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Desgleichen konnten auch zwischen der menschlichen Gesellschaft und den Einzelorganismen der Natur reale Analogien entdeckt werden, ohne dass dadurch zugleich der innere Kausalzusammenhang dieser Erscheinungen ergründet wurde. Die Wichtigkeit der Entdeckung und Hervorhebung solcher Analogien darf dennoch nicht unterschätzt werden. Denn wenn auch bei dem jetzigen Zustande der Wissenschaft der Faden des realen Zusammenhanges solcher Erscheinungen uns noch theilweise verborgen bleibt, so kann er mit der Zeit doch nur auf diesem Wege vervollständigt werden.

Diese erste, nach aussen gekehrte Stufe der real vergleichenden Methode muss jedoch überschritten werden, um zur zweiten zu gelangen: zur Ergründung des realen Kausalzusammenhanges der Erscheinungen. Denn dieser Zusammenhang ist das innere unauflösliche Band, welches die ganze Natur, den Menschen und die Gesellschaft als ein einheitliches Ganzes umschlingt und bis in die entferntesten und verborgensten Theile durchzieht. Auf diesen Zusammenhang ist die ganze Evolution der Naturkräfte, vom mechanischen Stoss in der anorganischen Natur an bis zu den höchsten geistigen Funktionen des Menschen und den höchsten Entwickelungsstufen der menschlichen Gesellschaft, gegründet. Den Kausalzusammenhang finden, heisst also ebenso viel, als die allmälige Evolution der Naturkräfte Schritt vor Schritt verfolgen. Die analogen Erscheinungen in der Natur und in der Gesellschaft sind also Anhaltspunkte und Stationen, an die der menschliche Geist sich halten kann, um den Weg, auf welchem die Entwickelung der Kräfte vor sich ging, zu verfolgen. Geht der Faden des Zusammenhanges dabei verloren, so muss oft auf demselben Wege zurückgegangen werden, müssen neue Analogien, andere Spuren und Wegweiser aufgesucht werden, welche auf die rechte Bahn führen.

Dass man dabei oft auf Irrwege verleitet wird, dass

man nicht selten im Dunkeln tappt und auch wohl in einen undurchdringlichen Wald oder bodenlosen Morast geräth, geschieht nicht selten. Nur der reale Kausalzusammenhang bildet den festen Weg der Wissenschaft, und sobald derselbe zwischen den analogen Erscheinungen gefunden ist, erhalten diese die Bedeutung von homologen Erscheinungen.

In unseren weiteren Auseinandersetzungen werden wir gezwungen sein, uns nicht selten mit der Andeutung sehr fern liegender Analogien zwischen den socialen und den Naturerscheinungen begnügen zu müssen. Mögen diejenigen Forscher, welche sich nicht scheuen werden, uns auf dem Boden der realen Socialwissenschaft zu folgen, ihre Kräfte der Entdeckung des realen Kausalzusammenhanges der noch unerforschten Entwickelungsstadien widmen. Dieses Gebiet ist ein so umfangreiches, dass wir unsererseits uns nicht bei allen Erscheinungen speciell aufhalten können, wenn wir überhaupt unser Ziel erreichen wollen. Dort, wo wir den unmittelbaren realen Zusammenhang entdeckt zu haben glauben, werden wir ihn dem Leser mittheilen. Aber gleichwie die Reisenden, die jetzt das Innere Afrika's durchstreichen, oft irre geleitet werden und zwischen einzelnen Gebirgsketten und scheinbar nach einer gemeinschaftlichen Richtung hin fliessenden Gewässern einen Zusammenhang voraussetzen, der sich jedoch später als in der Wirklichkeit nicht existirend erweist, so ist es auch möglich, dass auch wir in dem neuen, noch unerforschten gewaltigen Gebiete der realen Socialwissenschaft uns bei Ergründung des realen Kausalzusammenhanges zwischen den einzelnen socialen und Naturerscheinungen irren und die Berichtigung solchen Irrthums unseren Nachfolgern auf dem socialen Gebiete überlassen müssen.

Suchen wir uns noch nähere Rechenschaft zu geben über den Unterschied zwischen Kausalverhältniss und Ana

Nicht nur die Naturkunde und die Socialwissenschaft, sondern auch die Philosophie ist durch die drei von uns bezeichneten Stufen hindurchgegangen. Sie hat mit dem bildlichen Auffassen der Vorgänge im Innern des Menschen und in der Aussenwelt begonnen. Zu Kant's Zeiten erreichte jedoch die klassificirende und systematisirende Philosophie bereits ihren Culminationspunkt.

Wenn Kant die Urtheile nach den vier Titeln: Quantität, Qualität, Relation und Modalität, in einzelne, allgemeine, besondere; bejahende, verneinende, unendliche; kategorische, hypothetische, disjunktive; problematische, assertorische und apodiktische eintheilt; wenn er alsdann für den Begriff der Quantität drei Kategorien: Einheit, Vielheit, Allheit; drei für den der Qualität: Realität, Negation, Limitation und drei für den der Realität: Substanz und Inhärenz, Kausalität und Dependenz, Gemeinschaft oder Wechselwirkung; drei endlich für den der Modalität: Möglichkeit, Dasein, Nothwendigkeit mit ihren entgegengesetzten Correlaten festsetzt, so geschieht dieses immer nur auf Grundlage der äusseren Verstandesformen.

Desgleichen sind die absoluten Begriffe von Materie als Gegensatz zum Geiste, vom Materiellen als Gegensatz zum Ideellen, vom Subjekt als Gegensatz zum Objekt, vom Ich als Gegensatz zum Nichtich, von Nothwendigkeit und Kausalität als Gegensätze zu Freiheit und Zweckmässigkeit, immer nur auf Kategorien gegründet, welche ihrerseits auf der formalen Seite des Denkens fussen.

Beim genetischen Denken, bei Auffassung der Genesis aller dieser Begriffe erweist es sich, dass sie nicht starr gegen einander abgegrenzte Gebiete, sondern allmälig flüssig in einander übergehende Realitäten darstellen und sich daher gegenseitig nicht absolut abgrenzen lassen.

Auf welchem Wege haben sich z. B. die Begriffe von Raum, Zeit und Kausalität im Menschen entwickelt? — Ver

folgen wir die Entwickelung des Menschen durch die Thierund Pflanzenwelt hinunter, so erweist es sich, dass nirgends der Begriff von Raum, Zeit und Kausalität plötzlich hat entstehen können, sondern dass diese Begriffe durch allmäliges Uebergehen aus dem unbewussten Zustande in der organischen Natur zum halbbewussten in der Thier- und Pflanzenwelt und endlich zum vollständig bewussten Intellekt des Menschen, von Stufe zu Stufe, ohne Sprünge sich ausgebildet haben. Auf diesem Wege stösst man auch auf keine Kluft zwischen >> dem Dinge an sich« und der menschlichen »Vernunft«, also auch nicht zwischen den in Raum und Zeit ausser uns vor sich gehenden Erscheinungen und den uns angeborenen Ideen über Raum, Zeit und Kausalität. Die äussersten Enden dieses Weges bieten uns freilich zwei scheinbar qualitativ vollständig heterogene Erscheinungen: einerseits Materie und Naturkraft, anderseits Mensch und Geist; aber sobald man den Kausalzusammenhang auf dem weiten Wege der paläontologischen Entwickelung zurück verfolgt, verwandelt sich der qualitative Unterschied in einen quantitativen und das scheinbar absolut Verschiedenartige löst sich nach und nach in Relationen auf, welche allmälig in einander fliessen. Auf diesem Wege werden also die äussersten Töne der Gamme durch Zwischentöne zu einer, allmälig aus einem Ton in einen anderen übergehenden, Melodie vereinigt. Aber wie wenig Köpfe giebt es überhaupt, die fähig sind, die ganze Gamme vom untersten bis zum höchsten Ton zu fassen? Die meisten stossen immer nur denselben Ton aus oder wählen sich einige abgerissene Noten und glauben, sie hören oder spielen die ganze Melodie,

Schon Schlegel meinte jedoch, dass an die Stelle der formellen Logik die genetische Logik treten sollte und dass die Gesetze der Logik mit den Gesetzen der Genesis der Dinge zusammenfallen. Auch Bardili suchte in seinem »Grundriss der ersten Logik« zu beweisen, dass das Denken etwas

nicht nur Subjektives, sondern auch Reales ist, und dass die Gesetze der Logik mit den ontologischen zusammenfallen

müssen.

Reinhold schloss sich in dieser Hinsicht Bardili an.

Die Anerkennung und Ergründung des genetischen Denkens muss jedoch Hand in Hand gehen mit der Anwendung auf den menschlichen Geist der real vergleichenden, auf Analogie und Homologie der geistigen Funktionen mit den Evolutionen der Naturkräfte begründeten Methode. Es muss bewiesen werden, dass das Denken in einer eben solchen Evolution von Kräften besteht, wie uns solche die Natur bietet, nur in kleineren Zeit- und Raumverhältnissen. Aber nicht nur auf den menschlichen Intellekt, sondern auch auf die Entwickelung der Anschauungen und Gefühle müsste die Evolutionstheorie angewandt werden. - Die Eintheilung der Geistesverrichtungen des Menschen in verschiedene abgegrenzte Gebiete, Kategorien etc. wurde durch einen unvollkommeneren Zustand der Wissenschaft bedingt, sowie die Eintheilung der unorganischen und organischen Natur in zwei vollständig abgetrennte, ausser allem Zusammenhange stehende Cyklen von Naturerscheinungen, und so wie sogar jetzt noch in der organischen Natur von einigen Naturforschern die Arten, Gattungen und Racen für abgesonderte Glieder einer Kette gehalten werden. Dieselbe Bedeutung, die das Gesetz der Erhaltung der Kraft für die unorganische Natur hat, nimmt auch das Entwickelungsgesetz für die organische Natur in Anspruch. Wie auf diesem, so beruht auch auf jenem der Kausalzusammenhang alles Seienden.

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Damit jedoch Natur und Mensch sich zu einem einheitlichen, wissenschaftlichen Ganzen abschliessen, bleibt nur noch die Anerkennung des Evolutionsgesetzes auch für den menschlichen Geist und die menschliche Gesellschaft übrig. Und dieses wiederum kann nur stattfinden, wenn einerseits alle geistigen und ethischen Processe als reale, andererseits auch

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