Das Kind spricht: „Morgen ist's Feiertag, Wie will ich springen durch Thal und Höh'n, Die Mutter spricht: „Morgen ist's Feiertag, Großmutter spricht: „Morgen ist's Feiertag, Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid, Urahne spricht: „Morgen ist's Feiertag, Sie hören's nicht, sie sehen's nicht, Und morgen ist's Feiertag. -Gustav Schwab, geboren 1792 zu Stuttgart, gestorben 1850 ebenda. 52. Kannitverstan. Obgleich für manchen Menschen nicht viele gebratene Tauben in der Luft herum fliegen mögen, so muß er doch zufrieden sein mit seinem Schicksale, wenn er sieht, wie unbeständig alle irdischen Dinge find. Auf dem seltsamsten Umwege kam einst ein deutscher Handwerksbursche in Amsterdam durch einen Irrtum zu der Erkenntnis dieser Wahrheit. Als er in diese große, reiche Handelsstadt voll prächtiger Häuser, wogender Schiffe und geschäftiger Menschen gekommen war, fiel ihm sogleich ein großes, schönes Haus in die Augen. Auf seiner ganzen Wanderschaft von seinem Geburtsorte bis nach Amsterdam hatte er kein so schönes Haus gesehen. Mit Verwunderung betrachtete er lange das kostbare Gebäude, die sechs Schornsteine auf dem Dache, die schönen Gesimse und die hohen Fenster, die größer waren, als an des Vaters Haus daheim die Thür. Endlich konnte er sich nicht enthalten, einen Vorübergehenden anzureden. Guter Freund," sagte er,,,können Sie mir nicht sagen, wem dieses wunderschöne Haus mit den Fenstern voll Tulpen, Sternblumen und Levkojen gehört?" Der Mann aber, der vermutlich etwas Wichtigeres zu thun hatte und zum Unglück von der deutschen Sprache so viel verstand, wie der Fremde von der holländischen, nämlich gar nichts, sagte kurz:,,Kannitverstan!" und eilte vorüber. Das ist aber ein holländisches Wort, oder drei, wenn man's recht betrachtet, und heißt auf deutsch so viel als: Ich kann Sie nicht verstehen. Aber der gute Fremdling glaubte, es sei der Name des Mannes, nach dem er gefragt hatte. Das muß ein grundreicher Mann sein, der Herr Kannitverstan, dachte er und ging weiter. Gaff' aus, Gaff' ein gehend, kam er endlich an den Hafen. Da stand nun Schiff an Schiff, Mastbaum an Mastbaum, und er wußte anfänglich nicht, wie er es mit seinen zwei einzigen Augen durchfechten werde, alle diese Merkwürdigkeiten genug zu betrachten. Endlich zog ein großes Schiff seine Aufmerksamkeit auf sich, welches vor kurzem aus Ostindien angelangt war und jezt eben ausgeladen wurde. Schon standen ganze Reihen von Kisten und Ballen auf- und nebeneinander am Lande. Noch immer wurden mehr herausgewälzt, Fässer voll Zucker und Kaffee, voll Reis und Pfeffer.X Als er lange zugesehen hatte, fragte er endlich einen, der eben eine Kiste auf der Achsel heraustrug, wie der glückliche Mann heiße, dem das Meer alle diese Waren ans Land bringe. „Kannitverstan!" war die Antwort. da heraus? Kein Wunder, wem das Meer solche Reichtümer Da dachte er: „Haha, schaut's ans Land schwemmt, der kann wohl solche Häuser bauen und solche Tulpen in vergoldeten Töpfen vor die Fenster stellen." Jeht ging er wieder zurück und stellte eine recht traurige Betrachtung an, was für ein armer Mensch er sei unter so viel reichen Leuten in der Welt. Aber als er eben dachte: „Wenn ich's doch auch einmal so gut bekäme, wie dieser Herr Kannitverstan es hat," kam er um eine Ecke und erblickte einen großen Leichenzug. Vier schwarz vermummte Pferde zogen einen schwarz überzo= genen Trauerwagen langsam und traurig, als ob sie wüßten, daß fie einen Toten in seine Ruhe führten. Ein langer Zug von Freunden und Bekannten des Verstorbenen folgte nach, Paar und Paar, stumm und in schwarze Mäntel gehüllt. Jeht ergriff unsern Fremden ein wehmütiges Gefühl, das an feinem guten Menschen vorübergeht, wenn er eine Leiche sieht, und er blieb mit dem Hute in den Händen stehen, bis alles vorüber war. Doch machte er sich an den letzten im Zuge, der eben in der Stille ausrechnete, was er an seiner Baumwolle gewinnen könnte, wenn der Zentner um zehn Gulden aufschlüge, ergriff ihn leise am Mantel und bat ihn treuherzig um Entschuldigung. „Das muß wohl auch ein guter Freund von Ihnen gewesen sein," jagte er,,,dem das Glöcklein läutet, daß Sie so betrübt und nachdenklich mitgehen!" Kannitverstan!" war die Antwort. Da fielen dem guten Burschen ein paar große Thränen aus den Augen, und es ward ihm auf einmal schwer ums Herz. ,,Armer Kannitverstan!" rief er aus, was hast du nun von allem deinem Reichtum? Was ich einst von meiner Armut auch bekomme ein Totenkleid und ein Leintuch und von allen deinen schönen Blumen vielleicht einen Rosmarin auf die kalte Brust oder eine Raute." Mit diesen Gedanken begleitete er die Leiche, als wenn er dazu gehörte, bis ans Grab, sah den vermeinten Herrn Kannitverstan hinabsenken in seine Ruhestätte und ward von der holländischen Leichenpredigt, von der er kein Wort verstand, mehr gerührt, als von mancher deutschen, auf die er nicht acht gab. Endlich ging er leichten Herzens mit den andern wieder fort und verzehrte in einer Herberge, wo man deutsch verstand, mit gutem Appetit sein Abendbrot. Wenn es ihm aber später wieder einmal schwer fallen wollte, daß so viele Leute in der Welt so reich seien und er so arm, so dachte er nur an den Herrn Kannitverstan in Amsterdam, an sein großes Haus, an sein reiches Schiff und an sein enges Grab. -Hebel. 53. Reden und Antworten. 1. Der weise Sokrates pflegte zu sagen, er wisse nichts, als nur dieses, daß er eben nichts wisse; viele wüßten aber auch dieses nicht einmal. 2. Dem Aristoteles wurde hinterbracht, daß jemand Schmähreden gegen ihn ausgestoßen habe. Ja nun!" antwortete er,,,wenn ich nicht dabei bin, so mag er auch mit einem Schwerte nach mir stoßen." 3. Ein Kaufmann wurde gefragt, wie er sich seinen großen Reichtum erworben habe. Er antwortete: 3u dem großen bin ich mit vieler Leichtigkeit gekommen, aber zu dem kleinen langsam und mit vieler Mühe.“ 4. „Liefere die Waffen aus!“ ließ der mächtige Perserkönig Xerxes dem Griechen Leonidas sagen. „Komm und hole sie!" war die Antwort. 5. Ein Fremder, der sich in Sparta aufhielt, stellte sich einst auf einen Fuß und sagte zu einem der Umstehenden; „Ich wette, du kannst nicht so lange auf einem Fuße stehen, wie ich.“ — „Freilich nicht," war die Antwort, aber die Gänse können das alle." 54. Die Strafe. Der Knecht hat erstochen den edlen Herrn, Er hat ihn erstochen im dunkeln Hain Hat angelegt die Rüstung blank, Auf des Herren Rosz sich geschwungen frank. Und als er springen will über die Brück', Und als er die goldnen Sporen ihm gab, Mit Arm, mit Fusz er rudert und ringt, — -Uhland. |