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sich nicht mehr nach der verdorbenen Westküste zu sehnen, wo die Eingebornen Weiße nur als Sklavenhändler kennen. Die Ostküste dagegen, am Zambesi hinauf, hat den Einfluß der Missionare und der großen Niger-Expedition gefühlt. Hier ist auch ein Fluß als herr liche Straße zu der Bevölkerung im Innern, die uns gewogen ist. Durch ordentlichen Handel können wir uns auch leicht die durch Kriege feindselig gewordene Bevölkerung an der Küste befreunden." Dies sind die praktischen Hauptresultate und Vorschläge, welche Livingstone aus seiner sechzehnjährigen Forschung im Innern SüdAfrika's zieht. Sie sind, wie man ihnen dies gleich ansieht, gesund und praktisch und werfen unwillkürlich die ganze funfzigjährige Handels- und Kolonial-Politik und die gepriesene auswärtige des gefeierten Palmerston zu Boden, da dieser Weisheit nichts viel Befferes zu Grunde lag, als Kriegsschiffe, Eroberung, Ausplünderung, ,,Anneration“ und materielle wie moralische Verwahrlosung der mit ,,westlicher Civilisation" Beglückten.

Jene Vorschläge Livingstone's beziehen sich auf höchstens ein Drittel der von ihm durchforschten Strecken und deren Völker, Pflan-. zen, Thiere, Produkte und Naturschäße. In ein Gesammtbild zu fammengefaßt, bietet diese mehr als tausend geographische Meilen lange Linie füdafrikanischer Natur die üppigste Fülle von friedlichen, eigenen, nicht negermäßigen Völkergruppen, besonders wilder Thiere und Früchte. Die Natur erstirbt in vielen Gegenden oft unter der Gluth trockener Sonne, aber nach einem Regengusse lebt sie über Nacht millionen- und milliardenfältig auf. Aus dem glühenden Sande steigen Wälder von Gräsern und Blumen empor, und jedes Blatt, jeder Athemzug in der Luft schwirrt und wimmelt voll dichten, feltsamen Lebens. Wir wählen nun eine Skizze aus seinen überall zerstreuten, besonders reichen naturgeschichtlichen Schilderungen:

,,Wir waren dicht am Schilfdickicht und konnten die seltsamen Laute, die daraus so oft ertönen, deutlich vernehmen. Am Tage sah ich Wasserschlangen mit hochemporgehobenen Köpfen umherschwimmen. Daneben gab es unzählige Massen von Ottern (Lutra inunguis, Cuv.), mit Labyrinthen von „Spuren" durch die hohen Gräser der überflutheten Prairieen, um Fische zu fangen; seltsame Vögel, flatternd und sausend unter diesen schilfigen Massen; menschenähnliche Stimmen, überirdische Töne dringen hervor mit Geplätscher, Gegluckse und Gequicke, als ob man in diesen unheimlichen Pläßen den seltenften Spaß treibe. Einmal hörten wir ein seltsames Geplatsche, als wenn ein Hippopotamus heranrücke, aber wir sahen nichts, und obgleich wir ein Gewehr in die Richtung abschossen, dauerte das feltsame Geräusch doch ununterbrochen eine Stunde fort, ohne daß wir einen Grund dafür zu entdecken im Stande waren. An einem Flußufer sah ich über 30 Arten von Vögeln, jede stark vertreten. Hunderte der Spezies Ibis religiosa kamen mit den schwellenden Wassern heran, wie auf dem Nile (viele Beschäftigungen, Geräthe 2c. der dort lebenden Menschen sind lebendige Bilder alter Originale auf 5-6000 Jahre alten ägyptischen Pyramiden und Grab-Skulpturen); Schaaren großer, weißer Pelikane in Gruppen von 300 und mehr, in langen, kontinuirlichen Linien und Kurven, sich hebend und senkend im Fluge, ganze Wolken schwarzer Linongolo's (Anastomus Camelligerus), zahllose Reiher, Schnepfen und andere Sumpfvögel, Heerden hübscher, weißer Ardetta's, die sich gern auf dem Rücken von Buffalo Heerden herumtreiben, ebenso, wie die vortrefflichen Reiter „Kola" (Textor erythrochynchus), die fest auf den Widerristen der dahinjagenden Buffalo-Heerden sizen bleiben. Dann die seltsamen Scheerenschnäbel mit schneeweißer Brust, pechschwarzem Obergefieder und rothem Schnabel, den Tag über auf den Sandbänken als Muster der Gemüthlichkeit und Ruhe figend Löffelschnäbel, ganz weiß, stattliche, wunderschöne Flamingo's, numidische Kraniche, Möven, ungeheuer langbeinige Waldvögel und Parrae Africanae, die thatsächlich auf dem Waffer umherspazieren, Wasservögel in Masse, Heerden großer, schwarzer Gänse u. s. w."

Alles dieses Leben seßt Wasser voraus, das so oft und auf ungeheuren Strecken Monate lang fehlt, daß sich die Bewohner solcher Gegenden Hunderte von Straußeneierschaalen damit füllen, diese vergraben und in Zeiten der Noth hervorholen. Der Mangel an Wasser øder vielmehr dessen rasche Verdunstung in der Gluthsonne ist in vielen Gegenden Afrika's der Hauptgrund wilder, armseliger, umher ziehender Lebensweise, oder des Todes. Artesische Brunnen, wie sie die Franzosen in der Sahara angelegt haben, werden allein Quellen der Civilisation und festen, ansässigen Lebensweise werden. Uebrigens ist es wunderbar, wie in den wasserunsicheren Gegenden nicht nur Menschen, sondern auch Thiere und Pflanzen ihren Scharfsinn angestrengt und sich eingerichtet haben, um auszuhalten, bis die Regenzeit wiederkömmt. Es giebt Pflanzen, welche sich tief unten im Grunde einen großen Vorrathskeller anlegen und mit dünnem Stengel frisch in die Gluth hineinwachsen.

Welch ganz andere Fülle von Thieren und Pflanzen in trockenen. Gegenden! Heerden gewaltiger Strauße, Löwen (die von Livingstone,

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der unter einem solchen einmal wirklich sein Ende, gleich im Anfange seiner afrikanischen Laufbahn, fürchtete getreu abgebildet - all' ihrer Majestät entkleidet und zu feigen, riesigen Kaßen erniedrigt wer den, denen die Maler nur durch bildliche Darstellungen die traditionelle Majestät zu wahren suchten), Rhinocerosse, Elephanten, Hippopotami, Gnu's, Zebra's, Antilopen in ungeheuren Heerden und ganz neuen Arten, eßbare Frösche, wie Hühner groß, eßbare, weiße Ameisen (eine Delikatesse), fürchterliche, schwarze Ameisen mit Hügeln, auf denen Bäume wachsen, Ameisenfreffer, Hundert- und Tausendfüßler, eßbare Heuschrecken, merkwürdige Spinnen und Insekten in unsagbarer Mannig faltigkeit, die nach jedem Regen sofort jede Pore des Daseins und jedes Luftatom mit Leben bevölkern, mit dem furchtbaren Repräsen tanten ihres Geschlechts, der giftigen Tsitsifliege, die zu der Ehre gekommen ist, vergrößert das Titelblatt des Livingstoneschen Werkes zu zieren. Und die Vegetation? Baumhohe Grasflächen, Schilfmeere, Zwiebelgewächse, Palmen, Bananen, unvertilgbare Mowanabäume, Weinberge mit goldenen, schweren, füßen Trauben, Baumwollenwälder, Zuckerschilfmeere, Neißsumpfthäler, fließender, wilder Honig, Gold, Elfenbein, Eisen, andere Metalle, Fleisch und Früchte mehr — von Allem mehr, als man nur in trockenen Namen aufzählen kann.

Nun wohl, das ist ein neues Feld für menschliche, vortheilhafte civilisirte und civilisirende Eroberung, deren Grundrisse Livingstone so klar und praktisch angab. Er spricht von keinem einzigen Kriegsschiffe, von keinem einzigen Soldaten. Legt Pläße an, wo die Leute ihre Produkte gegen eure sehr eifrig begehrten Kattunwaaren austauschen können und die Sache ist begründet und schwellt die Profite zu= nehmend auf beiden Seiten. Gewalt, Plünderung, betrügerische Annexation", Steuereintreibung mit Tortur und Mißhandlung fremder Völker, statt ehrlichen Handels mit denselben, führt aber zu Kriegsschiffen, Soldatenmassen, Soldaten - Revolutionen und zu Ausgaben (abgesehen vou Moral und Menschenblut), die allen Profit, aus der Unehrlichkeit und Pfiffigkeit oder Brutalität gezogen, immer bald wieder in steigendes Defizit umkehren.

Die einfachen praktischen Vorschläge, welche Livingstone aus seinen sechzehnjährigen Forschungen und der Darstellung derselben zieht, find, so unscheinbar sie aussehen, ein Musterstück von Einsicht, Humanität und Civilisation und allen anderen Tugenden, die blos Früchte oder andere Namen für Einsicht und richtiges Erkennen sind.

Frankreich.

B.

Die elektrische Telegraphie zwischen beiden Hemisphären.")

Als Ampère die Geseße der dynamischen Elektrizität entdeckt und den ersten Apparat baute, mittelft bewegbarer Magnetnadeln Signale zu übertragen, konnte er nicht voraussehen, welch glänzendes und rasches Glück diesem neuen System der Telegraphie beschieden sei. Hatte er das unbestreitbare Verdienst, den ersten Grund gelegt, so gebührt doch dem englischen Physiker Wheatstone und dem amerikanischen Ingenieur Morse die Ehre, auf die einfachste und sinnreichste Weise den kühnen Gedanken des französischen Gelehrten verwirklicht zu haben.

Diese Fäden, von denen mau ohne hyperbolisches Bild sagen kann, daß sie den Gedanken mit Bligesschnelle in die Ferne tragen die Fäden der elektrischen Telegraphen ziehen gegenwärtig ihr leichtes Neß über alle civilisirten Länder, sind längs unserer Eisenbahnen gespannt, durchkreuzen die Straßen unserer großen Städte, schneiden die höchsten Gebirgsketten. Wer hätte vor kaum zwanzig Jahren geahnt, daß ein Befehl aus Paris und London an demselben Tage in der Krim Armeen in Bewegung seßen, oder um von dem gewichtigsten Ernst zu leichtestem Scherz überzugehen daß ein Tourist auf den Berner Alpen am Morgen sein Nachtlager auf dem Gipfel des Righi bestellen könnte?

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Die staunenswerthe Ausdehnung der elektrischen Telegraphie erklärt sich leicht durch die Einfachheit ihrer Mittel: ein Eisendraht, Pfähle, Vorrichtungen leicht herzustellen und zu handhaben das ist der ganze Bedarf, um die beiden Enden eines Festlandes zu verbinden; aber jene Unerschrockenheit, die den wissenschaftlichen und industriellen Geist der Neuzeit kennzeichnet, ließ sich nicht damit genügen, die äußersten Fernen auf der Oberfläche der Erde in unmittelbare Nähe zu rücken; auch über die weiten Meere wollte er dringen, und die Telegraphie trat nun in ein neues Stadium, wo sie auf allerlei Schwierigkeiten stieß, die zum Theil noch nicht überwunden find. Den ersten schüchternen Versuch machte man 1851: ein unterseeischer Kabel wurde im Pas-de-Calais zwischen Dover und dem Kap Sangate gelegt. Bald darauf legte England Taue von Holyhead nach Dublin, von Dover nach Middelkerke bei Oftende, von der Grafschaft Suffolk nach Scheveningen in der Nähe des Haag; 1853 verband der telegraphische Tau Seeland mit Fünen, Schottland mit Irland; der Südersee nahm einen Kabel auf. In Kanada vereinigte

*) Nach Auguste Langel in der Revue des deux Mondes.

Mannigfaltiges.

man Neu-Braunschweig mit der Prinz - Edward-Insel in dem St. Lo- wieder aufgewickelte Schnur bringt in einem Röhrchen etwas von der renz-Golf: hier ist die Station der großen Linie, die einst die beiden Substanz aus dem Meeresbette mit. So erhält man Proben des Festländer verbinden soll. Das war das Vorspiel zu kühneren Ver- Meeresgrundes aus den ungeheuersten Tiefen. Diese sinnreichen Einfuchen: bald war Spezzia mit dem Kap Korsika, Korsika mit Sardinien richtungen seßten den Lieutenant Berryman in den Stand, im Jahre vereinigt, und im Schwarzen Meere verband das Tau Varna mit 1855 den Theil des Atlantischen Meeres zwischen Irland und NeuBalaklava. Man versuchte endlich die Verbindung zwischen Europa fundland zu fondiren. Die Natur schien diese beiden Inseln als die und Afrika zu vervollständigen, aber ohne Erfolg: das Tau, das in beiden Endpunkte der zur Verbindung der beiden Kontinente, deren einer Tiefe von mehr als 2000 Mètres sich vom Kap Spartivento vorgeschobene Posten sie sind, bestimmten Linie bezeichnet zu haben, und nach Sardinien strecken und bei La Calle in Algerien enden sollte, die hydrographischen Forschungen fanden sich in Einklang mit dem riß und blieb zum Theil auf dem Meeresgrunde liegen. Troh Werk der Natur. (Fortsetzung folgt.) diesem Querstrich durfte man dem Glauben Raum geben, das widerftehende Mittelmeer bezwingen zu können; ja man wagte zu hoffen, daß die alte und neue Welt über die ungeheure Wogenfläche hinweg einander die Hände reichen werden. Amerika und England begeisterten sich für diesen edlen Versuch und folgten ihm in all seinen Phasen mit patriotischer Gemüthsspannung. Man beschränkte sich nicht darauf, die Wichtigkeit dieser Verbindung für den Handel zu preisen; man wollte vielmehr darin ein Unterpfand der Eintracht und des Friedens zwischen zwei großen Nationen erblicken, die, obwohl so lange eifer, süchtig gerüstet gegen einander, dennoch nicht vergessen können, daß fie Aeste Eines Stammes find. Die politische und soziale Tragweite eines Unternehmens, das keine Vorgänger hat, die an Intereffe so reichen Studien, die es vorbereitet haben, selbst das Mißgeschick, das die Ausführung unterbrach, Alles vereinigte sich, die gehegten Erwartungen zu rechtfertigen. Es sei demnach gestattet in die Geschichte dieses großartigen Unternehmens genauer einzugehn.

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Professor Morse zu New-York faßte zuerst den Gedanken eine unterseeisch elektrische Verbindung zwischen der Union und England herzustellen. Drei Jahre nach der Legung des ersten telegraphischen Kabels in Europa verlieh die Kolonialregierung von Neufundland einer Gesellschaft die Konzession dieser Linie, bewilligte ihr einen Hülfszuschuß und verbürgte ihr die ausschließlichen Vorrechte auf der ganzen Küste von Neufundland und Labrador. Die Verwaltungen der Prinz-Edward-Insel und des Staates Maine gewährten ihr bald darauf ähnliche Vorrechte. Allein alle diese Zugeständnisse wären ein todter Buchstabe geblieben, wenn das Vertrauen, das Anfangs nur die kühnsten Männer dem Plane geschenkt hatten, seine Berechtigung nicht durch entscheidende wissenschaftliche Arbeiten nachgewiesen hätte: wir meinen die hydrographischen Studien, die in dem Atlantis schen Meere ausgeführt, und die Experimente, die in England über die Bewegung der Elektrizität an den unterseeischen Tauen angestellt worden. Zuvörderft lag daran, die Gestalt des atlantischen Bassins genau zu kennen, um die Straße zu wählen, die der Einsenkung des Taues das geringste Hinderniß bietet. Leider ist die Topographie des Meergrundes eine noch ganz junge Wissenschaft. Die geheimnißvollen Abgründe, die unsere Kontinente trennen, sind uns in ihren Tiefen unbekannt. Alle Seeleute wissen, auf welche Schwierigkeit man stößt, wenn in irgend einem beträchtlichen Abstande von den Küsten eine strenge Sondirung unternommen wird. Das gewöhnlich angewandte Mittel besteht darin, ein an eine Leine gebundenes schweres Gewicht hinabzulassen und darauf zu merken, wie viel sich bis zu dem Moment abgerollt hat, wo man spürt, daß das Gewicht den Meeresboden berührt. Allein dieses Verfahren giebt keine genaue Anzeige, wenn die Tiefe sehr groß wird: die durch das Wasser verursachte Reibung, die Schwere der Leine selbst verhindern, den Augenblick zu bestimmen, wo das Senkblei aufgestoßen ist. Ueberdies senkt sich die Leine niemals lothrecht; unter dem Einfluß der unterseeischen Strömungen macht sie verschiedene Krümmungen. Aus diesen Gründen ist gewissen Sondirungen, die einigen Stellen des Atlantischen Meeres eine fabelhafte Tiefe geben, kein Vertrauen zu schenken. Seit lange hat man eine Menge mehr oder minder sinnreiche Mittel erdacht, diesen Schwierigkeiten abzuhelfen; indeß erscheint die gegenwärtig von der amerikanischen Marine angenommene Methode als die einfachste, wie die zuverlässigste.

Wirft man eine an eine sehr dünne, sich frei abrollende Schnur gebundene Kugel ins Meer, so wird sie mit stets wachsender Schnelligkeit fallen, bis sie sich in das Bette des Meeres versenkt. Während der Zeit wird sich die Schnur immer rascher abwickeln und auch dann nicht aufhören, wenn die Kugel schon den Boden erreicht hat, weil die mächtigen Strömungen fie fortwährend mitziehen. Allein, da die Schnelligkeit der Strömungen eine ftete, und ohne Vergleich langfamere ist, als die einer von bedeutender Höhe fallenden Kugel, so wird ein nur irgend geübter Hydrograph ohne Mühe die beiden Perioden der Abwickelung unterscheiden und diejenige schäßen können, die von dem bloßen Fall der Kugel verursacht wird. Dieser bequeme Apparat ist vom amerikanischen Schiffslieutenant Brooks noch vervollkommnet worden. Nach einer von ihm angebrachten Vorrichtung löst sich die auf den Grund gekommene Kugel von selbst ab, und die

Die neue Revue Germanique. Vor einigen Tagen ist in Paris der von Karl Dollfuss und Neffzer unterzeichnete Prospectus der neuen Revue Germanique ausgegeben worden. Unter den Hauptmitarbeitern werden genannt: Dareste, Moriz Hartmann, Laboulaye (vom Institut). Littré (desgleichen), L. Ratisbonne, Renan (vom Institut), de Rougé (desgleichen), C. de Sault (SchriftstellerName einer geistvollen Dame, welche die deutsche Literatur und Sprache sehr gut kennt), Daniel Stern (Gräfin d'Agout) und H. Taine.,,Deutschland", so heißt es in diesem Programme,,,verdient nicht minder als England (in der Revue Brittanique) in Frankreich ein besonderes Organ zu haben. Es steht in keiner Geisteskundgebung diesem nach und hat in vielen den Vorzug. Es hat eine lebensvolle und fruchtbare Literatur, Geschichtschreiber, die Macaulay nichts nachgeben, Kritiker, die Niemanden den Vorrang zu lassen haben. In der Wissenschaft hat es Zweige, die ihm so zu sagen eigen sind, wie die Philologie und die Eregese; für die Naturwissenschaften hat das Land der Humboldt, der Liebig, der Bunsen, der Vogt, der Moleschott keinen Vergleich zu scheuen. Die deutsche Philosophie ist die kühnste Anstrengung des menschlichen Geistes gewesen, und nachdem Deutschland mit Hegel den Gipfelpunkt der von Kant begonnenen Bewegung erreicht hat, beginnt es heute auf neuer Grundlage ein neues und unerwartetes Werk." Die Revue will sich keiner Partei anschließen und blos als Spiegel der geistigen Bewegung in Deutschland dienen. Wir wünschen dem Unternehmen mehr Glück, als die früher in Paris und in Straßburg erschienenen Revue Germanique gehabt hat, die ebenfalls von geachteten Namen redigirt wurde, aber zu wiederholten Malen ihren Versuch an der Theilnahmlosigkeit des französischen Publikums scheitern sah. Wenn in dem vorgedachten Programme Vogt und Moleschott mit Humboldt und Liebig in Eine Reihe gestellt werden, so beweist das eben nur, daß man innerhalb der Redaction, bei der vielleicht der junge materialistische Philosoph Taine den Ausschlag giebt, mit den Gedanken, welche Deutschland bewegen, nicht ganz vertraut sei. Herr St. René Taillandier, der zu den Mitarbeitern der Revue Germanique nicht gehört, würde einen solchen faux pas nicht gethan haben.

-Eine Krönungsreise. Herr Nestor Considerant, der im Herbst 1856 die Reise nach Moskau machte, um den Lesern der Indépendance belge über die Prachtscenen der Kaiserkrönung zu berichten, hat für gut befunden, seine in den Spalten jenes Blattes enthaltenen Skizzen zu sammeln und sie in zwei niedlichen Bändchen, als Bestandtheil der Bibliothèque internationale, herauszugeben. Das Werk führt den Titel: „Rußland im Jahr 1856") und erregt dadurch Erwartungen, die es nicht ganz erfüllt. Ueber die Lage Rußlands am Schlusse seines blutigen und erfolglosen Kampfes mit dem Occident, über die Hoffnungen und Ideen, die es im Beginn einer neuen Epoche seiner politischen und sozialen Entwickelung bewegen, ers fahren wir nicht viel; solche Themata zu erörtern, hatte der Verfaffer weder Zeit, noch die nöthigen Vorkenntnisse. Er beschränkt sich hauptsächlich auf geistreiche Plaudereien, die müßige Stunden recht angenehm ausfüllen und in ihrer Harmlosigkeit oft einen fast naiven Eindruck machen. Herr Considerant hatte sich offenbar vorgenommen, mit Allem zufrieden zu sein, was ihm in den Weg kam, und selbst die Paßscheerereien, die ihn von der belgisch-preußischen Gränze bis nach Kronstadt und wieder zurück begleiten, und der peinliche Forma= lismus der ruffischen Büreaukratie sind nicht vermögend, ihm seinen glücklichen Humor zu rauben. Die sprüchwörtliche Gastfreundschaft der Russen entschädigt ihn für alle Leiden, die er von Tschinowniks und Jewoschtschiks auszustehen hat, und er kehrt mit der Ueberzeugung in sein Vaterland zurück, daß die Moskowiter beffer find, als ihr Ruf, und mit tiefer Achtung für ein Volk, dessen gesellschaftliche Mission zwar noch kaum beginnt, das noch ungeheure Fortschritte zu machen hat, aber unstreitig zwei Eigenschaften besißt, welche große Nationen bilden: das Vertrauen in seine eigene Kraft und die Liebe zum heimatlichen Boden."

*) La Russie en 1856. Souvenirs de voyage. Bruxelles et Leipzig: Auguste Schnée, éditeur.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 gr. und vierteljährlich 25 gr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 3.

für die

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Literatur des Auslandes.

Italien.

Berlin, Donnerstag den 7. Januar.

Torquato Tafso und Giacomo Leopardi.

Es ist bekannt, daß Torquato Tasso behauptete, daß ihm sein ,,guter Genius“ zuweilen erscheine und lange Unterredungen mit ihm pflege, die, da sie sein eigenes Wissen und seine eigenen Kenntnisse weit überschritten, nicht das Werk seiner Phantasie sein könnten. Manso berichtet in seinem „Leben Tafso's“, daß er einst einem folchen Gespräch beigewohnt habe. Gegen den Marchese von Villa, der den Dichter im Jahre 1588 mit auf sein Landgut nahm, sprach er sich über diesen mysteriösen Verkehr mit solcher Bestimmtheit aus, daß der Marchese selbst nicht wußte, was er davon sagen oder glauben sollte. Wie dem auch sei, Leopardi hat die Thatsache aufgefaßt und ein „Gespräch Torquato Tafso's mit seinem genius familiaris" geschrieben, welches sich in seinen „,operette morali" findet. Den Lesern des,, Magazin", die durch den in einem früheren Jahrgang mitgetheilten vortrefflichen und ausführlichen Artikel: Leben und Meinungen des Dichters Leopardi“ (nach Sainte Beuve) nähere Bekanntschaft mit dem großen Italiäner des neunzehnten Jahrhunderts gemacht haben, der als Philolog, Dichter und Denker gleich aus gezeichnet und von dem mit Recht gesagt worden ist, daß jene groß artige Poesie, die auf den Lippen Dante's geboren wurde, in unserer Zeit auf den seinen gestorben sei, solchen Lesern dürfte es nicht un erwünscht sein, als Probe der in Deutschland noch wenig bekannten ,,operette morali", das oben angeführte Gespräch in treuer Ueberfehung wiedergegeben zu finden, zumal es für die Lebensanschauung Leopardi's höchst charakteristisch ist.

Gespräch

Torquato Tasso's mit seinem genius familiaris.
Genius. Wie geht's, Torquato?

Taffo. Du weißt wohl, wie es gehen kann in einem Gefängniß und bis an den Hals im Unglück.

Genius. Ja, aber nach dem Abendessen ist es nicht Zeit, darüber zu klagen. Sei guten Muths und lasse uns zusammen lachen!

Taffo. Dazu bin ich wenig tauglich; aber deine Gegenwart und deine Worte trösten mich immer. Seße dich hier neben mich! Genius. Ich mich sehen? Das ist für einen Geist nichts Leichtes. Aber sieh! stelle dir vor, daß ich size.

Taffo. könnte ich meine Leonore wiedersehen! So oft sie mir wieder ins Gedächtniß kommt, entsteht ein Wonneschauer in mir, der sich vom Scheitel bis zur äußersten Spiße der Füße erstreckt, und keine Ader, kein Nerv bleibt in mir unerschüttert. Bisweilen, wenn ich an sie denke, leben in meinem Geist gewiffe Bilder, gewisse Affekte wieder auf, dergestalt, daß ich mir, während dieser kurzen Zeit, noch derfelbe Torquato zu sein scheine, der ich war, bevor ich durch Erfahrung das Unglück und die Menschen kennen gelernt hatte, und den ich jezt so oft als todt beweine. Wahrlich, ich möchte sagen, der Weltbrauch und die Schule der Leiden pflegen gleichsam in einem Jeden von uns jenen ersten Menschen, der er war, zu begraben und einzuschläfern; er erwacht von Zeit zu Zeit auf kurze Frift, aber um so seltener, je weiter die Jahre vorschreiten; immer mehr zieht er sich dann nach unserem Innersten zurück und versinkt wieder in tieferen Schlaf, als vorher; bis er, während unser Leben noch dauert, stirbt. Kurzum, ich erstaune, wie der Gedanke an eine Frau so große Gewalt hat, mir, so zu sagen, die Seele zu erneuern und mich soviel Trübfal vergeffen zu machen. Und hätte ich noch Hoffnung, fie wiederzusehen, so würde ich glauben, die Fähigkeit, glücklich zu sein, noch nicht verloren zu haben.

Genius. Was von Beidem hältst du für süßer: die geliebte Frau sehen, oder an sie denken?

Taffo. Ich weiß nicht. Gewiß ist, daß, wenn sie mir gegen wärtig war, fie mir eine Frau geschienen; fern, mir eine Göttin schien und scheint.

1858.

Genius. Diese Göttinnen sind so gnädig, daß sie, wenn sich Jemand ihnen nähert, im Augenblick ihre Gottheit zusammenfalten, die Strahlen, welche sie umgeben, abnehmen und sich in die Tasche stecken, um den Sterblichen, welcher vortritt, nicht zu blenden.

Tasso. Du sprichst nur zu wahr. Aber erscheint dir das nicht als eine große Sünde der Frauen, daß sie bei der Probe so verschieden von dem Phantafiebilde ausfallen, das wir uns von ihnen machten.

Genius. Ich kann nicht sagen, daß sie hieran Schuld haben, da sie viel mehr aus Fleisch und Blut, als aus Ambrosia und Nektar gemacht sind. Was in der Welt hat nur einen Schatten øder den tausendsten Theil der Vollkommenheit, die, wie ihr meint, in den Frauen vorhanden sein soll? Und es erscheint mir auch seltsam, daß, während ihr euch nicht wundert, daß die Menschen Menschen, d. h. wenig lobens- und wenig liebenswürdige Geschöpfe find, ihr dann nicht begreifen könnt, wie es kommt, daß die Frauen in der That keine Engel find.

Tasso. Bei alledem sterbe ich vor Verlangen, sie wieder zu sehen und wieder mit ihr zu sprechen.

Genius. Wohlan, heut Nacht werde ich sie dir im Traum vorführen, schön, wie die Jugend, und so verbindlich, daß du dir ein Herz faffen wirft, viel offener und freier mit ihr zu sprechen, als es dir vormals je gelang; ja zuletzt wirst du ihr die Hand drücken, und sie wird, dich fest anblickend, deinem Geist eine solche Milde einflößen, daß du davon übermannt werden und den ganzen Morgen, so oft du dich an diesen Traum erinnerst, dein Herz vor Zärtlichkeit hüpfen fühlen wirst.

Tasso. Großer Trost: ein Traum statt der Wahrheit!
Genius. Was ist Wahrheit?

Tasso. Pilatus wußte es nicht mehr, als ich.

Genius. Nun, ich werde für dich antworten. Wisse, zwischen Wirklichkeit und Traum besteht kein anderer Unterschied, als daß dieser manchmal viel schöner und viel süßer sein kann, als jene je zu sein vermag.

Tafso. Also ist eine geträumte Freude ebensoviel werth, wie eine wirkliche?

Genius. Ich glaube. Mir ist sogar Jemand bekannt, der, wenn die Frau, die er liebt, sich ihm in einem anmuthigen Traume darstellt, den ganzen folgenden Tag vermeidet, mit ihr zusammenzu treffen und sie wieder zu sehen, da er weiß, daß sie den Vergleich mit dem Bilde, welches der Schlaf von ihr ihm eingeprägt hinter lassen, nicht aushalten könnte, und daß das Wahre, indem es aus seinem Gedächtniß das Falsche auslöscht, ihn der außerordentlichen Freude, die er daraus zieht, berauben würde. Darum sind die Alten, die sich weit mehr um jede der menschlichen Natur mögliche Art von Vergnügen kümmerten und hierin viel klüger und erfindsamer waren, als Ihr, nicht zu verdammen, wenn sie die Gewohnheit hatten, sich auf verschiedene Weise die Annehmlichkeit und das Vergnügen der Träume zu verschaffen. Ebensowenig ist Pythagoras zu tadeln, daß er das Bohneneffen verboten, weil man glaubte, daß es der Ruhe eben dieser Träume hinderlich und geeignet wäre, sie zu trüben; auch sind die Abergläubigen zu entschuldigen, die, bevor sie sich niederlegten, zum Merkur, dem Führer der Träume, zu beten und ihm Libationen darzubringen pflegten, auf daß er ihnen fröhliche zuführen möge, zu welchem Zweck sie sein Bild am Fuße des Bettes ausgeschnißt hatten. So strebten sie, da fie das Glück nie zur Zeit des Wachseins fauden, im Schlafe glücklich zu sein, und ich glaube, daß sie es zum Theil und einigermaßen erlangten, und daß sie von Merkur mehr erhört wurden, als von den anderen Göttern.

Tasso. Daher müssen wir, da die Menschen allein für das Vergnügen des Geistes oder Körpers geboren werden und leben, wenn andererseits das Vergnügen einzig oder hauptsächlich in den Träumen vorhanden ist, uns entschließen, zu leben, um zu träumen, wozu ich wahrhaftig mich nicht bringen kann.

Genius. Schon bist du dazu gebracht und entschloffen, da du lebst und einwilligst, zu leben. Was ist Vergnügen?

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Taffo. Ich habe nicht soviel Erfahrung darin, um sagen zu können, was es sei.

Genius. Niemand erkennt es durch Erfahrung, sondern allein durch Denken: weil das Vergnügen ein spekulativer und fein wirk licher Gegenstand, ein Verlangen und keine Thatsache, ein Gefühl, das der Mensch mit dem Gedanken erfaßt, und keine Erfahrung, oder, besser gesagt, ein Begriff und kein Gefühl ist. Bemerkt ihr nicht, daß ihr gerade zur Zeit jeder beliebigen Freude, obgleich sie unend lich ersehnt und mit unsäglichen Anstrengungen und Beschwerden verschafft wurde, stets, da euch der Genuß, den ihr in jedem jener Momente habt, nicht befriedigen kann, einen größeren und wahreren Genuß erwartet, worin jenes Vergnügen in Summa bestehen soll, und daß ihr euch gleichsam beständig auf die künftigen Augenblicke eben jener Freude verweist? Dieselbe endigt immer früher, als der Augenblick, der euch befriedigen soll, herankommt, und läßt euch kein anderes Gut, als die blinde Hoffnung, bei anderer Gelegenheit euch besser und wahrhafter zu freuen, und den Trost, euch einzubilden und euch selber zu erzählen, daß ihr euch gefreut habt, nebst dem Bericht, den ihr davon den Anderen erstattet, nicht blos aus Ehrgeiz, sondern damit sie euch beistehen, euch zu überreden, was ihr euch selbst überreden möchtet. Daher thut Jeder, der zu leben einwilligt, dies zu feinem anderen Zweck und Frommen, als um zu träumen, d. i. zu glauben, daß er sich zu freuen, oder daß er sich gefreut habe; Beides ist falsch und phantastisch.

Laffo. Können die Menschen niemals glauben, sich gegenwärtig zu freuen?

Genius. So oft sie das glaubten, würden sie in der That sich freuen. Aber sage mir, ob du dich erinnerst, in irgend einem Augenblick deines Lebens mit voller Aufrichtigkeit und vollem Glauben gefagt zu haben: ich freue mich. Wohl täglich hast du aufrichtig gesagt und sagst: ich werde mich freuen; und manchmal, aber mit ge= ringerer Aufrichtigkeit: ich habe mich gefreut; dergestalt, daß das Vergnügen immer entweder vergangen oder zukünftig, aber nie gegenwärtig ist.

Tasso. Was so viel heißt, wie sagen: immer Nichts ist.
Genius. So scheint es.

Tasso. Auch in den Träumen.

Genius. Eigentlich.

Tasso. Und gleichwohl ist unseres Lebens nicht nur wesentlicher, fondern einziger Zweck eben die Freude, wenn man unter Freude das Glück versteht, welches in der Wirkung Freude sein muß, woher es auch entstehen mag.

Genius. Ganz gewiß.

Tasso. Daher ist unser Leben, wenn es stets sein Ziel verfehlt, beständig unvollkommen, und darum ist das Leben seiner eigenen Natur nach ein gewaltsamer Zustand.

Genius. Vielleicht.

Taffo. Ich sehe hier kein Vielleicht. Aber warum leben wir also? ich will sagen, warum willigen wir ein, zu leben?

Genius. Was weiß ich davon? Beffer werdet ihr es wissen, die ihr Menschen seid.

Lasso. Ich für mein Theil schwöre dir, daß ich es nicht weiß. Genius. Frage Andere, Weisere darum, und vielleicht wirst du Einen finden, der dir diesen Zweifel löst.

Tasso. Das will ich thun. Aber gewiß, das Leben, das ich führe, ist ganz und gar ein gewaltsamer Zustand, weil, wenn auch die Schmerzen zum Theil mich verlassen, die Langweil allein mich tödtet.

Genius. Was ist Langweil?

Tasso. Hier fehlt mir die Erfahrung nicht, um deiner Frage zu genügen. Mir scheint die Langweil die Natur der Luft zu ha ben, welche alle Räume zwischen den materiellen Dingen und alle leeren Stellen in einem jeden derfelben erfüllt; und wo ein Körper weggeht und kein anderer feine Stelle einnimmt, da folgt sie unmittelbar nach. So werden alle Zwischenräume zwischen Vergnügen und Mißvergnügen von der Langweil eingenommen. Und daher giebt es, wie nach den Peripatetikern in der materiellen Welt keinen leeren Raum, so in unserem Leben keine Leere, außer wenn der Geist aus irgend einer Ursache den Gebrauch des Gedankens versagt. Die ganze übrige Zeit hindurch findet sich, daß der Geist; auch für sich allein betrachtet und vom Körper getrennt, irgend einen Affekt enthält; da leer von jeglichem Vergnügen und Mißvergnügen sein, voll Langweil sein bedeutet, die auch Affekt, so gut wie Schmerz und Freude, ist.

Genius. Und dann gieb zu, daß alle eure Freuden von einem den Spinnweben ähnlichen, sehr zarten, dünnen und durchsichtigen Stoffe find; daher dringt, wie die Luft in diese, so die Langweil von allen Seiten in jene ein und erfüllt sie. Wahrlich, ich glaube nicht, daß man unter Langweil etwas Anderes verstehen müsse, als das bloße Verlangen nach Glück, das vom Vergnügen nicht befriedigt und vom Mißvergnügen nicht offenbar verlegt wird. Dieses Ver

langen wird, wie wir kurz vorher sagten, niemals befriedigt, und das Vergnügen ist eigentlich nicht vorhanden; so daß das menschliche Leben, so zu sagen, zum Theil aus Schmerz, zum Theil aus Langweile zusammengefeßt ist und von einem dieser Leiden nur Ruhe hat, wenn es in das andere fällt. Und dies ist nicht dein besonderes Loos, sondern das gemeinschaftliche aller Menschen.

Tasso. Welches Heilmittel könnte wohl gegen die Langweil helfen?

Genius. Der Schlaf, das Opium und der Schmerz. Und dieser ist das mächtigste von allen, weil der Mensch, während er leidet, sich durchaus nicht langweilt.

Laffo. Statt dieser Medizin will ich lieber das ganze Leben mich langweilen. Doch mildert und erleichtert die Abwechselung der Thätigkeit, der Beschäftigungen und Gefühle die Langweil, obwohl sie uns nicht davon befreit, da sie wahre Freude nicht bringt. In diesem Gefängniß, wo ich, abgeschieden von allem menschlichen Verkehr, sogar der Feder beraubt, darauf reduzirt bin, auf die Schläge der Uhr zu merken, die Dachlatten, die Rißen und Löcher der Holzwürmer zu zählen, das Backsteinpflaster des Estrichs zu betrachten, mich mit den Schmetterlingen und Mücken, die im Zimmer umberfliegen, zu belustigen, giebt es dagegen Nichts, was mir irgend die Last der Langweil vermindern kann.

Genius. Sage mir, wie lange bist du schon auf diese Lebens, weise beschränkt?

Tasso. Länger als sieben Wochen, wie du weißt. Genius. Erkennst du vom ersten Tage bis jeht keine Verschiedenheit in der Langweil, welche sie dir macht?

Tasso. Sicher habe ich anfangs größere empfunden; da sich allmählich der mit nichts Anderem beschäftigte und nicht zerstreute Geist daran gewöhnt, sich mehr mit größerem Ergößen mit sich selbst zu unterhalten, und eine Fertigkeit und Fähigkeit erlangt, in sich selbst zu sprechen, ja zu plaudern, so daß es mir manchmal scheint, als hätte ich eine Gesellschaft von Personen, die sich mit einander besprechen, im Kopf, und daß der geringste Gegenstand, der sich dem Gedanken darbietet, mir genügt, ein Langes und Breites darüber zwischen mir und dir hin- und herzureden.

Genius. Diese Fertigkeit wirst du von Tag zu Tag in dir erstarken und wachsen sehen, dergestalt, daß, wenn du dann wieder mit den Menschen wirst umgehen können, du dir in ihrer Gesellschaft müßiger erscheinen wirst, als in der Einsamkeit. Und glaube nicht, daß diese Gewöhnung an solche Lebensart nur deines Gleichen, die schon ans Nachdenken gewöhnt, empfindet; Jeder empfindet sie früher oder später. Noch mehr, das Getrenntsein von den Menschen und, so zu sagen, vom Leben selber bringt den Nugen mit sich, daß der Mensch, wenn auch durch Erfahrung der menschlichen Dinge überdrüffig, darüber aufgeklärt und dafür erkaltet, indem er sich allmählich gewöhnt, sie wiederum von fern zu betrachten, von wo sie viel schöner und würdiger, als in der Nähe erscheinen, ihre Eitelkeit und ihr Elend vergißt, die Welt nach seiner Weise neu sich gestaltet und gleichsam schafft, das Leben wieder schäßt, liebt und begehrt. Dergestalt verjüngt die Einsamkeit gleichsam den Menschen, oder vielmehr den Geist, und stärkt die Einbildungskraft so, daß sie dem durch die Schule der Erfahrung gegangenen Menschen das Wohlthuende jener ersten Unerfahrenheit zurückruft, die du beseufzest. Ich verlasse dich, denn ich sehe, daß dich der Schlaf überkommt, und ich gehe weg, um den schönen Traum vorzubereiten, den ich dir versprochen habe. So zwischen Träumen und Phantasieen wirst du dein Leben hinbringen, mit keinem anderen Nußen, als es hinzubringen; denn das ist der einzige Gewinn, den man auf der Welt haben kann, und das einzige Ziel, das ihr euch jeden Morgen beim Erwachen sehen sollt. Sehr oft müßt ihr es mit den Zähnen schleppen: glücklich der Tag, an dem ihr es mit den Händen nachziehen oder es auf dem Rücken tragen könnt. Doch am Ende ist deine Zeit im Lauf nicht langsamer in diesem Kerker, als in den Sälen und Gärten dessen, der dich unterdrückt. Lebewohl!

Tasso. Lebewohl! Doch höre: deine Unterhaltung richtet mich doch wieder ziemlich auf. Nicht, als unterbräche sie meine Betrübniß; aber diese ist die meiste Zeit wie eine sehr finstere Nacht, ohne Mond und Sterne; während ich mit dir zusammen bin, gleicht sie dem Dunkel der Dämmerung, das viel mehr angenehm, als lästig. Damit ich dich von nun an früher rufen oder finden kann, wenn ich dich brauche, so sage mir, wo wohnst du gewöhnlich ?

Genius. Hast du's noch nicht erkannt? In irgend einer geisti gen Flüssigkeit. TH. Dz.

Frankreich.

Die elektrische Telegraphie zwischen beiden Hemisphären. (Fortsegung.)

Von den Küsten Irlands aus senkt, sich das Meeresbette jählings, gewinnt aber bald eine außerordentliche Tiefe, die sich auf einer unermeßlichen Ausdehnung erhält. - Diese Seegrundfläche,

bie man schon das telegraphische Plateau nennt, erstreckt sich ungefähr drei Kilometer unterhalb des Niveau's des Oceans. Hier fand das Senkblei weder Sand, noch Thon; ausgedehnter und ebener als die Steppen und Wüsten unserer Kontinente, ist sie durchweg aus Infusorien gebildet. Während ihres eintägigen Lebens bedecken sie die heißen tropischen Meere, gestorben fallen sie zugrunde, und die unterseeischen Strömungen führen sie in diese ruhigen Tiefen, wo ihre zarten Schilddecken für immer geborgen bleiben vor den Stürmen, die des Oceans Oberfläche durchwühlen. Der Boden, der in der Mitte des Atlantischen Meeres eine Tiefe von 3900 Mètres erreicht, erhebt sich allgemach gegen das amerikanische Festland, bis er bei Neufundland eine schroffe Abdachung, wie an der Küste von Jrland, bildet. Diese ersten Sondirungen, von dem „Arctic“ ausgeführt, wurden von dem englischen Dampfer,, Cyclops", der die für den atlantischen Telegraphen gewählte Linie in beiden Richtungen durchsegelte, bestätigt und vervollständigt. Der Abstand zwischen Valentia auf der irländischen Küste und St. Johns auf Neufundland, den beiden äußersten Punkten des projektirten Telegraphen, beträgt in gerader Linie 2640 Kilometer.

Die Beförderer des atlantischen Telegraphen fahen durch die Entdeckung dieses Plateau's, das eigens dazu gemacht schien, das kostbare Gut, das ihm anvertraut werden sollte, aufzunehmen, ihre Hoffnungen gerechtfertigt. Man wird das leicht begreifen, wenn man erwägt, auf welche Weise die Einsenkung des unterseeischen Kabels bewerkftelligt wird. Er wird zuvörderst, zu einem ungeheuren Knäuel gewunden, auf ein Schiff gebracht; das eine Ende wird an einen Punkt an der Küste befestigt, und das Schiff fährt längs der projektirten Linie; vermöge seiner eigenen Schwere wickelt sich der Kabel ab und dehnt sich allmählich auf dem Meeresgrund aus, bis die entgegen gefeßte Küste erreicht ist. Man könnte das Schiff treffend mit einer Spinne vergleichen, die, sich fortbewegend, ihren Faden von einem Punkte zu einem anderen spannt; nur spinnt diese ihren Faden will kürlich und stets in gerader Richtung, anstatt daß man dort mit vieler Mühe den Kabel, der sich mit rasender Schnelligkeit abrollt, zu verhindern hat, sich auf dem Meeresgrund in unnüßen Windungen zu häufen. Je weiter das Schiff fährt und je mehr vom Kabel abgewickelt wird, desto gewaltiger wirkt dessen vermehrte Wucht, und es muß durch kräftiges Bremsen das allzureißende Abrollen gemäßigt wer den. Bei einem so merkwürdig regelmäßigen Meeresboden, wie zwischen Irland und Neufundland, ist es natürlich leichter, den Widerstand zu regeln, da die Schnelligkeit, womit der Kabel sich hier in die Tiefe senkt, mit der Schnelligkeit, womit das Schiff sich fortbewegt, in gleichem Verhältniß steht. Fährt dagegen das Schiff über unterseeische Berge und Thäler, muß der Kabel Krümmungen machen, während jenes in horizontaler Linie läuft, so wächst die Schwierigkeit, das Niederfahren des Kabels entsprechend zu regeln. Wickelt es sich nicht schnell genug ab, so wird das Schiff, durch die Gewalt, womit es an dem schon abgewickelten Theil zieht, unfehlbar den Bruch des Tau's bewirken.

Mit der genauen Vorkenntniß der Form und Tiefe des Seebettes find aber die Erfordernisse bei weitem nicht erschöpft; es galt noch zu wissen: wie wird ein Tau von solcher Länge und unter so neuen Verhältnissen geeignet sein, die Elektrizität fortzupflanzen? Hier berühren wir nun eine neue Reihe von Studien, die, obgleich zunächst nur auf die Construction des submarinen Telegraphen gerichtet, doch auch einen allgemeinen und die Naturwissenschaft interesfirenden Gesichtspunkt darbieten. Die unterseeischen Kabel sind elektrische Konduktoren, die unter anderen Verhältniffen, als die Dräthe der Landtelegraphen, ihre Wirkung zu äußern bestimmt sind. Diese, durch die umgebende Atmosphäre selbst isolirt, verzögern nur um ein Unmerkliches die Schnelligkeit der Strömung, die der Schnelligkeit des Lichtstrahls gleichkommt. Fizeau und Gounelle haben durch finnreiche Experimente an den Telegraphen zwischen Paris und den Städten Rouen und Amiens nachgewiesen, daß die Elektrizität an einem Eisendrath 10,000 und an einem Kupferdrath 180,000 Kilom. in der Sekunde durchläuft. Gould in den Vereinigten Staaten erperimentirte an dem Telegraphen zwischen St. Louis und Washington - eine Distanz von 1680 Kilom. und bestimmte die Schnelligkeit der Strömung auf 20,600 Kilometer in der Sekunde; der Astronom Airy in England berechnete an der Telegraphenlinie von Greenwich nach Edinburg die Schnelligkeit auf 12,100, dagegen an der unterseeischen zwischen London und Brüssel nur auf 4300 Kilom, in der Sekunde. Der Grad der Schnelligkeit an den Dräthen zu Lande wechselt also, wie man sieht; der geringste aber übertrifft noch immer die Schnelligkeit der elektrischen Strömung an dem unterseeischen Kabel. Der berühmte Faraday hat zuerst diese Verschiedenheit erklärt. In dem unterseeischen Kabel werden die Kupferdräthe, das Vehikel der elektrischen Strömung, durch eine Lage von Guttapercha isolirt. Um dem Kabel mehr Festigkeit zu geben, umflicht man diese Hülle mit Eisendraht, und so zubereitet wird er in's Meer gelassen. Nun sind aber Guttapercha, Eisen und Wasser selbst gute elektrische

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Leiter; in dem Moment also, wo die Strömung an dem Kern, dem Kupferdrath, hinläuft, wird die Hülle, wie die Physiker sagen, influenzirt, in ihrer elektrischen Ruhe gestört und manifestirt eine entsprechende Erregung. Die um den Guttapercha-Cylinder gehäufte Elektrizität reagirt ihrerseits auf diejenige, die im Innern hinströmt, und hemmt sie in ihrem Lauf. Faraday zeigte nun durch ein unmittelbares Experiment, daß an einem in der Luft gespannten Drath von 1500 engl. Meilen Länge die Elektrizität im Nu von einem Ende dieser Linie bis zum anderen läuft; während sie, um dieselbe Strecke an einem unterseeischen Kabel zurückzulegen, zwei Sekunden braucht.

Diese Ergebnisse ließen große Schwierigkeiten befürchten, an einem Kabel von der Länge, die zur Verbindung der beiden Kontinente erforderlich ist, die Signale mit genügender Geschwindigkeit zu befördern. Whitehouse, der Elektronom- für eine neue Sache gehört ein neuer Name der Gesellschaft, ließ es sich angelegen, sein die Besorgnisse zu heben. 1855 wurden in Greenwich zwei Kabel zugleich eingerichtet. Der eine sollte in den St. Lorenz-Golf gelegt werden, der andere, Sardinien mit Nord-Afrika verbindend, die Mittelmeerlinie vervollständigen. Der eine sollte aus 3, der andere aus 6 Kupferdräthen bestehen. Vereint bildeten sie eine Länge von 1800 Kilom. Niemals wurden für die Wissenschaft Experimente in so großartigem Maßstabe veranstaltet.

Nach Whitehouse's sinnreichen Versuchen und tiefwissenschaftlichen Berechnungen entschied man sich, zum Dienst des atlantischen Telegraphen elektrische Inductionsströmungen anzuwenden. Die Voltaische Säule, welche, so zu sagen, diese Strömungen speist, ist von merkwürdiger Stärke; ihre Elemente sind Zink und Silber, und die Einrichtung, die ihr Whitehouse gegeben, sichert der Strömung eine wunderbare Regelmäßigkeit.

Diese Untersuchungen werden fürderhin die Grundlage der unterseeischen Telegraphie bleiben und die Regeln auf das entschiedenste feststellen. Es blieb nur noch Eine Frage zu lösen: Welche Dicke sollte dem atlantischen Kabel gegeben werden? Der von Dover nach Calais wog 8 Tonnen") die Meile; nach demselben Verhältniß hätte dann der Kabel über den Ocean 20,000 Tonnen wiegen müssen; das wäre aber selbst für jenes Meer-Ungeheuer, den gegenwärtig vom Stapel gelassenen „Leviathan“, der eine Armee von 10,000 Mann auf seinem Rücken tragen kann, eine zu große Last. Das Einsenken eines Taues von solchem Gewicht bei großer Tiefe ist übrigens eine sehr schwierige Operation, die mit den größten Gefahren verbunden ist. Brett erzählt, er habe bei dem ersten Versuch einer Kabellegung von Sardinien nach Korsika unter der ganzen Schiffsmannschaft nur drei Matrosen finden können, die beherzt genug waren, bei den Bremsen Stand zu halten. sen Stand zu halten. Vorsicht und Sparsamkeit geboten demnach, dem atlantischen Kabel die möglichst geringe Dicke zu geben; andererseits aber besorgte man, daß bei vermindertem Kaliber die Elektrizität sich weniger gut fortpflanzen würde; wenigstens ist das bei gewöhnlichen Strömungen der Fall, daß sie größeren Widerstand erfahren, je dünner der Drath ist. Glücklicherweise hat sich durch Whitehouse's weis tere Versuche herausgestellt, daß bei den unterseeischen Tauen die Schnelligkeit der Strömung mit vermindertem Durchmesser zunimmt. Da nun die Theorie keinen Widerspruch mehr that, so gab man dem Kabel die möglichst größte Leichtigkeit und sorgte nur dafür, ihn dick genug herzustellen, daß er beim Einsenken hinlängliche Steifheit behalte, um nicht den unterseeischen Strömungen leicht nachzugeben.

Nachdem nun alle diese wissenschaftlichen Schwierigkeiten und völlig neuen Aufgaben mit soviel Umsicht und Glück gelöst waren, ging man daran, mit den Werkzeugen selbst, die künftig für die atlantische Linie gebraucht werden sollten, ein größeres Experiment zu machen. Man vereinigte die unterirdischen Dräthe und die Tour, welche Lon don, Dumfries und Dublin verbinden, mit all ihren Verästungen zu einem einzigen Reifen, der über 3000 Kilom. maß. Das Experiment ging in der Nacht des 9. Oktober 1856 in Gegenwart des Profeffors Morse vor sich. Zur Erzeugung der Strömungen gebrauchte Whitehouse seinen elektro-magnetischen Inductions- Apparat und seine Voltai sche Säule von Zink und Silber; die Zeichen wurden nach Morse's finnreicher, jest allgemein angenommener Methode eingetragen. Man erhielt in der Minute 210 bis 270 Zeichen, die 6 bis 8 Wörtern entsprechen, so daß man die Gewißheit erlangte, in drei Minuten ein Telegramm von zwanzig Wörtern und in 24 Stunden 280 Telegramme von gleichem Umfang befördern zu können.

Ermuthigt durch dieses entscheidende Experiment, beschloß die Gesellschaft des atlantischen Telegraphen, einen Aufruf an das Publikum ergehen zu lassen, und machte ihren Prospekt am 6. November 1856 befannt. Das erforderliche Gesammtkapital, im Betrage von 350,000 Pfund Sterling, war fast unmittelbar nach der Bekanntmachung gezeichnet. Die Gesellschaft trat in Unterhandlung mit den Regierungen Englands und der Union, die ihr eine jährliche Sub*) 1 Tenne=2000 Pfund.

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