiges mitzubringen. Wenn Sie vier gute Schauspieler, zwei Männer und zwei Frauen, finden könnten, so würde dies eine sehr nüßliche Erwerbung für unser Theater sein, das in der That in großer Dürftigkeit an guten Kräften ist. Ich habe Alles aufgeboten, um Pérard nach Ber

Friedrich."

Verdienst, aber Ihre Anerkennung hat meine Achtung vor ihm sehr vermehrt. Morgen reise ich ab, um meiner reizenden Geliebten, der Provinz Schlesien, den Hof zu machen. Ich werde am 10. f. M.

von dort zurückgekehrt sein. Leben Sie wohl! Ich wünsche von ganzem Herzen, daß der Kummer nicht Ihre Gesundheit angreife und daß wir Sie bald wieder bei uns sehen mögen. Sie haben einen guten Vater gehabt; dies ist ein Glück, das nicht alle Ihre Freunde gekannt. Haben Sie nun auch Grund, zu weinen, so würde es doch ungerecht= fertigt sein, wenn Sie sich wollten niederbeugen lassen. Friedrich."

Herr Sainte Beuve bemerkt mit Recht, daß die am Schluffe dieses Briefes von La Beaumelle hingeworfene Anspielung Friedrich's auf seinen eigenen Vater, so fein und geistreich sie auch den mit dem Charakter des Königs unbekannten Lesern scheinen möchte, doch deffelben ganz unwürdig sei. Der König, der in seinen „, Mémoires de Brandebourg" mit so großer Liebe und Verehrung von Friedrich Wilhelm I. spricht, hätte am allerwenigsten bei einer Gelegenheit, wie die hier erwähnte, das Andenken seines Vaters entheiligt.

Mit dem kaiserlichen Bibliothekar, Herrn Feuillet de Conches, gelangt übrigens Herr Sainte Beuve, nach vollständiger Vergleichung des von Herrn Michel Nicolas herausgegebenen La Beaumelleschen Buches mit den Originalbriefen, zu dem Schluffe: daß der wirkliche Briefwechsel Friedrich's des Großen mit Maupertuis noch ganz und gar zu publiziren bleibt. Selbst die wenigen Proben, die wir vorstehend neben den Verballhornungen La Beaumelle's geliefert, werden die literarische Welt, und insbesondere die Verehrer Friedrich's, begierig machen, die sämmtlichen hundertsechsundsiebzig Briefe beider Freunde in authentischer Form veröffentlicht zu sehen.

Nicht unterlassen wollen wir aber, hier noch zwei andere authentische Stellen aus Friedrich's Briefen an Maupertuis mitzutheilen, deren Kundwerdung wir dem Artikel des Herrn Sainte Beuve verdanken. Die unglückselige Polemik Voltaire's gegen Maupertuis, die bekanntlich in dem Pamphlet Akakia" ihren Höhepunkt erreichte, hatte den Präsidenten der Berliner Akademie so schmerzlich berührt, daß er in Folge dessen ernstlich erkrankt war. Friedrich suchte ihn zu beruhigen, indem er ihn aufforderte, seine Verleumder eben so zu verachten, wie er selbst thue. Bei dieser Gelegenheit schreibt er ihm: (8. März 1753.) ...,,Voltaire behandelt Sie sanfter, als mich die Zeitungsschreiber von Köln und Lübeck; gleichwohl kümmere ich mich um diese nicht im mindesten. Glauben Sie mir, mein lieber Maupertuis, Sie thun unrecht, sich so ganz und gar Jhrer Empfindlichkeit hinzugeben. Satiren und Verunglimpfungen sind wie das Unkraut, das auf allen Feldern wächst: es wird niemals daran fehlen in der Welt. Ein Satiriker, der uns nahe kömmt, kann uns mit Koth bewerfen, doch verlegen? nein! Adieu! Befinden Sie sich wohl und pflegen Sie sich hübsch. Zwei Tropfen Blut, die Sie spucken, find gefährlicher, als alle Pasquille, welche die Bösen auf Sie machen können."

-

(15. September 1753.)...,,Es ist einmal das Loos öffentlicher Personen, der Verleumdung als Stichblatt zu dienen; gegen fie find die heftigsten Streiche böswilliger Menschen gerichtet. Ich habe es versucht, ein wildes Pferd, das bei seinem Laufe alle Welt verleßte, aufzuhalten, und ich wundere mich nicht, bei dieser Gelegenheit einige Schmutzflecke davongetragen zu haben. Trösten wir uns mit einander, mein lieber Präsident, und erinnern Sie sich jenes Wortes von Mark Aurel, welches über die Thür jedes Philosophen mit goldenen Buchstaben eingegraben werden sollte: Gegen diejenigen, die dich beleidigen, und gegen die Bösen sollst du deine Gnade üben, nicht gegen die achtbaren Leute, die dich nicht an= greifen. Leben Sie wohl, mein Lieber; wenn Mark Aurel spricht, ziemt es mir, zu schweigen. Ich hege tausend Wünsche für Ihre Wiederherstellung."

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Einfluß der Phanarioten auf die Angelegenheiten des osmanischen Reiches ist weltbekannt. Seit dem Aufstande ist ihr Kredit freilich sehr gesunken; indessen in List und Ränken geübt, wissen fie noch immer ihren früheren Ruf geltend zu machen. Männer und Frauen dieser Nation suchen sich, und mit Erfolg, unentbehrlich zu machen, und die große Zahl griechischer Sklavinnen, die zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges in die Harems kamen, hat nicht wenig dazu beigetragen, dem Einfluß ihrer Landsleute eine größere Ausdehnung zu verschaffen. Die Schönheit der Griechinnen und ihr Typus ist zu bekannt, um einer Beschreibung zu bedürfen. In einigen Familien tragen fich die Frauen orientalisch, aber mit jenem Geschmack und jener Zierlich keit, wie sie diesem überwiegend künstlerischen Volke eigen sind. Die vornehmen Frauen kleiden sich größtentheils nach fränkischer Tracht, mit einigen Abweichungen im Kopfpuß und in Schmucksachen, die halb dem europäischen, halb dem asiatischen Geschmacke huldigen, da sie an beide Welttheile mit so mannigfaltigen Banden geknüpft sind.

Die griechischen Frauen leben sehr abgeschloffen, so sehr haben die moslemischen Sitten auf die christlichen eingewirkt. Sie besuchen fleißig und andächtig die Kirchen, sizen aber, den Blicken der Anwesenden unsichtbar, in vergitterten Logen; obgleich sie sonstwo ihr Gesicht nicht verhüllen und überhaupt große Freiheit genießen. Keines weges aber stehen sie auf dem Fuße der Gleichheit mit den Männern: diese können sie nach Belieben verstoßen, sehen sie mit mißtrauischen Augen an und hegen über das weibliche Geschlecht dieselben Begriffe, die im ganzen Orient gäng und gebe find.

Die Armenier haben sich schon früh den Osmanli genähert, und wenn sie in der Religion Chriften find, so wurden sie Moslimen in den Sitten. Sie theilen sich in Katholiken und Schismatiker. Jene, an Rom durch den Katholizismus gebunden, haben zum Theil die orientalischen Sitten abgelegt und dafür die abendländischen angenommen. Ihre Geistlichkeit, theils in der Propaganda zu Rom, theils in der Mechitaristenschule zu Venedig gebildet, hat sie für die westTändische Civilisation empfänglich gemacht.

Die Armenier, die Heloten der Türken, verstehen es mit großer Schlauheit, den Stolz, die Unwissenheit, die Launen und die Einfalt ihrer Herren auszubeuten; 'gebückte und kriechende Diener, dünkt fie die niedrigste Sprache an der gesellschaftlichen Leiter nicht zu niedrig, wenn es gilt, Geld zu machen. Dafür halten sie sich in ihren vier Pfählen schadlos; hart und grausam gegen ihre Diener und Sklaven, erwarten sie von diesen dieselbe Unterwürfigkeit, diefelbe Ehrfurcht, dieselben Schmeicheleien, mit denen sie gegen die Großen so verschwenderisch sind. Die häusliche Einrichtung des Armeniers ist zierlich, obgleich er es nicht wagt, seinen Reichthum sehen zu lassen. Ueberall im Orient ist der Lurus des Rajah's furchtsam und entfaltet sich nur, wenn er vor verrätherischen Blicken sicher ist.

Die Armenierinnen haben regelmäßige Züge, eine Adlernase, einen wohlgeformten Mund und schöne schwarze Augen; allein die Wohlbeleibtheit nimmt ihrer Gestalt früh alle Zierlichkeit. Fruchtbar wie die Engländerinnen, haben sie die Schande, die im Orient eine kinderlose Frau trifft, nicht leicht zu fürchten.

Die Frauen der orientalischen Christen verstecken sihre Reize hinter Jaschmak und Feredsche wie die Mosleminen, deren Kostüm, bis auf die gelben Halbftiefel, fie angenommen haben. In den katholischen Familien kleiden sich manche fränkisch und äffen die abendländischen Moden, Manieren und Gebräuche nach. Sie verstehen mehrere Sprachen, und Viele sprechen das Französische sehr geläufig.

Die Frauen werden von den orientalischen Christen als Wesen angesehen, die tief unter den Männern stehen, und nicht einmal als Pathinnen bei der Taufe zugelassen. Sie werden ebenso streng wie bei den Türken bewacht, dürfen sich ohne Erlaubniß nicht in Gegen wart des Mannes sehen, mit keinem Fremden sprechen, wenn sie zu fällig in seine Gesellschaft gerathen find. Heiraten werden von den Aeltern gefchloffen, ohne daß die Töchter ihre Zustimmung gegeben oder ihren Zukünftigen gesehen haben. Die Armenierinnen find fleißige Kirchengängerinnen und sind nur dann vom öffentlichen Gottesdienst ausgeschlossen, wenn sie Leid um ihre Aeltern tragen. Das Leben, das ihnen die Religion vorschreibt, ist eine ununterbrochene Fastenzeit, und das Leben, das ihnen ihre Stellung auflegt, ist ein trauriges und strenges.

Die Juden in Konstantinopel haben, wie alle ihre Brüder im Orient, seit Jahrhunderten und troß aller Verfolgungen, eine unerschütterliche Anhänglichkeit an ihre Religion, einen entschiedenen Widerwillen gegen jede Veränderung ihrer Sitten, einen tiefen Haß gegen die Bekenner anderer Religionen bewahrt. Sie haben keine Industrie, sind nur Mäkler, Wechsler, Handelsleute, ohne jemals aus der Rolle der Armuth, die sie spielen, zu fallen; allein bei ihrer gränzenlosen Unwiffenheit, können sie mit den Griechen und Armeniern nicht Schritt halten. Die Jüdinnen sind hübsch, haben im Allgemeinen sehr weiße Haut und mitunter viel Farbenfrische. Ihre Augenbrauen sind oft haarlos und nur durch eine dünne schwarze Linie

angedeutet. Keine weist die Reinheit der Rage auf, die man noch in Syrien und Aegypten bemerkt, wo sich der Urtypus erhalten zu haben scheint. Sie kleiden sich beinahe wie die Türkinnen, nur daß im Allgemeinen die reichen Jüdinnen schöne golddurchwirkte Stoffe zu ihrem Anzuge verwenden und sich mit viel Schmuck beladen. Einige tragen, wie die Jüdinnen in Konstantine, einen Gurt von Silberblech, mit Kettchen und Steinen verziert. Da es ihnen mehr darum zu thun ist, zu prunken, als zu gefallen, so wenden sie wenig Sorgfalt auf geschmackvollen Schnitt und gutes Sißen der Kleider; ihre Diamanten, Juwelen und Perlen hängen aufs Gerathewohl an ihrem Tarbusch und Kaftan herum, und in diesem schimmernden Kostüm machen sie den Eindruck der bemalten und mit Flittern herausgepugten alten byzantinischen Muttergottesbilder.

Die Juden in der Türkei dürfen nur Eine Frau haben und sind also darin weit strenger, als ihre Glaubensgenossen in Aegypten und Syrien, die sich zwei Frauen zu heiraten erlauben. Die jüdischen Frauen sind zwar dem Anschein nach in keinem Zustande der Zurücksezung und Unterwürfigkeit wie die Türkinnen und Armenierinnen; allein bei den geringen Hindernissen, die das rabbinische Geseß der Scheidung in den Weg legt, fehlt noch viel dazu, daß sie an Berechtigung und Menschenwürde dem Manne gleich ständen. So steht es dem Manne jedesmal frei, sich von seinem Weibe zu trennen, wenn sie ihm nach zehnjähriger Ehe keine Kinder geboren hat.

Die verschiedenen Nationalitäten und Religions - Gemeinschaften, die gegenwärtig unter türkischer Herrschaft leben, sind in neuester Zeit durch die Vermittelung der europäischen Mächte zu allen Vortheilen der bürgerlichen und politischen Gleichheit berufen worden. Die Wiedergeburt, die im Werke ist, würden die Frauen mächtig fördern, wenn man ihr Loos verbefferte und sie durch eine angemessene Erziehung zu der Rolle befähigte, die ihnen in der morgenländischen Gesellschaft noch vorbehalten ist.

Afrika.

Dr. Vogel's Schicksal in Wadai.

Die Zeitungen haben bereits eines Schreibens des bayerischen Reisenden in Afrika, Frhrn. Dr. v. Neimans, an den Wirklichen Geheimerath Frhrn. v. Bunsen gedacht, worin über das wahrscheinliche Schicksal des jugendlichen, deutschen Afrikaforschers, Dr. Vogel, nach den Mittheilungen muhammedanischer Pilger aus Wadai, die Herr v. Neimans in Djedda, auf ihrer Wallfahrt nach Mekka, gesprochen, berichtet wird. Das Januar-Heft der Petermannschen geographischen Mittheilungen für 1858 enthält dieses an den Freiherrn v. Bunsen gerichtete Schreiben vollständig;) es ist aus Alexandrien vom 20. November 1857 datirt und erzählt zunächst, daß Herr v. Neimans, der, in arabischer Tracht und von zwei muhammedanischen Dienern begleitet, sich für einen tunesischen Pilger ausgegeben, der von Djedda über Suakin, Darfur und Wadai nach seiner Heimat zurückkehren wolle, unter dieser Maske von den afrikanischen Pilgern mancherlei Notizen und Aufschlüsse erhalten, die sie einem Europäer und Christen nicht ertheilt haben würden. Was diese Neger, und namentlich ein Schech Abdullah, von „,,Abd-el-Wahed“ (wie sie Dr. Vogel genannt) wußten, ftimmte ziemlich überein, doch waren ihre Kenntnisse und ihre geistigen Anlagen überhaupt nicht der Art, um einen sicheren Anhalt zu liefern. Sodann fährt Herr Dr. v. Neimans fort:

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Einen anderen, bei weitem intelligenteren Erzähler fand ich bei meiner Rückkunft nach Kahira in der Person des Seid Muhammed il Schingiedi. Dieser hatte im Laufe der lezten zehn Jahre das ganze Land von Timbuktu bis Darfur durchwandert, woselbst er sich bei dem Herrscher Hussein der Art in Gunst zu sehen wußte, daß dieser ihn vor einigen Monaten mit Geschenken an den Vicekönig von. Aegypten abschickte. In steter Verbindung mit den Bewohnern des Innern des Landes, will er ein Schüler und Freund des Schechs Bakai, des Herrschers von Timbuktu, sein, deffelben, welcher Dr. Barth so gastfrei und schirmreich in seinem Gebiete aufgenommen hatte.

,,Mit feltenem Gedächtniß erinnerte er sich aller von ihm ges machten Routen und kannte genau die pon Abd-el-Kerim (Barth) in den Jahren 1850-1854 gemachten Wege und die diefem berühmteften Forscher entstandenen Erlebnisse. Er nannte ihn einen ,,saheb il aelm", d. i. Besißer der Wissenschaften, und pries die sprachlichen und geographischen Kenntnisse dieses,, erleuchteten" Chriften mit einer für Muhammedaner feltenen Lebhaftigkeit und Intelligenz. Die Rückkehr Barth's in seine Heimat war ihm bekannt, und ebenso dessen

*) Dasselbe Heft bringt zugleich_eine_werthvolle kleine Karte: „Der Canton Strom", nach den englischen Aufnahmen von 1840-1857 gezeichnet von A. Petermann (mit einem Plane der Stadt Canton), sowie ein Kärtchen der Südsee-Inseln Kerguelen, St. Paul und Neu-Amsterdam, und der von Herrn Dr. Neumayer zu Ehren des Königs von Bayern benannten König Mar-Inseln", die aber bereits vor diesem deutschen Reisenden von englischen und amerikanischen Nautikern erforscht und unter anderen Namen bekannt ges macht sind. D. R.

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Versprechen, von dort an Schech Bakai arabische Bücher als Geschenke zu schicken; den Tod Overweg's und den Aufenthalt Dr. Vogel's (Abd-el-Wahed) am Tsadfee und Fittre-See bestimmte er in wenig differirenden Epochen, und dessen Ankunft in Wara hatte ihn im höchsten Maaße interesfirt. Er, selbst in Wara bekannt, beantwortete mir meine Fragen über das Schicksal unseres heldenmüthigen Reisen den mit genauen Details. Leider scheinen sich nach diesen die unglücklichen Nachrichten des Schech Abdullah in gesteigertem Maaße zu bewahrheiten. Den ganzen Vorfall wie Ersterer berichtend, bezeichnet er den sogenannten,,Heiligen Berg" mit dem Namen Djebel it driat. Auf der Spiße deffelben befindet sich eine große Gupa mit weiß übertünchten Steinen, um welche herum drei kleinere Gebäude derelben Art erbaut sind.

„Der Berg und die Gupa, stets unbewohnt, werden nur bei einem Thronwechsel von dem neuen Sultan erstiegen, welcher dort fine bestimmte Anzahl von Stunden bis zum Aufgange oder Untergange eines gewiffen Geftirnes zuzubringen hat, um dann herabzu fteigen und in feierlichem Geleite in die Stadt Wara zurückzukehren end als rechtmäßiger Herrscher bewillkommnet zu werden. Niemand außer ihm hat jemals das Innere der geheiligten Gupa gesehen, und nur drei gewisse Schechs besißen die Schlüssel zu den kleinen Gebäuden. Der Berg und eine geringe Umgebung, geheiligt, werde von keinem Moslim betreten, viel weniger könne ein Christ einen derartigen Versuch ungestraft wagen. Die Bewohner des Landes schildert er als roh und gewaltthätig. Die Ankunft des Christen Abd-el-Wahed habe ihnen, fanatischen Moslims, nur wenig Freude verursacht, und dessen Spaziergänge in und außerhalb der Stadt seien ihnen im höchsten Maaße unangenehm gewesen. Als man bemerkt habe, daß die meisten derselben hauptsächlich in die Umgegend des heiligen Berges sich ge= richtet, und er dort mehrmals schon am frühen Morgen gesehen wurde, sei die mit der Bewachung des heiligen Berges beauftragte Mannschaft, hiervon unterrichtet, ihm nachgeschlichen und habe ihn überfallen und gefangen, um ihn zu tödten.

,,Bis hierher bleibt Seid Muhammed bei wiederholten Unterhaltungen, welche ich mit ihm über diese Vorfälle gepflogen, seiner Erzählung ftets getreu. Die Art und Weise aber, in welcher der Tod des unglücklichen Vogel erfolgt sei, berichtet er mit sichtbaren Zweifeln, indem er bald angiebt, die Soldaten des Sultans hätten ihn aus eigener Machtvollkommenheit erschlagen, bald sagt, daß dieselben den Gefangenen vor den Sultan gebracht und dieser die Tödtung im Gefängniß befohlen habe. Mir schien es oft, als ob der so gewandte Mann in diesem leßten Theile seiner Erzählung eine gewisse Befangenheit habe; meine Fragen über nähere Details schnitt er stets mit dem einzigen Worte,,kataloubu" (fie tödteten ihn) kurz ab. Den Charakter des Sultans Scherif beschrieb er als höchft ungerecht und herrschsüchtig. Der hervorstechendste Zug desselben sei Habsucht; er besige viele Flinten und Kanonen und fürchte seine Gränznachbarn gegen das innere Afrika ebenso wenig als die Engländer, und deshalb habe er sich nicht zu scheuen, wenn in seinem Lande ein Inklis (Eng. länder) ermordet würde...

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,,Den Tod unseres vortrefflichen Dr. Vogel dem Sultan oder dessen Leuten zuzuschreiben, ist möglicher Weise nur ein Ausfluß perfönlicher Abneigung Seid Muhammed's. Die Widersprüche und Unbestimmtheit über die Todesart und die bestimmten Versicherungen des Gegentheils durch Schech Abdullah scheinen mir aber nicht ohne Berücksichtigung für das etwaige Schicksal Dr. Vogel's zu sein, und der so hervorstechende Charakterzug des Sultan Scherifs, die Hab, sucht, läßt mir immer noch gegründete Hoffnung, daß derselbe, wie Schech Abdullah fagte, nicht ermordet, sondern nur in Ketten gefangen ift. Daß Scherif einen Mann getödtet haben sollte, für dessen Leben er bei seiner steten Verbindung mit Tunis und Tripolis von England ein bedeutendes Lösegeld erhalten konnte, wäre bei dem stets berechnen den Charakter eines Orientalen erstaunlich. Wenn er es gethan hat, so geschah es sicherlich nur aus Furcht vor dem Fanatismus des Volkes; aber dann würde eine Tödtung nicht, wie Seid Muhammed sagt, im Gefängnisse, sondern öffentlich vor dem Volke geschehen sein. ,,Daß sich solches nicht ereignet und die über Tripolis nach Europa gelangte Nachricht einer Enthauptung auf öffentlichem Plage eine Lüge ist, hat sich bereits erwiesen. Die Hoffnung, daß Vogel nur im Gefängniffe, bis zur Beruhigung des rasch vergeffenden Volkes verborgen sei, scheint mir nach allem diesem nicht unmöglich, ja sogar wahrscheinlich. Ich theile diese Ansicht offen und unumwunden Ew. Excellenz, welche vielleicht andere Anhaltspunkte über Tripolis erhalten haben, zur Beurtheilung und Vergleichung mit. Jedenfalls bleibt uns bis zu bestimmteren Nachrichten über Vogel's Tod die Hoffnung unbenommen, daß ein für die Wissenschaft so werthvolles Leben erhalten sei; und die seiner Zeit so glücklich widerlegten Gerüchte

über Verunglückung Dr. Barth's berechtigen uns eine ähnliche Lösung für das Schicksal seines Gefährten zu hoffen.

,,Gleichheit des wissenschaftlichen Strebens läßt mich für Vogel ein Interesse nehmen, welches Ew. Excellenz am leichtesten begreifen werden. Ist Vogel wirklich todt, so starb er in dem Momente, in welchem er mit deutscher Gewissenhaftigkeit die Erfüllung seines Be rufes, die Lösung der ihm vorstehenden Aufgabe ausführte, und wir können den Tod eines solchen Mannes nur mit Stolz betrachten und beklagen; der Gedanke aber, daß er in Gefangenschaft schmachvoll zu Grunde gehe, wäre ein schmerzlich erniedrigender für alle diejenigen, welche in seine Fußstapfen zu treten bemüht find.

"Ich werde im Laufe des Monates Dezember Kahira verlassen, um über Chartum die Gränze Darfurs zu erreichen. Mein eifrigstes Bemühen wird sein, möglichst bald an die Westgränze dieses Reiches zu gelangen, um dort über Vogel etwas Bestimmtes zu erfahren. Lebt er noch, so bin ich fest entschloffen, die Chance, welche ein Eindringen dem vom Aegypten Kommenden bietet, à tout prix zu benugen und Alles zu wagen, um mich mit ihm in Verbindung zu sehen. So Gott will, werden die in meiner Reiseausrüstung befindlichen reichen Geschenke hinreichen, den Sinn des habsüchtigen Herrschers von Wadai zu befriedigen, und kein Opfer soll mir zu groß sein. Meine Abreise von Kahira ist unmittelbar nach den Weihnachtstagen festgesezt. Meine astronomischen und physikalischen Instrumente haben sich auf meinen jüngsten Reisen trefflich bewährt, und so Gott mich beschüßt, hoffe ich, bald von einem Lande Nachrichten zu schicken, in welches bis jezt kein europäischer Fuß gedrungen ist. Die heißen Sommermonate gedenke ich in den Gebirgen von Darfur zu überstehen“.

Mannigfaltiges.

Photographische Beobachtungen der Sonnenfinfternisse. In der französischen Akademie der Wissenschaften vom 25. Januar hielt Herr Faye einen Vortrag über die mit den Beobachtun= gen der beiden im Jahre 1858, am 15 März und 7. September, bevorstehenden Sonnenfinsternisse zu verbindenden Messungen der Parallare der Sonne, sowie der Höhe der Erd-Atmosphäre. Herr Faye, der bekanntlich auch einer der beiden französischen Ueberseber des „Kosmos“ ist, berief sich in seinem Vortrage, in Betreff der zu diesem Behufe zu wählenden Vermessungs-Stationon (Cumana am Orinoco und Torneå in Lappland für die Parallare der Sonne, und die Höhen der Cordilleren für die mit der zweiten, in Europa unsichtbaren, Sonnenfinsterniß zu verbindenden Messungen der Atmosphäre) auf Alexander v. Humboldt. Die Parallaxe der Sonne ist zwar, nach Halley's Vorschlag, in den Jahren 1761 und 1769, bei Gelegenheit der Durchgänge der Venus, gemessen worden, doch sollen diese Messungen nichts weniger, als zuverlässig sein, wie selbst der britische Astronom, Herr Airy, im vorigen Jahre, in einer Sigung der Londoner Aftronomischen Gesellschaft“, zugegeben hat. Herr Faye schlägt vor, die in diesem Jahre bevorstehenden Sonnenfinsternisse mit Hülfe der photographischen Kunst zu beobachten. Zu diesem Behufe soll mit dem Okular des parallaktisch aufgestellten Rohrs, das durch ein genaues Uhrwerk dem scheinbaren Laufe der Sonne folgt, ein photographisch präparirter Papierstreifen verbunden sein, der in jeder Sekunde um einen Decimeter vorrückt und auf welchem sich, nach eintretender Sonnenfinsterniß, die Veränderungen der Sonnenscheibe von selbst abzeichnen, während der Beobachter nichts weiter dabei zu thun hat, als mit seinem Bleistift die Sekunden seiner Uhr auf dem bewegten Papier zu notiren. Wir wissen nicht, ob die Pariser Akademie die Vorschläge des Herrn Faye wird in Ausführung bringen lassen; jedenfalls haben wir aber auf die vorgeschlagene Anwendung der Photographie aufmerksam machen wollen, weil dies vielleicht auch anderwärts zu Versuchen ähnlicher Art Anlaß ge= ben dürfte.

Torquato Tasso, ein Epos. Der italiänische Dichter Jacopo Casabianca aus Vicenza hatte sich bereits in jugendlichem Alter dadurch einen Namen erworben, daß er das Leben Tafso's am Hofe von Ferrara und sein trauriges Ende zum Gegenstand einer epischen Dichtung machte. Dieses Epos hat der Dichter seitdem, in reiferem Alter, umgearbeitet und mit neuen Episoden ausgestattet, so daß es nunmehr als ein vollendetes Werk erschienen ist, das auch im Auslande bekannt zu werden verdient.")

*) Il Torquato Tasso. Canti dodici di Jacopo Casabianca. Milano.

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