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Die höchste Stufe jedoch, die eine Wissenschaft erreichen kann, besteht in der Ergründung des realen Kausalzusammenhanges zwischen den Erscheinungen, d. h. der Genesis, welche sich auf die Homologien stützt. So sagt

auch Helmholtz:

» Unser Wissen soll nun aber nicht in der Form der Kataloge liegen bleiben; denn eben, dass wir es in dieser Form, schwarz auf weiss gedruckt, äusserlich mit uns herumtragen müssen, zeigt an, dass wir es geistig nicht bezwungen haben. Es ist nicht genug, die Thatsachen zu kennen; Wissenschaft entsteht erst, wenn sich ihr Gesetz und ihre Ursachen enthüllen. Die logische Verarbeitung des gegebenen Stoffes besteht zunächst darin, dass wir das Aehnliche zusammenschliessen und einen allgemeinen Begriff ausbilden, der es umfasst. Ein solcher Begriff, wie sein Name andeutet, begreift in sich eine Menge von Einzelheiten und vertritt sie in unserem Denken. Wir nennen ihn Gattungsbegriff, wenn er eine Menge existirender Dinge, wir nennen ihn Gesetz, wenn er eine Reihe von Vorgängen oder Ereignissen umfasst. Wenn ich ermittelt habe, dass alle Säugethiere, d. h. alle warmblütigen Thiere, welche lebendige Junge gebären, auch zugleich durch Lungen athmen, zwei Herzkammern und mindestens drei Gehörknöchelchen haben, so brauche ich die genannten anatomischen Eigenthümlichkeiten nicht mehr vom Affen, Pferde, Hunde und Walfisch einzeln zu behalten. Die allgemeine Regel umfasst hier eine ungeheure Menge von einzelnen Fällen und vertritt sie im Gedächtniss. Wenn ich das Brechungsgesetz der Lichtstrahlen ausspreche, so umfasst dieses Gesetz nicht nur die Fälle, wo Strahlen unter den verschiedensten Winkeln auf eine einzelne ebene Wasserfläche fallen, und mir Auskunft giebt über den Erfolg, sondern es umfasst alle Fälle, wo Lichtstrahlen irgend einer Farbe auf die irgendwie gestaltete Oberfläche einer irgendwie gearteten durchsichtigen Substanz fallen. Es umfasst also

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dieses Gesetz eine wirklich unendliche Masse von Fällen, welche im Gedächtniss einzeln zu bewahren gar nicht mög– lich gewesen sein würde. Dabei ist aber weiter zu bemerken, dass dieses Gesetz nicht nur diejenigen Fälle umfasst, die wir selbst oder andere Menschen schon beobachtet haben, sondern wir werden auch nicht anstehen, es auf. neue, noch nicht beobachtete Fälle anzuwenden, um den Erfolg der Lichtbrechung darnach vorauszusagen, und werden uns in unserer Erwartung nicht getäuscht finden. Ebenso werden wir, falls wir ein unbekanntes, noch nicht anatomisch zerlegtes Säugethier finden sollten, mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit voraussetzen dürfen, dass dasselbe Lungen, zwei Herzkammern und drei oder mehr Gehörknöchelchen habe. Indem wir also die Thatsachen der Erfahrung denkend zusammenfassen und Begriffe bilden, seien es nun Gattungsbegriffe oder Gesetze, so bringen wir unser Wissen nicht nur in eine Form, in der es leicht zu handhaben und aufzu– bewahren ist, sondern wir erweitern es auch, da wir die gefundenen Regeln und Gesetze auch auf alle ähnlichen künftig noch aufzufindenden Fälle auszudehnen uns berechtigt fühlen. «*)

Und weiter:

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>> Der eigenthümliche Charakter der beschreibenden Naturwissenschaften, Botanik, Zoologie, Anatomie u. s. w., wird dadurch bedingt, dass sie ein ungeheures Material von Thatsachen zu sammeln, zu sichten und zunächst in eine logische Ordnung, ein System, zu bringen haben. So weit ist ihre Arbeit nur die trockene eines Lexicographen, ihr System ein Repositorium, in welchem die Masse der Akten sc geordnet ist, dass Jeder in jedem Augenblicke das Verlangte finden kann. Der geistigere Theil ihrer Arbeit und ihr eigentliches

*) H. Helmholtz, populäre wissenschaftliche Vorträge, I. Heft, 1865. S. 13

Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft. II.

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Interesse beginnt erst, wenn sie versuchen, den zerstreuten Zügen von Gesetzmässigkeit in der unzusammenhängenden Masse nachzuspüren und sich daraus ein übersichtliches Gesammtbild herzustellen, in welchem jedes Einzelne seine Stelle und sein Recht behält und durch den Zusammenhang mit dem Ganzen an Interesse noch gewinnt.« *)

Alle drei Stufen, nämlich die der beschreibenden, classificirenden und genetischen Methode, deren höchste die Naturkunde bereits erreicht hat, müssen auch alle anderen Wissenschaften nothwendig durchlaufen. Die beschreibende Methode entspricht der äusserlichen bildlichen Auffassung der Erscheinungen und ist daher sogar dem kindlichen Erkenntnissvermögen zugänglich. Die classificirende Methode erfordert schon eine grössere Mannigfaltigkeit und Genauigkeit in den Beobachtungen, obgleich auch hier meistentheils noch die äusseren Kennzeichen und Eigenschaften der Erscheinungen als Grundlagen für die Analyse und Synthese des menschlichen Geistes dienen. Auf dieser Höhe befinden sich bereits mehrere Zweige der Socialwissenschaft. Es bleibt ihr daher nur noch übrig, auf Grundlage des angesammelten Materials und der bereits geschehenen systematischen Ordnung desselben, den realen Kausalzusammenhang der socialen Erscheinungen aufzufinden und zu ergründen.

Wie die Naturkunde aus dem unerschöpflichen Quell unendlich mannigfaltiger Erscheinungen sich nur gewisse, durch ihren hervorragenden oder eigenthümlichen Charakter ganz besonders zur Entdeckung des Kausalzusammenhanges geeignete Instanzen wählen kann, um sie der Beobachtung und dem Experimentiren zu unterwerfen und alsdann durch Analogie das entdeckte Gesetz auf gleiche Fälle auszudehnen, so kann auch die Socialwissenschaft aus der unendlichen Masse der beschreibenden Wissenschaften nur gewisse hervor

*) Ebendas. S. 33.

ragende oder eigenthümliche »Instanzen<< zum Gegenstande ihrer Beobachtung machen, um alsdann die entdeckten socialen Gesetze auf alle analogen Fälle auszudehnen. Wie man in der Natur nicht alle hellen, dunklen, durchsichtigen, harten, elastischen Körper, nicht alle Pflanzen und Thiere in den Kreis der Beobachtungen ziehen kann, sondern nur einige wenige anorganische und organische Erscheinungen; so kann auch die Socialwissenschaft unmöglich alle Begebenheiten, alle ökonomischen, juridischen oder politischen Erscheinungen beobachten oder zusammenstellen. Die richtige Beobachtung einer kleinen Zahl hervorragender Instanzen kann, wie für die Naturkunde, so auch für die Socialwissenschaft zur Entdeckung der wichtigsten Gesetze führen und umgekehrt kann eine planlose Anhäufung von Material in beiden Fällen von gar keiner Bedeutung für die Wissenschaft sein.

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Daher sind auch diejenigen Fakten und Daten, auf welche wir uns in diesem Werke beziehen, nur als Beispiele anzusehen, die wir zur Erläuterung und Bekräftigung der socialen Gesetze anführen. Es sind hervorragende Instanzen,« die wir auf unserem Wege zur Entdeckung der Wahrheit gefunden haben und dem Leser vorführen, weil wir sie für besonders geeignet erachten, als Illustration zur Begründung eines allgemeinen Gesetzes zu dienen. In gleicher Weise wählt sich auch der Naturforscher einzelne Erscheinungen oder Produkte, die bei seinen Beobachtungen oder Experimenten hervorragende Instanzen zur Entdeckung und Begründung allgemeiner Naturgesetze bieten. Dasselbe gilt auch von den von uns angeführten Aussprüchen und Citaten Anderer. Sie müssen nur als Beispiele angesehen werden, die angeführt sind, um als Erläuterung und Stützpunkt für die Entwickelung unserer Anschauung zu dienen.

Es wäre uns ein Leichtes gewesen, zahlreichere Beispiele und Thatsachen anzuführen. Die Auseinandersetzung unserer Anschauung würde aber dadurch nichts gewonnen, dagegen

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aber den Leser ermüdet und beschwert haben. Es ist unmöglich, über einen Gegenstand Alles zu sagen. Der Forscher muss nur die Resultate seiner Beobachtungen dem Leser vorführen, der Art und Weise jedoch, wie er zu diesen Resultaten gelangte, höchstens nur in dem Falle erwähnen, wenn die technische Seite seiner Methode oder seines Experiments Interesse bieten könnte. Welch' eine Masse von unnützem Material würde es abgeben, wenn ein jeder Naturforscher alle verfehlten Versuche, alle fruchtlosen Beobachtungen aufzählen und beschreiben wollte, die er hat machen müssen, bevor er zur Entdeckung eines Gesetzes gelangt ist, oder wenn ein Philosoph alle die Irrwege herzählen würde, durch die er sich durchgearbeitet hat, bis er zu seinem System gelangt ist!

In einem so umfangreichen Gebiete, wie die Socialwissenschaft, kann daher, bei dem gegenwärtigen Stand derselben, lediglich nur von einer allgemeinen Anregung des Lesers zu Gunsten einer bestimmten Anschauung die Rede sein. Die specielle Durchführung derselben in den einzelnen Fächern und Gebieten muss der Zukunft überlassen werden.

Der Weg zur Entdeckung der Analogie zwischen zwei oder mehreren Erscheinungen ist ein doppelter. Man kann einfach die wesentlichen Eigenschaften oder Seiten der Erscheinungen vergleichend zusammenstellen und die Aehnlichkeiten herausfinden. So verfahren alle vergleichenden Zweige der Naturkunde: die vergleichende Anatomie, Zoologie, Botanik etc. Eine solche Vergleichung, sie mag auch noch so richtig sein, beweist aber noch nicht den Kausalzusammenhang zwischen den Erscheinungen. So hatte z. B. lange vor Anerkennung der Evolutionstheorie die vergleichende Anatomie die Aehnlichkeiten zwischen dem menschlichen und dem thierischen Körper hervorgehoben, ohne jedoch den Weg gefunden zu haben, auf welchem diese Analogie in ihrem unmittelbaren Kausalzusammenhange sich erklären liesse.

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