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Vorwort zur dritten Auflage.

Eben mit Überarbeitung meiner Sophokleischen Studien, die in einigen Monaten vollständig erscheinen werden, beschäftigt, erhielt ich die Aufforderung, eine neue Auflage des ersten Teils meiner Hor.-Ausgabe zu besorgen. Ich habe in der Textgestaltung nur unbedeutende Änderungen vorgenommen, an wichtigeren Stellen aber auf die Lesarten der vor mehreren Jahren von mir verglichenen Berliner PergamentHandschrift 5 (8.) verwiesen, die ich bereits für die Ausg. der Satiren (s. bes. S. XIV f.) und die der Episteln (S. IX) benutzt habe. Die Schrift ist der des Cod. 269 sehr ähnlich, meist recht gut, doch von der Mitte des dritten Buches flüchtiger und voller Fehler. Von III 12 an fehlt oft die Versabteilung; ebenso von III 13 an die Überschriften, die von III 23 an ganz aufhören. Der Berl. Cod. 39 (fol. chart.) enthält auf Bl. 56 v. und Anfang 57 unter verschiedenen anderen Gedichten de fragilitate et brevitate vitae auch II 14 mit einigen Glossen.

Im übrigen habe ich über die Hschr., insbesondere die Blandinischen, desgleichen über die Scholien und andere damit zusammenhängende Fragen mich so vielfach (namentlich in der Philol. Rundschau 1884, No. 31, 256 u. 48, 394. 1885, No. 23, 207. 39, 344. 43, 380 u. a.) geäufsert, dafs ich mich wohl darauf berufen darf.

Für die Erklärung habe ich die in den letzten Jahren teils aus eigener Lektüre, teils aus neueren Specialschriften gesammelten Bemerkungen nach Möglichkeit verwertet und sie dadurch nicht unerheblich erweitert. Dafs ich auch sonst die eigene Ansicht nicht für unverbesserlich halte, wird man bei

spielsweise aus den Erörterungen zu I 2. 3. 7. 14. II 4. 13. 20. III 6. 14. 19. IV 7. epod. 9 und vielen anderen erkennen. Die Zahl der Citate ist durch Berücksichtigung besonders der nachhorazischen lateinischen Litteratur noch vermehrt; was diejenigen tadeln werden, welche den Zweck einer erklärenden Ausgabe auf das unmittelbare Verständnis des Vorliegenden beschränken. Wer jedoch das Verhältnis eines Schriftstellers, zumal eines nach Vorbildern dichtenden, zu seinen Quellen, Zeitgenossen und Nachfolgern gründlicher würdigen will, darf die Mühe einer solchen Vergleichung nicht scheuen.

Regelmässige Analysen den einzelnen Gedichten vorauszuschicken habe ich mich auch jetzt nicht entschliefsen können. Böckh hat einst solche Zergliederungen eines selbstverständlichen Inhalts „jammervolle Handarbeit" genannt, „welche der besseren Philologie fremd sei"; und gewifs, sie verwässern, zumal in lyrischen Gedichten, den poetischen Gedanken, sind für den Urteilsfähigen überflüssig, ersparen dem Lernenden, der sie allerdings für gewisse Schülerarbeiten als Krücken willkommen heifst, das eigene Nachdenken und verkümmern dem Lehrer die Freude, durch persönliche Besprechung das Urteil zu wecken. Demgemäfs ist nur da, wo über die Komposition berechtigte oder unberechtigte Zweifel obwalten, dann aber um so eingehender, der Gedankengang entwickelt.

Aus dem letzten Grunde habe ich auch den kritischen Anhang beibehalten, zumal da mir wiederholt versichert ist, dafs er insbesondere jüngeren Philologen erwünscht sei, um sich in dem unabsehbaren kritischen Material, wenn auch nur vorläufig, zurechtzufinden; doch habe ich eine weitere Sichtung vorgenommen und manches gestrichen, was nur zur Bekämpfung von Vermutungen dienen könnte, die eine Widerlegung nicht verdienen oder die bereits allgemein aufgegeben sind.

Potsdam, im Juni 1889.

Schütz.

EINLEITUNG.

Q. Horatius Flaccus 1) ist den 8. Dezember 65 v. C. unter dem Konsulate des L. Aurelius Cotta und L. Manlius Torquatus geboren.2) Sein Vater, ein Freigelassener, hatte seinen Namen nach der gens Horatia oder wahrscheinlicher nach der tribus Hor., in welche die Kolonie Venusia eingeschrieben war; er besafs ein kleines Grundstück und bekleidete das Amt eines Einnehmers, exactionum (nach anderen auctionum) coactor. 3) Seine Mutter erwähnt er nirgends, ebenso wenig Geschwister; erstere ist wohl früh gestorben, da bei der häufigen Erinnerung an seine Kindheit ihm Gelegenheit, ihrer zu gedenken, nicht fehlte. Desto öfter rühmt er seinen Vater, dem er die gröfste Pietät bewahrte.4) Seine Vaterstadt Venusia war gelegen am Aufidus (Ofanto) in Apulien unweit der lukanischen Grenze, über welche der Berg Voltur noch hinausreichte.5) Da die dortige Schulbildung unter dem Magister Flavius ihm nicht genügte, so brachte ihn der Vater nicht ohne persönliche Opfer nach Rom, wo er Schüler des Grammatikers L. Orbilius Pupillus Beneventanus 6) wurde und besonders den Homer, von vaterländischen Dichtern den Livius Andronicus kennen lernte. 7) Im Jünglingsalter begab er sich nach Athen, wo er sich mit Philosophie be

1) Alle drei Namen finden sich in seinen Gedichten: Quintus sat. II 6, 37. Horatius carm. IV 6, 44. epist. I 14, 5. Flaccus ep. 15, 12. sat. II 1, 18.

2) S. carm. III 21, 1. ep. 13, 6. epist. I 20, 27. Sueton. vita.

3) Sueton. vit. sat. I 6, 6. 45. 71. 86. epist. I 20, 20. Dafs er auch Salzfischhändler (salsamentarius) gewesen, giebt Suet. als unverbürgte Meinung (ut creditum est). Auch in den Oden deutet er selbst nicht selten auf niedrige Herkunft oder Armut hin, z. B. II 20, 5. III 30, 12.

4) S. bes. sat. I 4, 105–126. 6, 71-99.

5) sat. II 1, 34 ff. carm. III 4, 9. Den Venusiner nennt ihn schon luven. 1, 51: haec ego non credam Venusina digna lucerna? 6) Über ihn Suet. de grammat. 9.

7) sat. I 6, 72 ff.

epist. II 1, 69 ff. II 2, 41 ff.

Horatius I. 3. Aufl.

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schäftigte und namentlich die Vorträge der Akademiker hörte.8) Dafs er daselbst sieben Jahre sich aufgehalten habe, darf man aus epist. II 2, 82 nicht folgern; er müfste dann schon im 15. Lebensjahre dorthin gegangen sein. Auch ist aus epist. II 2, 46 zu schliefsen, dafs er wegen des Bürgerkrieges Athen früher verlassen hat, als es sein Wunsch gewesen war.

Nach der Ermordung Caesars nämlich bemächtigte sich M. Brutus, durch Antonius aus Italien vertrieben, Makedoniens und kam nach Athen, von wo ihm mit anderen dort studierenden edelen Jünglingen auch Horaz 43 v. C. als Kriegstribun zum Heere folgte. So wohnte er den Schlachten bei Philippi im Herbste 42 bei, nachdem er in der Zwischenzeit den Brutus auf mehreren Zügen begleitet, insbesondere Thessalien, Makedonien, Asien nebst den Inseln besucht hatte.9)

Während nun die entschlosseneren Republikaner, darunter manche seiner vertrauteren Freunde, sich dem S. Pompeius zuwandten und das Glück im Seekriege versuchten 10), benutzte H. die den sich freiwillig Unterwerfenden angebotene Amnestie und kehrte 41 nach Italien zurück. Er war inzwischen verarmt.11) Das Gut seines Vaters war nach einigen schon verkauft, als er im Knabenalter nach Rom übersiedelte; wahrscheinlich aber hat er es erst im Bürgerkriege verloren, indem Venusia zu den 18 italischen Städten gehörte, welche von den Triumvirn in dem Vertrage bei Mutina an die Soldaten zum Lohn für ihre Dienste verteilt wurden. 12) Besitzlos geworden verschaffte sich H. eine Schreiberstelle beim Staatsschatz 18) und begann zugleich Gedichte zu schreiben. 14) Eigene Neigung, auch wohl Unzufrieden

8) epist. II 2, 43 ff.

9) epist. II 2, 47 ff. sat. I 6, 48. 7, 18. carm. II 7. Suet. vit.
10) Appian. bell. civ. 5, 2.

11) epist. II 2, 50 ff. Suet. vit. victisque partibus venia impetrata cet. 12) Appian zählt es im Bürgerkrieg 4, 3 vor anderen mit Capua, Rhegium, Beneventum, Nuceria, Ariminum und Hipponium (Vibo Valentia) auf. Über die Grausamkeit der Ackerverteilungen ders. 5, 12 u. 13.

13) scriptum quaestorium comparavit. Suet. vit. Vgl. sat. Il 6, 36. 14) Wenn er epist. II 2, 51 ff. sagt, die Armut habe ihm die Kühnheit dazu gegeben, so lehrt der Zusammenhang der Stelle, dafs H. wirklich meint, er habe nur aus Not gedichtet, um seine Lage zu verbessern, während er sonst den Mut dazu nicht gehabt hätte und jetzt in seinem Wohlstand zu bequem dazu geworden sei. Wie wenig das ernst zu nehmen ist, geht schon daraus hervor, dafs er in demselben Augenblick dichtet, in welchem er es absagt. Ebenso wenig darf man daraus schliefsen, dafs er nicht früher schon gedichtet habe; er hatte aber bisher nichts veröffentlicht.

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