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Ferrucci, grossartigen Gestalten, die sich einsam über die allgemeine Corruption erheben, als vielmehr im Guicciardini, der dieselben Ideen und Wünsche hegt, aber nicht an ihre Realisirung denkt. Andres ist wissen und Andres thun, sagt er, und Gott ist einzig und allein der Privatvortheil, dem sich alle übrigen Interessen und Ziele unterordnen. Andrerseits bezeichnen der Humorismus Folengo's und der Cynismus des Pietro Aretino die letzte Entwicklung des komisch-negativen Elementes in der Literatur.

Das tridentinische Conzil vermochte nicht, den Glauben herzustellen; anstatt, wie die Reformation in Deutschland, der Vernunft ihr Recht einzuräumen, verharrten die Dogmen in ihrer Starrheit und Unuinstösslichkeit; die Hierarchie wurde nur noch absoluter. Die Folge war Religiosität in den Worten, Heuchelei und Falschheit in den Sitten, im öffentlichen und privaten Leben. Gegen die Fremdherrschaft wurde man gleichgiltig; das Gefühl der Nationalität, das sich anderswo kräftig entwickelte, verstummte in Italien; ja man war eitel auf einen falschen Kosmopolitismus. Auch das Gefühl der Kunst und Poesie ging verloren, und es blieb nur ein prosaischer Begriff von mechanischer Vollendung, Regelmässigkeit und Correktheit übrig. Das Italienische ward wie eine todte Sprache bearbeitet und fixirt, der Styl auf eine vorzüglich dem Petrarca und Boccaccio entlehnte Phraseologie reduzirt; man beschäftigte sich fast nur noch mit den äusserlichen Eigenschaften der Worte. So konnte dem Tasso nicht gelingen, was er erstrebte, ein Epos auf ernster, religiös historischer Grundlage, in einer Zeit, die allen Ernstes und aller Würde entbehrte. Aber da er wirklich Dichter war, fand er das, was seine Zeit noch Lebensfähiges enthielt; eine lyrische, subjektive, musikalische Welt, die Elegie und das Idyll, Ausdruck eines Volkes, das in seiner Dekadenz zum Weiblichen hinneigt, nervös und sentimental geworden ist (p. 212 und 217).

Das 17. Jahrhundert hat man als das Zeitalter der Corruption bezeichnet; es ist vielmehr lediglich die Fortsetzung und Folge der vorhergehenden Dekadenz. Anstatt der Restauration der Religion bringt die gewaltsame Unterdrückung des geistigen Fortschrittes eine ungläubige, sinnliche, gleichgiltige

Gesellschaft hervor, rhetorisch in den Formen, abgeschmackt im Wesen (p. 271). Italien war von da ab aus der europäischen Bewegung und der modernen Welt ausgeschlossen, und glich mehr einem Museum als einer lebendigen menschlichen Gesellschaft (p. 251). Die Poesie wird vollends akademisches und literarisches Handwerk. Es ist die Zeit der tausend Akademieen, die Zeit der Arkadia, der süsslich abgeschmackten Darstellung des Schäferlebens als des goldenen Zeitalters. Alles dreht sich um die Phrase, den gesuchten, preziösen Ausdruck, funkelnden Bilderreichthum und Concettismus; der glänzendste Repräsentant dieses Seicentistenstyles ist Marini. Das Wort erhält Werth an sich ohne Rücksicht auf den Inhalt, nur als Melodie, und immer bedeutender wird das zuerst beim Petrarca erschienene und dann bis zum Tasso mehr und mehr entwickelte rein musikalische Element der Poesie, bis endlich die ganz saftlos gewordene Literatur in der Musik erstirbt, und das Melodrama und musikalische Drama allein das Feld behaupten. Zum letzten Male erscheint die Poesie im Metastasio, dessen Werth gerade darin beruht, dass er das vollendete Bild der zeitgenössischen Gesellschaft gezeichnet, einer Gesellschaft, „die sich ihrer Auflösung nahte, deren Institutionen noch heroisch und feudal waren, eine Materie leer von dem Geiste, der sie einst beseelte, und die unter jenem heroischen Anschein schläfrig, gedankenlos, verweichlicht, idyllisch, elegisch und plebejisch war" (p. 400). So spiegelt sie sich in seinen an der Oberfläche tragisch-heroischen, im Wesen idyllisch-komischen Dramen. Den Nachfolgern schienen seine Melodien noch nicht musikalisch genug, und das Wort gerieth ganz unter die Herrschaft des Tones.

Aber schon von Macchiavelli an hatte eine entgegengesetzte Strömung begonnen, die wissenschaftliche Erforschung des Realen, der Natur und des Menschen, befreit von allen Schranken der Autorität und des Glaubens. Gott wird nicht mehr ausser der Natur, er wird in ihr, in uns selber gesucht, und die Wissenschaft wird der neue Glaube, der die gewaltigen Bekämpfer des Geisteszwanges, die Märtyrer des modernen Gedankens hervorbringt, einen Bruno, einen Campanella, einen Galilei, einen Sarpi. Die grosse geistige Bewegung Europa's, die Reformen des Car

tesius und Locke finden anfangs schwachen Nachhall in Italien; aber Vico, der sich ihnen entgegensetzt, hat sie doch unbewusst in sich aufgenommen und schreitet über sie hinaus mit seinem die spätere deutsche Philosophie vorbereitenden Gedanken der Entwicklung des Geistes und der Wahrheit, der Philosophie der Geschichte. Im 18. Jahrhundert dringen die belebenden Gedanken aus den höheren Sphären der Wissenschaft in das reale Leben, vermittelt durch die popularisirenden französischen Philosophen. Es beginnt der Kampf gegen das Kirchenregiment, zuerst zu Gunsten der absoluten Monarchie, dann die liberalen Reformen unter der Aegide freisinniger Fürsten. Im Schoosse der alten verdorbenen Gesellschaft beginnt die neue sich zu formen. Das Amt des Schriftstellers wird zum Apostelthum die Verkündigung der Wahrheit in Orakelform, mit der Wärme des Glaubens. „Es ist eine neue Religion. Gott kehrt zwischen die Menschen zurück. Das moralische Bewusstsein stellt sich her. Der innere Mensch wird wiedergeboren. Und die Literatur wird wiedergeboren. Die neue Wissenschaft ist schon nicht mehr Wissenschaft; sie ist Literatur" (p. 380).

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Man wendet sich von der bisherigen literarischen, arka dischen, leeren, klassischen Form ab, verlangt Dinge und nicht Worte. Die Literatur, die ein Zeitvertreib der Imagination gewesen, ohne allen Ernst des Gehaltes, und die zum blossen Phrasenspiel geworden, sollte einen Gehalt bekommen, der direkte und natürliche Ausdruck des Gedankens und Gefühls, des Geistes und Herzens sein" (p. 406). Zum ersten Male zeigt sich die neue Literatur in der Komödie Goldoni's, wo sie sich als eine Restauration des Wahren und Natürlichen ankündigt. Aber er und die Ueberzahl seiner Zeitgenossen hatten nur erst die Ideen erneuert; der Intellekt war reformirt; der Mensch war noch der alte; sie bekämpften die Arkadia, und waren doch grossentheils selbst Arkader. Nicht so Parini. In ihm gewinnt die Poesie wirklich wieder ihre alte Bedeutung und wird die Stimme der inneren Welt, welche nicht Poesie ist, wo nicht moralisches Bewusstsein ist, der Glaube an eine religiöse, politische, moralische Welt. Deshalb ist Basis des Dichters der Mensch" (p. 430). Und dieser neue Gehalt drückt

sich aus in der ironischen Darstellung der zerfallenden alten Gesellschaft, der er sich gegenüberstellt.

Der Gegensatz und Kampf gegen diese verdorbene Gesellschaft, gegen ihre Leerheit, Verweichlichung und Sklaverei einerseits und andererseits gegen die politische und religiöse Tyrannei wird in Alfieri zur Uebertreibung, einer in jener Zeit nothwendigen und wohlthätigen Uebertreibung, die aber der Kunst als solcher Abbruch thut. War früher die Form Alles, so überfluthet jezt der Inhalt die Form. Der politische und moralische Gehalt ist nicht bloss Stachel, blosse Veranlassung zur künstlerischen Formation, er wird zum Wesen derselben. Die politische Leidenschaft ist zu heftig, um es zu ruhigem Schaffen kommen zu lassen; sie gebraucht die Poesie als blosses Werkzeug, als Mittel, die Geister zu entflammen.

Man wendete sich in schroffer Feindseligkeit gegen die Vergangenheit; die französische Revolution beseitigte in gewaltsamem Ausbruche die letzten Reste des Mittelalters. Dagegen erhob sich eine Reaktion, sichtbar schon in Foscolo's Sepolcri, wo gegen die starre abstrakte Negation das weichere Gefühl der Humanität anklingt, die Ueberzeugungen der Menschheit wenn auch nur als süsse und segensreiche Illusionen in Schutz genommen werden. Es folgte die romantische Schule, Manzoni, Pellico, Grossi, Conti und andere. Die Uebertreibung der Revolution hatte sich in klassisches Gewand gekleidet; die Reaktion flüchtet sich ins Mittelalter. Aber die alten Ideen werden nicht einfach reproduzirt; sie sind umgeformt unter dem Einflusse der neuen; die Reaktion wird zur Versöhnung der feindseligen Prinzipien; die religiös gläubigen Romantiker sind nicht weniger liberal als ihre klassischen Vorgänger, und der italienische Romantizismus, frei von aller Uebertreibung, beginnt sich in eine moderne Nationalliteratur zu verwandeln. Bald dienen die Stoffe der Vergangenheit nur noch zum Vorwande und zur Hülle der neuen politischen Bestrebungen und Hoffnungen, und Niemand verkennt die wahre Absicht des Arnoldo da Brescia, des Ettore Fieramosca, des Assedio di Firenze. In Berchet endlich befreit sich die politische Poesie von jeglicher, romantischen und klassischen, Hülle.

Archiv f. n. Sprachen. LIV.

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Als Resultat blieb die Versöhnung mit der Vergangenheit, die Ueberzeugung, dass man das Werk der Jahrhunderte nicht im Momente zerstören könne. Die neue idealistische Philosophie zeigte die Wahrheit in ihrer Entwicklung, verwarf die brutalen Ausbrüche der Revolution. Man vertraute auf den natürlichen, geschichtlichen Fortschritt der Menschheit, und erwartete ihn, wie im vorhergehenden Jahrhundert, von aufgeklärten Fürsten, von allmählicher Modifikation der bestehenden Institutionen. Das ist der Gedanke von Gioberti's Primato. Aber diese versöhnliche Halbheit führte zur Heuchelei, zur allgemeinen Maskerade; die Situation wird komisch und findet ihre Geissel in der Poesie Giuseppe Giusti's.

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Giacomo Leopardi bezeichnet den Schluss dieser Periode. Die Metaphysik, im Kampfe mit der Theologie, hatte sich in diesem Versuche der Aussöhnung erschöpft. Die Vielfältigkeit der Systeme hatte der Wissenschaft selbst den Credit geraubt. Es erhob sich ein neuer Skeptizismus, der nicht allein die Religion und das Uebernatürliche traf, sondern die Vernunft selbst" (p. 489). Leopardi's Skeptizismus kündigt die Auflösung der theologisch-metaphysischen Welt an und das beginnende Reich der dürren Wahrheit, des Realen. Er erforscht die eigene Brust." Tugend, Freiheit, Liebe, alle Ideale der Religion, Wissenschaft und Poesie werden vor seiner Vernunft zu Illusionen und Schatten; aber dennoch erwärmen sie ihm das Herz und wollen nicht sterben. Das Verharren der moralischen Welt trotz des Hinsinkens der metaphysischen giebt seinem Skeptizismus eine religiöse Färbung; er enthält schon den Keim einer neuen Entwicklung.

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Das Werkzeug der Erneuerung ist die Kritik. Der Sinn des Realen erstarkt mehr und mehr und vernichtet die idealen systematischen Construktionen der Philosophie. Es beginnt

von Neuem die geduldige Arbeit der Analyse, und an die Stelle der umfassenden Systeme treten die positiven Stücken. „, Italien, gezwungen, ein Jahrhundert lang zu kämpfen, um seine Unabhängigkeit und seine liberalen Institutionen zu erobern, und in einem zu einförmigen und allgemeinen Kreise von Ideen und Gefühlen geblieben, der sich den politischen Zwecken unterordnete, sieht jetzt das ganze theologisch - metaphysisch - politische

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