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Als

Zu Schillers Wallenstein.

ls die Direktoren der Provinz Posen zu Pfingsten 1891 über das Deutsche in den obern Klassen verhandelten, da trat eine besonders freudige Übereinstimmung hervor in der Würdigung von Schillers Meisterwerken für den deutschen Unterricht. Er ist der ideale Dichter, welcher der Jugend so nahe steht, er ist Dichter und Denker und bietet dadurch der Erklärung einen so fruchtbaren Boden. Seine Meisterdramen, seine Balladen, der Spaziergang, die Glocke, welch ein Schatz der tiefsten Ideen in der edelsten, begeistertsten Sprache. Dazu kommt das sittlich wirkende und erhebende Gefühl, dass wir bei der Betrachtung seines Lebens und Schaffens stets unter dem Eindrucke stehn, wie ein hoher, mächtiger Geist sich in schwerem Kampfe trotz Not und Krankheit durch einen gewaltigen Willen zur Unsterblichkeit durchringt. Vor allem müssen wir diese Empfindung bei seinem grössten Werke, dem Wallenstein, haben. Die Briefe an Körner und Goethe führen uns in die innerste Werkstätte seines Schaffens, seines Leidens und Ringens und seines glänzenden Sieges über alle Hindernisse.

Schiller hatte den Don Carlos in Dresden vollendet und kam am 21. Juli 1787 nach Weimar. Hier schreibt er am 28. August 1787, an Goethes Geburtstage, Goethe war damals in Italien an seinen Freund Huber und fasst die Summe seiner dortigen Erfahrungen zusammen.

Er schämt sich seines bisherigen Lebens und steckt sich mit gewaltiger Willenskraft das fernere Ziel, in der Vorahnung seiner Grösse und Unsterblichkeit. Wie armselig erscheint ihm die Hingabe an Lust und niedere Leidenschaften gegen jenen höchsten Genuss eines denkenden Geistes! „Das gestehe ich dir", schreibt er, dass ich in dieser Idee so befestigt, so vollständig durch meinen Verstand überzeugt bin, dass ich mit Gelassenheit mein Leben an ihre Ausführung zu setzen bereit wäre". Und er hat Wort gehalten!

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Es folgen Jahre unglaublichen Ringens. Durch Eindringen in Geschichte und Philosophie will er zur dichterischen Meisterschaft gelangen. Anfang 1791 fasst er die Idee zum Wallenstein; aber gleichzeitig befällt ihu schwere Krankheit. Das Jahr 1791 ist ein Leidensjahr, aber es bringt ihm auch eine wunderbare Hülfe, die man nie vergessen darf, wenn man sich seiner höchsten Schöpfungen erfreut; denn ohne sie wäre Schiller kaum zur Freiheit des Schaffens gelangt. Man hatte den Dichter schon für tot gehalten. Da boten ihm am 27. November 1791 - ein Jahrhundert ist seitdem verflossen der Herzog Friedrich Christian von Schleswig-Holstein Augustenburg und sein Minister Graf Schimmelmann in der hochherzigsten Weise ein Ehrengehalt, welches den Dichter auf Jahre hin von allen Sorgen befreite und seinen Lebensmut in der Krankheit aufrecht erhielt. Was ich Gutes haben nag", sagt Schiller später in einem Briefe vom 23. November 1800 an die Gräfin Schimmelmann, ,,ist durch einige wenige vortreffliche Menschen in mich gepflanzt worden; ein günstiges Schicksal führte mir dieselben in den entscheidendsten Perioden meines Lebens entgegen; meine Bekanntschaften sind auch die Geschichte meines Lebens".

Wiederholt nahm Schiller den Plan zum Wallenstein auf, um ihn wieder ruhn zu lassen, bis er, geläutert durch geschichtliche, philosophische, ästhetische Studien das mächtige Werk am 17. März 1799 zum Abschluss brachte. Wallenstein selbst ist der verwickeltste Charakter der dramatischen Litteratur überhaupt und doch ein einheitlicher, wahrer Charakter. Dabei ist das Stück von einem Umfange wie kein zweites. Die Lektüre desselben stellt an Lebrer und Schüler grosse Forderungen. Daher sollte man dies Drama nur mit den reifsten Schülern lesen. Leider ist nach den neuen Lehrplänen Wallenstein für Obersekunda bestimmt; nach meiner Ansicht sollte dort nur das Lager gelesen werden. Wenn man sieht, wie wenig oft selbst die Erklärer, welche geradezu für die obern Klassen der Schulen schreiben, den Charakter Wallensteins und seines Gegners Oktavio Piccolomini, erfasst haben, so muss das wohl zur Vorsicht mahnen. Möchte diese kleine Arbeit dazu beitragen, dass dieses ans Licht trete und dass das grossartige Stück seine Wirkung auf die Jugend nicht verfehle. Ich will daher wie in frühern Abhandlungen') versuchen, in Form einer Kritik andrer Ansichten, die zu positiven Ergebnissen führt, die Hauptcharaktere des Stücks zu beleuchten und so dem Verständnis und der Schule zu dienen. Denn wie man sich auch die Form der Erklärung denken mag, das Wichtigste ist doch, dass der Lehrer sich tief in die Dichtung einlebt und insbesondre die Hauptcharaktere richtig erfasst.

Ein zweiter Gesichtspunkt ist, wie in den andern Abhandlungen, der, zu zeigen, dass man nicht die Äusserungen Goethes und Schillers über ihre eigenen Werke vernachlässigen darf. Durch Benutzung ihrer Urteile, durch Versenken in ihre Anschauungen bewahrt man sich am besten vor Täuschungen.

Endlich möchte ich Lehrern des Deutschen, welche noch eine geringe Erfahrung haben, dadurch nützen, dass ich, ausgehend von dem Satze, eine gute Erklärung könne nur aus einer tiefen und klaren Erkenntnis des Dramas und aus einer lebendigen Versenkung in die Hauptcharaktere erwachsen, auf ein Buch hinweise, welches ein solches Verständnis zu fördern wohl geeignet ist. Ich meine hier die sehr lebendige und begeisterte Darstellung von Werder2).

Aber das Werk ist nach meiner Ansicht nur nützlich, wenn eine Auzahl von recht erheblicheu Irrtümern vorher als solche erkannt und so vermieden werden.

Bei dem Umfange der Litteratur, welche sich auf Schillers Wallenstein bezieht, beschränke ich mich darauf, (I) die schiefe Auffassung der bezeichneten Hauptcharaktere des Dramas nur an wenigen Beispielen zu zeigen, um mich dann (II) eingehender mit den Werderschen Vorlesungen beschäftigen zu können und (III) mit methodischen Bemerkungen zu schliessen.

I.

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Alle Fehler finden sich vereinigt bei Naumann3) in einer Behandlung der Frage: Wodurch erregt Wallenstein bei Schiller unser Interesse ?" Nach einer keineswegs zu empfehlenden Einleitung, aus welcher wir erst sehen, dass der Wallenstein der sogenannten Trilogie gemeint sei, heisst es : ,,Zunächst ist es der Charakter Wallensteins, welcher uns anzieht. Auf den ersten Blick erscheint er

1) Shakespeares Macbeth und die Schillersche Bearbeitung, Programm von Ostrowo 1889. Zu Schillers Jungfrau von Orleans. Ostrowo 1890. 2) Vorlesungen über Schillers Wallenstein, gehalten an der Universität zu Berlin von Karl Werder. Berlin. Hertz 1889. *) 25 Themata mit ausführlichen Dispositionen zu deutschen Aufsätzen und Stoffe zu freien Vorträgen für die obern Klassen höherer Schulen von Julius Naumann, Leipzig. Teubner 1882, S. 113 figd. vergl. auch dessen Theoretisch-Praktische Anleitung zur Abfassung deutscher Aufsätze." Lpz. Teubner 5. Aufl, 1889. S. 347 flgd.

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uns zwar als ein ernster, sittenstrenger, ja fast finsterer Mann, der alle Freuden und Genüsse der
Welt verschmäht. Unter dieser harten Aussenseite schlägt jedoch ein liebevolles Herz, das er sich
durch alle Kriegsstürme zu bewahren gewusst, und das sich vornehmlich im Kreise seiner Familie
zeigt. Der Herzogin gegenüber zeigt er sich als „der liebevolle Gatte", der sie im Un-
glücke tröstet und ihr schützend zur Seite steht. Ebenso ist das Verhältnis zwischeu ihm und seiner
Schwester ein echt geschwisterliches. Er hat vor ihr kein Geheimnis, sondern rückhaltslos
vertraut er ihr alle seine Pläne an und findet in ihr einen starken Beistand. Am deutlichsten aber
zeigt sich sein liebevolles Herz seiner Tochter Thekla gegenüber.
Die Liebe zu ihr ist auch

eine der Haupttriebfedern seiner Handlungen. Aussprüche wie: „Eine Krone will ich sehn auf ihrem
Haupt", oder „Auf Europas Fürstenthron will ich mir einen Eidam suchen", zeigen deutlich, dass ihm
für seine geliebte Thekla nichts hoch, nichts schön genug ist."

Wie steht das alles in Widerspruch mit dem Charakter Wallensteins! Wie kann man ihn als ernsten, sittenstrengen, fast finstern Mann bezeichnen! Er soll ein liebevoller Gatte sein, der der Herzogin im Unglück liebend zur Seite steht. Gegen ihre Tochter klagt sie (W. Tod III. 3):

,,Was hab' ich nicht getragen und gelitten,

In dieser Ehe unglücksvollem Bund ..

Es lebt kein zweiter Friedland; du, mein Kind,
Hast deiner Mutter Schicksal nicht zu fürchten."

-

diese ist jedoch nicht seine, sondern

Das Verhältnis zwischen ihm und der Gräfin Terzky der Herzogin Schwester soll ein geschwisterliches sein. Nun treibt die Gräfin ihn mit aller Kraft zum Verbrechen.

„Für seine Thekla ist ihm nichts hoch und schön genug". Im Stück ist sie, wie ihre Mutter, bestimmt, sich ihm zu opfern. Für sich strebt er in unersättlichem Ehrgeiz nach einer Krone; sie ist nur die seltene Münze seines Schatzes.

Nach diesen Proben hebe ich aus dem folgenden nur einiges heraus. Er soll seinen Offizieren, wie Isolani, in der uneigennützigsten Weise helfen. Aber Wallenstein will ihn wie die andern nur zu Werkzeugen seines Verrats machen. Dass er sich mit den Feinden in Verbindung setzt, soll nicht ein Verbrechen sein, während es im Drama mit den stärksten Ausdrücken als solches gekennzeichnet wird.

,Wie nun Wallenstein unsere Teilnahme erregt", heisst es weiter,,,so erweckt die Schlechtigkeit seiner Gegner unsern Unwillen". Hiermit wendet sich der Verfasser in einer wunderlichen Ausführung gegen die bösen Priester und Mönche, die ihn verleumden sollen, als ob Wallenstein nicht wirklich Verrat sinne. Der Kaiser soll den Mut haben, ihm offen den Oberbefehl zu nehmen, als ob das möglich wäre.

Von Buttler wird behauptet, er sei ihm zum Dank verpflichtet; was Wallenstein gegen Buttler gefehlt hat, wird verschwiegen. Von Oktavio wird verlangt, er solle dem Wallenstein Dank wissen, dass er ihm alle seine geheimen Pläne mitteilt. Wie das auf Oktavio wirken muss, dass er in ihm einen Genossen seines Verrats zu erblicken glaubt, davon hat der Verfasser keine Ahnung.

Diese Entschuldigung Wallensteins und unbedingte Verurteilung Oktavios findet man auch in Litteraturgeschichten, welche für Gymnasien bestimmt sind und ausgeführte Inhaltsangaben der klassischen Meisterwerke haben. In einem viel benutzten Buche') heisst es: „Zunächst kann Wallenstein

4 Geschichte der deutschen Nationallitteratur von Prof. Kluge, Altenburg 1890 21. Auf. S. 181,

sich noch nicht zum Verrat gegen den Kaiser entschliessen, wiewohl dieser Böses gegen ihn im Schilde führt. Auch die Sterne haben den Augenblick des Handelns noch nicht angezeigt. Da unterternehmen es Illo und Terzky ihrem Feldherrn das Handeln zu erleichtern. Sie erschleichen dieUnterschrift der Generale. Diesen Verrat merkt Oktavio Piccolomini, jener falsche, schleichende Italiener'), auf den Wallenstein zu seinem Verderben ein unbedingtes, abergläubisches Vertrauen setzt. Anstatt Wallenstein zu warnen, hintergeht er seinen Freund aufs schmählichste und sinnt unter der Maske treuer Ergebenheit auf schmählichen Verrat". Diese Darstellung macht auf den Leser den Eindruck, als ob der Kaiser Böses gegen Wallenstein vorgehabt, und dieser sich dennoch zu dem notwendigen Verrat nicht entschliessen konnte, weshalb Illo und Terzky ihrem Feldherrn das Handeln erleichtern. Dann wendet sich der Verfasser mit Entrüstung gegen Oktavio, jenen schleichenden Italiener, ist nicht der offene Max auch Italiener? lenstein und selbst Illo und Terzky von besserer Art wären. - als ob dieser der einzige Bösewicht, Wal

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Ähnlich verfährt eine vor kurzem erschienene Litteraturkunde von Zurbonsen !2) Nur einer merkt den Verrat", heisst es von Illos und Terzkys Erschleichung der Unterschriften, „Oktavio Piccolomini, der falsche Italiener, welchem Wallenstein unerschütterliches Vertrauen schenkt. . . . vollendeter Heuchlermiene täuscht Piccolomini den arglosen Feldherrn".

Mit

Nirgends eine Andeutung von der eigentümlichen Lage Oktavios. fasser, dass auch Tiefenbach sagt, vor Tische habe man anders gelesen, und dass Buttler mit HinDabei übersieht der Verweis auf die Fälschung ausdrücklich erklärt, man habe ihn mit oder ohne Klausel. Questenberg gedruckt Gerstenberg.

Auch ist für

Schliesslich hebe ich denselben Fehler noch hervor in der Ausgabe des Wallenstein mit Erläuterungen für den Schulgebrauch und das Privatstudium von Funke3). Nach L. Cholevius) bemerkt derselbe über Oktavio nur dieses: „Er ist ein schlauer Fuchs, ein falscher, schleichender Italiener. Er täuscht Wallenstein und entfremdet ihm hinter dem Rücken seine Freunde. Entschuldigung, dass Wallenstein ihm sein Vertrauen aufgedrungen und dass er daher kein Unrecht Die sonderbare thue, wenn er ihn hintergehe. Seines Sohnes gerechter Unwille über diese Falschheit. handelt er nur aus Treue gegen den Kaiser, aber er verschmäht dabei nicht den eigenen Vorteil. Die Scheinbar Erhebung in den Fürstenstand. Von Wallenstein dagegen heisst es nach Fr. Honcamp :

,,Sein Ehrgeiz nimmt den edlen Flug sittlicher Zwecke, womit er jedes deutsche Herz gewinnen muss, denn er will einen Frieden herbeiführen, der alle Teile befriedigen soll, will treuer Schirmherr

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1) Ebenso falsch urteilt Kluge: Themata zu deutschen Aufsätzen und Vorträgen für höhere Unterrichtsanstalten." 3 Aufl. 1882 S. 139-143. Berlin 1891 2; Deutsche Litteraturkunde: Leitfaden für höhere Schulen von Zurbónsen. Nicolai. S. 129. Vorsicht Cholevius zu benutzen ist, das kann ein Thema zeigen, welches so unpädagogisch wie möglich ist, indem es 3) Paderborn & Münster. Schöningh 1885. S. 316 und 322. Schüler zu einer wunderbaren Kritik über Shakespeares Julius Caesar verleiten soll. In seinen Dispositionen und 4) Mit welcher Materialien" Bd. ì. Lpz. Teubner 7. Auf S. 102-101 werden die Redekünste des M. Antonius in Shakespeares Julius Caesar III 2 behandelt Zum Schluss versteigt sich der Verfasser zu folgenden Sätzen, welche eine merkwürdige Verkennung vom Zweck dieser Rede bekunden: Diese Scene ist oft von Unverständigen bewundert worden, sie gereicht aber dem Drama nicht zur Zierde: denn sie setzt Antonius, der sonst weit höher steht, in unserer Achtung herab. Cicero oder Demosthenes hätten eine solche Rede nicht gehalten. Shakespeare hat sich in der Schätzung des römischen Volks vergriffen, welches nach seiner Mehrzahl auch damals nicht so tief gesunken war". dagegen in einem Briefe an Goethe vom 7. April 1797 sagt: „Auch bei Shakespeare ist es mir heute, wie ich den Julius Caesar mit Schlegel durchging, recht merkwürdig gewesen, wie er das gemeine Volk mit einer so ungemeinen Armer Shakespeare! Schiller. Grossheit behandelt",

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des Reiches werden." Dann wird sein liebebedürftiges Herz hervorgehoben, sowie sein liebenswürdiges, rücksichtsvolles Benehmen gegen seine Familie.

So wird überall das Gute in Wallenstein übertrieben und Oktavios Verrat nirgends im wahren Lichte gezeigt. Diese gerügten Fehler wiegen um so schwerer, als der Schüler von selbst geneigt ist, den mächtigen Wallenstein zu entschuldigen, dessen Worte über Oktavios Verrat als einfache Wahrheit zu nehmen, in der Unterredung zwischen Oktavio und Max sich völlig auf die Seite des Sohnes zu stellen. Und doch hat Schiller selbst gleich nach dem Erscheinen des Wallenstein eindringlich vor solchem Irrtume gewarnt. Der Brief Schillers an Böttiger vom 1. März 1799') ist so merkwürdig, dass ich ihn hier folgen lasse:

Jena, den 1. Mai [lies: März] 17992).

Sie sprechen in Ihren Bemerkungen mehreres treffend und glücklich aus, was ich in das Stück habe legen wollen und dem Takt des Zuschauers überlassen musste heraus zu fühlen, dass mich diese Versicherung meiner gelungenen Absicht notwendig erfreuen muss. Freilich konnte die Intention des Poeten nicht überall deutlich erscheinen, da zwischen ihm und dem Zuschauer der Schauspieler stand; nur meine Worte und das Ganze meines Gemäldes können gelten. So lag es z. B. nicht in meiner Absicht, noch in den Worten meines Textes, dass sich Oktavio Piccolomini als einen so gar schlimmen Mann, als einen Buben) darstellen sollte. In meinem Stück ist er das nie, er ist sogar ein ziemlich rechtlicher Mann, nach dem Weltbegriff, und die Schändlichkeit, die er begeht, sehen wir auf jedem Welttheater von Personen wiederholt, die, so wie er, von Recht und Pflicht strenge Begriffe haben. Er wählt zwar ein schlechtes Mittel, aber er verfolgt einen guten Zweck. Er will den Staat retten, er will seinem Kaiser dienen, den er nächst Gott als den höchsten Gegenstand aller Pflichten betrachtet. Er verrät einen Freund, der ihm vertraut, aber dieser Freund ist ein Verräter seines Kaisers, und in seinen Augen zugleich ein Unsinniger. Auch meiner Gräfin Terzky möchte etwas zu viel geschehen, wenn man Tücke und Schadenfreude zu Hauptzügen ihres Charakters machte. Sie strebt mit Geist, Kraft und einem bestimmten Willen nach einem grossen Zweck, ist aber freilich über die Mittel nicht verlegen. Ich nehme keine Frau aus, die auf dem politischen Theater, wenn sie Charakter und Ehrgeiz hat, moralischer bandelte.

Indem ich diese beiden Personen in Ihrer Achtung zu restituieren suche, muss ich den Wallenstein selbst, als historische Person, etwas in derselben heruntersetzen. Der historische Wallenstein war nicht gross, der poetische sollte es nie sein. Der Wallenstein in der Geschichte hatte die Präsumtion für sich, ein grosser Feldherr zu sein, weil er glücklich, gewaltthätig und keck war, er war aber mehr ein Abgott der Soldateska, gegen die er splendid und königlich freigebig war, und die er auf Unkosten der ganzen Welt in Ansehen erhielt. Aber in seinem Betragen war er schwankend und unentschlossen, in seinen Plänen phantastisch und excentrisch und in der letzten Handlung seines Lebens, der Verschwörung gegen den Kaiser, schwach, unbestimmt, ja sogar ungeschickt. Was an ihm gross erscheinen, aber nur scheinen konnte, war das Rohe und Ungeheure, also gerade das,

1) Bei Fielitz, Studien zu Schillers Dramen Leipzig. Teubner 1876. S. 9S, bei Julian Schmidt, Schiller und seine Zeitgenossen. Leipzig. Herbig 1859. S. 421. 2) Böttiger hatte die erste Aufführung der Piccolomini in dem von Bertuch und Kraus herausgegebenen Journal des Luxus und der Moden besprochen (Februar-Heft S. 89-97) und ihm ein Exemplar des Journals am 25. Februar (Kal. S. 73) zugeschickt. Schiller antwortete darauf, was Fielitz getreu aus der Minerva wiedergiebt. 3 Böttiger schrieb in dem genannten Aufsatz S. 92 über Oktavio. In mehreren Scenen der ersten Aufzüge wird diese Rolle da am meisten sprechen, wo sie ganz stumm, selbst in der Gebärde stumm ist. Dem Buben, der hier horcht, ist selbst das sichtbare Auflauschen Verrat. Das Auge allein ist hier dem Zuschauer die Pforte zum Innern".

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