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Zweiter Theil.

Die socialen Gesetze.

Einleitung.

» Zwei Wege <<

sagt Bacon

» giebt es zur Untersuchung und Auffindung der Wahrheit es kann nicht mehrere geben. Der eine ist ein Sprung von der sinnlichen Wahrnehmung und von einzelnen zu höchst allgemeinen Grundsätzen; aus diesen höchsten Wahrheiten werden sodann die Mittelsätze aufgefunden; dieser Weg ist der jetzt gewöhnliche. Der andre leitet von der sinnlichen Wahrnehmung und vom Einzelnen ebenfalls Grundsätze her; aber er steigt dann allmälig und stufenweise höher, bis er erst ganz zuletzt zu den allgemeinsten und höchsten gelangt, das ist der wahre Weg, aber noch unbetreten«

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>>Beide Wege gehen von der. sinnlichen Wahrnehmung und einzelnen Fällen aus und endigen in den höchsten abstrakten Sätzen; aber beide unterscheiden sich doch darin unendlich, dass der eine das Gebiet der Erfahrung und das Einzelne nur flüchtig durchstreicht, der andere es aber bedächtig und ordnungsgemäss durchzieht; der eine gleich von vorn herein unnütze allgemeine Abstraktionen aufstellt, der andre Schritt vor Schritt zu dem aufsteigt, was aus der Natur sich ergiebt.<*)

Die erste Methode nennt Bacon die der Anticipation der Natur, die zweite die der Interpretation der Natur.

*) Neues Organ der Wissenschaften von Franz Bacon, deutsch von A. T. Brück, Leipzig, 1830, S. 28 und 29 f.

Seitdem ist die erste dieser Methoden als deduktive, die letztere als induktive bezeichnet worden.

Eine absolut reine deduktive Methode giebt es nicht und kann es nicht geben, weil auch die allgemeinsten Begriffe, wie z. B. Zeit, Raum, Kausalität, Zweckmässigkeit ursprünglich auf sinnlichen Wahrnehmungen beruhen. Andererseits kann es auch keine absolut induktive Methode geben, weil eine jede Beobachtung, um erkannt und mit anderen Beobachtungen verglichen zuwerden, einer Geistesthätigkeit bedarf, die im Grunde immer eine Deduktion in sich schliesst. Es kommt also bei den beiden Methoden nur auf das Verhältniss an, in welchem Deduktion und Induktion zu einander stehen.

«

Die glänzenden Resultate der Anwendung der induktiven Methode im Gebiete der Naturkunde sind Jedermann bekannt. Auch im Gebiete der beschreibenden << Socialwissenschaften: Geschichte, Ethnologie, Anthropologie und Statistik, ist in der letzten Zeit Ausserordentliches geleistet worden. Ein grosser Reichthum an systematisch geordneten Zahlen, Daten und Fakten ist aufgehäuft und zu praktischen Zwecken verwerthet worden. Die Kulturgeschichte, durch einen Buckle, einen Lubbock, einen Lecky, einen Tylor, einen Hellwald repräsentirt, entrollt bereits vor unseren Augen in den vielseitigsten Zusammenstellungen und mit einem erstaunenswerthen Reichthum an Material und Beobachtung die ganze Entwickelung des Menschen von seinem Urzustande an bis zur Gegenwart.

Wie die beschreibende Naturkunde zum Zweck hat, uns die verschiedenen Naturerscheinungen, die unserer Beobachtung nicht unmittelbar zugänglich sind, zu vergegenwärtigen und darzustellen, so verfolgen denselben Zweck auch die einzelnen Zweige der beschreibenden Socialwissenschaft, ein jeder in seinem Gebiete. Dank den beschreibenden Socialwissenschaften wird die menschliche Gesellschaft, so wie sie

in der Vergangenheit in die Erscheinung trat und sich in der Gegenwart ausprägt, in ihrer möglichst vollständigen Realität vor unsere Augen geführt. Die beschreibenden Wissenschaften bilden das Surrogat der Wirklichkeit in den Fällen, wo letztere nicht zugänglich ist. Ihr grösstes Verdienst ist also die Treue, Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit des Reproducirens der Wirklichkeit in Vergangenheit und Gegenwart.

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Die Natur und die menschliche Gesellschaft ist unendlich im Kleinen und Grossen, im Detail und im Umfange. Da nun aber die beschreibenden Wissenschaften, als ein Produkt menschlichen Erkennens und menschlicher Arbeit, an und für sich begrenzt und mangelhaft sind, so kann die Wiedergabe der Wirklichkeit durch die Wissenschaft nur in allgemeinen Abrissen, was das Ganze anbetrifft, und nur in einzelnen Details, was die speciellen Erscheinungen betrifft, geschehen.

Mit der Beschreibung und der noch so richtigen Wiedergabe der Wirklichkeit im Ganzen und im Einzelnen ist jedoch die Aufgabe der Wissenschaft noch nicht abgeschlossen. Sie muss sich noch zu einer höheren Stufe der Erkenntniss erheben zur Ergründung des realen Kausalzusammen

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Die Naturkunde war ursprünglich auch eine beschreibende Wissenschaft, indem sie sich auf die bildliche Darstellung der verschiedenen Naturerscheinungen, der Pflanzen- und Thierspecies, der klimatischen, topographischen, geographischen etc. Verhältnisse beschränkte. - Eine Stufe höher bietet schon die classificirende Wissenschaft. Die Botanik wurde durch Linné, die Zoologie durch Buffon und Cuvier auf diese Stufe erhoben. Die classificirenden Wissenschaften fussen auf mehr oder weniger richtig und tief aufgefassten Analogien zwischen einzelnen Erscheinungen, welche auf Grundlage dieser Analogien in bestimmte Kategorien und Systeme eingetheilt und geordnet werden.

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