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ander. Die Geschichte weist nach, daß die Türken zu allen Zeiten ihr Wort gebrochen haben, dafern es ihr Vortheil erheischte, und daß fie die eingegangenen Verträge erst dann zu achten begannen, als sie nicht mehr die Macht besaßen, sie ungestraft zu verlegen.,,Wenn man", heißt es in dem Gefeßbuche Multeka,,,einen Frieden unterzeichnet, darf man den Grundsag nie aus den Augen verlieren: ein jeder Vertrag, der den Moslimen keinen Vortheil gewährt, ist ungültig."

Wenn man die Freunde und Vertheidiger der Barbarei sprechen hört, so sind die Griechen undankbar gegen die Regierung, welche sie unterdrückt. Es könnte scheinen, als genügte es für sie, ihre Beschwerden nur darzulegen, um Abhülfe dagegen zu erlangen; aber unglücklicherweise erkauft man in der Türkei die Richtersprüche und die Zeugen-Aussagen ebenso, als man die Gunst der Großen und der Beamten erkauft.

Ungeachtet aller der Leiden und der tyrannischen Behandlung, welche die griechische Rage von den Türken zu erdulden gehabt hat, ist dieselbe ungeschwächt geblieben, während die der Türken erschöpft ist, und wenn dieser Zustand der Dinge so fortdauert, kann es nicht anders geschehen, als daß die Sultane, falls nur ihre eigene Herr schaft ebenfalls fortdauert, blos christliche Unterthanen haben werden.

In der lezten Zeit ist viel von Rechten der Türken und von Pflichten der Griechen gesprochen worden. Man hat gesagt, daß ein langjähriger Befit Rechte gewähre, und allerdings ist dies wahr, da fern ein Volk, welches ein anderes sich unterwirft, sich mit ihm unter dem Schuße der nämlichen Geseze verschmilzt. Ist auch an und für fich das Recht der Eroberung immer ein Mißbrauch der Gewalt, so wird diesen Recht gleichwohl gefeßlich, wenn die Gerechtigkeit es gleichsam heiligt, und die Geschichte stellt viele Beispiele von siegreichen Nationen auf, die das Loos der unterworfenen verbessert oder von dieser selbst das heilsame Joch der Aufklärung auf fich genommen haben; aber die Christen in der Türkei haben niemals an dem Genusse der Rechte der Sieger Theil genommen. Allezeit find sie mit einem unterschiedlichen Namen bezeichnet worden, und fortwährend haben sie eine besondere Nation gebildet. Sie gelten den Türken nicht als Mitbürger, die das nämliche gesellschaftliche Ziel verfolgen; sie sind nur Steuerpflichtige, die durch die Eroberung unterworfen worden sind und die durch die Gewalt zusammengehalten werden. Welche Verpflichtungen des Gehorsams haben sie also den Türken gegenüber? Nur der Säbel gilt und entscheidet zwischen den Griechen und den Moslimen, und dieses Recht ist seiner Natur nach ein sehr wechselndes und schwankendes.

Auf die türkische Herrschaft, die in ihren Formen etwas ganz Besonderes und Eigenthümliches hat, läßt sich keine der bekannten Bezeichnungen anwenden; indeß hat man sie nicht ohne Grund als eine Herrschaft der Willkür und der Laune bezeichnet, da sie ungeachtet des europäischen Anstrichs, den sie vielfach anzunehmen gewußt hat, noch ganz und gar in den Frr- und Wirrgängen des bon plaisir verharrt. Kein politischer Körper hält die Macht in ihrer Planeten bahn zurück, und die Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Verwaltungszweige sind keinesweges klar bestimmt und bezeichnet; daher kommt es denn auch, daß alle Klassen unter einander sich durchkreuzen und fich widersprechen.

Die Verwaltung der einzelnen Provinzen ist so eigenthümlich organisirt, daß jeder Reformversuch nur noch größere Verwirrung erzeugen müßte. Die Pascha's üben dort, als Delegirte des Sultans und zufolge alter Ueberlieferungen, eine ebenso unumschränkte Gewalt als der Sultan selbst. Ihr Hauptstreben ist darauf gerichtet, alle Nahrungsquellen der einzelnen Provinzen, die sie verwalten sollen, zu erschöpfen. Indem sie in den Beamten, welche sie umgeben, nur untergeordnete Werkzeuge ihrer Gewalt erblicken, haben sie taufend Mittel in ihrer Hand, um sie ihrem Willen dienstbar zu machen und zugleich zu verhindern, daß die Wahrheit je bis zur Central gewalt hindurchdringe.

die

Das Strafrecht und die Befugniß, in leßter Instanz in Civil und Kriminalsachen zu entscheiden; die Einnahme der Steuern, fie erleichtern sollten und die sie häufig auf eigene Rechnung übernehmen; das Vorrecht, das sie sich anmaßen, außerordentliche Abgaben zu erheben; ihre unsichere Existenz, sowie die Nothwendigkeit, in der fie sich befinden, den Anforderungen des Serails zu genügen, — dies Alles stachelt ihre Habsucht, welcher die Rajas vorzugsweise zum Opfer dienen.

Die Pascha's, die ihre Operationen ins Große treiben, werden beständig von ihren Delegirten betrogen, und diese werden es wiederum von ihren Untergebenen. Diese Kette von Scherereien reicht bis zu ihrem Ausgangspunkt, nämlich bis in das Serail zurück, wo man von Zeit zu Zeit den Schwamm auspreßt, der den Schweiß der Be völkerung des Landes in sich aufgenommen hat.

Und an den Bestand einer solchen zehrenden und Alles verschlingenden Verwaltung, die bis zu den Quellen selbst alle Elemente der Landeswohlfahrt vergiftet, könnte Europa glauben?"

Was die einzelnen Zweige der Verwaltung anlangt, so bemerkt Herr Mathieu über das Justizwesen: Das sicherste Mittel zur Würdigung der Justiz in einem jeden Lande ist, zu erforschen, ob man sich an dieselbe mit Widerstreben und mit Mißtrauen wendet, und da kommen denn alle Geschichtschreiber darin überein, daß man die türkische Justiz nur in der äußersten Noth anruft."

Ueber die Finanzen äußert sich der Franzose folgendermaßen: ,,Die meisten Abgaben sind an hochgestellte Personen verpachtet, oder an diejenigen, die für sie den Namen hergeben und gegen welche bei den öffentlichen Versteigerungen Niemand aufzutreten wagt, und die von diesem Pachte großen Vortheil dadurch ziehen, daß sie die Abgaben wieder an Unterpächter verthun, deren Habsucht sprüch wörtlich geworden ist. Die erste Sorge dieser Blutsauger besteht natürlich darin, durch Ueberlastung der Steuerpflichtigen zu ihren angeblichen Auslagen zu gelangen und die Schwere dieser Ueberlastung trifft vorzugsweise die Klaffe der Rajas. Da diejenigen, denen bei den Licitationen das höchste Gebot zugesprochen wird, gehalten sind, den Betrag der Pachtsumme sofort in die Kaffen des Staatsschaßes zu zahlen, so sind viele unter ihnen genöthigt, die dazu erforderlichen Summen erst zu borgen und dies gelingt ihnen gewöhnlich nur, indem sie den Dorfrichtern gestatten, au dem Pachte selbst theilzuneh men. Auf diese Weise ist das Reich einer Gesellschaft von Banquiers, Pascha's, Unterhändlern und Unterpächtern preisgegeben, die das Land ausbeuten. Die Abgaben, die auf demselben liegen, werden durch eine Unzahl von Ueberlastungen vermehrt, und ihr geseßlicher Betrag fließt in den Staatsschah nur als ein Antheil an dem Raube, der den Staat seinem Untergange entgegenführt. (Schluß folgt.)

Frankreich.

Béranger's, von Lamartine vertretene, politische Theorie.
(Schluß.)

Weit entfernt, der Gewalt der Menge das Recht einzuräumen, Alles zu thun; weit entfernt, die Diktatur für geseglich zu halten, wenn sie im Namen Aller waltet, erklärte der römische Konsul, unter der aus den Quellen hellenischer Weisheit geschöpften und durch das Schauspiel, das sich ihm in der Weltstadt darbot, bestärkten Ueberzeugung, daß das Ziel des Gesezes sein müßte, der größeren Zahl nicht die größere Macht einzuräumen. Auf jene feigen Sophismen aller Zeiten, die zwischen dem positiven Recht und der Gerechtigkeit unterscheiden, oder besser, die eine zweite Gerechtigkeit als nothwendig sehen, die aber nur für den Stärkeren ist, sei dieser nun die Menge, oder der einzelne Machthaber, antwortete er: Nicht nur ist es falsch, daß der Staat ohne eine Beimischung von Unrecht nicht regierbar fei, sondern das Wahre ist, daß er nur durch die höchste Gerechtigkeit regiert werden könne.

Der heil. Augustinus in seiner,, Gottesstadt" entlehnt der „, Republik" Plato's die edlen Worte: Wo die Gerechtigkeit nicht ist, kann das Recht nicht sein, denn was im Namen des Rechts geschicht, muß gerecht sein, und was an sich ungerecht ist, kann nicht im Namen des Rechts geschehen. In der That sind die ungerechten Entscheidungen der Menschen nimmer Recht zu nennen, und fälschlich ist von einigen übelberathenen Köpfen behauptet worden, das Recht sei, was dem Mächtigsten nügt.“

Durch die Nacht, die unter den Einfällen der Barbaren und der Zertrümmerung der alten Gesellschaften hereinbrach, schimmerte der Welt immer noch das Licht dieser heiligen und reinen Lehren, die das Christenthum zu den seinigen machte und denen es sein Gepräge aufdrückte; ihnen verdankte das Mittelalter, was es an glücklichen Tagen und an großen Männern zählte; diesen Lehren huldigten Papst Leo der Große, Kaiser Otto, der heil. Bernhard und Suger. Später zwar ward dieses schöne Vermächtniß der Weisen und Heiligen vergif tet durch die überfeinerte Verderbniß Italiens, durch das böse Gelüsten seiner rivalisirenden Staaten, durch die Mischung großer Bildung mit rohen Lastern; dennoch aber blieb die Wahrheit davon unberührt; verjüngt erblühte sie in den unsterblichen Schriften des Kanzlers L'Hôpital, des Geschichtschreibers de Thou, Montesquieu's, Burke's und der edelsten Vertreter der freien Richtung jüngerer Zeiten.

Unter den auserwählten Streitern des kämpfenden Wortes hat Lamartine von Zeit zu Zeit tapfer die Waffen geführt, und der große Dichter zeigte sich hin und wieder als gewaltiger und kühner Redner Er vergesse denn nicht, daß man keiner Verrechnung, keiner Tar schung die unwandelbaren Lehren alter Weisheit und wahrer Freiheit opfern dürfe! Er halte nimmer die Tyrannei oder die Trägheit der Maffen für Freiheit, ihre Diktatur, sei es die der That oder blos dent Namen nach, nimmer für einen glücklichen Fortschritt! Er lobpreise nicht die konzentrirte Regierung des großen Haufens; denn gerade das war die unfreie Republik, die Montesquieu voraussah: die Re gierung des Konvents und der Klubs, deren Geschichte alle Welt kennt. Ein solcher Mißgriff war höchstens Rousseau zu verzeihen, in

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der ersten Gluth der Theorieen, bevor die Thatsachen ihre Probe abgelegt. So gingen, wie Benjamin Constant sattsam nachgewiesen, aus dem Contrat social" die auf die Spiße getriebenen Konsequenzen der Volkssquverainetät hervor; die unwiderstehliche Gewalt des allgemeinen Stimmrechts schuf unter Rousseau's Händen eine ganze Reihe Werkzeuge und, was noch schlimmer, scheinbare Gründe für die Despotie!

Dieser Jrrthum eines schönen Dichtergenius und mächtigen Verstandes möge eine Warnung für seine Geistesgenossen sein! Noch ist es den Denkern in ihrer Studirstube, den Dichtern, die stets und ausschließlich Dichter geblieben sind, zu verzeihen, die Diktatur aus Liebe zur Freiheit gewünscht oder vermißt, die Gewalt aus Liebe zur Gleichheit vergöttert zu haben; der Dichter aber, der in's öffentliche Leben getreten, der den Kämpfen der Versammlungen, dem Treiben der Parteien, dem Unbestand des großen Haufens und seinem Wechsel zwischen Fieber und Starrkrampf blosgestellt gewesen ist — der hat nicht das Recht, Sachen und Worte zu mißkennen, die Willkür durch die Menge derer, die für sie stimmen oder sie ausüben, zu rechtfertigen und als einen nothwendigen und glücklichen Uebergang zur Freiheit die Diktatur zu empfehlen.....

Es ist überdies anzuerkennen, daß der stets gegenwärtige Ge danke eines höheren Prinzips, das Ideal einer allgemeinen und nothwendigen Gerechtigkeit noch ganz anders wirksam ist, als das handgreifliche Argument der Zahl, die Gemüther zu erheben und Licht in die Köpfe zu bringen. Dieses Prinzip ist weit lebenskräftiger, tiefes Pflichtgefühl, raschantreibende Ehrliebe, entschlossenen Opfermuth, Nichtachtung des persönlichen Interesses einzuflößen und den Blick gegen die selbsttäuschenden Sophismen zu schärfen und zu erhellen. Und wie ersprießlich ist das für die gesellschaftliche Ordnung! Denn man zieht hin und wieder gar zu willkürlich Schlüsse aus dem sogenannten Naturrecht einerseits und dem bürgerlichen Recht andererseits; man gewährt dem einen oder dem anderen einen mehr oder weniger großen Spielraum, je nachdem man sich freie Hand oder Elastizität des Gewiffens vorbehalten möchte. Hat man aber ein für allemal jenes Gesez des Wahren und Rechten, jenes Gefeß der Gefeße, das,,Gott felber erfunden, gefaßt und ausgegeben hat“) an die Spige gestellt: so läßt es sich dann nicht mehr nach Belieben drehen und wenden. Männern, wie Lamartine, steht es wohl an, die Ueberzeugung von diesem erhabenen Gesez zu erwecken und dessen Verehrung der Welt ans Herz zu legen. — Als im siebzehnten Jahrhundert es dem Prediger Jurieu beikam, die Behauptung aufzustellen,,,das Volk sei die einzige Macht in der Welt, die keines Grundes bedarf, ihre Handlungen geltend zu machen“, da trat man ihm von allen Seiten mehr noch im Namen der Logik, als im Namen der damals so gewaltigen Monarchie entgegen. Dieselbe unter anderen Namen neuaufgestußte, auf andere Formen der konzentrirten Volksdiktatur angewandte Lehre hat heutzutage ebensowenig innere Wahrheit, ist ebensowenig der Zeitbildung würdig. Der dichterische Genius und das Talent sollten sich nicht dazu hergeben, dem Knechtsinn Vorwände zu leihen, an denen es ihm ohnehin niemals fehlt.

England.

Englisches Unterrichtswesen.

Das englische Eraminationssystem der Gegenwart ist ein ganz anderes, als das seit Jahren bestandene. Wer sich zu einer Stelle im Civildienst der Heimat oder Indiens, zu einer Offizierstelle in der Artillerie oder im Genie-Corps meldete, mußte sich auch früher einer Prüfung unterziehen. Unter den Auspizien der Society of Arts aber dehnte sich der Kreis der Prüfungen weiter aus, und eine der ältesten Stätten der Gelehrsamkeit, die Orforder Universität, verspricht, durch einen von ihr ausgehenden Plan für Erziehung der Mittelklassen, der Bewegung einen noch größeren Impuls zu geben. Unter diesen Umständen gewinnt der die Prüfungsarbeiten enthaltende Anhang zu dem von dem Erziehungsrath herausgegebenen Kalender") für 1857 ein besonderes Intereffe. Bevor wir diese Arbeiten würdigen, faffen wir das Ziel, das ihnen gesteckt ist, scharf ins Auge.

den Gewohnheiten und Charakteren der Kinder zurechtzufinden, ist für den künftigen Lehrer wichtiger, als alle sonstigen Talente. Ein großer Theil dieser Prüfungsarbeiten ist daher auch der Führung der Schule gewidmet, wie sich aus folgenden Thematen für ElementarSchullehrer ergiebt:

1) Beschreiben Sie genau die beste Form und Einrichtung für eine Schule von 120 Kindern.

2) Welchen Beistand würden Sie beim Unterricht dieser Kinderzahl verlangen? Zeichnen Sie scharfbestimmt die Art und Weise, wie Sie ihre Beistände verwenden, und die Mittel, die Sie gebrauchen würden, diese Beistände selbst zu unterrichten und zu üben.

3) Welches Verfahren werden Sie einschlagen, um dem Hang zur Lüge, zur Grausamkeit und zum Stehlen bei Kindern von fünf bis sechs Jahren entgegenzuwirken? Beschreiben Sie es sehr genau, mit Angabe der Gründe.

4) Auf welche Punkte der Religionslehre müßte eine Lehrerin hauptsächlich ihre Aufmerksamkeit richten bei Mädchen im zartesten Alter?

5) Bestimmen Sie den Umfang der Religionskenntniß, den Sie für Kinder von sechs Jahren für ausreichend halten.

6) Beschreiben Sie den besten Apparat für einen Spielplaß und geben Sie Gebrauch und Zweck eines jeden einzelnen Theiles deffelben genau an.

7) Durch welche Mittel wollen Sie die Sinne des Gesichts, Gehörs und Getastes üben und ausbilden?

8) Welches sind die Hauptschwierigkeiten beim Unterricht der Kinder in deutlicher Aussprache? Und durch welche Mittel sind sie am wirksamsten zu überwinden?

9) Welche Lautverbindungen lernen sich am leichtesten? Nach welcher Methode lehren Sie das Lesen? Gründe und Beispiele!

10) Wie wollen Sie das Rechnen lehren? Wie weit wollen Sie darin Kinder zwischen 4 und 5 und zwischen 6 und 7 Jahren bringen? Erklären Sie die gewöhnliche Subtractionsregel.

11) Welches ist die beste Methode beim Unterricht in der Ele= mentar-Geographie? Wie würden Sie kleinen Kindern den Gebrauch der Karte erklären?

12) Welche Gegenstände eignen sich am besten zu SimultanLectionen in der untersten Abtheilung einer guten Kinderschule?

13) In welcher Ordnung entwickeln sich gewöhnlich die Seelenkräfte der Kinder? An welchen Lectionen werden sie am zweckmäßig. sten geübt?

14) Welche Vorlesungen haben Sie über die Ursachen, die auf die Gesundheit der Kinder schädlich einwirken, gehört? Geben Sie davon ein gedrängtes Resumé.

Die Prüfung für ein höheres Lehramt beginnt mit der englischen Literatur. Die Prüfungsarbeiten zerfallen in fünf Abtheilungen. In der ersten werden vier Fragen vorgelegt:

1) In welchen Perioden nach einander nahm die englische Literatur die vorherrschende Richtung auf die Literaturen Griechenlands, Roms, Frankreichs, Spaniens, Italiens und Deutschlands? Geben Sie die vorzüglichsten englischen Nachbildungen oder Ueberseßungen der Werke in anderen Sprachen an.

2) Weisen Sie die Spuren Chaucer's, die sich durch die englische Literatur bis auf die Gegenwart ziehen, nach. Von welchem seiner Nachfolger sind seine Werke nachgeahmt worden? Zeigen Sie einige Anspielungen auf ihn in Milton und Spenser. Unter welchen veränderten Gestalten kommt,, The Knight's Tale" in der englischen und ausländischen Literatur vor?

3) Geben Sie einen Abriß der Geschichte des englischen Drama's von Shakspeare bis Sheridan.

4) Heben Sie aus den Schriftstellern Englands zwischen 1600 und 1800 acht Klassiker heraus, mit Angabe der Zeit ihrer Blüthe und ihrer Hauptwerke.

In der zweiten Abtheilung werden Ueberseßungen aus dem Angelsächsischen ins Englische, nebst einer kurzen Rücküberseßung, verlangt und einige Fragen über die Geschichte der englischen Sprache vorgelegt. In der dritten Abtheilung find Chaucer's „, Prologue", „Knight's Es könnte beim ersten Blick scheinen, als seien die arithmetischen Tale", „,Clerk's Tale" und in der vierten die „Fairy Queen" GegenPrüfungs-Arbeiten für Elementarschulamts - Kandidaten gar zu ele- stände der Prüfung. Die fünfte Abtheilung behandelt Shakspeare's mentarisch. Man darf aber nicht vergessen, daß gegenwärtig, nach,,Maaß für Maaß“ und „König Lear". Ueber das erstere wird einer glaubwürdigen statistischen Angabe, Hunderte von Schulmeißtern gefragt: in Großbritannien ihren Namen nicht unterschreiben können!

Ferner ist zu erwägen, daß die Kommission des Erziehungsrathes in ihrem Unterrichtsplan scharf unterscheidet zwischen dem bloßen Befiz von Kenntnissen und der Geschicklichkeit, sie mitzutheilen. Sittliche Kraft, gesunde religiöse Grundsäße und die Fähigkeit, sich in

*) Ille deus hujus legis inventor, disceptator, lator. Cicero in den Fragmenten seiner „, Respublica".

**) In diesem Kalender sind die geprüften und befugten Lehramts-Kandidaten verzeichnet.

1) Aus welchen Duellen hat Shakspeare den Plan des Stückes geschöpft? Welche Zusäge und Abänderungen sind sein Eigenthum? Welchen Einfluß haben diese auf das Stück?

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2) Geben Sie die Quellen des Sujets und die etwaigen Ab. Deutschland siegreich mit den Nachbarstaaten fich messen kann, wenn änderungen an. es die Früchte feines Schaffens zusammenträgt“.

3) Vergleichen Sie die Charaktere Albany's und Glofter's. 4) Vergleichen Sie die Katastrophen Lear's, Hamlet's und Othello's.

Außer der Beantwortung dieser Fragen muß der Kandidat eine Anzahl vorgelegter Stellen erklären, mit sorgfältiger Berücksichtigung des Tertes und der etwaigen Varianten.

In erster Reihe dieser Prüfungsarbeiten höheren Grades steht aber die englische Geschichte. Wie umfassend dieses Studium be= handelt wird, davon geben die vorgelegten Fragen Zeugniß, aus denen wir einige herausheben:

1) Erläutern Sie das englische Gefeß über Erbschaft und Vermächtniß, mit Angabe des Unterschiedes zwischen sächlichem und persön lichem Eigenthum in diesem Bezuge. Zeigen Sie die Verbindung die ses Gefeßes mit dem Charakter unserer Verfassung.

2) In welchen Ländern gilt das gemeine englische Gesez, und welches System von Gefeßen wird auf die britischen Besizungen angewendet, die jenem Gefeße nicht unterworfen sind?

3) Welche Naturprinzipien regeln den Fortschritt des Wohl standes? Inwieweit haben diese Prinzipien in der Geschichte Englands ungestört gewirkt?

4) Geben Sie eine Uebersicht von Depositenbanken, besonders von der Londoner und Amsterdamer Bank. Welchen Einfluß haben diese Anstalten auf den auswärtigen Handel eines Landes?

5) Beschreiben Sie die Mittel, welche die Römer angewandt, eine Provinz, wie Britannien, zu behaupten. In welche Stellung wiesen fie die Eingebornen? Vergleichen Sie die Römer in diesem Betracht mit den Engländern in Indien und den Franzosen in Algerien. Welche Spuren der römischen Herrschaft sind in Britannien noch heute zu er kennen?

6) Geben Sie ein vollständiges Bild der Regierung Eduard's des Bekenners.

7) Vergleichen Sie die Normannen in England mit ihren Stamm verwandten in der Normandie, in Neapel und Sicilien. Welche Züge der Gefeße, der Verfassung und des Nationalcharakters der Engländer eignen besonders dem normannischen Einfluß?

8) Wodurch ist Wales endlich dem englischen Gebiet einverleibt worden? Vergleichen Sie die Ursachen und Wirkungen dieser Eroberung mit der Eroberung Irlands und den Versuchen, Schottland zu erobern.....

Minder befriedigt ist die englische Kritik von dem mathematischen Theil der Prüfungs-Arbeiten, die im Ganzen jedoch, wie gesagt wird, sorgfältig vorbereitet erscheinen und ein sehr günstiges Licht auf das Schul-Departement werfen.

Mannigfaltiges.

Zur mittelalterlichen Poesie des westlichen Europa. Der den Lefern des „Magazin“ bekannte gelehrte Kenner der romanischen Literatur, Dr. Ferdinand Wolf in Wien, Mitglied der kaiserlichen Akademie daselbst und Bibliothekar an der dortigen Hofbibliothek, hat das Glück gehabt, zwei niederländische Volksbücher aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wiederaufzufinden, die die Litera tur der Volksbücher und namentlich unsere Kenntniß des Karolingischen Sagenkreises in nicht geringem Grade bereichern. Das eine enthält den Noman von der Königin Sibylle, der nach der Sage unschuldig verstoßenen Gemahlin Karl's des Großen; das andere dagegen die Dichtung von Huon von Bordeaux, die Grundlage von Wieland's Oberon. Beide Volksbücher sind der Gegenstand einer akademischen Abhandlung, die im vorigen Jahre, aus dem achten Bande der Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der kaiserl. Akademie der Wissenschaften besonders abgedruckt, in Wien erschien. Die Abhandlung selbst enthält zunächst eine genaue bibliographische Beschrei bung und sodann eine ausführliche Inhaltsangabe der aufgefunde nen Volksbücher, und verbreitet sich dabei theils im Allgemeinen über die Sibyllen - Romane und über den Zusammenhang der über ganz Europa verbreiteten, aber unter einander verwandten Traditionen und Versionen von der Sibyllen-Sage, theils über die einzelnen Redactionen der Sage von Huon von Bordeaux in Prosa und Versen. Dabei theilt zugleich der Verfasser, was die lettere betrifft, aus der bereits früher bekannt gewesenen, in einer Handschrift von Tours (aus dem dreizehnten Jahrhundert) erhaltenen fränzösischen Chanson de geste die betreffenden Parallelen mit. Diese Chanson de geste ift eines der merkwürdigsten Denkmäler ihrer Art, denn sie ist eines der ältesten französischen Epen dieses Kreises, das nicht blos aus locker zusammengefügten Rhapsodieen besteht, sondern schon nach einem einheitlichen Plane gedichtet ist und in welchem bereits eine Verschmel zung des keltischen, germanischen und byzantinisch-orientalischen Elementes stattgefunden hat. Es ist, wie der Verfaffer bemerkt, eine vollständige Ausgabe davon durch Profeffor Michel in Tours demnächst zn erwarten. In einem Anhange (S. 86 ff.) theilt auch Herr Dr. Wolf Einiges über die spanische Oliva-Sage, sowie zur Karlsund Sibyllen-Sage mit, in Bezug auf welche sich S. 105 auch noch die intereffante Nachricht findet, daß sich in der Darmstädter Bibliothek eine vollständige Handschrift der niederländischen Karls Sage gefunden habe, welche über 30,000 Reimzeilen enthält und deren Herausgabe Profeffor A. v. Keller in Tübingen ebenfalls vorbereitet.

Berthold Auerbach im Auslande. Von allen zeitgenössi schen deutschen, bellettristischen Schriftstellern ist keiner im Auslande so gekannt, wie der Dichter der „Schwarzwalder Dorfgeschichten“. Wir haben bereits früher erwähnt, daß die leßteren fast in alle euroDie bevorstehende, deutsche, historische Kunst-Aus- päische Sprachen, und zwar überall mit Glück, übertragen find, während ftellung in München. Vor kurzem ist das Programm der ersten in den Vereinigten Staaten zwei wohlfeile Ausgaben derfelben erallgemeinen deutschen Kunst- Ausstellung erschienen, die in diesem schienen. Neuerdings ersehen wir, daß der Verein zur Verbreitung Jahre in München stattfinden wird. Das Programm, von einem Ge- guter Bücher in Norwegen die Schwarzwalder Geschichte: „Der schäfts-Comité in München unterzeichnet, welches aus einigen der be- Lehnhold" unter dem Titel: „Storbonden og hans Sönner“ (der deutendsten dortigen Künstler besteht, sagt: „Die Akademie der Künste Großbauer und seine Söhne), übersezt vom Regierungsrath Destgaard, in München hatte beschloffen, die Feier ihres funfzigjährigen Bestehens herausgegeben und als Volkslektüre empfohlen hat. Im Vaterlande dadurch auf eine charakteristische Weise zu begehen, daß fie ein Zeug Spinoza's, in Holland, ist kürzlich Auerbach's Lebensbeschreibung des niß ihres Wirkens ablege durch die Vereinigung der bedeutendsten Philosophen, nach der neuen umgearbeiteten Ausgabe derselben, unter Leistungen ihrer Mitglieder und Schüler, während der Periode ihrer folgendem Titel erschienen: „Spinoza. Het leven van eenen denker. Dauer; die Künstler-Versammlung in Bingen hatte eine allgemeine Door Berthold Auerbach. Met een vorberigt van Dr. D. Burger.*) deutsche Kunst-Ausstellung in Aussicht genommen; es ward in Stutt Auch eine englische Ueberseßung dieses Werkes finden wir angekündigt. gart eine Verbindung beider Pläne zu einem gemeinsamen Werke er- Ja, fogar der,,Deutsche Familienkalender für 1858", deffen wir in zielt, von dem wir hoffen, daß es für die Ehre des deutschen Namens diesen Blättern vor kurzem gedachten, ist, was einem Kalender wohl und für das Gedeihen der Kunst ein bedeutendes sein werde; es soll bisher noch nicht paffirt war, ebenfalls, und zwar ins Englische, überim Sommer 1858 in München eine allgemeine und historische deutsche seht worden. Die Ausstattung dieser von Sampson Low, bei dem Kunst- Ausstellung veranstaltet werden, die, soweit möglich, das Beste im vorigen Jahre auch „The Barefooted Maiden" (Barfüßle) erzusammenbringe, was seit Carstens im Vaterlande geschaffen worden, schien, angekündigten Ueberseßung muß besonders elegant sein, da der damit das gemeinsame Wesen, der Entwickelungsgang und der Zu-,,Familienkalender“ in England 3} Thaler (10 Shill.) kostet, wähsammenhang der gegenwärtigen Kunst mit den ihr vorhergehenden Bestrebungen erfaßt und eine Würdigung beider, eine anschauliche Erkenntniß unserer Eigenthümlichkeit und unserer Aufgabe erleichtert werde. Die Absicht kann nur erreicht werden, wenn alle Kreise des Vaterlandes wetteifern, dieses nationale Unternehmen zu fördern. Durch seine monumentalen Werke, wie durch seine Kunstsammlungen, wird München das Bild vervollständigen, das wir durch die Vereinigung so vieler und so weit zerstreuter Kunstgegenstände hervor. bringen möchten, damit zum allgemeinen Bewußtsein komme, wie

rend er in Deutschland für 12 Sgr. zu haben ist. Wohlfeiler dagegen, als die Cottasche Ausgabe der Auerbachschen Schriften, dürfte die jezt von Schnee in Brüffel angekündigte, von dem deutschen Verfaffer autorifirte, franzöfifche Uebersehung seiner gesammelten Werke sein, die der Schneeschen,, Bibliothèque internationale" einverleikt werden soll.

*) Doesborgh, W. Becking.

Wöchentlich erscheinen 3 Rummern. Preis jährlich 3 Zolt. 10 gr., balkjábílích 1 Thlr. 20 gr. und vierteljährlich 25 gr., wofür dae Blott im Salante portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 27.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Rieberwallfir. Nr. 21), sowie von allen tönigl. Pofl-Aemtern, angenommen.

Literatur des
des Auslandes.

Italien.

Berlin, Donnerstag den 4. März.

Macchiavel, als Staatsverwalter und als Gründer

der National: Armeçn. *)

Macchiavel ist nicht nur ein tiefer Denker und ein genialer Schriftsteller, sondern auch ein hervorragender Staatsmann gewesen. Es ist bekannt, daß er zu wiederholten Malen die Intereffen seines Vaterlandes an den auswärtigen Höfen vertreten hat; die Berichte über seine Gesandtschaften, welche gedruckt sind, segen uns in den Stand, feine Bedeutung als Diplomat zu würdigen; aber dies ist nur Eine, und zwar die am wenigsten bedeutende Seite seines politischen Lebens. Er hat auf die innere Politik seines Vaterlandes einen großen Einfluß ausgeübt; er hat im Militairwefen ebenso glückliche als kühne Reformen durchgefeßt. Zu einem Urtheil über seine Verdienste in diesen beiden Beziehungen fehlten bis jest die Grundlagen. Ein interessantes Buch, in welchem Herr Canestrini soeben die bisher nicht gedruckten Schriften Macchiavel's veröffentlicht hat (Florenz, 1857), hat den Zweck, diesem Mangel abzuhelfen.

Herr Canestrini, der einer der ausgezeichnetsten Mitarbeiter am Archivio storico ist, hat diese neuen Dokumente aus der sichersten und authentischsten Quelle geschöpft, aus der Abtheilung der StaatsArchive von Toscana, in welcher die Akten und Verhandlungen, sowie die sehr umfangreiche Korrespondenz der florentinischen Regierung, forgfältig aufbewahrt sind.

1. Machiavel als Staatsverwalter.

In den Jahren von 1498 bis 1512 hat Macchiavel ununterbrochen und unter den schwierigsten Umständen die Functionen eines Secretairs der „, Dieci di Libertà” ausgeübt. Die fremden Armeen hatten Italien überzogen, welches die Spanier und die Franzosen wie eine Beute sich streitig machten; Florenz war durch den Verluft seiner festen Pläße geschwächt, durch den unersättlichen Ehrgeiz der Borgia's und durch die Intriguen der Medici bedroht, durch den nicht endenden Krieg mit Pisa zu Grunde gerichtet. Wer hatte die Aufgabe, so große Gefahren zu beschwören, unter solchen Schwierigkeiten zu regieren? Die Dieci di Libertà bildeten eine veränderliche Behörde, die durch Wahl fortwährend erneuert wurde. Die nachtheiligen Folgen dieser Veränderlichkeit einsehend, hatten die Florentiner im Jahre 1502 durch Erwählung des Pietro Soderini zum Gonfaloniere auf Lebenszeit dem Uebel abzuhelfen versucht.

Von diesem Zeitpunkte bis zum Jahre 1512, wo die Medici zurückkehrten, hatten nur zwei Männer eine vollständige Kenntniß von allen Staats-Angelegenheiten und waren nur sie im Stande, sie zu verfolgen und gehörig zu leiten; diese beiden Männer waren Pietro Soderini, der auf Lebenszeit erwählte Gonfaloniere, und Nicolo Macchiavelli, der permanente Secretair, der schon seit vier Jahren dieses Amt bekleidete. Sie regieren den Staat; aber kann man an= nehmen, daß sie Beide an dieser großen Aufgabe sich auf eine gleiche Weise betheiligen? - Der Gonfaloniere ist ein Mann von Rechtlich keit und von Ehre; aber seinem Geiste fehlt Scharfsinn und Gewandtheit, seinem Charakter Entschiedenheit und Festigkeit. Im Jahre 1512 sehen wir ihn, indem er auf die Drohung der Medici seine persönliche Stellung preisgiebt, eben damit die Freiheit von Florenz preisgeben. Der Secretair ist ein anderer Mann. Wir haben nicht nöthig, ihn zu schildern; es ist eben Macchiavel. Er ist der Rath und die rechte Hand Soderini's; er ist es, der ihm die Gedanken eingiebt und ihu zum Handeln bringt. Er ist es, der eigentlich die Verwaltung, die Regierung führt.

Von der Thätigkeit, die er im Dienste der Republik entwickelt, bekömmt man eine Vorstellung, wenn man aus dem Buche des Herrn Canestrini Folgendes erfährt:

1858.

gelegenheit betraut; am 20. Juni wird er zum dritten Male als Gesandter nach Frankreich geschickt, und erst im September kehrt er zurück; am 7. November erhält er eine neue Mission im Innern; am 4. Januar 1511 ist er in Pisa, am 14ten in Arezzo; am 15. Februar in Poggio Imperiale; am 14. März im Arno-Thal; am 11. Mai in Monaco; am 14. August in Cafertino; am 11. September begiebt er sich zum vierten Male nach Frankreich; am 2. November ift er zurück, und am 3ten reist er schon wieder nach Pisa.

Wenn er in Florenz ist, redigirt er die Entscheidungen, die er im Rath veranlaßt hat. Die 265 Schriftstücke, die Herr Canestrini der Oeffentlichkeit übergeben hat, find alle von Macchiavel selbst geschrieben.

In diesen Aftenstücken, die meist ohne Vorbereitung niedergeschrieben worden find, offenbaren sich die Eigenschaften eines großen für die Staatsgeschäfte geschaffenen Geistes, strenge Eleganz, kraft= volle Einfachheit und eine immer mit der höchsten Klarheit verbundene Kürze.

Die administrative Korrespondenz Macchiavel's bezicht sich auf die Angelegenheiten der Romagna, auf die Revolte in Arezzo, über die fie sehr interessante Einzelheiten enthält, auf den Krieg mit Pisa und auf viele andere Gegenstände.

Der Secretair der Dieci di Libertà zeigt bei jeder Gelegenheit eine Klugheit, die mit Argwohn, eine Vorsicht, die mit Mißtrauen verbunden ist. Wollt ihr auf die Menschen rechnen", schreibt er,,,fo nehmt ihnen die Macht, euch zu schaden, und dann erst verlaffet euch auf ihren guten Willen."

Ein Ausländer bietet dem Befehlshaber von Livorno seine Dienste an; er wird ermächtigt, das Anerbieten anzunehmen; aber er soll auf der Hut sein:,,Die Regierung zweifelt nicht an der Treue dieses Mannes; doch hält sie es für gut, daß er fortwährend überwacht werde, so weit es der Anstand erlaubt, und so, daß er es nicht gewahr wird.“

Die meisten Städte, die den Florentinern unterworfen sind, waren mit Gewalt unterworfen worden. Die Republik täuschte sich nicht über die in diesen Städten herrschende, feindselige Stimmung; fie verfuhr immer mit der größten Strenge. Macchiavel, der von Natur zu strengen Maßregeln geneigt war, war in dieser Beziehung ein treuer Vertreter der Republik.

Die Stadt Arezzo, die sich empört hat, ist endlich zum Gehorsam gebracht. Es gilt nun, alle Verdächtigen festzunehmen: „Bemächtige Dich ihrer", schreibt er dem Kommissar, ohne Dich durch eine Rücksicht beschränken zu laffen. Es ist besser, dreißig zu viel, als einen zu wenig feftzunehmen.“

Lucca hat die Pisaner unterstüßt; die Stadt soll dafür gezüchtigt werden:,,Man muß in ihr Gebiet einfallen, plündern, zerstören, verbrennen und nichts unterlassen, um den Luccanern soviel als möglich Schaden zuzufügen.“

Es ist davon die Rede, daß Pisa ausgehungert werden soll. ,,Unter Androhung der schwersten Strafen verpflichte man die, welche die Stadt verlaffen haben, sofort in dieselbe zurückzukehren. Man verwüste das Land rings umher der Art, daß nicht ein Korn Getraide, nicht ein Halm Stroh übrig gelaffen werde.“

Der unglückliche Ausgang der Belagerung von Pisa ist bekannt; man weiß, daß im Jahre 1499 Paolo Vitelli, der General der Florentiner, des Verraths angeklagt, inmitten seines Lagers ergriffen, nach Florenz gebracht und enthauptet wurde. Die Depeschen Macchiavel's werfen auf dieses Ereigniß ein düsteres Licht.

Die Belagerung ist aufgehoben, ein Theil der Artillerie ist verloren. Was ist zu thun? Man muß sich in das Unabänderliche fügen, die Verluste ersehen, sich rächen. „Faffen wir nur dies ins Auge", schreibt Macchiavel zuerst, daß dieses Unglück so wenig wie möglich traurige Folgen habe... Denken wir an das Zukünftige, ohne uns bei den vergangenen Dingen aufzuhalten, an denen nichts mehr

Am 23. März 1510 wird er mit einer Mission in innerer An- zu ändern ift."

*) Nach einem Artikel der Revue de l'Instruction publique.

Die Kommissäre find unterbeffen durch zwei neue Kommiffäre erseßt, welche geheime Instructionen erhalten haben.

Am 25. September wird ihnen geschrieben: „Die Ausführung unserer Absicht gilt uns mehr, als unser Leben. Wir ermahnen euch, die Ehre der Stadt in den Augen Italiens wiederherzustellen. Schnell, schnell, schnell - thut, was ihr thun müßt!"

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Am 27. September: Möge euch der Muth nicht fehlen, die Ehre des Vaterlandes wiederherzustellen!"

Aber an demselben Tage wird, weil man fürchtet, zuviel gesagt zu haben, noch eine zweite Depesche gesendet:,,Wendet alle eure Sorge und alle eure Klugheit an, euch zugleich unternehmend und vorsichtig zu zeigen. Daß kein Uebermaß von Muth euch dazu verleite, die Sache mehr zu beschleunigen, als dienlich wäre, und daß kein Uebermaß von Vorsicht euch den günstigen Augenblick ver passen lasse!"

Am 28. wird der Befehl ertheilt: „Nach dem Bericht, den ihr uns abgestattet, find wir der Ansicht, daß keine Zeit mehr zu verlieren ist".

Dach sind, welches sie gegen die zerstörenden Einwirkungen des Wetters schüßt."

Die Kavallerie hat in seinen Augen die Wichtigkeit nicht, welche feine Zeitgenossen ihr beilegen. Durch das Beispiel der Römer belehrt und hierin seinem Jahrhundert vorauseilend, erklärt er:,,Es ist unzweifelhaft, daß die Stärke einer Armee in der Infanterie be steht." Zuerst organisirte er deshalb auch die Infanterie; der Plan für die Organisation der Infanterie ist vom 6. Dezember 1506; der die Kavallerie betreffende Plan datirt erst vom Jahre 1511.

Alle für tauglich zum Militairdienst erklärten Bürger sind verpflichtet, dem Rufe zu den Fahnen Folge zu leisten. In jedem Bezirk und in jeder Gemeinde ist eine genaue Prüfung vorzunehmen, Die als tauglich befundenen jungen Männer, equipirt und bewaffnet, bilden Compagnieen, deren jede ihre Fahne hat; sie werden einererzirt und find verpflichtet, beim ersten Aufruf zu marschiren.

Man kann sich vorstellen, daß eine so vollständige Revolution in den Gewohnheiten und Sitten der Florentiner unzählige Proteste und Weigerungen hervorrief.

An diesem Tage verhaften die furchtlosen Kommissäre wirklich den General an der Spiße seiner Armee. Er wird nach Florenz gebracht. Am 1. Oktober erhalten fie die folgende Depesche:,,Paolo Die Gemeinde Marradi z. B. widerseßt sich der Neuerung; sie Vitelli ist gestern Abend hier angekommen. Sofort verhört, ist er verwirft die neue Organisation. Macchiavel schreibt den Bewohnern: des Todes schuldig befunden worden. Heute haben wir ihn verurtheilt,,Er sei betrübt über ihr Widerstreben; er rechne auf ihre Treue; er und enthaupten laffen. Wir zeigen euch dies an".

11. Macchiavel als Gründer der National-Armee.

Herr Canestrini hat in dem Archivio storico", Theil XV, eine wichtige Arbeit über „die italiänische Miliz, betrachtet als eine Institution des dreizehnten bis sechzehnten Jahrhunderts" veröffentlicht. Seine Arbeiten haben ihn befähigt, beffer als irgend ein Anderer die von Macchiavel unternommene Reform zu würdigen. Worauf geht diese Reform aus? Auf nichts weniger, als darauf, an die Stelle der Condottieri, der Miethstruppen eine permanente Miliz und eine National-Armee zu sehen.

Der berühmte Florentiner hatte während seiner politischen Laufbahn oft genug Veranlassung gehabt, die traurigen Folgen der zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts in allen Staaten Italiens eingeführten Militair-Organisation zu beklagen.

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Ohne über die Gränzen feines eignen Landes hinaus zu blicken war er nicht Zeuge der Verrätherei Paolo Vitelli's um das Jahr 1499 und des Abfalls des Giampaolo Baglione im Jahre 1505 gewesen? Hatte nicht die Insubordination der Gascogner und der Schweizer die Unternehmung von 1500 zu Schanden gemacht?

Solche Erfahrungen und sein Patriotismus veranlaßten den Politiker, sich der Kriegswissenschaft zu widmen. Er studirte das Militairwesen der alten Römer, indem er dabei mit dem ihm eigenen Scharffinn den Unterschied der Sitten und Zeit im Auge behielt. Er begnügte sich nicht damit, seine sieben Bücher über die Kriegskunst zu schreiben. Von der Theorie ging er sogleich zur Praris über; von dem Vertrauen, welches er im Staate genoß, Gebrauch machend, unter nahm er es, sein Vaterland dahin zu bringen, daß es entschieden mit der Vergangenheit brach, jeden Beistand des Auslandes zurückwies und nur dem Arm seiner eigenen Söhne seine Vertheidigung an

vertraute.

Die beiden von ihm für die Einführung einer neuen Miliz verfaßten Programme sind gedruckt worden, wie auch sein Gutachten in Bezug auf die Wahl eines Commandeurs der Infanterie; wir wissen also, daß er auf dem Wege der Reform bis ans Ende vorgeschritten ift. Was wir, wenn wir es auch haben vermuthen können, bisher nicht gewußt, ist, daß er viel Geduld und viel Mühe angewendet, alle Hindernisse zu beseitigen, allen Widerstand zu besiegen, alle Intereffen zu befriedigen. Dies zeigen uns die 80 bisher nicht gebruckten, auf diesen Gegenstand sich beziehenden Briefe, die in dem von Herrn Canestrini herausgegebenen Buche enthalten sind.

Wir wollen hier nicht die Einrichtung in ihren Details vorführen. Wir beschränken uns darauf, auf die Großartigkeit seiner Ansichten, auf die Sicherheit seines Urtheils, auf die ehrenwerthe Beharrlichkeit hinzuweisen, mit welcher Macchiavel die Ausführung seines Planes betrieben hat.

Er verhehlt sich nicht die unvorhergesehenen Kosten, welche der Krieg mit sich bringt:

Die Zehn", schreibt er, gestehen, daß man in Bezug auf das Kriegswesen durch den ersten Blick kein sicheres Resultat gewinnt, daß, wenn man meint, zweitausend zu brauchen, man auf sechs gefaßt sein muß, so sehr mehren sich die Bedürfnisse, wenn man die Sache näher befieht."

Aber, wie groß auch die Kosten seien, eine Armee scheint ihm für das Wohl und für den Bestand der Staaten eine unabweisbare Nothwendigkeit zu sein: „Ohne eine Militairmacht“, sagt er in der Vorrede zu seiner,,Kriegskunft“,,,zerfällt zulezt ein jeder noch so gut konstituirter Staat, hierin jenen prächtigen Palästen ähnlich, welche, in ihrem Innern von Gold und Edelsteinen glänzend, ohne ein

könne nicht glauben, daß sie eine Einrichtung zurückweisen würden, welche so viele andere Kommunen schon angenommen hätten! Ob die Republik nicht mehr an ihren Patriotismus glauben solle?"

Gleichzeitig schreibt er an den,,Conestabile“ des Cantons: „Du siehst, wie wenig Gemeinsinn diese Leute haben; man muß, ihnen gegenüber, mit der größten Klugheit zu Werke gehen: allmählig werden wir sie für unser System gewinnen.“

Ebenso sucht er die Bewohner von Modigliana, welche auch widerstreben, für die neue Einrichtung zu gewinnen:

,,Eure Reclamationen", sagt er ihnen,,,haben ihren Grund nur in einer falschen Auffassung der Sache. Ihr faffet nur die Kosten ins Auge; ihr müßt sie als eine Sache des Nußens, der Sicherheit, der Ehre ansehen. Eure Festungswerke haben euch viel Geld ge= kostet. Dieses Geld ist verloren, wenn ihr nicht organisirt seid, sie zu vertheidigen. Aber kann man Menschen als eine organisirte Schaar betrachten, die weder Waffen noch einen Führer haben?"

Ist es nicht interessant, zu sehen, wie Macchiavel seinen von Natur harten und gebieterischen Charakter verleugnet, um die seiner neuen Einrichtung Widerstrebenden durch gütige Worte zu überzeugen?

Er erreichte auf diese Weise seinen patriotischen Zweck; aber die Revolution von 1512, welche die Medici zurückbrachte, zerstörte fein kaum vollbrachtes Werk.

Als im Jahre 1527 sich wieder die Republik erhob, um 3 Jahre später für immer zu unterliegen, traten die militairischen Einrichtun gen Macchiavel's wieder in Kraft. In dieser Schule bildete sich die hochherzige Jugend, welche, während der Belagerung von Floreny durch ihren Heldenmuth Europa mit Bewunderung erfüllte, und welche ihren schönen Tod fand auf den Ruinen der Freiheit und des VaterLandes.

Durch die vorstehenden Mittheilungen wird das Buch des Herra Canestrini den Freunden der Geschichte, den Staatsmännern und denen, die sich für das Militairwesen intereffiren, zur Genüge empfohlen sein. Es ist eine Ergänzung der bisher herausgegebenen Schriften Macchiavel's, die sehr nöthig war.

Türkei.

Die Türkei und ihre Bewohner. (Schluß.)

"Zu Anfang des Jahres 1856 (so fährt unser französischer Gewährsmann fort) verfügte der Sultan die Aufstellung eines jährlichen Budgets, und auf seinen Wunsch erschien im Moniteur Ottoman ein solches Budget. Dasselbe war mit einer Geschicklichkeit und Genauigkeit, wie in den am besten verwalteten Ländern Europa's, zusammengestellt, und es ward allgemein als ein Meisterstück von Genauigkeit und finanzieller Voraussicht betrachtet. Nichts war an dieser prächtiger Arbeit auszusehen, und sogar die außerordentlichen Ausgaben waren darin berücksichtigt, was in einem Lande seine besonderen Schwierig keit hat, wo der Sultan freigebig Pensionen von 600,000 Piaftern gewährt. Allein nach der Zeit hat Niemand weiter davon sprecher gehört, und wie dort die Sachen nun einmal stehen und gehen, wird es wohl auch dabei sein Verbleiben haben. Warum auch sollte man Europa zeigen, daß das Defizit des Serails auf mehr als hundert Millionen für ein einziges Jahr gestiegen ist, und daß die Hülfs mittel, um das Defizit zu tilgen, lediglich darin bestehen, in jedem Jahre zu übermäßigen Zinsen Kapitalien aufzunehmen? Warum sollte man Wunden aufdecken, die für die Regierungen Frankreichs, Englands und Sardiniens den Beweis liefern würden, daß sie ver

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