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i o ö u ü kommen in Fremdwörtern nur in geschlossner Silbe vor, z. B. Album, Discess, Dolman. Steht der Vokal dagegen in offner Silbe und ist diese betont, so wird der Vokal lang gesprochen, mag er sonst in Wirklichkeit auch kurz sein, z. B. Arabien, obwohl lat. Arábis, Philosophen, obwohl lat. philosophus. Ist die offne Silbe dagegen nicht betont, so bebält zwar der Vokal dieselbe Tonhöhe, als wenn er lang wäre, wird aber kürzer gesprochen: vgl. die Beispiele in § 2. Schafott, Decorum, Belisar, Neuchâtel, Bürean, Pokal, brutal Dasselbe widerfährt auch deutschen langen Vokalen, wenn sie in unbetonte Silben gerathen, z. B. damit, heran, womit, zumal. Wegen der Kürze des Vokals wird auch in einigen dieser Wörter schon der folgende Consonant doppelt geschrieben, z. B. Pallast, Schaffott, und Kinder haben ja die Neigung, auch heran, berein mit rr zu schreiben.

$ 5. Nachdem wir die Quantität der Vokale festgestellt haben, bleibt uns noch die Qualität derselben zu erörtern übrig. Theilweis ist diese Frage schon im vorigen § erledigt, denn die zwiefache Tonhöhe von A, I, O, Ö, U, Ü ergiebt sich daraus, ob der Vokal ron Natur lang oder kurz, ob er in offner oder geschlossner, in betonter oder unbetonter Silbe steht. Nur dem E und dem damit theilweise zusammenfallenden Ä haben wir vier verschiedene Tonstufen zugeschrieben:

å in gäbe, nähme = g'"
& in Sonne, Brunnen = gis""
e in senkt, tränkt
e in zehn, selig
e in bestand

e in Lehm, Seele und diese lassen sich nicht nach der jetzigen Rechtschreibung unterscheiden, denn man schreibt den Laut

e bald ee, bald eh, bald e in See, sehr, ewig
ee,
eh,

Beere, begehren, schwer
e,
ä

senken, tränken. ,&und „e“ werden immer mit demselben einfachen

,,e“ geschrieben. Da also alle äusseren Merkmale fehlen, aus denen die Beschaffenheit des E geschlossen werden könnte, so drängt sich gewiss die Frage auf, ob denn auch wirklich, wie wir angenommen, sechs verschiedene Laute vorhanden sind, ob man nicht eben so gut mit zweien, einem langen und einem kurzen, auskommen könne, wie bei den andern

}

a"

= h'

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e

Vokalen; und ferner, wenn es wirklich sechs verschiedene Laute giebt, wie dieselben zu vertheilen seien. Die erste Frage lässt sich statistisch leicht beantworten: In den Stammsilben der Wörter quälen, quellen, leeren, lehren, sind thatsächlich vier verschiedene Laute, und keiner derselben ist gleich dem „e“ der zweiten Silben, noch auch dem kurzen „e“, das in den Vorsilben be- oder ge- steht. In den Wörtern

zehn Helden spät bekehrt sind sechs vollkommen verschiedene Laute, wie man sich auch durch füsterndes Singen leicht überzeugen kann, denn ihnen kommt die Tonhöhe zu:

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so würde man keinen der Vokale richtig aussprechen können.
§ 6. Hier kann weder Willkür noch Täuschung obwalten.

Zu demselben Resultat gelangen wir, wenn wir die geschichtliche Entwickelung der Laute verfolgen. Doch ruft mir wohl irgend einer meiner geneigten Leser ein Halt! zu oder sagt wenigstens für sich:

Wenn die folgende Beweisführung auch noch so schön mit dem Ahd. und Mhd. in Verbindung gebracht wird, ich glaube doch nicht an den sechsfachen E-Laut, denn seit der mhd. Zeit kann sich viel geändert haben.“ Stellen wir ein Experiment an! Es wird zwar je nach der Heimat des Experimentirenden etwas verschieden ausfallen, wird aber dennoch immer ein annähernd richtiges Ergebniss liefern.

Man schreibe sämmtliche Wörter auf, in welchen man sicher ein E von der Klangfarbe des französischen E fermé zu finden glaubt, etwa wie Lehen, Fee, mehr, Klee, sei aber ja recht behutsam dabei, so dass, wenn man seiner Sache nicht ganz gewiss zu sein glaubt, wie etwa bei Meer, verheeren, Fehde, Scheere, man das betreffende Wort lieber weglässt. In wenigen Tagen wird man ein ziemlich vollständiges Verzeichniss haben. Dann nehme man ein kleineres mhd. Wörterbuch, sehr zu empfehlen ist dazu das von Wackernagel, und sehe zu, wie etwa bei einem Dutzend dieser Wörter

Archiv f. n. Sprachen. LIV.

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das E geschrieben wird, und lege hiernach ein zweites Verzeichniss an aller der Wörter des Wörterbuchs, deren E auf gleiche Weise bezeichnet ist. Als ich diesen Versuch machte, stimmten beide Verzeichnisse vollkommen überein, sogar in einem merkwürdigen Falle: man spricht in meiner Heimat, der Mark Brandenburg, Scbere mit e, das Zeitwort scheren aber mit e, und richtig fand ich im Wörterbuch unter schäre eine Nebenform schêre, und dazu das Zeitwort schërn.

Hieraus ergiebt sich, dass wenigstens in Bezug auf geschlossenes ,e" der heutige Sprachgebrauch mit dem mhd. recht gut übereinstimmt. Wir können also, wenn wir diesen Laut einer sprachgeschichtlichen Kritik unterwerfen, ein richtiges Ergebniss erwarten.

Das geschlossene e (und e) ist aus ursprünglichem ai oder ei entstanden, und wird im Mhd. durch è ausgedrückt, z. B. goth. saiv, abd. sêo, mhd. sê,

uhd. See
saivala
sêla
sele

Seele
laisjan lêran

lêren

lehren feie

Fee, Fei. Es findet sich demnach nur in solchen nhd. Wörtern, die sich auf ursprüngliches ai oder ei oder é zurückführen lassen* (ausserdem in Fremdwörtern), wie sich aus folgender möglichst vollständiger Uebersicht ergiebt:

mhd. @;
dagegen nhd. e

mhd. ě oder (Allee

franz. allée) (Armee

franz. armée) (Beete lat. beta) Beet

mhd. bette Demuth

mhd. dêmuot von

deo, der Unter

gebene Ehe mhd. êwe sehen

mhd. sëhen ehern

mhd. êr ewig

mbd. êwic Ehre mhd. êre begehren

mhd. begërn eher

mhd. êre Epheu

angels, eifig

mhd. êrist Fee

mhd. feie Feh (Pelz) mhd. vêch Hefe

mhd. befe Febme

Nbform Feime flehen (?)

mhd. vlêhen Galeere

mbd. galeide

nhd. ©

erster

* Auch im Berliner Volksdialekt wird geschlossenes „e" für hochdeutsches ei gesprochen z. B. in meenen für meinen, beede für beide, keener für keiner. Der Doppellaut ei steht in diesem Dialekt nur in den Ableitungen der I-Conjugation, z. B. schreiben, reiten, en; dagegen ist aus dem ursprünglich reluplicirenden heissen – heessen geworden.

mhd. ë oder o

mhd. dräjen

ahd. hari

mhd. vëdere
mhd. jënsit)

mhd. kern
mhd. kële

nhd, e
mhd. @;

dagegen nhd. e Geest

verw. m. ahd. gei

seni, Dürftigkeit gehen mhd. gân, gên

drehen he! beda!

mhd. hei Heede (Flachsab. oberd. Haid

fall) behr (?) ahd. hêri

Heer (Idee

franz. idée) je

abd. eo, zshgd mit

êwe jeder

ahd. @owëdar Feder Jener

goth. jains (jenseits jemand

ahd. eoman (Kaffee

arab. Kahweh) umkebren

mhd. kêren kebren (fegen) Krakehl

holl. krakeel Keble Lee

holl. lee Lehm mhd. leim

bequem Lebn, Lehmunn = mhd. lêhen (lei. lehnen Lehnmann

hen) lehren mhd. leren

leeren (Livree

franz. livrée) mehren

mhd. mêren beschweren Reh mhd. rêch

Speer Rhede

holl. reed (bereit) Rede Schere

mhd. schêre scheren Schlehe mhd. slêhe

geschehen Schnee

mhd. snê See mhd. sê

Meer Seele mhd. sêle

selig sehr mhd. sêr

schwer versehren (?) mhd. versêren verzehren Sprehe stehen

mhd. stân, stên steblen Thee

franz. thé Wehmuth

mhd. wêmuot wehen (blasen) wenig

mhd. wênec Zebe mhd. zehe

zehn

ahd. biquami
mhd. lënen

mhd. lären

mbi. beswären
mbu. spër
ahd. radja
mhd. schern
mhd. geschëhen

ahil, mari
abd. salic
ahd. swäre
mhd. verzern

dial. sprewe

mhd. stëln

mhd. wäjen

mhd. zëhen

Von allen diesen schwankt nur die Aussprache in flehen, hehr und unversehrt, die auch mit e gesprochen werden. Jedenfalls hat Rod. Benedix a. a. 0. S. 10 unrecht, wenn er das E in drehen, hegst, heben, Rede u. s. w. für ein geschlossenes hält.

In dem obigen Verzeichniss habe ich die Namen wie Leo, Lea, Theodor, Delitzsch und die meisten Fremdwörter wie Medicus, Rhetor, Megakles, Regel u. s. w. weggelassen. Sie haben in offner Silbe

. immer E fermé. Nur wenige nehmen aus ihrer Stammsprache den tieferen E-Klang herüber, z. B. spricht man von einer Fete (franz. fête) und vom Demos (877uos) zu Athen. Sobald aber diese Wörter mehr dem Deutschen angepasst werden, so geht ihr ,,e" sogleich in

als e.

„,“ über, z. B. fetiren, Demokraten. Wegen dieser Bevorzugung des E fermé in Fremdwörtern ist dasselbe mit lateinischer Letter (e und e, Tonhöhe h“) bezeichnet, während das E ouvert wegen seines häufigen Vorkommens in deutschen Stammsilben mit deutscher Schrift (e und e, Tonhöhe a“) bezeichnet ist.

§ 7. Mit „E“ hat dieselbe Tonhöhe das „e“ in den beiden tonlosen Vorsilben be und ge, z. B. Bescheid, Gefahr; es ist nur kürzer

Derselbe Laut kommt auch in den unbetonten offnen Silben vieler Fremdwörter vor, deren ursprüngliche Quantität im Deutschen unberücksichtigt bleibt, z. B. Theater, Medicin (mit urspr. kurzem e), Plebejer, Plenarium (mit urspr. langem e).

§ 8. Nachdem wir den höchsten E-Laut behandelt haben, wenden wir uns zum tiefsten, der die Tonhöhe g““ hat und wegen seiner Ab. leitung von ursprünglichem A gewöhnlich mit ä bezeichnet wird. Oft wird er aber auch in der Schrift durch E bezeichnet, z. B. in Geberde, edel, obwohl ihnen die Wörter Gebahren, Adel zu Grunde liegen. Auch als kurzer Laut wird E für „Ä“ gesetzt, z. B. Hand Hände - behende; alt, älter, die Eltern. Eben so wenig wie die Orthographie hält auch die Aussprache diese beiden Laute auseinander. Man darf in allen Fällen anstatt „á“ (Tonhöhe g““) das höhere ,e“ (Tonhöhe a") sprechen und thut dies auch in Wirklichkeit, so dass Zähne klingt wie zehne (aber ja nicht wie Zehe!), und es dem Hörer überlassen bleibt, aus dem Zusammenhange die Bedeutung des Wortes zu entnehmen. Ein zu dunkel gesprochenes Ä gilt für unschön. Ist es kurz, so wird anstatt seiner immer ,,e“ gesprochen; ist es lang, so spricht man nur dann den tieferen Laut, wenn durch Ausserachtlassung des Unterschiedes ein Missverständniss hervorgerufen werden könnte, wie z. B. in dem Satze: Wenn ich 10 Thlr. gäbe (gebe), so gäbe (gebe) ich zu viel. Im Mhd. hatte man zwei Umlaute des A:

einen helleren: gast geste = Gast, Gäste
einen dunkleren: gap

gæbe gab, gäbe von denen nur der letztere auch im Nhd. den tieferen Klang beanspruchen darf. Ausser im Conjunctiv Imperfecti wird er im Nhd. kaum gesprochen, und auch da nur zur Vermeidung von Missverständnissen. Kurzes „ä“ lautet immer wie ,,e“, daher schreibt man die Factitiven bald auf die eine, bald auf die andere Art, z. B. tränken, senken; drängen, sprengen.

Wie leicht die beiden Laute å und e in einander übergehen, ergiebt

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