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seinen Bewegungen, den Leib nach seinen Functionen und die Gesetze derselben kennen zu lernen. Diese Erkenntniss ist mehr, als blos anatomisch, sie ist physiologische Erkenntniss, und die Wissenschaft des Menschen von ihm selbst, als dem sich äusserlichen, in der Bewegung dieses Aeusserlichen ist die Physiologie. In ihr hat der grosse Haller († 1777) das erste Grosse geleistet und die moderne Welt es sehr weit gebracht.

3) Die Seele ist aber nicht ausser ihrem Leibe und er nicht ausser ihr, sondern beides, das Psychische und Somatische, sind gegenseitig gleichsam von einander durchdrungen. Beide, Leib und Seele selbst sind Bestimmungen, Accidenzen an einem und demselben, das weder das Eine noch das Andre ist; der Mensch hat den Leib, er hat die Seele, aber er ist weder Leib, noch ist er Seele. So kann der Mensch Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und der Wissenschaft selbst werden, und zwar indem zuvörderst auf seinen Leib reflectirt und der Versuch gemacht wird, ihn aus seinem Leibe zu begreifen, mithin so, dass das Leibliche voransteht, das Erste ist, das Psychische das Zweite. Die Wissenschaft vom Menschen wird, weil sie vom Leiblichem, als dem Natürlichsten, Physischen an dem Menschen ausgeht, und weil in ihr das Hauptaugenmerk auf das Somatische oder Psychische gerichtet ist, physische, wie auch medicinische Anthropologie genannt, und hierdurch von der philosophischen unterschieden. Diese Wissenschaft ist im achtzehnten Jahrhundert zuerst vom Professor Platner bearbeitet worden in seiner physischen Anthropologie für Aerzte und Weltweise, Leipzig, 1772, am vollständigsten in der dritten Auflage, Leipzig. 1790. Ein Zweiter, der diese Wissenschaft bearbeitete, war ein Theolog, der Consistorial - Antistes Ith in Bern in seinem Versuch einer Anthropologie oder Philosophie des Menschen nach seinen körperlichen Anlagen, Bern, 1794. 2 Thle. Unter Kant's Schülern wurde diese Doctrin bearbeitet von C. C. E. Schmid: Physiologie philosophisch bearbeitet Jena 1798. 3 Bde. Als bald darauf die Schelling'sche Philosophie sich verbreitete, erschienen: Troxler, Versuche in der organischen Physik, Jena, 1804 und Oken, Biologie des Menschen. ad B. Es kann der Mensch aber auch das, worin er sich innerlich ist, das Beseeltsein, zum Gegenstande seiner Untersuchung machen, dessen Bewegungen nicht wie die somatischen im Raume, sondern als psychische rein und allein in der Zeit wahrnehmbar sind. Die effectiven Gründe dieser Bewegungen hat man Kräfte genannt, Gefühlskraft, Einbildungskraft u. s. w. und die Beobachtung jener Bewegungen mit Bezug auf diese Kräfte ist dahin gegangen, das Verhältniss und die Gesetze zu begreifen, nach welchen jene Kräfte wirken.

1) So entstand die Psychologie, welche besonders seit Verbreitung

der Kantischen Philosophie fleissig bearbeitet wurde, zuerst von

Chr. Ehrhardt Schmidt in seiner empirischen Psychologie. Jena 1794. Später von Carus, Psychologie, Leipzig 1808. Durch ihr Studium wird das Studium der Anthropologie sehr vorbereitet.

2) Die Seele mit allen ihren sogenannten Kräften hat jedoch ein bestimmtes Verhältniss zum Leibe. Der Mensch aber beseelt und beleibt steht durch seinen Leib in einem bestimmten Verhältniss zur Aussenwelt. Es kann dahin kommen, dass er sich in diesem Verhältnisse zur Natur zu erkennen strebe, etwa in der Frage: was wirkt und bewirkt die Natur, mit Bezug auf den Menschen, was macht und hat sie aus ihm gemacht? In diesem Verhältnisse des Menschen zur Natur kommt es zur Naturgeschichte und Naturbeschreibung des Menschen, welche zuerst Blumenbach mit grosser Liebe bearbeitet hat, in seiner Schrift: de generis humani varietate nativa. Goett. 1795.

3) Es kann aber auch die Aufmerksamkeit auf das Psychische, wie es mit dem Somatischen vereinigt ist, gerichtet sein mit Bezug auf die Vernunft und Willensfreiheit des Menschen, etwa in der Frage: Was macht der Mensch aus sich selbst oder was hat er aus sich gemacht? Wird der Mensch in solcher Weise Gegenstand der Wissenschaft von ihm selbst, wie er sowohl der Beleibte als Beseelte ist, mit Bezug auf das, wozu er sich selbst zu machen vermag oder gemacht hat, so ist diese Wissenschaft Anthropologie, geht jedoch auf die Praxis im sittlichen Bestimmen, Wollen und Thun, und ist so pragmatische Anthropologie. Kant ist der Einzige, der die Anthropoloie in dieser Bestimmtheit lange gelehrt und endlich herausgegeben hat. Aber dennoch ist auch diese pragmatische Anthropologie eine einseitige Doctrin; dem Begriff der Anthropologie entspricht sie nicht als solche pragmatische, denn sie beseitigt das Natürliche des Menschen und bezweckt bloss das Moralische desselben. C. Es ist daher endlich der Mensch in seiner Totalität, welcher sich als der sich von sich Unterscheidende Gegenstand seiner Erkenntniss zu werden vermag. Nicht einseitig, wie in den sub A und B angeführten Doctrinen, in welchen er nur von einer oder der andern Seite Gegenstand der Wissenschaft ist, sondern nach jeder und allen seinen Seiten wird er Gegenstand der Anthropologie. Ihre Aufgabe stellt sich in der Frage dar: wodurch und wie kommt der Mensch dazu, dass er nicht nur sich, indem er sich von sich selbst unterscheidet, sondern auch das, was er nicht selbst ist, die Welt und Gott erkennt?

Die Anthropologie ist daher die Wissenschaft, in welcher der Mensch sich erkennt, wie er sich sowohl von sich selbst, als von dem, was er nicht selbst ist, unterscheidet und in diesem Unterschiede mit sich identisch ist und bleibt.

Soweit Daub, der noch hinzufügt, dass in neuerer Zeit Steffens die Anthropologie in dem zuletzt angegebenen wissenschaftlichen Sinne bearbeitet und dass Hegel in seiner Encyclopädie eine Skizze im selben Sinne geliefert habe. Aber diese Skizze Daub's stammt aus dem Anfang der Dreissigerjahre und grade seitdem haben, wie Sie wissen, einerseits die Naturwissenschaften den gewaltigsten Aufschwung genommen, andererseits die philosophischen Schulen den heftigsten Kampf mit einander geführt und die Wissenschaft der Anthropologie in reichem Masse bearbeitet. Ueber ganz specielle Theile der Anthropologie sind Monographien erschienen, wir haben Zeitschriften für Psychologie, für Psychiatrie, und es ist nicht die geringste Schulzeitung zu finden, worin nicht Aufsätze über Anthropologie vielfach ihre Stelle fanden und finden. Ja selbst in Roman- und Briefform wurde das Studium der Anthropologie zu verbreiten versucht und von den verschiedensten Standpunkten finden alljährlich auf deutschen Universitäten Vorlesungen über Anthropologie Staat.

Man sieht aber aus dem Vorhergehenden, wie verschieden der Name Anthropologie gefasst wird. Um die Totalität fest zu halten, beide Seiten, Leib und Seele, pflegen die Philosophen, wenn sie über Anthropologie lesen wollen, ihre Vorlesung so anzukündigen: Vorlesung über Anthropologie und Psychologie. Es fängt diese Vorlesung mit dem Menschen an, wie er aus der Natur hervorgeht, also von der Zoologie herkommt, stellt den ganzen Process der Naturentwickelung im Menschen, seine Zeugung, seine Geburt, sein leibliches Sein, die Gestaltung seines Körpers, die Racenunterschiede, sein Wachsen, das Schlafen und Träumen, die Lebensalter, die Temperamente, die Verleiblichung des Geistes im Körper, die sogenannte Pathognomik und Physiognomik, das Erwachen des Bewusstseins, dann die theoretischen Anlagen des Menschen, die fünf Sinne, die Lehre von den Anlagen, dem Talent und dem Genie, den grossen Process der Anschauung, der Vorstellung und des Denkens, den sogenannten theoretischen Process oder der Intelligenz, dann die practischen Anlagen des Menschen, die Lehre von den Trieben, von den Neigungen, von den Leidenschaften, von dem Willen dar, und endet damit, wie der Mensch von Gott so angelegt ist, am Schluss einer naturgemässen Entwicklung seiner sämmtlichen Potenzen das Allgemeine denken und wollen zu können. Die Anthropologie und Psychologie hat einen bestimmten Anfang und ein bestimmtes Ende und es ist nicht Hegel's geringstes Verdienst, sie so bestimmt abgegrenzt und ihr ihre bestimmte Stellung im Gesammtgebiet der Disciplinen angewiesen zu haben. Sie kommt, wie schon erwähnt, von der Zoologie her und mündet ein in die Philosophie des Geistes. Bevor wir nun den practischen Nutzen aus der bisherigen Untersuchung, bei der ich vielleicht zu sehr Ihre Geduld in Anspruch genommen habe, ziehen können und dürfen, wollen wir nun des Weiteren das Wort „Ethnographie" oder „Ethnologie" einer Untersuchung unterziehen.

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Ethnos“ bedeutet jede durch Gewohnheit verbundene Schaar, sei es von

Thieren oder Menschen. Aber schliesslich versteht man unter Ethnos ein „Volk". Ethnographie oder Ethnologie heisst also „Beschreibung der Völker,“ Lehre der Völker. Es ist aber klar, dass ein jedes Volk: 1) einem bestimmten Erdboden angehört, 2) einer bestimmten Race, 3) einem bestimmten Stamm, 4) dass es eine bestimmte Vorgeschichte gehabt hat, 5) dass es eine bestimmte Sprache mit eigenen Dialecten gehabt hat oder hat, 6) eine bestimmte Religion, 7) einen bestimmten Cultus, 8) eine bestimmte Kunst, 9) bestimmte Sitten und Gebräuche, in Kleidung, Benehmen, bei Ehen, bei Geburten, bei Begräbnissen, bei Spielen, bei Kämpfen u. s. w. u. s. w., 10) eine bestimmte Staats verfassung, 11) eine bestimmte Wissenschaft und Philosophie. Es ist also klar, dass die Ethnographie die weiteste Form ist, die es giebt, und also auch die Anthropologie in sich fasst.

Sie fällt also in diesem weitesten Sinne mit der Culturgeschichte

zusammen.

Und in der That, meine hochzuverehrenden Herren, erreichen wir erst mit der Culturgeschichte den letzten Höhepunkt, von dem aus wir den gesammten Inhalt der Rathschläge für Anthropologische Untersuchungen auf Expeditionen der Marine, welche auf Veranlassung des Chefs der Kaiserlich deutschen Admiralität von der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte herausgegeben sind, klar durchschauen und nach allen Seiten hin practikabel machen können. Wie könnten wir hierbei unterlassen, die Weisheit des Chefs der Admiralität und des Directors der MarineAkademie zu preisen, dass sie die Vorlesungen über Culturgeschichte auf der neubegründeten Marine-Akademie eingeführt haben. Die Culturgeschichte ist gewiss für jeden Menschen lehrreich und interessant, aber für den MarineOfficier besonders, weil der mit allen vergangenen und lebenden Völkern in Berührung tritt.

Wir können jetzt in den practischen Anwendungen, wie klar einleuchtet, rasch vorwärts gehen. Die Officiere der Kaiserlichen Marine sollen davon ausgehen, dass Alles, jede Kleinigkeit bedeutend ist für Aufklärung über Culturgeschichte und für das Verständniss der untergegangenen und noch lebenden Völker auf der Erde, und wie an einer Perlenschnur reihen sich an diesen Gedanken und an diese Pflicht die Specialpunkte in folgender Weise übersichtlich an:

I. Der Erdboden ist zu betrachten über dem Wasser und unter dem Wasser und zwar:

a) als solcher, in seiner Oberfläche, ob flach, ob gebirgig, wie hoch gebirgig, ob vulkanisch, ob mit Mineral - Quellen, wie das Wasser ist u. s. w., ob Flüsse, wie sie beschaffen sind, wie breit, wie tief, ob Seen, Geographie im gewöhnlichen Siun;

b) in seinen Stoffen Mineralogie;

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Land und Meer.

d) in seinen Thieren - Zoologie Alles, was hier charakteristisch ist, soll gesammelt event. abgebildet werden, in Gyps oder photographisch abgenommen, und beschrieben werden. Die Brochüre der Berliner Gesellschaft für Anthropologie etc. fasst dies pag. 19 unter der Ueberschrift F. Geographie und Statistik" zusammen, und die Herren Officiere finden hier die kleinsten Details, was hier noch zu thun ist. Da sind Specialtheile der Erde verzeichnet, die so gut wie noch ganz unbekannt sind.

II. Zweitens ist der Körper des Menschen zu betrachten. Die Unterterschiede der Racen beurkunden sich besonders durch den Schädel, die Haare, die Haut und die Anatomie des Körpers. Wo möglich sind daher ganze Leichen zu verschaffen oder sonst in Gyps-Abgüssen und event. photographisch. Wenn die Geschichte eines Volks, ihre äussere und innere, schon sehr von dem Erdboden abhängt, so noch mehr von der Beschaffenheit des Körpers. Der Körper ist der Träger der Seele und des Geistes, und darin liegt die Bedeutung der Racen-Unterschiede und der Verschiedenheit der Volksstämme für das Verständniss der Culturgeschichte. Bekanntlich ist hierin schon viel geleistet, aber es bleibt noch viel zu thun übrig. Da die Marine auf ihren Expeditionen Aerzte mit hat, so sind die Officiere auf diesem Gebiet stets von Fach- und Sachkundigen umgeben, und ist daher die Erwartung der Anthropologischen Gesellschaft in Berlin in diesem Punkt ganz sicher gestellt. Auch die Photographie leistet hier ja wieder so ausserordentliche Hülfe. Grade die Zeitung von heute berichtet von der Ausstellung eines anthropologisch - ethnographischen Albums des Photographen Dammann in Hamburg, die dort 2 Tage statt gefunden habe, worin die verschiedensten Völkerstämme der Welt von Ost-Sibirien bis Australien vertreten, darunter manche photographische Original - Aufnahme, so namentlich der Mannschaft der Corvette „El Magidi" von Zanzibar, welche vor 2 Jahren im Hamburger Hafen lag, und dessen Besatzung verschiedene ostafrikanische Stämme repräsentirte. Und diese Erwartung erstreckt sich auch auf die wichtige Frage, welche sich auf die Krankheiten des Körpers bezieht und in der Brochüre pag. 17 als „D. Pathologie" bezeichnet ist. Sehr charakteristisch ist hier der Ausdruck,,Geographie der Krankheiten" und ganz besonders wird die Marine auf diesen Punkt schon aus purem Egoismus und purem Selbsterhaltungs-Trieb das grösste Gewicht legen. Eine Menge Krankheiten sind theils an den Boden, theils an das Klima geknüpft. Die englische Marine ist auf diesem Gebiet energisch vorangegangen. Einen wichtigen Dienst kann die deutsche Marine der Wissenschaft der Medicin leisten, wenn sie auf die Gesichtspunkte „D. Pathologie" mit aller Sorgfalt achtet und die Erwartungen der Anthropologischen Gesellschaft in Berlin ist bei dieser Frage ebenfalls um so sicherer gestellt, als beständig Aerzte auf der Marine sind. Ich will nur daran erinnern, wie entfernt liegende Beoabachtungen hier eingreifen.

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