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Des Reizes ausgeforschte Schäße,
Berknüpfte der erfindende Verstand
In leichtem Bund in Werken eurer Hand.
Der Obeliske stieg, die Pyramide,

Die Herme stand, die Säule sprang empor,
Des Waldes Melodie floß aus dem Haberrohr,
Und Siegesthaten lebten in dem Liede.

Die Auswahl einer Blumenflur

Mit weiser Wahl in einen Strauß gebunden
So trat die erste Kunst aus der Natur;

Jest wurden Sträuße schon in einen Kranz gewunden,
Und eine zweite, höhre Kunst erstand
Aus Schöpfungen der Menschenhand.

Das Kind der Schönheit, sich allein genug,
Bollendet schon aus eurer Hand gegangen,
Berliert die Krone, die es trug,
Sobald es Wirklichkeit empfangen.
Die Säule muß, dem Gleichmaß unterthan,
An ihre Schwestern nachbarlich sich schließen,
Der Held im Heldenheer zerfließen.
Des Mäoniden Harfe stimmt voran.

Bald drängten sich die staunenden Barbaren
Zu diesen neuen Schöpfungen heran.
Echt, riefen die erfreuten Schaaren,
Seht an, das hat der Mensch gethan!
In lustigen, geselligeren Paaren

Riß fie des Sängers Leier nach,

Der von Titanen sang und Riefenschlachten,

Und Löwentödtern, die, so lang der Sänger sprąd,
Aus seinen Hörern Helden machten.
Zum erstenmal genießt der Geist,
Erquidt von ruhigeren Freuden,
Die aus der Ferne nur ihn weiden,

Die seine Gier nicht in sein Wesen reißt,
Die im Genusse nicht verscheiden.

Jetzt wand sich von dem Sinnenschlafe
Die freie schöne Seele los;
Durch euch entfesselt, sprang der Sklave
Der Sorge in der Freude Schooß.
Jeht fiel der Thierheit dumpfe Schranke,
Und Menschheit trat auf die entwölkte Stirn,
Und der erhabne Fremdling, der Gedanke,
Eprang aus dem staunenden Gehirn.

Jest stand der Mensch und wies den Sternen
Das königliche Angesicht;

Schon dankte nach erhabnen Fernen
Sein sprechend Aug' dem Sonnenlicht.

Tas Lächeln blühte auf der Wange;

Der Stimme seelenvolles · Spiel

Entfaltete sich zum Gesange;

Im feuchten Auge schwamm Gefühl,

Und Scherz mit Huld in anmuthsvollem Bunde
Entquollen dem beseelten Munde.

Begraben in des Wurmes Triebe,
Umschlungen von des Sinnes Lust,
Erkanntet ihr in seiner Brust
Den edeln Keim der Geisterliebe.
Daß von des Einnes niedrem Triebe

Der Liebe beffrer Keim sich schied,
Dankt er dem ersten Hirtenlied.
Geadelt zur Gedankenwürde,
Floß die verschämtere Begierde
Melodisch aus des Sängers Mund.
Sanft glühten die bethauten Wangen;
Das überlebende Verlangen
Verkündigte der Seelen Bund.

Der Weisen Weisestes, der Milden Milde,
Der Starken Kraft, der Edeln Grazie,
Vermähltet ihr in einem Bilde

Und stelltet es in eine Glorie.

Der Mensch erbebte vor dem Unbekannten,
Er liebte seinen Wiederschein;

Und herrliche Heroen brannten,
Dem großen Wesen gleich zu sein.

Den ersten Klang vom Urbild alles Schönen
Ihr ließet ihn in der Natur ertönen.

Der Leidenschaften wilden Drang,
Des Glückes regellose Spiele,
Der Pflichten und Instincte Zwang
Stellt ihr mit prüfendem Gefühle,
Mit strengem Richtscheit nach dem Ziele.
Was die Natur auf ihrem großen Gange
In weiten Fernen auseinander zieht,
Wird auf dem Schauplah, im Gesange,
Der Ordnung leicht gefaßtes Glied.
Vom Eumenidenchor geschrecket,

Zieht sich der Mord, auch nie entdecket,
Das Loos des Todes aus dem Lied.

Lang eh die Weisen ihren Ausspruch wagen,
Löst eine Ilias des Schicksals Räthselfragen
Der jugendlichen Vorwelt auf;
Still wandelte von Thespis' Wagen
Die Vorsicht in den Weltenlauf.

Doch in den großen Weltenlauf

Ward euer Ebenmaß zu früh getragen.
Als des Geschickes dunkle Hand,
Was sie vor eurem Auge schnürte,
Vor eurem Aug' nicht auseinander band,
Das Leben in die Tiefe schwand,
Eh es den schönen Kreis vollführte
Da führtet ihr aus kühner Eigenmacht
Den Bogen weiter durch der Zukunft Nacht:
Da stürztet ihr euch ohne Beben
In des Avernus schwarzen Ocean,
Und trafet das entflohne Leben
Jenseits der Urne wieder an;

Da zeigte sich mit umgestürztem Lichte,

An Kastor angelehnt, ein blühend Polluxbild;
Der Schatten in des Mondes Angesichte,

Eh sich der schöne Silberkreis erfüllt.

Doch höher stets, zu immer höhern Höhen
Schwang sich das schaffende Genie.
Schon sieht man Schöpfungen aus Schöpfungen erstehen,
Aus Harmonieen Harmonie.

Was hier allein das trunkne Aug' entzückt,
Dient unterwürfig dort der höhern Schöne;

Der Reiz, der diese Nymphe schmückt,
Schmilzt sanft in eine göttliche Athene;
Die Kraft, die in des Ringers Muskel schwillt,
Muß in des Gottes Schönheit lieblich schweigen;
Das Staunen seiner Zeit, das stolze Jovisbild,
Im Tempel zu Olympia sich neigen.

Die Welt, verwandelt durch den Fleiß,
Das Menschenherz, bewegt von neuen Trieben,
Die sich in heißen Kämpfen üben,
Erweitern euren Schöpfungskreis.

Der fortgeschrittne Mensch trägt auf erhobnen Schwingen
Dankbar die Kunst mit sich empor,
Und neue Schönheitswelten springen
Aus der bereicherten Natur hervor.

Des Wiffens Schranken gehen auf,
Der Geist in euren leichten Siegen
Geübt, mit schnell gezeitigtem Vergnügen
Ein künstlich All von Reizen zu durcheilen,
Stellt der Natur entlegenere Säulen,
Ereilet sie auf ihrem dunkeln Lauf.

Jetzt wägt er sie mit menschlichen Gewichten,
Mißt sie mit Maßzen, die sie ihm gelichn;
Verständlicher in seiner Schönheit Pflichten
Muß sie an seinem Aug' vorüber ziehn.
In selbstgefäu'ger jugendlicher Frende
Leiht er den Sphären seine Harmonie,
Und preiset er das Weltgebäude,
So prangt es durch die Symmetrie.

In Allem, was ihn jetzt umlebet,
Spricht ihn das holde Gleichmaß an.
Der Schönheit goldner Gürtel webet
Sich mild in seine Lebensbahn;
Die selige Vollendung schwebet
In curen Werken siegend ihm voran.
Wohin die laute Freude eilet,
Wohin der stille Kummer flicht,
Wo die Betrachtung denkend weilet,
Wo er des Elends Thränen sieht,
We tausend Schrecken auf ihn zielen,
Folgt ihm ein Harmonieenbach,
Sieht er die Huldgöttinnen spielen,
Und ringt in still verfeinerten Gefühlen
Der lieblichen Begleitung nach.

Sanft, wie des Reizes Linien sich winden,
Wie die Erscheinungen um ihn

In weichem Umriß in einander schwinden,
Flieht seines Lebens leichter Hauch dahin.
Sein Geist zerrinnt im Harmonicenmeere,
Das seine Sinne wollustreich umfließt,
Und der hinschmelzende Gedanke schließt
Sich still an die allgegenwärtige Cythere.
Mit dem Geschick in hoher Einigkeit,
Gelassen hingestüßt auf Grazien und Musen,
Empfängt er das Geschoß, das ihn bedräut,
Mit freundlich dargebotnem Busen
Bom sanften Bogen der Nothwendigkeit.

Vertraute Lieblinge der sel'gen Harmonie,
Erfreuende Begleiter durch das Leben,
Das Edelste, das Theuerste, was sie,

1 Die Leben gab, zum Leben uns gegeben:
Daß der entjochte Mensch jetzt seine Pflichten denkt,
Die Fessel liebet, die ihn lenkt,

Kein Zufall mehr mit ehrnem Scepter ihm gebeut,
Dies dankt euch eure Ewigkeit,

Und ein erhabner Lohn in eurem Herzen.

Daß um den Kelch, worin uns Freiheit riunt,
Der Freude Götter luftig scherzen,
Der holde Traum sich lieblich spinnt,
Dafür seid liebevoll umfangen!

Dem prangenden, dem heitern Geist,
Der die Nothwendigkeit mit Grazie umzogen,
Der seinen Aether, seinen Sternenbogen
Mit Anmuth uns bedienen heißt,

Der, wo er schreckt, noch durch Erhabenheit entzücket
Und zum Verheeren selbst sich schmücket,
Dem großen Künstler ahmt ihr nach.
Wie auf dem spiegelhellen Bach
Die bunten Ufer tanzend schweben,

¦ Das Abendroth, das Blüthenfeld,
So schimmert auf dem dürft'gen Leben
Der Dichtung muntre Schattenwelt.
Ihr führet uns im Brautgewande
Die fürchterliche Unbekannte,
Die unerweichte Parze vor.
Wie eure Urnen die Gebeine,
Deckt ihr mit holdem Zauberscheine
Der Sorgen schauervollen Chor.
Jahrtausende hab' ich durcheilet,
Der Vorwelt unabsehlich Reich:
Wie lacht die Menschheit, wo ihr weilet!
Wie traurig liegt sie hinter euch!

Die einst mit flüchtigem Gefieder
Voll Kraft aus euren Schöpferhänden stieg,
In eurem Arm fand sie sich wieder,
Als durch der Zeiten stillen Sieg
Des Lebens Blüthe von der Wange,
Die Stärke von den Gliedern wich,
Und traurig, mit entnervtem Gange,
Der Greis an seinem Stabe schlich.
Da reichtet ihr aus frischer Quelle
Dem Lechzenden die Lebenswelle:
Zweimal verjüngte sich die Zeit,
Zweimal von Samen, die ihr ausgestreut.

Vertrieben von Barbarenheeren,
Entrisset ihr den leyten Opferbrand
Des Orients entheiligten Altären
Und brachtet ihn dem Abendland.

Da stieg der schöne Flüchtling aus dem Often,
Der junge Tag im Westen neu empor,
Und auf Hesperiens Gefilden sproßten
Verjüngte Blüthen Joniens hervor.
Die schönere Natur warf in die Seelen
Sanft spiegelnd einen schönen Wiederschein,
Und prangend zog in die geschmückten Seelen
Des Lichtes große Göttin ein.

Da sah man Millionen Ketten fallen,
Und liber Sklaven sprach jetzt Menschenrecht;
Wie Brüder friedlich mit einander wallen,

So mild erwuchs das jüngere Geschlecht.

Mit innrer hoher Freudenfülle
Genießt ihr das gegebne Glück,
Und tretet in der Demuth Hülle
Mit schweigendem Verdienst zurück.

Wenn auf des Denkens freigegebnen Bahnen
Der Forscher jest mit kühnem Blicke schweift
Und, trunken von siegrufenden Päanen,
Mit rascher Hand schon nach der Krone greift;
Benn er mit niederm Söldnerslohne
Ten edeln Führer zu entlassen glaubt,
Und neben dem geträumten Throne
Der Kunst den ersten Sklavenplag erlaubt:
Berzeiht ihm der Vollendung Krone
Echebt glänzend über eurem Haupt.
Mit euch, des Frühlings erster Pflanze,
Begann die seelenbildende Natur;
Mit euch, dem freud'gen Erntekranze,
Echließt die vollendende Natur.

Tie von dem Thon, dem Stein bescheiden aufge

stiegen,

Die schopferische Kunst, umschließt mit stillen Siegen
Des Geistes unermessnes Reich.

Bas in des Wissens Land Entdecker nur ersiegen,
Entdecen sie, erfiegen sie für euch.

Der Schätze, die der Denker aufgehäuset,
Wird er in euren Armen erst sich freun,
Benn seine Wissenschaft, der Schönheit zugereiset,
Zum Kunstwerk wird geadelt sein
Benn er auf einen Hügel mit euch steiget,
Und seinem Auge sich, in mildem Abendschein,
Tas malerische Thal — auf einmal zeiget.
Je reicher ihr den schnellen Blick vergnüget,
Je höbre, schönre Ordnungen der Geist
In einem Zauberbund durchflieget,
In einem schwelgenden Genuß umkreist;
Je weiter sich Gedanken und Gefühle
Tem üppigeren Harmonieenspiele,
Dem reichern Strom der Schönheit aufgethan
Je schönre Glieder aus dem Weltenplan,
Tie jest verstümmelt seine Schöpfung schänden,
Sieht er die hohen Formen dann vollenden,
Je schönre Räthsel treten aus der Nacht,
Je reicher wird die Welt, die er umschließet,
Je breiter strömt das Meer, mit dem er fließet,
Je schwächer wird des Schicksals blinde Macht,
Je höher streben seine Triebe,

Je kleiner wird er selbst, je größer seine Liebe.
Eo führt ihn, in verborgnem Lauf,
Durch immer reinre Formen, reinre Töne,
Turch immer höhre Höhn und immer schönre Schöne
Der Dichtung Blumenleiter still hinauf
Zuleht, am reifen Ziel der Zeiten,

! Noch eine glückliche Begeisterung,

Des jüngsten Menschenalters Dichterschwung,
Und
in der Wahrheit Arme wird er gleiten.

Sie selbst, die sanfte Cypria,
Umleuchtet von der Feuerkrone,
Steht dann vor ihrem münd'gen Sohne
Entschleiert als Urania,

So schneller nur von ihn erhaschet,
Je schöner er von ihr geflohn!
So süß, so selig überraschet
Stand einst Ulyssens edler Sohn,
Da seiner Jugend himmlischer Gefährte
Zu Jovis Tochter sich verklärte.

Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben,
Bewahret sie!

Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben!
Der Dichtung heilige Magie

Dient einem weisen Weltenplane,
Still lenke sie zum Oceane
Der großen Harmonie!

Von ihrer Zeit verstoßen, flüchte
Die ernste Wahrheit zum Gedichte
Und finde Schuß in der Camönen Chor.
In ihres Glanzes höchster Fülle,
Furchtbarer in des Reizes Hülle,
Erstehe sie in dem Gesange
Und räche sich mit Siegesklange
An des Verfolgers feigem Ohr.

Der freisten Mutter freie Söhne,
Schwingt euch mit festem Angesicht
Zum Strahlensitz der höchsten Schöne!
Um andre Kronen buhlet nicht!
Die Schwester, die euch hier verschwunden,
Holt ihr im Schooß der Mutter ein;
Was schöne Seelen schön empfunden,
Muß trefflich und vollkommen sein.
Erhebet euch mit kühnem Flügel
Hoch über euren Zeitenlauf!
Fern dämmre schon in eurem Spiegel
Das kommende Jahrhundert auf.
Auf tausendfach verschlungnen Wegen
Der reichen Mannigfaltigkeit
Kommt dann umarmend euch entgegen
Am Thron der hohen Einigkeit!
Wie sich in sieben milden Strahlen
Der weiße Schimmer lieblich bricht,
Wie sieben Regenbogenftrabien
Zerrinnen in das weiße Licht,
So spielt in tausendfacher Klarheit
Bezaubernd um den trunknen Blick,
So fließt in einen Bund der Wahrheit,
In einen Strom des Lichts zurück!

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Still war's, und jedes Ohr hing an Aeneens Munde, Alsbald spannt von dem langen Harme
Der also anhub vom erhabnen Pfühl:
Königin, du weckst der alten Wunde
Unnennbar schmerzliches Gefühl!

Von Trojas kläglichem Geschick verlangst du Kunde,
Wie durch der Griechen Hand die thränenwerthe fiel,
Die Drangsal' alle soll ich offenbaren,
Die ich gesehn und meistens selbst erfahren.

2.

Wer, selbst ein Myrmidon und Kampfgenoß
Des grausamen Ulyß, erzählte thränenlos!
Und schon entflieht die feuchte Nacht, es laden
Zum Schlaf die niedergehenden Pleiaden.
Doch treibt dich so gewaltige Begier,

Der Teukrer letzten Kampf und mein Geschick zu hören,
Sei's denn! wie sehr auch die Erinnrung mir
Die Seele schaudernd mag empören!

3.

Der Griechen Fürsten, aufgerieben

Vom langen Krieg, vom Glück zurückgetrieben,
Erbauen endlich durch Minervens Kunst
Ein Roß aus Fichtenholz, zum Berge aufgerichtet,
Beglückte Wiederkehr, wie ihre List erdichtet,
Dadurch zu flehen von der Götter Gunst.

Der Kern der Tapfersten birgt sich in dem Gebäude,
Und Waffen sind sein Eingeweide.

4.

Die Insel Tenedos ist aller Welt bekannt,
Von Priams Stadt getrennt durch wen'ge Meilen,
An Gütern reich, so lange Troja stand,
Jetzt ein verrätherischer Strand,

Wo im Vorüberzug die Kaufmannsschiffe weilen.
Dort birgt der Griechen Heer sich auf verlassnem Sand.
Wir wähnen es auf ewig abgezogen

Und mit des Windes Hauch Mycenen zugeflogen.

Die ganze Stadt der Teufrier sich los;
Heraus stürzt alles Volk in frohem Jubelschwarme,
Das Lager zu besehn, aus dem sein Leiden floß.
Dort, heißt es, wütheten der Myrmidonen Arme,
Hier schwang Achill das schreckliche Geschoß,
Dort lag der Schiffe zahlenlos Gedränge,
Hier tobete das Handgemenge.

6.

Mit Staunen weilt der überraschte Blick
Beim Wunderbau des ungeheuren Rosses,
Thymöt, sei's böser Wille, sei's Geschick,
Wünscht es im innern Raum des Schlosses.
Doch bang vor dem versteckten Feind
Räth Kapys an, und wer es redlich meint,
Den schlimmen Fund dem Meer, dem Feuer zu vertrauen,
Wo nicht, doch erst sein Innres zu beschauen.

7.

Die Stimmen schwankten noch in ungewissem Streite,
Als ihn der Priester des Neptun vernahm,
Laokoon, mit mächtigem Geleite

Von Pergams Thurm erhitzt herunter kam.
Ras't ihr, Dardanier? ruft er voll banger Sorgen,
Unglückliche, ihr glaubt, die Feinde sei'n geflohn?
Ein griechisches Geschenk, und kein Betrug verborgen?
So schlecht kennt ihr Laertens Sohn?

8.

Wenn in dem Rosse nicht versteckte Feinde lauern,
So droht es sonst Verderben unsern Mauern,
So ist es aufgethürmt, die Stadt zu überblicken,
So sollen sich die Mauern bücken
Vor seinem stürzenden Gewicht,

So ist's ein anderer von ihren tausend Ränken,
Der hier sich birgt. Trojaner, trauet nicht!
Die Griechen fürchte ich, und doppelt, wenn sie schenken.

9.

Dies sagend, treibt er den gewalt'gen Epeer
Mit starken Kräften in des Rosses Lende,
Es schüttert durch und durch, und weit umher
Antworten dumpf die vollgestopften Wände;
Und hätte nicht das Schicksal ihm gewehrt,
Nicht eines Gottes Macht umnebelt seine Sinne,
Jezt hätte den Betrug sein Eisen aufgestört,
Noch Hünde Jlium und Pergams feste Zinne.

10.

Indessen wird durch eine Schaar von Hirten,
Die Hände auf dem Rücken zugeschnürt,
Mit lärmendem Geschrei ein Jüngling hergeführt.
Der Jüngling spielte den Verirrten

Und bot freiwillig sich den Banden dar,
Turch falsche Botschaft Troja zu verderben,
Rit dreister Stirn, gefaßt auf jegliche Gefahr,
Und gleich bereit zum Lügen oder Sterben.

11.

Jhn zu betrachten, sammelt um und um
Die wilde Jugend sich aus Ilium,
Betteifernd höhnt mit herbem Spotte

Den eingebrachten Fang die rachbegier'ge Rotte,
Und wehrlos bloßgestellt so vieler Feinde Grimm,
Fliegt er mit ängstlich scheuem Blicke

Die Reihen durch. Jetzt, Königin, vernimm
Aus einer Frevelthat der Griechen ganze Tücke!

12.

Beh! ruft er aus, wo öffnet sich ein Port,
Bo thut ein Meer sich auf, mich zu empfangen?
So bleibt mir Elenden ein Zufluchtsort ?
Tem Schwert der Griechen kaum entgangen,

Seh' ich der Trøjer Haß nach meinem Blut verlangen!
Schnell umgestimmt von diesem Wort,

Legt sich der wilde Sturm der Schaaren,
Und man ermahnt ihn, fortzufahren.

13.

Beß Stamms er sei, was ihn hiehergebracht,
Jbm Lebenshoffnung ließ, selbst in des Feindes Macht?
Soll er bekennen. Furcht und Angst verschwanden.
Bas es auch sei, ruft er, dir, König, sei's gestanden!
Empfange den Beweis von Sinons Redlichkeit.
I läugne nicht, zum Volk der Griechen zu gehören.
hat mein Berhängniß gleich dem Elend mich geweiht,
Zum Lügner soll es nimmer mich entehren.

14.

Trug das Gerücht vielleicht den Namen und die Thaten
Les großen Palamed zu deinem Ohr,
Der, boshaft angeklagt, weil er den Krieg mißrathen,
Sein Leben durch der Griechen Spruch verlor,
Den sie im Grabe schmerzlich jetzt beklagen?
Mit diesem hat, er ist mir anverwandt,
Seit dieses Krieges ersten Tagen

Der dürft'ge Bater mich nach Asien gesandt.

15.

So lange Palamed der Herrschaft sich erfreute,
Und in dem Rath der Könige mit saß,
Stand ich geehrt und glücklich ihm zur Seite.
Doch das verging, als ihn Ulyssens Haß,

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Ohn' Ahnung des Betrugs, der aus dem Griechen spricht,
Steigt unsre Neugier, ihm den Aufschluß abzufragen,
Und er, mit schlau verstelltem Zagen,
Vollendet so den täuschenden Bericht:

Oft, spricht er, war der Wunsch lebendig bei dem Heere,
Der langen Kriegesnoth sich endlich zu entziehn,
Von Troja heimlich zu entfliehn.

O daß es doch geschehen wäre!
19.

Stets hinderten die frohe Wiederkehr

Der rauhe Süd und das empörte Meer.

Dics Roß von Fichtenholz stand längst schon aufgethürmet,
Als, vom Orkan gepeitscht, die finstre Luft gestürmet.
Verlegen sendet man zuleßt Eurypylus,
Zu fragen an des Schicksals Throne,
Nach Delphi zu Latonens Sohne;

Der kommt zurück mit diesem traur’gen Schluß:

20.

Mit Blut erkauftet ihr die Herfahrt von den Winden,
und eine Jungfrau fiel an Deliens Altar;
Mit Blut allein könnt ihr den Rückweg finden,
Ein Grieche bringe sich zum Todesopfer dar.
Eiskalte Angst durchlief die zitternden Gebeine,
| Als in dem Lager diese Post erklang,
Und jedes Auge fragte bang,
Wen wohl der Zorn der Gottheit meine?

21.

Jegt riß Ulyß mit lärmendem Geschrei
Den Seher Kalchas in des Heeres Mitte
Und dringt in ihn mit ungestümer Bitte,
Zu sagen, wessen Haupt zum Tod bezeichnet sei?
Schon ließen Viele mich, mit ahnungsvollem Grauen,
Des Schalks verruchten Plan und mein Verderben
schauen.

Zehn Tage schließt der Priester schlau sich ein,
Um keinen aus dem Volk dem Untergang zu weihn.

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