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Über eine chinesische Bildrolle.

Unter den im Jahre 1889 von dem damaligen kaiserlichen Gesandten in Peking, Herrn von Brandt, erworbenen chinesischen Bildern befindet sich eine Rolle, welche durch das hohe Alter des Originals, durch das kulturgeschichtliche Interesse des dargestellten Gegenstandes, sowie durch die Feinheit und Schönheit der Ausführung besondere Beachtung verdient. Das Bild ist auf Seide gemalt und diese auf weisses Papier aufgezogen; einschliesslich der Montierung hat es eine Länge von 11,72 m und eine Breite von 40 cm; das Bild selbst (excl. Montierung) ist 6,15 m lang und 29 cm breit. Es trägt die Aufschrift: >>Nach dem Originale des Tse-tuan1) kopiert von Ch'ou Ying Shih-fu«. Dem Bilde ist eine Nachschrift beigefügt, welche nicht nur durch die Person des Verfassers, sondern auch durch die in derselben berichteten Schicksale des Originales von Interesse ist.

Das Schriftstück lautet in deutscher Übersetzung folgendermassen.

»Der Flussverkehr am Ch'ing-ming-Feste 2) <.

Das von dem Meister der Akademie der Sung-Dynastie Chang Tsetuan gemalte Bild: »Der Flussverkehr« stellt eine Sitte jener Zeit dar, welche dem heutigen Brauche des Gräberbesuches entspricht; daher die lebendige Fülle. Das Bild, welches keinen vollen Fuss breit und 3 Klafter lang ist, ist bewunderns wert; die Menschenfiguren erreichen kaum einen Zoll, die kleinsten darunter nur 1 bis 2 fen, und alle übrigen Gegenstände sind in entsprechendem Verhältnis gehalten. Nach Massgabe der grösseren oder geringeren Entfernung ist die Zeichnung bald in Umrissen, bald in detaillierter Ausführung gehalten. Von den Vororten und Feldern führt sie auf den Marktplatz der Stadt. Die Berge sind teils gewaltig und hoch, teils sanft geneigt und niedrig, teils ausgewaschen und gehöhlt; von den Gewässern sind einige sanft und ruhig

1) Ich bediene mich der für die Aussprache des Pekinger Dialektes gemeinhin adoptierten Schreibweise.

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2) Ching-ming shàng-ho'. Shang-hô bedeutet hier sowohl den Verkehr auf dem Flusse als auch an demselben.

dahinfliessend, andere ausgedehnt und tief, manche in Windungen lang sich hinziehend, manche rasch strömend und sich überstürzend; die Bäume sind bald kahl und ohne Laub, bald in reichem Blütenschmuck, bald so hoch und üppig, dass man ihr Ende nicht zu erblicken vermag. Was die Menschen und Tiere anlangt, so sind da Beamte, Gelehrte, Ackerbauer, Händler, Arzte, Wahrsager, Bonzen, Tao-sse, Schreiber, Ruderer, Bootsleute, welche ihre Fahrzeuge an Tauen ziehen, Frauen und Mädchen und Sklaven; die einen gehen, andere sitzen, fragen, antworten, geben oder nehmen etwas, rufen hin und wieder, reiten im Trab oder im Galopp, tragen Lasten auf dem Kopf oder auf dem Rücken, ziehen oder schleppen; einige rufen ihre Vordermänner an, andere tragen Äxte und Sägen, fegen Unrat in Körben zusammen, tragen Becher und Krüge; andere wiederum halten die entblösste Brust dem kühlenden Winde. entgegen; diese sind ermüdet und haben sich zum Schlafe niedergelegt, während jene erschöpft die Glieder recken; da wärmen sich einige an Kohlenbecken, und andere lugen hinter Vorhängen hervor; diese schieben auf dem Festlande den räderlosen Karren vor sich her, während jene die schwerbeladene Barke stromaufwärts ziehen und mit äusserster Anspannung ihrer Kräfte nur Zoll für Zoll vorwärts dringen. Auf der hohen Böschung der rundgewölbten Brücke staut sich die gaffende Menge zu beiden Seiten: Alles scheint zu drängen und zu lärmen, und aus hundert Kehlen gemeinsames Geschrei zu schallen. Da giebt es Esel, Maultiere, Pferde, Ochsen, Kamele: die einen liegen und schlafen, andere ziehen Fuhrwerke; diese trinken, jene treten an die Futtersäcke heran und kauen ihr Heu, den Kopf bis zur Hälfte in den Sack hineinsteckend. Unter den Bauwerken finden sich die Gebäude der Behörden, Dorfhütten, Tempel buddhistischer und taoistischer Klöster; da sind Thüren und Fenster mit Schirmen und Vorhängen, Einfriedigungen von Zäunen und Mauern, die, wenn man zwischen ihnen hindurchblickt, reihenweise vortreten. Die Verkaufsläden, in denen Wein, Esswaren, Spezereien, Heilmittel, vermischte Waren und allerhand Sachen feilgeboten werden, tragen sämtlich Aufschriften und Firmenschilder, und die Pinselstriche sind so fein, dass man sie kaum unterscheiden kann, selbst einem Kenner wäre es kaum möglich, sie zu unterscheiden. Die Pinselführung ist leicht, die Ausdrucksweise lebendig, und bei den mannichfaltigen Gestalten des Verdeckten und des Hervortretenden, bei der gleichmässigen Behandlung der Vorder- und Rückseite (der Figuren) ist keine Beeinträchtigung durch Spuren von Änderungen oder Korrekturen bemerkbar, — »es bleibt nicht um eines Haares Breite ein Gefühl der Unzufriedenheit zurück«, mit Tu Shao-ling1) zu reden. Hätte er nicht Tag für Tag geschaffen und Nacht

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1) Der unter dem Namen Tu Fu berühmte lyrische Dichter aus der Zeit der TangDynastie (714-774).

für Nacht gegrübelt

er wäre nicht imstande gewesen, diesen Höhepunkt der Vollendung zu erreichen. Sollte man das nicht als eine

schwierige Leistung bezeichnen dürfen?

Das Bild muss vor der Regierungsperiode Hsüan-cheng (578) entstanden sein, im Zeitalter des Feng-ting und Yü-ta 1). Die am Anfange der Rolle stehenden fünf (sic!) Zeichen: yú líng shóu chin2), sowie das kleine Siegel mit dem Drachenpaar 3) sind in dem Huá-p'ù (einem Traktat über Malerei) nicht enthalten. Während der Regierungsperiode Ta-ting der Chin (Kin)-Dynastie (1161–1190) kam das Bild in die Schatzkammer (chen-tsáng, Raritätensammlung) des Chang-chu in Yen-schan. Das Shuhuá-chí des Hô-shí sagt, derselbe gehöre samt dem Hsi-h'û chẽng-piãot'û (Darstellung des Gefechtes auf dem See Hsi-hu) zu der Klasse der genialen Werke (shên-pin). Unter der Yüan (d. h. Mongolen)-Dynastie kam das Bild wieder in die Kaiserliche Bibliothek (pí-fù), aber während der Regierungsperiode Chih-cheng (1341-1368) wurde es von einem Beamten, der es aufzuziehen hatte, durch ein gefälschtes ersetzt und an einen hochgestellten Beamten namens Chen Yen-lien aus Wu-ling verkauft. Diesem war es sehr um dasselbe thun; als er jedoch erfuhr, dass der Leiter (sc. der Bibliothek) wieder zurückgekehrt sei, geriet er in Angst und wagte nicht, es zu behalten. Darauf erwarb Yang Chun das Bild für einen hohen Preis. Zugleich will ich berichten, dass sich aus den Stempeln des Wu-shi und Chou-shi (späterer Besitzer des Bildes) keine Ortsangaben entnehmen lassen. Im Jahre hsin-mão der Regierungsperiode Chia-ching (1535) habe ich gemeinsam mit meinem Freunde Shih-fu das Original kopiert, um das berühmte Kleinod der Nachwelt zu überliefern. Ist das nicht erfreulich? Hiermit habe ich das wichtigste zusammengefasst.

Wen Cheng-ming aus Ch'ang-chou.>>

Aus der obigen Darstellung geht zunächst hervor, dass die in Rede stehende Kopie nicht, wie man nach der Aufschrift annehmen sollte, von Ch'ou Ying Shih-fu allein, sondern unter Mitwirkung seines Freundes und Berufsgenossen, des berühmten Kalligraphen Wen Cheng - ming (1470-1559), des Verfassers der Nachschrift, angefertigt worden ist. Über das Alter des Originales scheinen sichere Angaben zu fehlen, da nur gesagt wird, es sei vor der Regierungsperiode Hsüan-cheng

1) Über diese beiden Namen vermag ich keine Auskunft zu geben.

2) Hier liegt offenbar ein Schreibfehler vor, da das Citat nur aus vier Worten besteht. Übrigens ergeben die Worte auch keinen zusammenhängenden Sinn.

3) Sonst die angeführten Zeichen, als auch das Siegel fehlen auf der vorliegenden Kopie.

entstanden, welche der nördlichen Chou-Dynastie angehört und dem Jahre 578 n. Chr. entspricht. Da jedoch es T-tuan gleich zu Beginn des Textes als Mitglied des Súng-h'án-lin bezeichnet wird (es ist hier natürlich die kurzlebige Sung-Dynastie des Hauses Liu gemeint), so kann man jener allgemeinen Angabe die nähere hinzufügen, dass das Bild vor dem Jahre 479 entstanden sein müsse. Demnach wäre das Original bereits über 1000 Jahre alt gewesen, als unsere beiden Maler dasselbe kopierten. Es fragt sich nunmehr jedoch, ob die vorliegende Kopie echt, d. h. ob sie die im Texte erwähnte, im Jahre 1535 angefertigte ist. Leider lässt sich diese Frage keineswegs ohne weiteres bejahen; die im Texte zitierten vier Worte verraten sich schon durch die Bezeichnung fünf Worte<< als ein bedenklicher lapsus calami, der wohl eher auf einen flüchtigen Kopisten als auf den Verfasser des Nachwortes zurückzuführen sein dürfte. Auch ist das kurze Gedicht, welches auf das Nachwort folgt und aus gereimten Versen von je sieben Worten resp. Silben besteht, nicht gerade geeignet, unsern Glauben an die Echtheit der Kopie zu stärken, denn gleich im zweiten Verse ist dem Schreiber das Missgeschick widerfahren, den Reim an die vorletzte Stelle zu setzen. Und wenn schliesslich die verschiedenen der Bildrolle aufgedrückten Siegel eine auffallende Ähnlichkeit in Stil und Farbe zeigen, so ist auch dieser Umstand nicht ganz unverdächtig, selbst wenn man zugeben will, dass hier vielleicht der Zufall mitgespielt habe. Natürlich wird durch die hier geltend gemachten Bedenken der Inhalt des Textes keineswegs entwertet; vielmehr liefert derselbe einen durchaus nicht uninteressanten Beitrag zu unserer leider noch sehr lückenhaften Kenntnis der Geschichte der chinesischen Malerei. Dass wir es übrigens in keinem Falle mit einer modernen Fälschung zu thun haben, dafür bietet der Zustand des Bildes sowohl wie der Montierung die sicherste Gewähr.

In betreff des dargestellten Gegenstandes sei zum Schlusse noch erwähnt, dass das Ch'îng-mîng-Fest in China bis auf den heutigen Tag als Frühlings- und zugleich Totenfest in voller und allgemeiner Geltung ist. Eine lebendige und anschauliche Schilderung dieses in die erste Hälfte des dritten Monates fallenden Festes giebt de Groot in den Annales du Musée Guimet, t. XI, S. 230 flgde.

W. Grube.

Neue Erwerbungen aus Hinter-Indien.

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[Vorbemerkung. Die folgenden Zeilen sollen einen kurzen Überblick über die von Herrn O. Ehlers von seiner Reise durch Hinter-Indien mitgebrachten und dem Königl. Museum für Völkerkunde freundlichst überlassenen Objekte bieten. Eine eingehende Beschreibung der zum Teil sehr wertvollen Gegenstände kann hier nicht gegeben werden, zumal nur wenige authentische erläuternde Angaben (von Eingeborenen bezw. lange im Lande Ansässigen) zu diesen Objekten vorhanden sind. Die Abbildungen sind Herrn Prof. Dr. Grünwedel zu verdanken. Die auf den letzteren vorkommenden hinterindischen Wörter enthalten einige Namen und Bezeichnungen, die im Kontext erwähnt werden. Der Unterzeichnete hat diese Gelegenheit benutzt, sie hier in einheimischer Schreibweise ') mitzuteilen, weil so die Abbildungen, trotz des etwas bunten Aussehens, einen schwachen Reflex von dem wirklichen Gewirr von Kulturen, Sprachen und Schriftsystemen in Hinter-Indien auch dem Laien bieten und damit die Schwierigkeit vor Augen führen, auf diesem Gebiete etwas für die Ethnographie Erspriessliches zu leisten.

Alles von dem Unterzeichneten Herrührende ist durch Klammern [ ] gekennzeichnet.]

Lao.

[Lão ist der einheimische Name eines Teils des Tai-Thai-Volkes. Es ist nicht der Name eines Landes, (letzteres heisst müöng lão = Land der Lao), sondern eines Volkes. Man kann also nicht sagen: »Moi in Laos«, wie z. B. noch 1893 (Zeitschrift f. Ethnologie, p. 217) geschehen.]

Objekte:

>Shan Violine, Laos Staaten«. [sic! Vergl. Abbild. I, No. 1. Wie die Saiten ursprünglich befestigt gewesen sind, ist nicht mehr zu ersehen.]

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1) [Auch im Text sind die vorkommenden Völker- und geographischen Namen entgegen der beliebten Nachlässigkeit auf diesem Gebiet möglichst genau im Anschluss an die einheimische Schreibweise angegeben und besprochen worden.]

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